Der Todesprophet

atb_Karlden_Todesprophet_rz.inddDer Berliner Boulevard-Journalist Ben Weidner arbeitet an einer Serie über Hellseher und Wahrsager. Dabei trifft er auf einen unheimlich wirkenden Vertreter dieses Fachs. Ein Mann mit schlohweißem Haar und langem Bart weisssagt ihm, zu einer bestimmten Nachtstunde geschehe Schreckliches. Und der Todesprophet behält Recht, denn tatsächlich ereignet sich zur genannten Zeit ein grauenvoller Mord: Eine Mutter wird vor den Augen ihrer Tochter in der Badewanne ertränkt.

Aufgrund der Umstände wird Weidner von der Polizei als Tatverdächtiger Nummer Eins gehandelt. Und als auch am nächsten Tag zur selben Zeit ein ähnlicher Mord geschieht, gilt der Journalist als Serienkiller. Schließlich wird ihm eröffnet, seine eigene Frau und Tochter seien das nächste Opfer. Nun beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit …

Nach einem eher mühsamen Einstieg nimmt Karldens 380-seitiger Roman bald Fahrt auf und fesselt den Leser vor allem im letzten Drittel durch Rasanz und aktionsgeladene Handlung. Dabei greift der Autor tief in die Klischeekiste. Den Chef der ermittelnden Mordkommission präsentiert er als durchgeknalltes Rauhbein, das auch nicht davor zurückschreckt, Verdächtigen den Finger zu brechen und mit dem Bunsenbrenner zu traktieren, um ein Geständnis zu erzwingen.

Seine Stellvertreterin hingegen ist smart, wenngleich sie den Verdächtigen, gegen den ein Haftbefehlt vorliegt, freilässt und mit ihm gemeinsam die Ermittlung fortsetzt. Protagonist Weidner schließlich schafft es, immer so rechtzeitig am nächsten Tatort zu erscheinen, dass er sich zwar extrem verdächtig macht, die Jagd auf den Serienkiller jedoch gleichzeitig vorantreibt.

Der »Todesprophet« erreicht leider nicht das Niveau von Karldens Erstlings »Monströs«. Zu vielschichtig sind die kleinen Windungen und Wendungen, mit denen der Autor glaubt, die Story facettenreicher gestalten zu müssen, ein Problem, das sich schon bei seinem Krimi »Unvergolten« abzeichnete. Dabei ist das nicht erforderlich, da der Plot des »Todespropheten« klar ist und durch marginale Infos nur verwässert wird. Auch dem Spannungs-Prinzip »Show, don´t tell« würde damit stärker entsprochen, verbale Zusammenfassungen, die den Stand der Ermittlungen aufzeichnen, würden sich erübrigen. Wirklich falsche Fährten, die berühmten »Red Herrings«, die einen nervenaufreibenden Thriller auszeichnen, werden nicht gelegt. Spätestens im Büro des Abtes der Klosterschule, zu der eine heiße Spur führt, wird anhand der an der Wand hängenden Fotos klar, wer der Motor hinter den Morden ist.

Deshalb hinterlässt die Lektüre des Krimis ein zwiespältiges Gefühl. Einerseits ist es eine gut gemachte, spannungsreiche Geschichte, andererseits wird durch das Auslegen kleiner Schlingen der Lesefluss immer wieder entschleunigt. Weniger wäre hier mehr gewesen, allein die sich im Finale aufbröselnden verwandtschaftlichen Bindungen zwischen dem mörderischen Propheten und seinem intellektuellen Ziehvater sind des Guten zuviel. Chris Karlden wäre gut beraten, sich mit einem erfahrenen Krimi-Coach vor seinem nächsten Opus zusammen zu setzen, um sein zweifellos vorhandenes Talent voll zu entfalten. Dies könnte beispielsweise auch dazu führen, einen bei der Leserschaft unverändert stark gefragten Serienhelden zu kreieren, den es von Buch zu Buch zu begleiten gilt.

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Genre: Thriller
Illustrated by Aufbau Taschenbuch Berlin

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