Die Freistatt

faulkner-2Ein sperriges Prosawerk

Im Werk von William Faulkner nimmt «Die Freistatt» eine Sonderrolle ein, gedacht als Garant für hohe Auflagen durch Sex and Crime, darf man vermuten, denn 1931, als der Roman erschien, wurde allein schon seine Thematik als anrüchig betrachtet im prüden Amerika. Mit feiner Ironie schildert der spätere Nobelpreisträger im Pulp-Fiction-Stil eine wilde Geschichte, in der die damals in den USA verhängte Prohibition Auslöser ist für Schwarzbrennerei und für das daraus entstehende kriminelle Umfeld. Wie üblich bei Faulkner ist sein Roman in den Südstaaten angesiedelt, im Bundesstaat Mississippi, genauer im Yoknapatawpha County, einem von seinen anderen Romanen her wohlbekannten, fiktionalen Verwaltungsbezirk. Mit Gewaltexzessen wie Mord, Vergewaltigung, Lynchmob und mit Unmoral in Form von Nymphomanie, Voyeurismus und Prostitution enthält der Roman typische Zutaten von Schundliteratur, er wurde bei seinem Erscheinen denn auch dementsprechend behandelt. Mit Recht?

Keineswegs, merkt man als Leser schon nach wenigen Zeilen, denn Faulkners Sprache ist anspruchsvoll und hochkomplex, alles andere als leicht zu lesen also, womit der Pulp-Fiction-Verdacht von vornherein ausgeräumt ist. André Malraux spricht bei diesem Roman vom «Einbruch der griechischen Tragödie in den Kriminalroman». Seine Figuren erinnern in ihrer Schicksalhaftigkeit in der Tat an die großen Dramen der Antike, ihre Determiniertheit ist bedingt durch ein unabänderlich scheinendes, schreckliches Geschehen, das kaum aufzuhalten ist. Erzählt wird auktorial in einem chronologischen Handlungsfluss, der durch viele Rückblenden angereichert ist, deren Zuordnung sich allerdings häufig als recht schwierig erweist, dem Leser also die volle Konzentration abverlangt. Die Dialoge werden oft in unvollständigen, wie abgehackt wirkenden Sätzen geführt und enden dann typischerweise mit — , womit recht treffend die Alltagssprache abgebildet wird in ihrer unkorrekten Syntax. Häufig bleibt unklar, wer da eigentlich spricht, die Dialoge sind durch lapidar verwendete Personalpronomina oder vage Bezeichnungen wie «die Frau» nur mühsam nachvollziehbar.

Ausgangspunkt der komplizierten, hier nur stichwortartig wiedergegebenen Handlung ist eine einsam gelegene Schwarzbrennerei. Ein junges Pärchen strandet dort wegen einer Autopanne und befindet sich nun in Gesellschaft finsterer Gestalten, die den jungen Mann mit Alkohol bewusstlos machen und begehrlich nach dem Mädchen schielen. Einer der Männer, der sie beschützen will, wird erschossen, sie wird mit einem Maiskolben defloriert, missbraucht und in ein Bordell nach Memphis verschleppt. Der des Mordes angeklagte Betreiber der Schwarzbrennerei wird wegen einer bewussten Falschaussage des inzwischen zum verwöhnten Gangsterliebchen verwandelten Mädchens schuldig gesprochen und von einem Lynchmob verbrannt, der wahre Täter, Entführer und impotente «Besitzer» des Mädchens wird, ohne sich verteidigt zu haben, wegen eines anderen Mordes gehängt, den er nicht begangen haben kann.

Faulkner deutet alles Brutale oder Anstößige nur verschämt an in seiner pathetischen Geschichte, er verlässt sich dabei voll auf die Phantasie seiner Leser. Der komplexe Plot handelt im Wesentlichen von menschlicher Schuldhaftigkeit, lässt aber auch ganz versteckt das Gute hervorschimmern aus seinen Figuren. Nicht leicht zu lesen das Alles, man erlebt ein an antike Vorbilder erinnerndes Südstaatendrama des frühen Zwanzigsten Jahrhunderts, dessen Feinheiten sich einem nur durch detektivische Mitwirkung erschließen. Das sperrige Prosawerk dürfte also nicht jedermanns Sache sein, für mich selbst war es weder eine bereichernde noch gar eine erfreuliche Lektüre.

Fazit: mäßig

Meine Website: http://ortaia.de


Genre: Roman
Illustrated by Süddeutsche Zeitung München

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