Ich fühle was, was du nicht fühlst

51JKnbT1wXL._SX329_BO1,204,203,200_Irgendwo in einer süddeutschen Stadt in den Siebzigern. India 13 Jahre alt, mathematisch begabt und von ihrer Umwelt eher bestaunt als geliebt, lebt in einer freigeistigen Familie. Ihre Mutter gibt Seminare für Sinnsuchende und ihr Vater ist freischaffender Künstler. Ihr Bruder Che steckt mitten in der Pubertät und kämpft verzweifelt um ein Stückchen Normalität. Entsprechend frei und ohne Zwänge wachsen die beiden Kinder in dieser Familie auf. Indias Freundin Bettina ist das genaue Gegenteil und lebt in einer gutbürgerlichen, in Konventionen verhafteten Familie direkt nebenan. Wenn Indias Emotionen in Schieflage geraten, rechnet sie auf Teufel komm heraus oder baut sich imaginäre klare Strukturen aus Gegenständen ihrer Umwelt auf. Dass mit ihr etwas nicht stimmt, hat sie längst erkannt, aber noch klarer hat sie erkannt, dass mit der Welt um sie herum auch vieles nicht stimmt. Einzig Christian, Bettinas Vater, erkennt ihre Hochbegagung und erteilt ihr kostenlosen Klavierunterricht. Zum ersten Mal in ihrem jungen Leben fühlt sie sich verstanden, erkannt, akzeptiert und sie lebt auf. Bis ein Augenblick wie ein Wimpernschlag alles zerstört.

Amelie Fried taucht tief ein in die Psyche einer 13-jährigen Schülerin und lässt den Leser an ihren Gedanken teilhaben. Mit Vergnügen liest man, wie sie die Welt um sich herum seziert und ihre Mitbürger in ihre Einzeteile zerlegt. Der Erzählstil passt sich nicht der Jugendsprache an, sondern klingt, als würde die Protagonistin heute als Erwachsene erzählen, was ihr als Kind widerfuhr. Ein lockerer Plauderton, der durchaus erkennen lässt, in welchen Konflikten sich India befindet. Genau das bereitet sehr viel Lesevergüngen und unterscheidet diesen Roman von einem Kinderbuch. Als Leser möchte man dieses Mädchen herausholen aus dieser schrecklichen Familie, erst recht, als auch innerhalb dieses ohnehin wackeligen und wenig Halt gebenden Gebildes Konflikte enstehen. Man möchte dieses  Mädchen in seine Küche setzen, ihr einen Riesenteller Nudeln hinstellen und sie beschützen. Nötig ist das nicht, denn die Autorin schafft immer wieder Momente, in denen man erkennt, dass India klar kommt mit ihrer Situation. Während des Lesens tauchen Bilder auf, Lebensmittel (Fruchtschnitten!), Zeitschriften, Musiker und das Lebensgefühl aus den Siebzigern. Ein wissendes Nicken während des Lesens konnte nicht unterdrückt werden.
Wie sich die Geschichte dieses Mädchens entwickelt und wie sie sehr erwachsene Entscheidungen trifft, um voranzukommen, hat Amelie Fried wunderbar unterhaltsam aufgedröselt, sodass ein Ende dieser Geschichte viel zu schnell kommt. Trotzdem atmet man als Leser auf und freut sich mit India und ihrem Bruder, dass jedes Chaos irgendwann in eine Form passt. Zuversichtlich, dass aus India und ihrem Bruder Che zufriedene und lebenstüchtige Erwachsene werden, lässt die Autorin den Leser zurück.

Wunderbar.

 


Illustrated by Heyne München

Die Kunst, Elch-Urin frisch zu halten

ElchurinTim und Bullwinkel haben einfach kein Glück bei Frauen – und sie hatten noch niemals Sex. Auf einer Party begegnen sie zwei Stewardessen, die sich für exotische Drogen interessieren. Und für Männer, die den Stoff anbieten. Die beste Droge der Welt, so finden die Jungmänner heraus, ist Urin von einem Elch, der psychogene Pilze gefressen hat. In der Hoffnung, mittels dieses Zaubersaftes endlich zum ersehnten Sex zu kommen, fliegen Tim und Bullwinkel nach Finnland, um auf eine Elchjagd der besonderen Art zu gehen. Aber wie so vieles im Leben der beiden verläuft nichts wie geplant …

Tim und Bullwinkel sind zusammen zur Schule gegangen, waren aber nie eng befreundet und haben sich dann aus den Augen verloren. Jetzt sind beide 25 Jahre alt und ziemlich frustriert denn beide hatten noch nie eine Freundin und was noch viel schlimmer ist, auch noch nie Sex! Tim und Bullwinkel treffen sich zufällig wieder als Bullwinkel in der Patsche steckt und spontan von Tim aus einer brenzligen Situation gerettet wird…! Sie verbringen den Abend gemeinsam, ziehen um die Häuser und finden recht schnell heraus dass sich beide in derselben, miesen Situation befinden, nämlich der mit Mitte 25 noch jungfräulich zu sein…!

Auf einer Party treffen Sie auf zwei Stewardessen die voll und ganz dem bevorzugten Frauenbild der beiden entsprechen. Sie beschließen sich gegenseitig bei diesem Vorhaben zu unterstützen denn mit der verhassten Jungfräulichkeit soll jetzt endlich Schluss sein und das erste Mal soll unbedingt mit diesen heißen Mädels stattfinden…!

Die beiden Mädels sind aber nicht wirklich angetan von den Jungs und somit greift Bullwinkel zu einem Trick. Er verspricht den beiden den Trip ihres Lebens mit einer sehr exotischen Droge denn auf Drogen fahren die Mädels voll ab…! Dummerweise haben die Jungs von exotischen Drogen keine Ahnung und somit durchforschen sie das Internet. Sie stoßen auf eine Droge der ganz besonderen Art die in Finnland konsumiert wird, nämlich dem Urin eines Elches der zuvor für den Menschen eigentlich giftige Pilze gefressen hat…! Die Jungs verabreden mit den Mädels ein Treffen in der darauffolgenden Woche und schon am nächsten Tag sitzen Tim und Bullwinkel im Flugzeug Richtung Finnland…!

Ich weiß gar nicht wie ich anfangen soll dieses total bekloppte Buch beschreiben! Die beiden Protagonisten Tim und Bullwinkel sind wirklich eine Marke für sich. Während Tim eigentlich ein recht harmloser, eher unscheinbarer, frustrierter und eher schüchterner jungen Mann ist, ist Bullwinkel eine Marke für sich. Er fällt schon allein durch seinen ausgefallenen Kleidungsstil und seine permanente Dauergeilheit auf. Er redet fast pausenlos nur über Sex und hat so manch skurilen Trick erfunden um seiner Dauergeilheit zumindest Abhilfe zu verschaffen! Man kann nur mit dem Kopf schütteln und die Erfahrungsberichte der beiden Jungs über Ihre sexuellen Misserfolge sind einfach zum Schreien! Ich musste soooo oft schmunzeln und teilweise auch laut lachen…! Ihre Weltanschauungen und Redewendungen sind einfach grandios!

Als ich das Buch zur Hälfte durch hatte, fragte mich eine Freundin ob es noch immer so gut und lustig ist und ich antwortete ihr „Das Buch erinnert mich an das Dschungelcamp. Es ist so bekloppt aber auch so unterhaltsam dass man zwar teilweise das Gefühl hat Gehirnmasse zu verlieren aber man kann einfach nicht aufhören zu lesen weil man unbedingt wissen will was noch so alles kommt“! Dann sagte ich ihr noch „Ich glaube aber dass ich, wie beim Dschungelcamp, doch froh sein werde wenn ich es durch habe und der Spuk dann trotz hohem Unterhaltungswert dann doch vorbei ist“! Diese zweite Aussage muss ich jetzt zurücknehmen denn ich finde es jetzt richtig schade dass ich es schon ausgelesen habe…! Es ist eine absolut durchgeknallte Geschichte (roadtrip) denn selbstverständlich geht in Finnland so einiges schief und Tim und Bullwinken bringen sich selbst immer wieder in die kuriosesten und verfahrensten Situationen…!

Der Autor hat so viel Liebe und Detailgenauigkeit in diese beiden Figuren und die komplette Geschichte gelegt, dass man irgendwann richtig tief in der Geschichte steckt und selbst das Gefühl hat mit den beiden Jungs auf diesem verrückten roadtrip zu sein!

Man freundet sich irgendwann quasi mit diesen Jungs an und akzeptiert einfach ihre reichlich schräge, völlig unkonventionelle und durchgeknallte Art. Während man relativ schnell erkennt dass in Tim eigentlich ein ganz normaler junger Mann steckt, muss man sich hinterher auch eingestehen dass selbst Bullwinkel keinesfalls so ein oberflächlicher Geist ist der nur Sex im Kopf hat sondern durchaus ein echt guter Kerl ist der mehr Tiefgang und Werte hat als man ihm zutraut…!

Und auch die Jungs erkennen während ihrer zahllosen, kuriosen Abendteuer, dass sie im anderen einen wahren Freund gefunden haben denn was eigentlich als Zweckgemeinschaft begann, wird bald zu einer tiefen Freundschaft…!

Selbstverständlich darf man kein literarisches Meisterwerk erwarten, sondern man bekommt eine völlig durchgeknallte aber sau-coole Geschichte bei der ich mich oft gefragt habe wie er Auto nur auf solch verrückte Ideen gekommen ist und ob er wohlmöglich selbst diesen Elchurin probiert haben könnte…! 😉

Man bekommt ein locker-leichtes Buch, bei dem man einfach nur viel Spaß haben kann wenn man sich darauf einlässt und das einen mit seinem letztendlichen Tiefgang noch ziemlich überrascht!

Wirklich ganz großes Kino, ich kann dieses Buch sehr empfehlen, es hat mir super gefallen und ich könnte noch lange weiter schwärmen…!

Rochus Hahn ist 54 Jahre alt und lebt mit seiner Frau und zwei Kindern in Frankfurt / Main. Seit über dreißig Jahren arbeitet er als Drehbuchautor. Seine bekanntesten Arbeiten sind “Das Wunder von Bern”, “Sketchup”, “Der Geschmack von Apfelkernen”, „Tatort” und “Warum Männer nicht zuhören und Frauen schlecht einparken”. „Die Kunst, Elch-Urin frisch zu halten“ ist sein erster Roman.

 


Genre: Roman
Illustrated by Goldmann München

Die Drehtür

Ein Augenblick des Verharrens auf einem Flughafen wird zum Blick zurück. Eine Krankenschwester kehrt nach ihrem letzten Auslandseinsatz aus Lateinamerika heim nach Deutschland. Aber es ist eigentlich keine Heimkehr, sondern eine Strandung. Ihre letzten Kollegen in einer Klinik in Nicaragua haben ihre fehlende Eignung für die dortigen Anforderungen erkannt und Geld für das Rückflugticket gesammelt. Inspiriert vom Vielerlei der dem Ab- und Anschlussflug harrenden Menschen und Gesichter lässt sie ihr eigenes Berufsleben in fernen Landen und  Kulturen noch einmal Revue passieren. Dabei schöpft sie aus viel Selbst- aber auch aus Fremderlebten, indem sie Erinnerungen derer mit ein flechtet, die ihr in all den Höhen und Tiefen, die dieser Beruf ganz besonders im Ausland nun einmal mit sich bringt, begegnet sind. Und führwahr, als Krankenschwester gibt es in der großen weiten Welt viel zu erleben, sei es nun die Frauen verachtende Kastenkultur in Indien, jener kräftige Grauschleier der nur noch wenig Lust auf sonstige spirituelle Erleuchtungen übrig lässt, oder auf den Pfaden von Che Guevara und Guerilla-Ikone Tamara Bunke im bolivianischen Dschungel. Dazwischen eingestreut sind private Reisehumoresken und ihre Auswirkungen auf die Paardynamik im Endstadium.

Das Ganze ist gut geschrieben, mit einem wachen Blick für die großen und kleinen Dramen der Unwägbarkeit des Lebens. Gerade ihr Sarkasmus, der zudem von originellen Bildern gut unterstützt wird, schafft über die Ehrlichkeit die Empathie. Alle, sogar bis hin zur jammernden Katze vor der Appartement-Tür im Ferienparadies bekommen den ihnen gebührenden Anteil davon ab.

Indes ahnt man während der Lektüre zunehmend weniger, worauf das Ganze hinaus laufen soll und auch nach dem Schluss bleibt Ratlosigkeit zurück, denn zu sehr stehen die Geschichten in ihrer Episodenhaftigkeit im Vordergrund und damit für sich alleine da. Sie weisen keinen tieferen Zusammenhang auf, als von ein und derselben Person zum Besten gegeben zu werden. Sie entfalten im Verhältnis zueinander keine Wechselwirkung und münden auch in keinem erkennbaren Entwicklungsstrang ein. Das Ende besteht in der Vorenthaltung von Weiterem. Es ist  eine Begrenzung der Erzählmenge aber kein erzählerischer Abschluss. So gesehen ist das Werk von vornherein dazu verurteilt, nicht mehr sein zu können als die Summe der erzählten Teile, aber die sind durchweg lesenswert und gut.

 

 


Genre: Erzählungen
Illustrated by Kiepenheuer & Witsch Köln

Alles muss versteckt sein

VerstecktSteckt in jedem Menschen ein Mörder? In Gedanken hat Marie schon erschlagen, erwürgt, zerstückelt. Die furchtbar realen Gewaltfantasien kommen ohne Vorwarnung und machen ihr unaussprechliche Angst. Doch denken heißt nicht tun. Glaubt Marie. Bis ein grausamer Mord geschieht, der genau dem Horror-Drehbuch ihres Kopfes entsprungen zu sein scheint. Alle halten Marie für eine Mörderin. Auch sie selbst. Sie wird verurteilt, eingewiesen, weggesperrt. Ein junger Arzt hilft ihr dabei, die Wochen vor der Mordnacht zu rekonstruieren, und in Marie wachsen die Zweifel. Ist die Wahrheit noch viel furchtbarerals ihre Fantasie?

Marie ist Mitte 30 und hatte ein tolles Leben. Sie liebte Ihre Arbeit im Kindergarten, hatte einen tollen, erfolgreichen Mann und eine süße Tochter. Doch dann passiert ein tragischer Unfall und Maries kleine, 6 jährige Tochter kommt bei einem Autounfall ums Leben!

Maries Welt bricht zusammen, sie kommt mit dem Verlust nicht klar und schließlich zerbricht auch Ihre Ehe daran! Nach Monaten voller Trauer und Verzweiflung fasst Marie zumindest etwas neuen Lebensmut und nimmt Ihre Arbeit im Kindergarten wieder auf. Nach kurzer Zeit muss sie den Kindergarten aber Fluchtartig verlassen denn in Maries Kopf entstehen entsetzliche Bilder! Sie stellt sich vor wie sie den Kindern etwas antut, sie würgt oder mit einer Glasflasche niederschlägt…!

Marie lässt sich krankschreiben, traut sich aber nicht ihrem Hausarzt den wahren Grund zu erzählen! Nach und nach werden diese Gedanken immer schlimmer und häufiger und beziehen sich auch nicht nur auf Kindern sondern auf so gut wie alle Menschen! Marie verlässt kaum noch die Wohnung und will sich Hilfe besorgen aber die Wartelisten sind überall lang und auf einen Termin in einer psychiatrischen Praxis kann sie erst in frühestens 6 Monaten hoffen…!

Sie fängt an im Internet zu recherchieren und stößt dabei auf ein Forum für Leute mit Zwangserkrankungen in dem sich auch andere Leute mit zwanghaften Gewaltgedanken Hilfe versprechen! Dort lernt Sie eine Frau kennen die auch unter Gewaltphantasien leidet und die Marie nützliche Tipps geben kann um Ihre Gedanken zumindest etwas unter Kontrolle zu halten…!

Diese Tipps helfen Marie wirklich weiter und nach und nach traut sie sich auch wieder unter Leute. Sie lernt sogar einen neuen Mann kennen, verliebt sich und geht eine Beziehung mit ihm ein. Alles läuft gut, bis dieser Mann eines Morgens tot neben ihr im Bett liegt, über und über mit Blut beschmiert und sich in Maries Hand ein blutiges Küchenmesser befindet…!

Die Geschichte beginnt damit dass Marie in der Forensik sitzt und sich fragt wie das alles nur so weit kommen konnte! Ausführlich wird Ihr Leben in der Forensik geschildert, was ich wirklich sehr interessant fand! Marie erzählt Ihrem Psychologen nach und nach Ihre komplette Geschichte und ein Großteil des Buches wird daher in der Ich-Erzählperspektive erzählt, was ich sehr mag!

Die Geschichte ist sehr interessant, spannend, traurig und verstörend, man kann sich sehr gut in Marie hineinversetzen und baut eine richtige Beziehung zu ihr auf! Wer jetzt denkt dass ich schon zu viel gespoilert habe dem möge gesagt sein, dass all diese Sachen schon sehr schnell erwähnt werden, schließlich denkt Marie viel nach und schildert ihrem Psychiater auch ihre Geschichte…!

Nach einer Weile ahnt man schon dass es noch etwas geben wird womit man nicht rechnet und man fragt sich auch unweigerlich ob Marie die Tat vielleicht doch nicht begangen hat sondern etwas anderes dahinter stecken könnte…! Irgendwann bekommt man auch eine genauere Ahnung, die sich aber nur teilweise bestätigt und dann kommt eine Wendung mit der man absolut nicht gerechnet hat…!

Mit hat das Buch unglaublich gut gefallen, es hat mich sehr gefesselt und ich konnte es kaum mehr aus der Hand legen!

Trotz des grausamen Themas ist es nicht besonders blutig und kann eigentlich von Jedem gelesen werden! Natürlich muss man aber schon auf solche Geschichten stehen…!

Ich kann das Buch sehr empfehlen, es ist wirklich Klasse!

Wiebke Lorenz ist in Düsseldorf geboren und aufgewachsen. Sie studierte in Trier Germanistik, Anglistik und Medienwissenschaft und lebt heute in Hamburg. Ihre Psychothriller „Allerliebste Schwester“, „Alles muss versteckt sein“ und „Bald ruhest du auch“ sind sehr erfolgreich. Mit ihrer Schwester Frauke Scheunemann schreibt sie unter dem Pseudonym Anne Hertz Bestseller mit Millionenauflage. Außerdem veröffentlicht sie unter den Pseudonymen Jana Sonntag, Lena Gold und Charlotte Lucas. Neben ihrer Tätigkeit als Schriftstellerin arbeitet sie als Journalistin und Drehbuchautorin.


Genre: Psychothriller
Illustrated by Diana Verlag

Die Wahrheit sagen

Leben und Lieben in Zeiten des Krieges

formánek_mluviti-pravdu_coverJosef Formáneks zweiter Roman. In einer Straßenbahn auf die Welt gerutscht wurde der kleine Bernhard Mares von seiner Mutter bald weggegeben und seinem Schicksal überlassen. Mehr aus Zufall denn Überzeugung landet der „Sudetendeutsche“ bei der Waffen-SS und ist dort zwar nur der Fahrer, aber dennoch auf der Seite der Gewinner. Vorläufig. Als Kind hatten ihn seine tschechischen Klassenkameraden immer gehänselt, weil er der Deutsche war, als Erwachsener merkt er, dass er vielmehr Österreicher ist oder eigentlich sogar Tscheche. Und beinahe am Ende seines Lebens, auf der Suche nach seiner verschollenen Mutter in Caracas, findet er heraus, dass er eigentlich Jude ist. Sein ganzes Leben erzählt Mares – in einer Art Lebensbeichte – dem Schriftsteller Josef Formánek, der sich mit diesem auch im Buch im Dialog befindet. Selbst gezeichnet von seiner Alkoholsucht und dem gleichzeitigen Ekel und der Faszination an seiner Figur gelingt es Formánek ein wahrhaftiges Porträt eines Menschen zu zeichnen, das ehrlicher nicht sein könnte. Nicht umsonst lautet der Titel ja: „Die Wahrheit sagen“.

Wahre Liebe wartet

Der vielschichtige zweite Roman des tschechischen Schriftstellers, der gleichzeitig auch einen Verlag gegründet hat, um die Literatur seines Landes in der Welt besser bekannt zu machen, beginnt auf einer Müllhalde wo der Journalist dem Protagonisten begegnet. Der eine will eine Geschichte, der andere seine Sophie zurück. Die Liebschaft aus den Tagen bei der SS ist eigentlich auch der rote Faden dieses Lebens, denn eine wirkliche wahrhaft große Liebe kann einem tatsächlich das Leben retten. So geschehen im Falle Bernhard Mares, der zwanzig Jahre seines Lebens im Gefängnis verbrachte um dann als „letzter deutscher Soldat des Zweiten Weltkriegs aus der Gefangenschaft entlassen zu werden“. Das war erst 1969, das Jahr in dem Josef Formánek gerade seinen ersten Schrei in die Welt abgab. Denn obwohl es Mares nach dem Krieg bis zum kommunistischen Kreissekretär gebracht hatte, holte ihn doch die Vergangenheit ein. Eine seiner Liebschaften hatte ausgeplaudert, dass er früher einmal bei der SS war. Aber die große Liebe, Sophie, die trifft er immer wieder, wegen ihr bricht er sogar dreimal aus dem Gefängnis aus, nur um sie wieder zu “im Heustadel zu lieben” wie einst. Die Liebe ist aber genauso unmöglich wie sein Leben und am Ende, bei der letzten Begegnung in einem Prager Café muss wohl auch er einsehen, dass er sich getäuscht hat. Oder doch nicht? “Warum?” frägt er sie zuletzt noch, ihre Antwort: “weil es sonst ewig so weitergegangen wäre”. Lesen Sie es selbst wie Mares rückwärts: “remmi rüf”.

Einsiedlerkrebs auf Quartiersuche

Die Sprache des Romans erinnert an Bukowski, Céline, Kafka und zuletzt auch Hrabal, denn sie ist geradlinig, ehrlich und nimmt sich kein Blatt vor den Mund. Stilistisch ist es als Dialog konzipiert, der immer wieder von lateinischen Zitaten und Sinnsprüchen unterbrochen wird. Der aufmerksame Leser wird auch bemerken, woher diese Sprüche stammen, wie sie den Krieg überlebten und wo er sie sich hinstecken kann. Die Reflektionen Formáneks, seine Gedanken über den Sinn des Lebens, die Liebe und den Tod, die er Mares in den Mund legt, sind prätentiös und wahrhaftig und reißen einen tatsächlich vom Hocker, etwa wenn er die Geschichte des Einsiedlerkrebses in seinem Kleiderkasten erzählt, der sich immer wieder größere Behausungen sucht, aber letztlich in seinem Schrank vertrocknet, weil er nichts größeres mehr findet. „Zum anderen, weil im Dunkel, in der Einsamkeit hinter dem Schrank, nicht nur Einsiedler sterben“, schreibt Formánek nicht ganz ohne Selbstmitleid. Immer wieder betont er auch, dass wir selbst die Meister unseres Schicksals wären und uns unser Leben ja auch selbst aussuchten, wie es auch in der psychologischen Richtung des Konstruktivismus heißt. „Nur in der Gegenwart, im einzelnen Augenblick kann man die Zukunft finden.“, alle Fragen nach dem Sinn seien aber sinnlos. Am Ende vergisst Josef Formánek auch nicht darauf eine von vielen Pointen einzubauen, denn als Mares von dem Buch erzählt in dem ein Computer die Wahrheit über den Sinn des Lebens errechnet und ihn dann ausspuckt lautet die Antwort im Gegensatz zum Original nicht „42“, sondern „48“, das Jahr in dem die Kommunisten die Tschechoslowakei für sich reklamierten.

Ein tiefsinniger Roman, den man gelesen haben muss, da er in seiner Vielschichtigkeit und Ehrlichkeit mindestens so viel über den Sinn des Lebens vermittelt, wie die lateinischen Zitate, die der Autor so gerne verwendet: Victrix fortunae sapientia (Siegerin über das Schicksal ist die Weisheit).

Josef Formánek
Die Wahrheit sagen. Brutaler Roman über die Liebe zum Leben.
Gekko Verlag
480 Seiten
ISBN-13: 978-8090635401
23 Euro


Genre: Biographien, Briefe, Dokumentation, Dystopie, Erinnerungen, Liebesroman, Memoiren, Politische Romane
Illustrated by Gekko

Alles schick in Kreuzberg?

Alles schick in Berlin? Wer Berlin liebt, wird gerne mit dem Verleger und Autor Klaus Bittermann durch sein Viertel Kreuzberg flanieren, das unlängst mit dem Ost-Bezirk Friedrichshain zu einer Verwaltungszone vereint wurde. So soll Ost und West zusammenwachsen und (wieder)vereinen was einst getrennt. Dass das aber nicht unbedingt immer friktionslos geschehen muss, erzählt Bittermann in kurzen Episoden aus seinem Alltagsleben, in denen der passionierte Flaneur sich inbesondere mit Touristen, Pennern und Gentrifizierten auseinandersetzt. Bittermann, der seit 1981 in Berlin lebt, kennt seine Wahlheimat und ihre Sprache, die ist oft abrupt und wirkt sehr aggressiv, aber die Berliner meinen das dann ja alles gar nicht so. Es geht eigentlich mehr darum, das Terrain abzustecken und abzuchecken wie der andere so drauf ist. Das mag für Uneingeweihte etwas ruppig wirken, für andere aber sehr witzig, mitunter auch unabsichtlich. Vielleicht ist es dem Autor ja damals auch so gegangen, als er von Kulmbach in die geteilte Stadt zog.Bittermann-SchickinKreuzberg

“Ich schwör! Echt ma’…“

Es bärlinert. Nicht nur Harry Rowohlt (Pu, der Bär) beherrscht das Idiom bei der Live-Lesung dieses Buches, das gleichzeitig auch auf CD beim selben Verlag erschienen ist. Man hört aber auch die Stimme des Autors, die beiden wechseln sich mit einigen Kalauern ab und das Publikum lauscht aufmerksam. Besonders unterhaltsam sind natürlich die Passagen, wo sich das typisch Berlinerische mit anderen Idiomen mischt, etwa wenn ein Zuwanderer von einem Baseballschlägertypen verfolgt wird und ruft: „Ich schwör! Echt ma, frag die Leute da.“ Die versammelten Polizisten – wohl bei einer 1.Mai Demo – stehen aber mit ihren Sprüchen keineswegs im sozialen Abseits. „Niemand fickt hier jemanden“ heißt der titelgebende Satz dieser Episode aus Bittermann’s Berliner Leben zwischen Absturz und Chaos. Das neueste sind nun aber keine 1.Mai-Demos mehr, sondern Flashmobs anstelle von Solidaritätskundgebungen. „Capulcu 36“ heißt es hier auf einem T-Shirt, so hat Erdogan regimekritische Demonstranten genannt und es bedeutet Marodeur. Das „36“ steht für das Viertel in dem sich das alles ereignet, der alte Postleitbezirk um das Kottbusser Tor und die verschriene Oranienstraße (nicht Oranienburger!) sind das politische Zentrum Berlins, damals, als es noch politisch war. „Aber seitdem hier ständig deeskaliert wird, kann man nicht mal mehr was Illegales machen“, beklagt sich der Flaneur ironisch provokant.

Lese- und Hörspaß

Alte FraKLAUS2uen mit Tourette-Syndrom, baseballschwingende Demonstranten, freundliche Polizisten und ein Design-Festival in Berlin, das eigentlich ja eine „contradictio in adjecto“ darstellt, wie Bittermann beflissen hinzufügt, denn eigentlich ist Berlin ja hässlich oder worin besteht der Widerspruch? Der Hangar des Tempelhofer Flughafens ist zwar eine besonders gut gewählte Location dafür, aber in den Hangar-Hallen gehen die Design-Stücke fast unter. Denn Tempelhof steht für faschistische Architektur: Schwerindustrie, Kruppstahl, Stahlstreben und –treppen. Aber auch für die Rosinenbomber nach dem Krieg. Die CD-Lesung mit dem Titel „Möbel zu Hause, aber kein Geld für Alkohol“, worauf auch einige Passagen aus „Alles schick in Kreuzberg“ enthalten sind, sowie das Buch sind in der Editon Tiamat erschienen. Auch auf dieser 140-minütigen (zweiten) DoppelCD des leider kürzlich verstorbenen Vorlesers Harry Rowohlt verteidigt er seinen Ehrentitel „Paganini der Abschweifung“ (Titel der ebenfalls bei Tiamat erschienen 1. CD) und berlinert, flucht, schreit, schimpft oder flötet liebevoll Bittermanns Beobachtungen in der neuen deutschen Hauptstadt. Ein kurzweiliger Lese- und Hörspaß für einen lustigen Sommer, vielleicht ja in Berlin?

Klaus Bittermann
Alles schick in Kreuzberg.
Unter Touristen, Pennern, Gentrifizierten.
Edition Tiamat Critica Diabolis 212, 2016


Genre: Humor und Satire, Kurzgeschichten und Erzählungen
Illustrated by Edition Tiamat Berlin

Doktor Wassers Rezept

Gustafsson Dr. Wasser Lars Gustafsson sagte über sich selbst, er fühle sich als Philosoph, dessen Werkzeug die Literatur sei. Wie etliche seiner Werke unterstreicht auch sein letzter Roman „Dr. Wassers Rezept“ dies eindrücklich.

Gustafsson war einer der bekanntesten und bedeutendsten Autoren Schwedens, er verstarb im April diesen Jahres im Alter von 80 Jahren. Erst im letzten Jahr erhielt er den Thomas Mann Preis. Seine Dankesrede zur Verleihung ist noch auf seinem Blog nachzulesen. In dieser Rede bekennt er, dass er Thomas Mann auch deshalb bewundere, weil Mann die Trivialität des absurden Lebens aufheben und ihn in eine ganz andere Sphäre versetzen konnte. Diese Worte muten nun nach Gustafssons Tod an, als hätte sich ein Kreis geschlossen. Umso mehr, als mit seinem letzten Buch ausgerechnet die Geschichte eines modernen Felix Krull zu seinem Vermächtnis wurde. Denn Gustafssons „Dr. Wasser“, der seine medizinische Laufbahn als Generaldirektor einer Klinik beendete und sich einen Namen in der Schlafforschung machte, ist gar kein Doktor med. Er ist „nur“ Bo Kent Andersson aus den schwedischen Wäldern, Fensterputzer und Hilfskraft in einer Reifenwerkstatt.

Der junge Bo Kent merkt früh, dass er klug ist, genau genommen: zu klug. Zumindest für das kleine schwedische Karbenning. In der Welt, in die er hineingeboren wurde, hilft ihm Klugheit nicht. Eigentlich müsste für ihn eine andere Welt her. Da findet er eines Tages die Leiche eines schon vor Monaten tödlich verunglückten Motorradfahrers – und dessen Papiere, die den Verunglückten ausweisen als Dr. Kurth Wolfgang Wasser, DDR-Flüchtling und approbierter Mediziner. Dieser Fund gibt ihm einen zufälligen Moment der Freiheit und er verwandelt den „eigentümlich durchsichtigen, fast unsichtbaren schmalen Typ aus Karbenning, die gläserne Mücke“ in einen angesehenen Wissenschaftler. Er entschied sich für den Identitätswechsel „nicht, weil ich mir besonders viel von diesem anderen versprach, sondern weil die Verführung, die von der Idee eines eigenen freien Willens ausging, unwiderstehlich war“. Nun verbringt er seinen Lebensabend als Gewinner, zumindest legen das die Ergebnisse seines Hobbys – Preisausschreiben in allen erdenklichen Formen – nahe. Aber hat er auch in seinem Leben gewonnen? Das ist die Frage, die ihn nun mit dem nahenden Lebensende vor Augen umtreibt. Kann es ihm wirklich reichen, dass er sich heiter fühlt und nicht unzufrieden?

„Doktor Wassers Rezept“ ist weit mehr als ein Schelmenroman über einen gewieften Hochstapler. Gustafsson erzählt mit der Geschichte seines Helden eine Geschichte über riskante Lügen, sinnliche Lieben und fragile Identitäten. Er folgt dabei allerdings keiner stringenten Chronik. Die Erzählung folgt – ganz Gustafssons Selbstverständnis entsprechend – einzig und alleine seinen philosophischen Gedankengängen. Die Versatzstücke des Lebens des Dr. Wasser werden dabei fragmentarisch nur zur Untermauerung der philosophischen Überlegungen gebraucht. Doch auch wenn die eigentliche Romanhandlung immer wieder unterbrochen wird, der doch man neugierig folgen möchte, ist „Dr. Wassers Rezept“ ein ungeheuer spannendes Buch. Spannend schon alleine wegen der Fragen, die das Buch aufwirft. Fragen, die sich wohl jeder zu irgendeinem Zeitpunkt seines Lebens stellt. Die ganz existentiellen Fragen darüber, wer man ist, wie man zu dem wird, der man sein möchte, ob man überhaupt die Freiheit hat, selber zu bestimmen, wer man ist und welche Verantwortung man damit übernimmt. Noch spannender, weil Gustafsson sich nicht scheut, zumindest in Teilen Antworten zu geben: „Nein, einen Sinn hat das Leben nicht. Aber man kann ihm einen Sinn geben, vielleicht war es das, was ich tat“.

Ganz besonders spannend ist noch eine ganz andere Frage, die der Roman allerdings nur am Rande aufnimmt: Wie konnte Dr. Wasser damit eigentlich durchkommen? Wieso hinterfragte nie einer die doch so offensichtlichen Diskrepanzen in seiner Geschichte? Selbst die, die ihn aus seiner Kindheit noch als Bo Kent kannten, schluckten die phantastische Geschichte von der Adoption durch ein DDR-Ehepaar und fragten nie weiter nach. „Niemand war wirklich daran interessiert, die Fäden zu entwirren“. Gustafsson findet auch darauf eine Antwort: „Die Menschen füllen Lücken gerne aus. Das ist eigentlich nicht so merkwürdig. Leben ist eine sinnstiftende Aktivität. Leben heisst zu deuten.“ Eine Antwort von bestechender Logik, die eine weitere Frage aufwirft: Wen von unseren Mitmenschen kennen wir eigentlich wirklich und wollen wir ihn überhaupt wirklich kennenlernen? Reicht uns nicht vielmehr das Bild, das wir uns von diesen machen?

Immerhin muss man Dr. Wasser zugute halten, dass er gut war auf seinem Gebiet der Schlafforschung. Er hatte diesen Beruf nicht gelernt, aber er war seine Berufung geworden. Sein Fachgebiet hatte er sich schnell ausgesucht, schien es ihm doch eines der wenigen medizinischen zu sein, auf dem er keinen Schaden anrichten konnte. Hat man auch nicht alle Tage – einen Hochstapler, der keinem je geschadet hat. So zeichnet Gustafsson ganz en passant noch das Bild eines Menschen, auf den ihn in Ansätzen durchaus die Bezeichung „Psychopath“ zutrifft, dem man aber seinen friedlichen, verkreuzworträtselten Lebensabend dennoch gönnt.

Diese Rezension erschien ebenfalls in den Revierpassagen.de


Genre: Biographien, Briefe, Memoiren, Romane
Illustrated by Hanser

Die Zelle

ZelleSammy ist elf und gerade mit seinen Eltern nach Berlin gezogen. Im Luftschutzbunker der alten Jugendstilvilla, die die Familie im Grunewald bezogen hat, macht er eine verstörende Entdeckung. Ein vollkommen verängstigtes Mädchen, nicht viel älter als er, ist dort unten in einer Zelle eingesperrt, die man mit Gummifolie ausgekleidet hat. Nur durch einen winzigen Schlitz hindurch kann er sie sehen. Am nächsten Tag ist die Zelle leer, das Mädchen verschwunden. Und für Sammy kann es dafür eigentlich nur einen Grund geben: seinen Vater.

Der elfjährige Sammy zieht mit seiner Familie von London nach Berlin, da seine Mutter, eine erfolgreiche Opernsängerin in Berlin eine Anstellung bekommen hat. Die Sommerferien haben gerade begonnen und Sammy langweilt sich in der großen, alten Villa ziemlich denn er hat in Berlin noch keine Freunde und sein älterer Bruder Linus macht lieber sein eigenes Ding. Der Vater hat auch keine Zeit und verbringt die meiste Zeit allein in seinem Arbeitszimmer wo er mit dem Komponieren von Filmmusik beschäftigt ist…!

Sammy beginnt das riesige Anwesen zu erkunden und beobachtet eines Tages heimlich wie sein Vater in einen alten Luftschutztunnel im hinteren Teil des Gartens hinabsteigt…! Kurze Zeit später steigt auch Sammy den Tunnel hinab und entdeckt in einer Zelle ein völlig verängstigtes, asiatisches Mädchen…!

Sammy weiß nicht was er tun soll, kann er das Entdeckte doch kaum fassen! Er will mit seiner Mutter und seinem Bruder reden aber er wird von allen nur abgewimmelt und Niemand will ihm zuhören und sich Zeit für ihn nehmen…! Sammy macht das alles zunehmend mehr zu schaffen, er beginnt immer mehr an seinem Verstand zu zweifeln denn zwei Tage später ist das Mädchen verschwunden und die Zelle völlig leer…! Hat er sich das alles nur eingebildet? Sammys Leben gerät immer mehr aus den Fugen und schon bald kann er nicht mehr zwischen Realität und Phantasie unterscheiden und alles platzt endlich aus ihm heraus! Das Problem ist nur: Niemand glaubt ihm und er bekommt sogar Psychopharmaka verordnet…!

Die Geschichte beginnt damit dass der inzwischen 31 jährige Sammy über seine Erlebnisse in diesem Sommer in Berlin erzählt! 20 Jahre ist das Ganze mittlerweile her und Sammy muss seine Geschichte einfach aufschreiben um damit abschließen zu können! Denn nach 20 Jahren ist jetzt bald der Tag gekommen an dem ER wieder frei kommt…! Wer genau mit ER gemeint ist, erschließt sich nicht! Ist es Sammys Vater oder vielleicht doch Jemand anderes?

Das Buch wird rückblickend aus der Ich-Erzählperspektive des 11 jährigen Sammy erzählt, was mir super gefallen hat! Die Geschichte fängt sehr spannend an, schleppt sich dann streckenweise aber schon ein bisschen dahin und es passiert nicht viel, sie wird aber nie wirklich langweilig! Nach der Hälfte wird das Buch aber unglaublich spannend und man kann es kaum mehr aus der Hand legen, auch wenn es zwischendurch schon ziemlich hart wird und man schon einen guten Magen braucht…!

Das Ende ist ein ziemlicher Hammer und ein ziemliches Verwirrspiel mit einigen krassen Wendungen, bei dem man bis zum Schluss nicht wirklich weiß ob jetzt alles tatsächlich passiert ist oder doch nur Einbildung war…!

Ein sehr gutes Buch, das ich auf jeden Fall empfehlen kann, was aber mit Sicherheit nicht jedermanns Sache ist!

Jonas Winner wurde 1966 in Berlin geboren und wuchs in Rom und den USA auf. Er arbeitete u.a auf dem Bau, am Fließband und als Nachtportier. Er ist promovierter Philosoph und arbeitete nach dem Studium in Berlin und Paris als Journalist. Er drehte Reportagen fürs Fernsehen und schrieb Drehbücher für ARD, ZDF, Sat.1 und RTL.


Genre: Thriller
Illustrated by Knaur TB

Pretty Guardian Sailor Moon Crystal

sailor moon crystal

Usagi Tsukino (14) ist eine völlig verschusselte Schülerin der Mittelschule (7. bis 9. Klasse), die ständig schlechte Noten nach Hause bringt. Also kein Stoff, aus dem Heldinnen gemacht sind – bis Usagi Katze Luna über den Weg läuft und der Katze ein Pflaster auf der Stirn entfernt. Der zum Vorschein kommende Neumond symbolisiert das Reich des Mondes, aus dem Luna stammt. Die sprechende Katze entdeckt bald, dass Usagi die wiedergeborene Mond-Kriegerin Sailor Moon ist. Prompt muss diese ihren ersten Fall lösen und gegen einen der Krieger des Dark Kingdom, angeführt von Königin Beryll, antreten. Mit Ach und Krach besiegt sie ihn und dessen Schergen. Seitdem tauchen immer mehr Handlager des Dark Kingdom auf. Zum Glück stehen ihr bald Sailor Kriegerinnen bei, die sie und Luna beinahe zufällig treffen: Sailor Merkur alias Ami Mizuno (das Hirn der Kriegerinnen), Sailor Mars alias Rei Hino (die übernatürliche Kräfte besitzt und Schreindienerin ist), Sailor Jupiter alias Makoto Kino (die sehr groß und mindestens genauso stark ist). Ende der siebten Folge stehen die Sailor Kriegerinnen kurz davor, die 5. Verbündete kennenzulernen: Sailor V(enus) alias Minako Aino mit ihrem Kater Artemis, der wie Luna ebenfalls vom Mond stammt. Usagi erhält außerdem immer wieder Hilfe von einem Unbekannten namens Tuxedo Mask. Im realen Leben heißt dieser Mamoru Chiba und läuft Usagi immer wieder zufällig über den Weg. Anfangs können sich die beiden nicht besonders gut leiden, aber als Usagi entdeckt, wer hinter Tuxedo Mask steckt, entwickelt sie Gefühle für ihn. Luna allerdings ist nicht begeistert, weil sie Tuxedo Mask weder als Freund noch als Feind einordnen kann. Luna leitet die Kriegerinnen an, den Silberkristall und die Mondprinzessin zu finden. Auch die Krieger des Dark Kingdom sind hinter dem Silberkristall her, der sie unglaublich mächtig machen soll. So ergeben sich immer wieder neue Konfrontationen zwischen den Gegnern.

Die ersten 7 Folgen des 2014 in Japan erschienenen Remakes (Produktionsfirma Toei Animation; veröffentlicht in Deutschland von Kazé) dienen dazu, die Hauptcharaktere einzuführen: Sie werden mit ihren Stärken, Schwächen und ihrer oft wenig schönen Vergangenheit vorgestellt. Alle sind irgendwie Außenseiter und erinnern so an berühmte Querdenker: Ami wird wegen ihres überdurchschnittlich hohen IQs von 300 von ihren Mitschülern geschnitten, Rei wegen ihrer übernatürlichen Gaben und Makoto wegen ihrer Größe und Stärke. Mamoru scheint wegen seines Gedächtnisverlustes das Einzelgängertum vorzuziehen. Usagi ist zwar extrem verschusselt, schafft es aber trotzdem durch ihre fröhliche und offene Art, Freunde zu finden. Sie ist als Identifikationsfigur für Mädchen besonders geeignet, da sie alles andere als perfekt ist – selbst als Heldin mit besonderen Kräften bleibt sie trottelig. Damit nimmt sie Mädchen in der Pubertät mit all den damit einhergehenden Gefühls- und Hormonwirren den Druck, perfekt sein zu müssen, bedient aber auch deren Träume, trotzdem etwas Besonderes zu sein. Das macht wohl den Hauptreiz der Serie aus, denn „Sailor Moon“ in seinen Ausgestaltungen als Anime und Manga ist Vorreiter der Mangas und Animes in der westlichen Welt. In Deutschland gab es nach der Veröffentlichung von „Dragon Ball“ einen wahren Sailor-Moon-Boom 1999, als der Anime (in Japan 1992 veröffentlicht) im Fernsehen ausgestrahlt wurde. Einziger Wehrmutstropfen: Selbst Sailor Moon wird immer wieder von Tuxedo Mask gerettet und sinkt sogar theatralisch in dessen Arme. Das nimmt viel vom emanzipatorischen Grundgedanken, der durchaus in dieser Serie steckt. Auch die Bösewichte werden nach und nach eingeführt und die Verbindung der 4 Prinzen des Dark Kingdom zu den Sailor-Kriegerinnen in ihrem früheren Leben angedeutet.

Warum ich den Anime rezensiere? Ganz einfach: Mangas und Animes sind in Japan eng miteinander verbunden. Ist eine Mangaserie erfolgreich, erscheint sie auch als Anime (manchmal ist es umgekehrt). Man muss beides immer eng verzahnt miteinander sehen, denn beide Erscheinungsformen sind voneinander abhängig. Dasselbe gilt auch für japanische Games, die in Japan ebenfalls gern als Manga und/oder Anime erscheinen (oder umgekehrt). Gerade diese Anime-Neuauflage von „Sailor Moon“ (zur Serie gibt es übrigens auch Musicals, Kinofilme, Spiele und Merchandise) orientiert sich eng an dem Manga-Original. Die Zeichnungen und die gestraffte Handlung entsprechen sichtbar eher dem Original als der beinahe ausufernde Anime von 1992. Nette Anspielung in diesem Zusammenhang: Usagi und ihre Freundinnen treffen sich gern in einer der Spielhallen, die für Japan typisch sind, und spielen dort „Sailor V“. „Sailor V“ ist übrigens die Prequel-Serie für „Sailor Moon“, die Chemikerin und Pharmazeutin Naoko Takeuchi ebenfalls erschaffen hat. „Sailor Moon“ gehört zum Genre der „Magical Girls“ (s. u.a. „Wedding Peach“) und hat viel mehr zu bieten, als die Oberfläche glauben lassen will: Sprechende Namen, Reinkarnation, Zeitreisen (Usagis Tochter Chibiusa reist aus der Zukunft zu den Kriegerinnen), griechische/römische Mythologie, Astrologie. Beschäftigt man sich tiefer mit der Materie, entdeckt man, dass sich Takeuchi sehr viele Gedanken über ihre Serie gemacht hat. Usagi Tsukino bedeutet z.B. übersetzt „Mondhase“. Nicht nur, dass Usagi Hasen-Bettwäsche hat oder Hasenhausschuhe trägt, der Hase kommt im chinesischen Sternzeichenkreis vor und den Mondhasen gibt es in der chinesischen Mythologie, s. https://de.wikipedia.org/wiki/Hase_im_Mond. Der Mond steht im Übrigen für das weibliche Prinzip. Außerdem verbindet Takeuchi die griechische Mythologie mit ihrem Sailor-Moon-Kosmos: Sie webt die Geschichte um Endymion und Mondgöttin Selene mit ein. Endymion ist in der Mythologie der Geliebte Selenes, in der Serie ist er der Geliebte der Mondprinzessin Serenity (lat. serenitas = Heiterkeit). Der Name Mamoru Chiba spielt auf dieses frühere Leben als Prinz der Erde an, denn er bedeutet „Den Erdplatz zu schützen“.

Rei Hino bedeutet „Geist des Feuers“ und tatsächlich ist Sailor Mars‘ bevorzugte Waffe das Feuer. Mit Mars ist gleichzeitig der Planet und der Gott des Krieges gemeint, der ebenfalls ein feuriges Temperament hat. Sailor Merkur repräsentiert gleichzeitig den Planeten und ist die Verkörperung des Gottes Poseidon (lat. Neptun), denn der Planet Merkur wird im Japanischen mit dem Wasser in Verbindung gebracht. Ihr Name bedeutet „Schönheit des Wassers“. Sailor Jupiters Name lautet übersetzt „Aufrichtigkeit der Bäume“. Schaut man sich Makoto an, so ist sie groß wie ein Baum, stark wie ein Baum, hat grüne Augen (Farbe der Blätter) und braune Haare (Farbe des Stammes und der Erde). Auffallender Charakterzug: Aufrichtigkeit. Sie repräsentiert den Planeten Jupiter – der größte im Sonnensystem – und den Gott Jupiter. Ihre Waffen sind – wie bei Gott Jupiter – die Blitze. Sie ist bodenständig: Kochen, Gärtnern, Haushalt und Kampfsport sind ihre Leidenschaften. Sailor Venus‘ bürgerlicher Name bedeutet „Schönes Kind der Liebe“. Sie repräsentiert den Planeten Venus und die Göttin Venus. Artemis ist in der Mythologie u.a. die Göttin des Waldes, aber auch des Mondes. Der Name „Luna“ spricht für sich. Die beiden Raben Phobos und Daimos begleiten Rei: Sie sind die Begleiter des Planeten Mars, aber auch die Begleiter des Kriegsgottes Mars. Phobos ist griechisch und bedeutet „Furcht“, Daimos „Schrecken“, beides Begleiter in einem Kriegsfall. Nimmt man noch die mythologische Bedeutung der Raben in der germanischen Mythologie dazu, ergibt sich folgendes Bild: Der germanische Gott Odin/Wotan, Gott der Weisheit und der Schlachten, kann sich in einen Raben verwandeln und wird von den Raben Munin und Kunin begleitet, die als Beobachter für ihn fungieren. Die Raben galten den Germanen als Göttervögel. Der Flug und das Verhalten dieser Vögel galt im Vorfeld einer Schlacht als Omen für den Ausgang der Auseinandersetzungen – auch im antiken Griechenland.

Kein Wunder also, wenn man als erstes im Anime „Crystal“ die Milchstraße bzw. das Sonnensystem sieht, das in die bruchstückhaften Erinnerungen der Zeit auf dem Mond übergeht, bevor die eigentliche Geschichte beginnt. Damit wären wir auch schon beim nächsten Aspekt, den Takeuchi in ihr Werk einwebt: die Reinkarnation, s. https://de.wikipedia.org/wiki/Reinkarnation. Diese findet sich nicht nur in den östlichen Religionen, sondern sogar in den monotheistischen (dem Judentum, dem Islam und dem Christentum), dort in den mystischen Strömungen, wobei sie anscheinend einen Teil des Urchristentums verkörperte, aber im Christentum einer gnadenlosen Verfolgung ausgesetzt war. Sie kommt auch in esoterischen Kreisen vor, und es gibt seit ein paar Jahrzehnten den Ansatz, die Reinkarnation aufgrund von spontanen Erinnerungen von Kindern an ein früheres Leben wissenschaftlich zu belegen, hier v.a. zu nennen den Psychiater Ian Stevenson und seinen Nachfolger Jim B. Tucker. Die Art und Weise, wie die Erinnerungen an ein früheres Leben bei „Sailor Moon“ auftauchen – spontan, bruchstückhaft – ähneln solchen Erinnerungen von Kindern. Auch dass sich Tuxedo Mask für Sailor Moon sofort vertraut anfühlt, ist ein Muster aus der Reinkarnationstheorie, ebenso wie die wiederkehrenden Träume, die Erinnerungsfetzen des/der früheren Leben sind. Makotos Vorliebe für Rosen lässt sich in gleich mehrere Richtungen interpretieren: Die Rose gilt als Symbol der Liebe (die Kriegerinnen stehen u.a. für Liebe), Makoto hat einen großen Bezug zur Natur – und die Rose kann auch als Symbol für das Aufblühen der Seele gesehen werden. In der Reinkarnationstheorie muss sich die Seele gegen das menschliche Ego in den verschiedenen Leben durchsetzen, um ihren Seelenplan zu verwirklichen und sich entfalten zu können. Die Parallele zur Serie ist somit gegeben, denn auch die Kriegerinnen müssen sich an sich selbst erinnern, um ihre Aufgaben vollständig erfüllen zu können. Auffällig auch, dass die Kriegerinnen meist männliche und weibliche Aspekte in sich verbinden, was an das chinesische Yin-Yang-Prinzip erinnert. Yin, die weibliche Seite, wird übrigens mit dem Mond und der Dunkelheit assoziiert. Auf diese Weise werden die weiblichen Charaktere nicht eindimensional dargestellt, sondern entwickeln sich zu je eigenen Persönlichkeiten, die Leserinnen und Zuschauerinnen Identifikationspotential bieten.

Bleibt noch das Matrosenkostüm, das die Kriegerinnen tragen, und das die modische Ausgestaltung des „Sailor“ in „Sailor Moon“ ist. Wikipedia schreibt hierzu: „Der Matrosenanzug ist in der Neuzeit als Kleidung der Matrosen im Sinne einer Uniform eingeführt worden. Er besteht aus Hemd, Hose und Mütze. Im 19. Jahrhundert wurde der Matrosenanzug ein beliebtes Kleidungsstück für Knaben, später auch für Mädchen, wobei die Hose durch einen Rock ersetzt wurde. In einigen Ländern entwickelten sich aus dem Matrosenanzug auch Schuluniformen. […] Mitte des 19. Jahrhunderts wurde dieser Matrosenanzug zur typischen Kleidung für Jungen aus begüterten Kreisen. 1880 wurden dann auch Matrosenblusen für Mädchen zum blauen Faltenrock populär.“ (s. https://de.wikipedia.org/wiki/Matrosenanzug) Zu diesen Ländern gehört Japan, deren Schülerinnen Schuluniformen auch im Matrosenlook tragen und in dessen Mangas und Animes sich diese Vorliebe spiegelt.

Wie man unschwer erkennen kann, verbirgt sich hinter der Serie viel mehr als man an der Oberfläche sieht. Ich selbst habe diese Vielschichtigkeit Sailor Moons dazu nutzen können, in einem Seminar der Germanistik mit dem Titel „Griechische Mythologie“ 1999 einen Unterrichtsentwurf anzufertigen, der später als Vorbild für andere Unterrichtsentwürfe verwendet wurde – ein Beispiel dafür, was man alles mit Nerd-Themen anstellen kann. Animes, Mangas, Comics, Zeichentrickfilme, Fantasy, Science Fiction und alles, was gemeinhin abwertend als nerdig bezeichnet wird, haben zu Unrecht einen schlechten Ruf, denn aus ihnen lässt sich sehr viel mehr herausholen als ihr Ruf ahnen lässt– wenn man sich die Mühe macht, hinter die Kulissen zu schauen. Ich habe das während meines Studiums der Germanistik, der evangelischen Theologie und der Bibliotheks- und Informationswissenschaft immer wieder getan und damit meine Dozenten in Staunen versetzt. Ich würde mir wünschen, dass mehr Studenten den Mut dazu finden würden!

Zur Limited Edition: Sie kommt in einem niedlichen Schuber daher, der außerdem noch Postkarten der Kriegerinnen, zwei Sticker und ein Heft mit Hintergrundinfos zur Serie bereithält. Die Synchro ist prima, die Synchronstimmen unterstreichen den Charakter der Figuren. Auch der Ton ist sehr gut. Der Vor- und Abspann ist ebenfalls gelungen: Der Vorspann präsentiert sich flott und energisch, um auf die Serie einzustimmen, der Abspann als Ausklang ruhig. Die Farben passen ebenfalls besser zum Stil des Originals als die der ersten Anime-Serie. Typisch (und auch hier vorhanden) sind die Rück- und Vorschauen, die an die jeweiligen Folgen anknüpfen.

Fazit: Daumen hoch!


Genre: Anime, Manga

Helltal

von Mathias Scherer

Der schnodderige und etwas abgerissene Ex-Polizist und Ex-Junkie  Mark Andersen wird beauftragt, seinen besten Freund aus Jugendtagen vom Vorwurf des Mordes zu entlasten. Er muss aus Berlin zurück in das Kaff seiner Eltern mitten im Pfälzer Wald: Helltal. Sein Freund Stephan soll den Lebensgefährten seiner Ex-Frau brutal ermordet und verstümmelt haben. Widerwillig taucht Andersen ein in die spießbürgerliche kleingeistige Welt, die er vor über 25 Jahren verlassen hat. Und stößt genau auf das, was er erwartete: Sippschaften, Heimlichkeiten, Verbindungen und ein Sammelsurium aus Egoisten, Hinterwäldlern und berechnenden Figuren. Dass er emotional enger in diesen Mordfall verstrickt ist, bemerkt er erst, als es kein Zurück mehr gibt.

Als Andersen in Helltal ankommt, findet er es kaum verändert vor. Er trifft auf ehemalige Klassenkameraden und Einheimische, die sofort dicht machen, als bekannt wird, dass er den Mörder von Trautmann finden will. Trautmann war zu Lebzeiten ein “Star” in der Provinz. Fußballgott, Frauenheld und Widerling. Es gab viele Gründe, ihn aus dem Weg zu räumen. Je tiefer der trotz seiner lässigen Art exzellente Ermittler in die Verstrickungen der Personen untereinander eindringt, desto mehr erkennt er, dass die Ursachen für den Mord weit in der Vergangenheit liegen und einige seiner ehemaligen Kollegen durchaus ein Motiv gehabt hätten. Die Zusammenhänge werden klarer und er erkennt, dass er in diesem Fall nicht so handeln kann wie in anderen Fällen. Er muss eine Lösung finden, die der Gerechtigkeit dient, aber vor dem Recht verborgen bleibt.

Mathias Scherer schildert sehr detailreich die Personen und ihre Beziehungen untereinander. Je weiter er zurückgeht in die Vergangenheit, desto durchsichtiger werden für den Leser die Verschachtelungen, die unter den agierenden Personen entstanden sind und die bis heute noch Gültigkeit haben. Unter der Decke des Spießertums lauern Abgründe. Weil man diesen Schilderungen folgt und unbedingt wissen möchte, warum das Opfer ums Leben kam, glaubt man nach kurzer Zeit, dass es sich um das typische Klischee eines Dorfes handelt: Es gibt einen Mörder, den alle kennen und alle decken, weil das Opfer es verdient hatte zu sterben. Aber so einfach macht es der Autor seinen Lesern nicht.

Mathias Scherer führt den Leser zurück in die 70er und 80er Jahre, indem er die Geschehnisse aus dieser Zeit mit dem passenden Soundtrack unterlegt, weil er Titel und Interpreten gleich mitliefert. Während des Lesens ertappt man sich dabei, fröhlich mitzusummen, obwohl es um einen spannenden Krimi geht. Erst nach einigen Kapiteln erschließt sich dem Leser der Grund für diese Rückblicke und dann kommt man von den Protagonisten nicht mehr los. Dem einen möchte man eins auf die Nase geben, dem anderen erzählen, dass er dummes Zeug redet und die Frauen möchte man ohnehin durchschütteln und ihnen erklären, dass wir im 21. Jahrhundert angekommen sind. Der Autor schält in Schichten die Charaktere heraus und schildert sie schonungslos in ihrem Wesen. Nachdem man sie alle kennengelernt hat, kommt ein leiser Verdacht, dass in dieser Geschichte ein Stück “Andersen” steckt und dass der Ermittler aufgrund seiner Beziehungen zu den Dorfbewohnern passiv mit in dem Mordfall steckt. So liest man Seite um Seite, auf die Uhr schielend, weil es schon spät ist, bleibt aber trotzdem dran. Stellenweise macht der Autor abrupte Sprünge in seinem Text, die zuerst verwirren, aber dann dafür sorgen, dass man wieder hellwach ist und weiterliest. Clever. Das Ende ist völlig überraschend und so perfekt konstruiert, dass auch der Leser Gande walten lässt und es so akzeptieren kann. Auf dem Weg zur Auflösung hat man reichlich Personen in Verdacht, aber Mathias Scherer hat es grandios verstanden, den Leser eines Besseren zu belehren.

Hervorragend.

 


Illustrated by neobooks Self Publishing

Sterbenswort

SterbenswortZum wiederholten Male dringt jemand in Kathrins Abwesenheit in ihre Wohnung ein. Panik klettert in der jungen Mutter hoch. Als dann noch ihre Tochter im Kindergarten von Kathrins totgeglaubtem Ex-Mitbewohner angesprochen wird, ahnt sie, dass etwas Schreckliches bevorsteht. Wird die tragische Entscheidung, die sie und ihre Freunde damals in der WG getroffen haben, sie nun einholen? Getrieben von Schuld und Rache beginnt ein dramatischer Wettlauf mit der Zeit, und zum ersten Mal in ihrem Leben muss sie die Kontrolle abgeben…

Kathrin ist Anfang 30 und führt eigentlich ein schönes und erfülltes Leben. Zwar ist Sie mit dem Vater Ihrer 4 jährigen Tochter nicht mehr zusammen aber Sie versteht sich noch gut mit ihm. Kathrin ist Ärztin mit einer gut laufenden Praxis und alles könnte schön sein, bis um Sie herum seltsame Dinge geschehen. Gegenstände in Ihrer Wohnung befinden sich nicht mehr am richtigen Platz, Wasserhähne laufen als sie nach Hause kommt, in der Obstschale liegt ein angebissener Apfel. Zuerst beginnt Kathrin an Ihrem Verstand zu zweifeln, dann wird Ihr klar dass Jemand in Ihrer Wohnung gewesen sein muss…! Aber nicht Irgendjemand will Kathrin Angst machen, sondern vieles spricht dafür dass ein totgeglaubter Freund aus früheren Tagen, der unter „unglücklichen Umständen“ ums Leben kam, für diese Vorfälle verantwortlich ist…!

Kathrin nimmt Kontakt zu Ihren früheren Freunden auf, mit denen Sie schon lange keinen Kontakt mehr hat, und muss erfahren, dass auch Ihnen seltsame und unheimliche Dinge widerfahren…!

Die Geschichte steigt direkt voll ein und beginnt damit dass ein kleines Mädchen, völlig verängstigt und beengt im Dunkeln liegt und nach Luft ringt…!
Anschließend schleppen 4 junge Erwachsene, völlig aufgelöst, einen leblosen Körper durch das nächtliche Berlin um ihn im dichten Schneetreiben von einer Eisenbahnbrücke zu werfen…!
Schnell wird klar dass es sich bei dem Toten und einen guten Freund der 4 handelt und das etwas Schreckliches passiert sein muss…! Was genau passiert ist wird im Laufe der Geschichte immer deutlicher ans Tageslicht kommen denn Kathrin war eine der 4 jungen Leute…!

Die Geschichte wird in unterschiedlichen Zeitebenen Erzählt, es gibt die „Damals-Kapitel“, die „Heute-Kapitel“ und die „Neulich-Kapitel“, was mir wirklich gut gefallen hat! Aber anders als bei „Vater, Mutter Tod“ hält der Autor sich hier ziemlich genau an die chronologische Reihenfolge, die Ereignisse werden nicht durcheinander geschildert.

Es ist sehr cool im Laufe der Geschichte immer mehr und ausführlicher zu erfahren was „damals“ passiert ist, wie es zum Tod Ihres Freundes gekommen ist und was hinter den Ereignissen in den „Heute-Kapiteln“ steckt!

Sollte ich die Geschichte in kurzen Worten zusammenfassen dann würde ich sie als recht unblutige aber spannende und „erwachsene“ Version von „Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast“ beschreiben!

Das Buch ist spannend, hat mir gut gefallen und ich kann es auf jeden Fall empfehlen! Allerdings kommt es für meinen Geschmack nicht an „Vater, Mutter, Tod“ heran, das ich zuvor gelesen habe und das mir wirklich unglaublich gut gefallen hat…!


Genre: Thriller
Illustrated by Amazon Publishing

Die Seelenfischer-Tetralogie

Seelenfischer Teil 1 In der ehrwürdigen Villa der Nürnberger Fabrikantenfamilie von Stetten finden Handwerker ein Geheimversteck, in dem rätselhafte antike Bücher und Manuskripte wohl schon seit Jahrhunderten vor sich hinstauben. Ist darunter vielleicht die Karte, die zum sagenumwobenen Familienschatz führt oder sind es geheime Dokumente, die die katholische Kirche in ihren Grundfesten erschüttern könnte? Der Bischof von Bamberg, Bruder des Hausherrn wird zu Rate gezogen und damit der Erste, der seinen Einsatz mit dem Leben bezahlt. Er wird mit mittelalterlichen Methoden zu Tode gefoltert aufgefunden.

Wenige Monate später wird der junge Jesuit Lukas von Stetten, Neffe des Ermordeten, vom Generaloberen seines Ordens zu einem konspirativen Treffen beordert. Der schwer krebskranke Glaubensmann erteilt Lukas einen Geheimauftrag und lässt ihn schwören, Stillschweigen zu wahren. Eindringlich weist er auf die Gefährlichkeit des Auftrags hin. Lukas hat noch nicht einmal angefangen, seinen Auftrag auszuführen, da geschieht ein weiterer Mord und plötzlich findet er sich nicht nur im Zentrum der Ermittlungen wieder, sondern muss sich auch gegen diverse Geheimbünde wehren, die ihm unvermittelt und für ihn unvermutet auf den Fersen sind. Dann wird auch noch seine Zwillingsschwester entführt und Lukas steht alleine da. Alleine bis auf die Gesellschaft seiner Jugendliebe Rabea, die als Journalistin durch die Kriegsgebiete dieser Welt reist und nach sechs Jahren Funkstille bei ihm auftaucht. Offensichtlich weiß sie etwas, nur was? Soweit ganz grob zusammengefasst die Ausgangslage von Hanni Münzers Seelenfischer-Tetralogie, die einer der größten Erfolge deutscher Self-Publisher wurde.

Seelenfischer

Drei Bände gibt es, in denen Lukas, Lucie und Rabea sich diverser Machenschaften erwehren und gut gehüteten Geheimnissen auf die Spur kommen müssen. Band eins sind die Seelenfischer, Band drei und vier die Akte Rosenthal in zwei Teilen, zwischengeschaltet als Prequel Band 2 Das Hexenkreuz, welches die Vorgeschichte der Familie von Stetten erzählt. Hanni Münzer schaffte mit dieser Tetralogie ihren vielbeachteten Durchbruch, weitere Bestseller sollten folgen. Der renommierte Piper-Verlag wurde auf die Autorin aufmerksam und verlegte ihr Buch “Honigtot” wie auch dessen Nachfolger “Marlene“, der im September erscheinen soll. Wiederum im Eigenverlag brachte Münzer den Roman “Solange es Schmetterlinge gibt” heraus, durch den auch ich auf die Autorin aufmerksam wurde. Die Schmetterlinge und danach Honigtot habe ich mit Vergnügen, wenn auch nicht frei von Kritik gelesen, auch auf Marlene freue ich mich. Da lag es nahe, die Wartezeit mit den epischen Seelenfischern zu überbrücken. Zumal die Autorin sich trotz ihrer Erfolge lobenswerterweise nicht zu schade ist, die Bücher auch über die Kindle-Leihbücherei anzubieten.

Gut. Also die Seelenfischer. Wie soll man sagen? Sie sind nicht schlecht, aber – die Abers überwiegen. An die Qualität von Honigtot oder den Schmetterlingen kommt das Seelenfischer-Epos, welches der Autorin nach wie vor am Herzen liegt, bei weitem noch nicht heran. Auch wenn es hart klingt – aber man merkt deutlich, gerade auch im Vergleich mit den Nachfolgern, dass es ein Debüt ist. Ein zwar ambitioniertes, aber dennoch: ein Anfängerbuch. Bei der Lektüre von Honigtot und den Schmetterlingen dachte man noch, ja gut – da schießt sie manchmal übers Ziel hinaus, lässt ihre Protagonisten etwas arg ausschweifend erklären, aber dafür ist die Handlung flüssig, sind die Dialoge meist ganz spritzig und die Charaktere liebevoll gezeichnet.

Bei den Seelenfischern jedoch ist davon noch nicht viel zu spüren. Die Figuren sind hölzern und kommen einem nicht wirklich nahe, die Handlung ist manchmal an den Haaren herbei und künstlich in die Länge gezogen, um plötzlich und unvermutet in einer nicht wirklich begründeten Auflösung ganz simpel zu enden. Gerade ist eine Bedrohung noch lebensbedrohend, doch drei Belehrungen und fünf semi-philosophische Exkurse später: zack fertig, die gerade noch mit dem Tod Bedrohte kann in ihr Leben hinausspazieren. Dafür wird an anderer Stelle weitergestrickt, einmal, ach was mindestens dreimal zu oft eine Rolle rückwärts vollführt, mindestens einmal zu oft mischt sich ein tot Geglaubter wieder fröhlich ins Geschehen ein und vor allem wird mächtig viel doziert. Vorzugsweise in Dialogen.

Nur ein Beispiel von vielen: Im Showdown der Akte Rosenthal Teil eins stehen sich die Journalistin und ihr Widersacher, der Drahtzieher allen Übels endlich gegenüber, es scheint zur finalen Klärung zu kommen und was ist? Die Beiden haben erstmal nichts Besseres zu tun, als in wohlgesetzten, hochtrabenden Worten die Hitparade diverser Verschwörungstheorien zu erörtern. nicht ohne dem Leser noch einen Abstecher in die Geschichte der amerikanischen Ureinwohner zu gönnen. Davon war zwar bis dato noch keine Rede – kein Wunder, ist doch auch der Drahtzieher eher überraschend aus der Protagonistentorte gesprungen. (was ganz nebenbei bemerkt alles Miträtseln des Lesers vorher ganz undezent ad absurdum führt.) Aber immerhin: so ist schwupdiwupp mal wieder eine neue Wendung vollzogen, ein weiteres Thema untergebracht. Wenn es nicht so schrecklich ermüdend wäre, wäre es lustig.

Das kann man ohne Wenn und Aber sagen: An Hanni Münzer ist eine Lehrerin verloren gegangen. Nach eigener Aussage schreibt sie für ihr Leben gerne, aber noch offensichtlicher doziert sie gerne. Breitet ihr ganzes Wissen aus, kein Thema zu abseitig, um nicht noch Eingang in die Seelenfischer gefunden zu haben. So ziemlich alles, was in den 2013 Jahren vor Erscheinen des Werkes eine Meldung wert war, ist verwurstet und leider auch erklärt. Auf die Allgemeinbildung ihrer Leser scheint sie zumindest nicht allzu sehr zu vertrauen. Die Seelenfischer wurden gerne als Mischung aus Dan Brown und Rosamunde Pilcher bezeichnet, in beiden Fällen noch etwas arg hoch gegriffen, aber ganz falsch lag man damit nicht. Der Autorin hat es wohl gefallen, denn so episch wie sie geworden sind, waren die Seelenfischer zunächst nicht angelegt. Aber es kamen während des Schreibens immer neue Meldungen hinzu, für die sich doch wohl noch ein Plätzchen finden würde. Und Romantik und Erotik wurde erbeten. Kein Problem, auch das packte Frau Münzer ganz locker rein. Gerade das mittelalterliche Prequel bot sich da ja an. Und da der vierte Teil noch Platz satt bot, wird direkt noch dem nur mäßig getarnten Limburger nunmehr Ex-Bischof ein Opfergewand angezogen und – nur keine Scheu davor, gleich das ganz große Faß aufzumachen – mal eben das globale Energieproblem gelöst. Respekt. Im Nachsatz sogar mit diversen Links belegt. Und Verweisen auf Literatur aus dem Kopp-Verlag. Das lasse ich jetzt mal unkommentiert so stehen.

Was die Vergleiche mit Autoren-Vorbildern angeht, in einem (aber nur in diesem) Punkt setz ich noch einen drauf. Mir fällt da ganz spontan noch eine Autorin ein, die für ihr Leben gerne doziert und unbedingt ihre enorme Allgemeinbildung beweisen muss: Siri Hustvedt. Die immerhin packt ihre Belehrungen in Fußnoten, da kann der Leser sich wenigstens noch frei entscheiden, ob er sich das antun will. Alles in allem kann man die Seelenfischer trotzdem lesen, gerade für den Kindle, den man oft unterwegs dabei hat, sind sie eine gute Alternative. Aber – sie sind kein Bildungsroman à la Hustvedt, kein Thriller à la Brown und auch keine romantische Geschichte à la Pilcher. Sie kratzen nur an der Oberfläche dessen, was die Autorin kann und später auch gezeigt hat. Sehr schade für die viele Arbeit, die sicher darinsteckt und die guten Absichten. Man kann deutlich sehen, auch Frau Münzer musste erst lernen, dass schreiben können leider auch streichen können bedeutet. Auch in den späteren Werken wird noch ein bißchen zu oft und zuviel doziert, aber es hält sich in zumutbaren Grenzen. Frau Münzer kann flüssig und packend erzählen, sie kann Dialoge und am besten wird sie dort, wo man ihre Sympathie für ihre Protagonisten klar erkennt. Natürlich ist es toll, wenn Bücher so gut recherchiert sind, aber man muss dem Leser nicht jedes Recherche-Ergebnis mitteilen. Er kommt auch so klar.

Exkurs 1 : Was Frau Münzer allerdings wohl bereits zu Anfang gewusst und beherzigt hat und woran sich viele, leider zu viele andere Self-Publisher dringend ein Beispiel nehmen sollten: Sie hat sich ein vernünftiges Korrektorat gegönnt. Die Bücher enthalten tatsächlich keine Fehler. Kein Rechtschreibfehler, kein Grammatikfehler, kein Kommafehler. Das sollte eigentlich nicht weiter erwähnenswert sein, ist es aber bedauerlicherweise doch. Und ich bin nicht die einzige Rezensentin, die sich weigert, Bücher, welche vor Fehlern nur so strotzen, zu besprechen. Oder auch nur zu Ende zu lesen.

Exkurs 2 : Auf der Amazon-Seite der Seelenfischer findet man die ++breaking news++ , der Vatikanstaat habe Hanni Münzer den Zutritt verwehrt. man vermutet aufgrund der Enthüllungen in ihrem Werk über die Kirche und den Jesuitenorden, sowie ihrer kritschen Äußerungen darüber. Ganz ehrlich – ich glaube das nicht. Also den verwehrten Zutritt schon. Das glaube ich sofort und ohne jeden Nachweis. Aber der Grund wird ein anderer sein. Enthüllungen und kritische Äußerungen sitzt die Kirche für gewöhnlich milde lächelnd einfach aus. Nein, der Grund liegt nach meinem Dafürhalten im erdichteten Jesus Evangelium. Denn auch hier ist die Autorin deutlich über’s Ziel hinausgeschossen: Jesus ein eigenes Evangelium nachzusagen, welches unter Verschluss gehalten wird, ist eine Sache. Kann man machen. Ist sie nicht die Erste und auch das würde die Kirche milde lächelnd durchgehen lassen. Aber dieses Evangelium dann als Epilog auch noch zu schreiben, Jesus Worte in den Mund zu legen und seien sie auch noch so edel – das ist exakt die Art Anmaßung, die eine Kirche – nicht nur die katholische – nicht duldet. Nur mal so angemerkt.


Genre: Belletristik, Romane, Self-Publisher
Illustrated by Kindle Edition

Im diplomatischen Dienst

41KYJ73ECEL._SX261_BO1,204,203,200_Auf Empfehlung eines Freudes, der im Berliner Auswärtigen Amt seinem Leben als Berufsbeamter frönt, habe ich dieses Buch verspeist. Im Vorfeld wurde mir gesagt, es sei erstaunlich, wie exakt der Autor den Zustand im Bauche der deutschen Diplomatie beschrieben habe.

Protagonist Harry von Duckwitz hängt seinen Beruf als Anwalt an den Nagel und tritt in den diplomatischen Dienst ein, der ihn unter anderem nach Kamerun und Ecuador führt. Er gibt sich dabei als Enfant terrible der Behörde und versucht auszuloten, wie weit man mit Indiskretionen und Provokationen gehen kann, um entlassen zu werden. Letztlich interessiert ihn jedoch nur die Damenwelt. Er heiratet Rita, eine bildschöne Inderin und pflegt eine Ménage-à-trois mit seiner alten Freundin Helene. Weiterlesen


Genre: Romane
Illustrated by dtv München

Die Zucht

ZuchtNur fünf Minuten hat Helga Schwabe ihren Sohn aus den Augen gelassen. Einen unaufmerksamen Moment lang. Und in diesem Moment ist er verschwunden.
Als fielen Hauptkommissar Henry Conroy die Ermittlungen in diesem Fall mutmaßlicher Kindesentführung nicht schon schwer genug, muss er sich auch noch mit einer neuen Kollegin herumschlagen. Vorlaut, frech, selbstbewusst – das ist Manuela Sperling. Aber sie hat einen guten Riecher. Und bald stoßen die beiden auf eine Spur, die zu einem einsamen, verfallenen Gehöft im Niemandsland an der Grenze zu Tschechien führt, auf dem illegal Hunde gezüchtet werden…

Der sechsjährige Oleg spielt im Garten als seine Mutter nur kurz ins Haus geht um das Mittagessen vorzubereiten, aber als Sie wieder in den Garten kommt ist Oleg verschwunden. Wie kann das sein denn Oleg würde das Grundstück nie allein verlassen…?! Es gibt nur eine Erklärung, Oleg muss entführt worden sein! Aber wer ist der Täter? Die Schwabes wohnen nämlich so einsam dass er eigentlich kein zufällig ausgewähltes Opfer sein kann, oder doch?

Der 2 Meter große, einschüchternde und ziemlich griesgrämige Kommissar Henry Conroy übernimmt denn Fall und wird dabei auch noch vor eine Geduldsprobe gestellt denn seine neue Kollegin Manuela Sperling kann schon ziemlich anstrengend sein. Erst vor kurzem wurde Sie in seine Dienststelle versetzt da es Differenzen mit Ihrem früheren Chef gab…! Auch Henry fällt es zunächst schwer mit Manuela zusammen zu arbeiten und mit Ihrer lockeren und vorlauten Art klar zu kommen…!

Und dann gibt es noch Rieke, eine Tierschützerin die es sich zum Ziel gemacht hat Tiere, vor allem Hunde, aus schlechter Haltung zu befreien und immer wieder Befreiungsaktionen auf eigene Faust durchführt…! Doch bald ist Rieke spurlos verschwunden, nachdem Sie auf einem abgelegenen Hof nahe der Tschechischen Grenze rumgeschnüffelt hat der von sehr seltsamen Leuten bewohnt wird…! Ihre beste Freundin Lea begibt sich auf die Suche nach Ihr…!

Die einzelnen Kapitel werden abwechselnd mal aus Riekes, Leas, Henrys oder Manuelas Sicht geschildert, was eine schöne Abwechslung in die Geschichte bring wenn man so viele Sichtweisen zur Verfügung hat. Außerdem werden manche Kapitel auch immer wieder mal aus der Sicht eines gewissen Mareks erzählt der auf diesem seltsamen Hundehof lebt…! In diesem Zusammenhang gibt es auch noch die „Früher“ Kapitel, die von Mareks Kindheit erzählen, als er 6 Jahre alt war!

Die Geschichte ist sehr spannend, sehr kreativ und schon ziemlich krank! Es geht hauptsächlich um Henrys und Manuelas polizeiliche Ermittlungen, diese sind aber absolut nicht langatmig, wie es so oft bei ausführlichen Ermittlungen in Büchern der Fall ist! Die Geschichte ist ziemlich krass aber größtenteils ziemlich unblutig! Wenn es dann aber mal blutig wird, sind die Szenen aber nur etwas für stärkere Mägen…! Das Ende bringt dann noch eine Wendung mit der man nicht gerechnet hat und die auch offen bleibt, so dass ich jetzt immer noch darüber grüble…!

Ich fand das Buch absolut großartig und habe den 528 seitigen Klopper förmlich verschlungen! Absolut zu empfehlen wenn man kranke Geschichten mag und nicht zu zart besaitet ist…!

*Anmerkung: Die Figur Manuela Sperling ermittelt bereits in dem Buch „Wassermanns Zorn“! Dort jagt sie einen Mörder und gerät dabei mit Ihrem früheren Chef aneinander, bevor Sie in eine andere Stadt zu Henry Conroy versetzt wird! „Die Zucht“ ist also quasi der Nachfolger, kann aber völlig unabhängig gelesen werden! „Wassermanns Zorn“ habe ich mir jetzt aber auch direkt bestellt und es werden mit Sicherheit noch weitere Bücher von Andreas Winkelmann folgen…!

Andreas Winkelmann wurde 1968 in einem „Dreißig-Einwohner-Nest irgendwo in Niedersachsen“ geboren. Natur und Einsamkeit prägten ihn von Kindheit an. In Korea erreichte sein Buch „Blinder Instinkt“ kurz nach Erscheinen den dritten Platz der Bestsellerliste, was dort vorher noch keinem deutschen Thriller-Autor gelungen ist.

 

 


Genre: Thriller
Illustrated by Rowohlt

Becoming a Girl one Day 1

becoming a girl

Kyosuke Miyoshi und Nao Mamiya sind Sandkastenfreunde und Konkurrenten. Nao ist immer schneller, intelligenter und gelassener als sein Freund. Aber dann wird Nao krank. Als er das Krankenhaus wieder verlässt, bekommt Kyosuke einen Schock: Nao ist zum Mädchen mutiert! Mit allem, was ein Mädchen so ausmacht: Hormone, Busen, Periode. Kyusuke weiß nicht mehr, wie er sich seinem jetzt weiblichen Freund gegenüber verhalten soll, und Nao kämpft mit seiner neuen Rolle. Hinzu kommen für beide völlig neue Gefühle, die sie zusätzlich verwirren. Dann muss Nao wieder ins Krankenhaus – und fängt an, zurück zum Mann zu mutieren. Aber das könnte tödlich enden.

Der 1. Band der Serie lässt sich gut an. Er geht zwar nicht so sehr in die Tiefe wie ich mir das gewünscht hätte, aber der Geschlechterwechsel und dessen Probleme werden zumindest oberflächlich dargestellt, sodass man eine Ahnung bekommt, wie es in den Figuren aussieht. V.a. Kysukes Innenwelt wird gut herausgearbeitet. Naos Innenwelt allerdings wird nur sekundär behandelt, dabei wäre gerade seine Psyche sehr interessant gewesen, denn er ist derjenige, der den Geschlechtertausch (das auch noch unabsichtlich) durchmachen muss. Vielleicht wäre es gut gewesen, wenn Ogura diesbezüglich mit Transgendern oder Hermaphroditen gesprochen hätte, um der Figur Nao mehr Tiefe zu verleihen. Und als Leserin wäre es interessant gewesen, wie sich ein Mann in der Rolle einer Frau fühlt. Aus dem Thema hätte man also mehr rausholen können als „nur“ eine Liebesgeschichte. Die aber ist schön gestaltet, sodass der Manga für Romantic-Fans gut zu lesen ist. Insgesamt in Ordnung.


Illustrated by Carlsen Verlag Hamburg