“Someone new” und “Someone else”

Someone NewAlles ganz normal?

Micah stammt aus reichem Elternhaus und hat damit alle Chancen, ebenfalls Karriere zu machen. Nach dem Willen ihrer erfolgreichen Eltern soll sie Jura studieren. Als gehorsame Tochter fängt sie tatsächlich ein Jura-Studium an, kann aber mit den staubtrockenen Lehrthemen wenig anfangen. Denn eigentlich hat Micah eine ganz andere Leidenschaft: Sie liest und zeichnet Comics. Deswegen würde sie gern Kunst studieren, aber da das als brotlose Kunst gilt, betreibt sie das Zeichnen nur nebenher. Allerdings wandelt sie sich langsam, als sie in ihre eigene Wohnung zieht: Eh schon quirlig und zielstrebig veranlagt findet sie unter neuen Freund*innen immer mehr zu sich selbst. Dazu verhilft ihr auch ihr Nachbar Julian, der zuerst kühl und abweisend auf sie reagiert, dem sie aber keine Chance zum Rückzug lässt, denn sie hat sich längst in den hübschen, kleinen Mann verguckt. Julian scheint schließlich unter ihrer fröhlich-liebenswerten Art langsam aufzutauen, trotzdem wird Micah das Gefühl nicht los, dass er ihr etwas Wichtiges verheimlicht. Und das führt zu einigen Komplikationen.

Someone Else

Währenddessen haben Julians WG-Mitbewohner*innen Cassie und Auri eigene Probleme. Die Diabetikerin Cassie absolviert ein Literaturstudium und ist begeisterte Fantasy-Leserin und Cosplayerin. Ihr bester Freund Auri dagegen hat sich dem Sport verschrieben, v.a. dem Football. Allerdings führt er ein Doppelleben, denn auch er mag alles, was mit Fantasy zusammenhängt – aber er fürchtet die Reaktionen seiner Footballfreunde und seiner Familie, sollten sie jemals etwas von diesem Hobby erfahren. Cassie, die Auri heimlich liebt, findet, dass er zu sich stehen sollte. Dass Auri nicht zu sich und damit auch zu Cassie stehen will, verursacht immer wieder Verletzungen und Streit.

Alles ganz normal!

Die o.g. beiden ersten Bücher dieser Reihe kommen auf den ersten Blick wie „ganz normale“ romantische Trivialromane einher, denn die Liebesirrungen und -wirrungen stehen hier eindeutig im Vordergrund. Was diese Romane aber von anderen klar unterscheidet, ist die Leichtigkeit, mit der die Autorin Themen einflechtet, die nach der offiziellen Meinung der Gesellschaft eher Randerscheinungen und damit außerhalb der Norm angesiedelt sein sollen, trotzdem aber in Wahrheit inmitten der Gesellschaft und damit im konkreten Alltag existieren: Krankheiten wie Diabetes und der Alltag mit einer solchen Krankheit, Homosexualität, Transsexualität, Liebesbeziehungen zwischen Menschen unterschiedlicher Hautfarben und Größen, die Liebe zwischen einer älteren Frau und einem deutlich jüngeren Mann, sich behaupten gegen Bodyshaming, Teenagerschwangerschaft, „Nerds“ (Fantasy, Metal, Horror…), Migration.

Das scheint auf den ersten Blick viel an „außergewöhnlichen“ Themen zu sein, wird aber von der Autorin so selbstverständlich und wie nebenher behandelt und eingeflochten, dass es zu dem wird, was es de facto auch ist: eine ganz normale Sache. Kneidl stellt mit ihren Büchern und dem Setting der sogenannten Trivialliteratur (die bei genauerer Betrachtung gar nicht so trivial ist) die Vielfalt des Lebens dar – und diese Vielfalt ist inmitten des Lebens, des Alltags und sie ist sowas von normal! Sichtbar wird das an ihren Figuren, die trotz oder gerade wegen ihrer „Andersartigkeit“ ganz normale Leute sind – die aber wegen einer konformen, nicht über den Tellerrand blicken wollenden Gesellschaft nicht als normal gesehen werden. Und deshalb werden Micah, Cassie, Auri, Julian und all die anderen von genau diesen Vertreter*innen der konformen Gesellschaft immer wieder behindert, ausgegrenzt und diffamiert, was die beiden Romane nicht verschweigen. Sie bieten aber auch Lösungen an in Form von neuen Freundschaften, Lautsein und sich stark machen für die eigenen Rechte, zu sich selbst stehen, sich Gleichgesinnte suchen, sich gegenseitig unterstützen, aber auch ehrlich miteinander sein.

Was also in der Rahmengestaltung vermeintlich trivial daher kommt (die unsäglichen Buchtitel allein hätten mich wohl wirkungsvoll vom Lesen abgehalten), ist von den Themen und der Selbstverständlichkeit der Themen, die ja wirklich mitten im Alltag vorkommen, alles andere als trivial, sondern zentral. Denn die Natur arbeitet mit Diversität als Überlebensprinzip, und wer die Augen aufmacht und über den Tellerrand blickt, der sieht das auch an jeder Ecke und Kante. Von daher sehr gelungene Bände und: Gern mehr davon! Mindestens eine Fortsetzung gibt es schon: „Someone to stay“.

Einziger Wehrmutstropfen: Warum müssen die Romane, selbst wenn sie von deutschsprachigen Autor*innen verfasst werden, mit amerikanischem Setting arbeiten, das zumal beim Lesen etwas unecht wirkt? Ich finde das völlig unnötig; all das kann man genauso gut in jedem anderen Land ansiedeln, also auch im deutschsprachigen Raum. Da hat der Verlag wohl auf Verkaufszahlen gedrängt, weil das Amerikanische angeblich besser ankommt. Schade!


Genre: Diversität, Roman, Romantik
Illustrated by LYX

Nahtod – Grenzerfahrungen zwischen den Welten

Initialzündung

Psychiater und Neurowissenschaftler Bruce Greyson kam durch Zufall in Kontakt mit Nahtoderfahrungen: Eines Tages wurde in seinem Krankenhaus eine Patientin eingeliefert, die während seines Dienstes wiederbelebt werden musste. Er selbst saß währenddessen in einem anderen Raum und aß Spaghetti. Ein Soßenfleck verblieb auf seiner Kleidung. Dieser Fleck wurde später wichtig – seine spätere Patientin im Bereich der Psychiatrie erwähnte ihn und andere Details zur Zeit ihres Nahtodes während des ärztlichen Gesprächs. Und das, obwohl sie, wie erwähnt zu diesem Zeitpunkt tot und in einem anderen Zimmer untergebracht war. Dieses Erlebnis verwirrte und beeindruckte Greyson so, dass er sich Jahrzehnte lang mit der Forschung über Nahtoderlebnisse beschäftigte.

Positive Aspekte der Nahtoderfahrungen

Greyson fand heraus, dass Nahtoderfahrungen häufig sind und allen Menschen passieren können, egal, welche Religion, welches Geschlecht, Alter oder ethnische Gruppe sie haben. Sie werden vom Gehirn anders als Träume, Vorstellungen oder Halluzinationen als Fakten verarbeitet und bieten einen gewissen Schutz vor der Entwicklung einer Gemütskrankheit nach einem engen Kontakt mit dem Tod. Diese Erlebnisse als real bzw. akzeptiert von anderen eingeordnet zu sehen, hilft den Nahtoderfahrenen sehr, ebenso die Möglichkeit, ihre Eindrücke mitzuteilen und sich ihr eigenes Bild davon zu machen.

Die Nahtoderfahrungen haben normalerweise mehrere tiefgreifende und lange anhaltende Nachwirkungen. Im positiven Fall ist es mehr Lebensfreude, es kann aber auch dazu führen, dass die Nahtoderfahrenen Schwierigkeiten haben, ihr voriges Leben wiederaufzunehmen. Dies wiederum kann aber positiv für ihre weitere Entwicklung und für eine gesündere und lebenszugewandtere Lebensweise sein. Außerdem verringern Nahtoderlebnisse die Angst vor dem Tod, sodass der eigene Tod und der von anderen den Schrecken verliert. Trotzdem trauern Menschen mit Nahtoderlebnissen ebenso wie andere – der Trauerprozess ist notwendig für die Heilung.

Die Erfahrung verringert aber auch die Angst vor dem Leben und bringt die Menschen dazu, mehr im gegenwärtigen Moment zu leben und ihn zu genießen. Das bedeutet, dass man ganz in der Gegenwart ist, während man plant oder sich erinnert; die Vergangenheit und die Zukunft haben also immer noch ihren Platz.

Nahtoderfahrungen legen außerdem nahe, dass der Geist ohne das Gehirn, das Gedanken und Gefühle filtert, ziemlich gut funktionieren kann. Nahtoderlebenisse werfen dann auch Fragen nach dem Weiterbestehen des Bewusstseins nach dem Tod auf. Der Autor stellt außerdem die These auf, dass das bessere Verständnis von Nahtoderfahrungen und ihre Integration in unsere Naturwissenschaften und die Medizin dazu beitragen kann, das Leiden in der Welt zu verringern. Er verweist in diesem Zusammenhang z.B. auf den Buddhismus: Diese Religion sucht Erkenntnisse über die Welt, um harmonischer mit ihr zu leben, anstatt die Umwelt zu beherrschen. Außerdem helfen Nahtoderfahrungen nicht nur denen, die sie gemacht haben, sondern evtl. auch denen, die davon hören und sich darauf einlassen, ihr Leben und den Tod neu zu bewerten.

Ganzheitliche Denkweise und Berichte von Nahtoderfahrungen

Greyson, der u.a. auch mit Moody und Stevenson zusammengearbeitet hat, hat seine Erkenntnisse mit wissenschaftlichen Methoden auch anderer wissenschaftlicher Disziplinen als der eigenen überprüft und wundert sich darüber, dass manch andere Wissenschaftler nichts anerkennen wollen, was über ihren Tellerrand hinausgeht. Er sagt zu Recht, dass Theorien Theorien sind und nicht die ganze Realität abbilden, sondern ihr höchstens nahekommen. Das, was noch nicht wissenschaftlich erforscht, aber dennoch vorhanden ist, verdient eine wissenschaftliche Herangehensweise, zumal wenn es eine so positive Auswirkung auf Betroffene und evtl. auch ihre Umgebung hat wie Nahtoderfahrungen. Dabei verschweigt er aber auch nicht, dass manche Nahtoderfahrungen durchaus bedrohlich auf die Menschen wirken können, zumal wenn sie nicht sterben wollen. Er betont aber dennoch, dass auch diese Erfahrungen einen positiven Ausgang haben.

Sein Buch möchte Menschen erreichen und ihnen Mut machen. Das schafft Greyson durch viele anschauliche Nahtodberichte, durch die verständliche Schreibweise und die transparente Darstellung seiner Arbeit und auch seiner Gedanken und Gefühle, die er dabei hatte. Denn er verschweigt auch nicht seine Verwirrung und seine Zweifel angesichts des wissenschaftlich ignorierten Nahtodphänomens und des Erstaunens darüber, wie hilfreich dieses Phänomen letztlich ist. Das Buch eignet sich für alle, die sich dafür interessieren, aber auch für diejenigen, die Angst vor dem Tod haben und aufgeschlossen für die doch zahlreich vorkommenden Nahtoderfahrungen sind. Sie können zumindest trösten, vielleicht aber auch zu einer positiven Neuausrichtung des Lebens führen.


Genre: Nahtod, Sachbuch, Tod
Illustrated by Ansata / Penguin Random House

One Room Angel
by Harada

Von echten Werten und der Rückkehr des Lebensmutes

Eines Tages wird der 30-jährige Tagelöhner Kouki, der kein glückliches Leben führt, bei der Arbeit von randalierenden Jugendlichen niedergestochen. Er überlebt, aber als er wieder in seine Ein-Zimmer-Wohnung zieht, hat er überraschend einen neuen Mitbewohner: Ein Engel hat sich bei ihm eingenistet. Dieser kann sich nicht mehr an seine Vergangenheit erinnern und weiß nicht, wo er hinsoll. Also nimmt der gutherzige Mann den jungen Engel bei sich auf und hilft ihm schließlich, dem Geheimnis seiner Vergangenheit auf die Spur zu kommen.

Der in sich abgeschlossene Manga spricht viele Themen an: Freundschaft, Verlust von Lebensfreude und Wiedergewinnung von Lebensmut, harte Lebensbedingungen im Alltag, Wahrnehmungen über die offiziell geltenden wissenschaftlichen Theorien hinaus, innere Werte versus Aussehen, Erinnerungen, die einen Menschen ausmachen, und die Leere, wenn sie fehlen. Kouki und auch der Engel schöpfen in der gegenseitigen Unterstützung neuen Mut. Kouki erfährt, dass jemand seinen guten Charakter erkennt, obwohl er wie ein Rowdy aussieht. Es entwickelt sich trotz gegenseitiger Frotzeleien eine Freundschaft zwischen den beiden unterschiedlichen Charakteren, die über das Leben hinaus hält. Aber auch schwierige Themen wie Mobbing, Vorurteile, Ausgrenzung und Selbstmord werden angesprochen – und was sie mit einem Menschen anrichten, der davon betroffen ist. Der Manga ist bittersüß in seiner inhaltlichen Ausgestaltung, und er tut auch weh, denn er erinnert an eigene unglückliche Zeiten. Trotzdem wird immer mehr ein vorsichtiger Optimismus spürbar bis hin zu immer mehr glücklichen Momenten, die den Protagonisten den Lebensmut trotz hartem Alltag zurückgeben. Empfohlen.


Genre: Lebensmut, Manga, Werte
Illustrated by Carlsen / Hayabusa

Mediterrane Küche – 200 herzgesunde Rezepte zum Genießen: Genuss und Chance für Ihr Herz

Titelbild Broschüre BluthochdruckBewegung ist Leben, Lebensmittel sind Mittel zum Leben

Schon länger ist bekannt, dass die mediterrane Küche gesund für das Herz sein soll. Koch und Autor Gerald Wüchner erläutert diese These in seinem Buch, indem er seinen Rezepten einige Infos zu dieser Küche vorschaltet.

Zunächst zählt er die Risikofaktoren für einen Herzinfarkt auf: Stress, Diabetes, Rauchen, erhöhte Blutfette, Bewegungsmangel, Bluthochdruck, Übergewicht, überhöhter Alkoholkonsum. Aber diese Risiken verbindet er sofort mit den jeweiligen Chancen: Bewegung und Entspannung, Mediterrane Küche und Bewegung, sofortiges Einstellen des Rauchens, Olivenöl und Bewegung, Mittelmeerküche und Bewegung, moderater Alkoholgenuss. Die Bewegung ist ihm, wie man unschwer erkennen kann, enorm wichtig. Er unterstreicht dies mit dem Satz „Bewegung ist Leben“, denn regelmäßiger Ausdauersport z.B. hilft, Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu vermeiden. Bewegung hilft außerdem, Stress abzubauen, kräftigt die Muskeln, die damit widerstandsfähiger und besser durchblutet werden, senkt das schlechte LDL-Cholesterin und stärkt das gute HDL-Cholesterin. Die Anzahl der Killerzellen steigt an, die so besser gegen Bakterien, Viren und auch Krebszellen vorgehen können. Das gesamte Herz-Kreislauf-System wird leistungsstärker. Das Herz erholt sich besser, lebt länger, der Ruhepuls sinkt. Die Lunge und der gesamte Körper werden mit mehr Sauerstoff versorgt. Die Bauchspeicheldrüse muss nicht mehr so viel Insulin produzieren. Die Körperzellen werden gegenüber dem blutzuckersenkenden Insulin empfindlicher, was das Risiko mindert, an Altersdiabetes zu erkranken.

Leider wird der natürliche Bewegungsdrang schon früh gebremst durch das Sitzen in der Schule und später am Arbeitsplatz. Zeitmangel bedingt, dass die Küche zuhause kalt bleibt, obwohl die Fernsehsendungen bzgl. gesundem Essen zunehmen. Daraus folgen Probleme, die Ratschläge für gesunde Ernährung auch umzusetzen. Aber unser Körper muss ständig in Bewegung bleiben, denn ab dem 30. Lebensjahr bauen unsere Muskeln wieder ab. Das heißt, wir müssen sie trainieren und benutzen, damit sie erhalten bleiben. Gerade in der zweiten Lebenshälfte ist es wichtig, auf genügend Bewegung und eine gesunde Ernährung zu achten.

300 Tage im Jahr gesundes Essen, dann darf man die restlichen Tage auch mal ungesund schlemmen. Das ist die Devise des Autors und sie hört sich vernünftig an. Er hat dazu eine Lebensweisheit: „Wir laufen jahrelang auf Kosten unserer Gesundheit dem Geld und dem Erfolg hinterher mit der Folge, dass wir in späteren Jahren unser gesammeltes Geld wieder investieren müssen, um Gesundheit und Vitalität für den Rest unseres Lebens zu erlangen.“

Herzgesunde mediterrane Küche

Die traditionelle mediterrane Küche, v.a. laut Autor die kretische, fördert Langlebigkeit und Gesundheit, weil sie eine gesunde Mischkost ist und mit hochwertigen Fetten zubereitet wird. Die Mittelmeerküche ist leicht in den Alltag zu integrieren und eignet sich für die Ernährung der ganzen Familie. Dabei schmeckt sie gut – was der Autor als wichtig erkannt hat, damit man eine Ernährungsumstellung durchhält.

Vorweg sei gesagt, dass diese Aussagen des Autors tatsächlich stimmen, jedenfalls für mich und meinen Sohn. Sogar der Kindsvater, obwohl eher kein Gemüsefan, mag die Gerichte. Wüchner hat sehr viele Rezepte im Buch, die schnell oder recht schnell zuzubereiten sind, deren Zutaten man im Supermarkt bekommt und die tatsächlich schmecken – nicht nur mir, sondern auch meinem Sohn, was besonders wichtig ist, denn Familien werden leider wenig berücksichtigt in zu vielen Kochbüchern. Und meinem Sohn schmecken die Gerichte nicht nur, er ist sogar begeistert. Das hat Seltenheitswert!

Das Gegenargument, dass manche so viel Gemüse nicht vertragen, entkräftet Wüchner mit einer individuell angepassten Ernährungsumstellung. Der Verdauungstrakt muss sich schlicht umgewöhnen. Diese Umgewöhnung garantiert mehr Gesundheit, denn die sekundären Pflanzenstoffe sind die Hausapotheke auf dem Teller. Viele Pflanzen sind bzgl. ihrer biologisch aktiven Wirkstoffe noch nicht untersucht, aber man weiß z.B., dass Knoblauch, Zwiebeln und Lauchgemüse Phytonzide, also natürliche Antibiotika, enthalten. Menschen, die viel Obst und Gemüse essen, erkranken seltener an Krebs und das Risiko für Herz-Kreislauf- bzw. Stoffwechselerkrankungen sinkt. „Lass das Essen deine Medizin sein“ sagte schon Hippokrates.

Die traditionelle mediterrane Küche als immaterielles Kulturerbe der UNESCO besteht aus frischem, roh oder wenig verarbeitetem Gemüse und Salat aus der Region, Hülsenfrüchten, regionalen Nüssen und Samen, vielen frischen Kräutern und Knoblauch, Oliven- und Rapsöl, mäßigen Mengen an Milchprodukten, Fisch, Geflügel, bedarfsgerechtem Verzehr von kohlehydratreichen Lebensmitteln, wenig rotem Fleisch und Eiern. Die meisten Vitalstoffe hat frisches oder tiefgekühltes Gemüse.

Außerdem erzählt der Autor noch viel Wissenswertes über Oliven- und Rapsöl. Seine Rezepte decken den ganzen Tag ab, zudem sind sie unterteilt in Salate, Dressings, Vorspeisen, Suppen, Soßen, Gemüse, Getreide/Kartoffeln/Reis, Fisch, Vegetarische Gerichte, Geflügel, Fleisch. Es ist also für so ziemlich jede*n etwas dabei. Das Buch ist verständlich und mit Herzblut geschrieben, denn der Autor brennt sichtbar für die Mittelmeerküche und deren positive Auswirkungen auf die Gesundheit. Das will er den Leser*innen im wahrsten Sinne des Wortes schmackhaft machen, und das gelingt ihm auch. Zur Anschaulichkeit tragen viele schöne Fotos bei. Die Rezepte selbst sind von der Vorbereitungszeit recht realistisch, von der Zutatenliste überschaubar und mit ebenso realistischen Schwierigkeitsgraden versehen. Außerdem gibt es Tipps z.B. für verschiedene Zubereitungsvarianten eines Gerichts und Verweise zu anderen Rezepten, die mit dem gerade ins Auge gefassten Gericht kombinierbar sind.

Fazit

Das vorliegende Buch über Mittelmeerküche und herzgesundem Essen ist reichlich mit gut verständlichen Infos, Bildern und Rezepten zu jeder Tageszeit und für jeden Geschmack (von vegetarisch über Fisch bis Fleisch, von salzig bis süß) ausgestattet. Der Anspruch des Autors, leichte, gut schmeckende Rezepte mit überall erhältlichen Zutaten für die ganze Familie zu präsentieren, ist meiner Ansicht nach gelungen – selbst meinem Sohn schmecken die Gerichte. Die Rezepte sind jetzt Bestandteil meiner Alltagsküche.

Titelbild Broschüre Bluthochdruck


Genre: Herzgesundheit, Kochbuch, mediterrane Küche, Sachbuch
Illustrated by Deutsche Herzstiftung

Good Talk -Erinnerungen in Gesprächen

Demokratie? Echt? Und wenn ja: Für wen?

Weiße, jüdische Schwiegereltern, die Donald Trump gewählt haben und trotz dunkelhäutiger Schwiegertochter, dunkelhäutigem Enkelsohn und jüdischem Hintergrund weiterhin Schilder für Trump hochhalten. Eine indische Ursprungsfamilie, die dunkelhäutige Inder*innen wie die Autorin als Menschen zweiter Klasse ansieht. Ein jüdischer, weißer Ehemann, der unsensibel auf die Fragen seines sechsjährigen Sohnes reagiert und die Autorin mit der Erziehung eines ebenfalls dunkelhäutigen Kindes in einer rassistischen Welt ziemlich allein lässt. Weiße, männliche Radiomoderatoren, die das Buch der Autorin über Diversität nach männlich-weißen Denkmustern überarbeiten wollen. Weiße, weibliche Reiche, die vor Vorurteilen gegenüber Menschen mit anderer Hautfarbe strotzen, das aber nicht wahrhaben wollen. Menschen verschiedener Hautfarben und mixed-race-Familien, die Wunden durch den ständig präsenten alltäglichen Rassismus davontragen und allmählich den Glauben an das Gute im Menschen verlieren. Rassismus und Sexismus haben viele hässliche Gesichter und stecken subtil oder sichtbar, bewusst oder unbewusst in jeder Ecke des Alltages. Sie sind in einem schlechten Sinne so divers wie die Menschen selbst, was dieser hervorragende Comic anschaulich beschreibt.

Sexismus, Rassismus, Mehrfachdiskriminierung nach dem Motto „Und täglich grüßt das Murmeltier“

Der als Graphic Novel verarbeitete Erfahrungsbericht zeigt anhand alltäglicher Situationen, wie tief Rassismus und Sexismus in jede erdenkliche Ecke der Gesellschaft hineinreichen und wie schwer es Menschen haben, die nicht weiß und nicht männlich sind – also der Löwenanteil der Gesellschaft. Wenn man es genauer betrachtet, hält sich also nur ein kleiner Teil der Menschen für privilegiert: die weißen Männer. Und sie wollen bewusst oder unbewusst bestimmen, was für die Mehrheit der Gesellschaft zu gelten hat bzw. machen sich wenig bis keine Gedanken über andere und wie es ihnen mit all den Diskriminierungen geht.

Was die Graphic Novel aber auch zeigt – und das allein anhand der bloßen Darstellung der vielfältigen Alltagssituationen – Diskriminierung aller Art ist nicht nur ein ernstes Problem der weißen, christlichen Männer. Sie kommt überall vor, sogar dort, wo man es nicht vermutet. Die Autorin zeigt z.B. ihre indische Ursprungsfamilie, die streng zwischen hell- und dunkelhäutigen Inder*innen unterscheidet. Die dunkelhäutigen Inder*innen gelten als Menschen zweiter Klasse. So auch die Autorin, die im Gegensatz ihrer hellhäutigen, indischen Familie dunkelhäutig geboren wird. Das überträgt sich auch auf ihren Sohn: Ihre Großmutter hofft, dass das Kind der Autorin hellhäutig sein wird, betont aber trotzdem, dass es als Mischling in der Hölle schmoren wird. Und Mira Jacob kommt immer wieder in Erklärungsnöte, wenn ihr sechsjähriger Sohn nachhakt, weil er verstehen will, wie diese Welt funktioniert. Dass sie rassistisch funktioniert, will die Autorin ihm weitgehend ersparen, was sie in Erklärungsschwierigkeiten bringt.

Zitate aus dem Buch, dass dies u.a. veranschaulicht: „Jemand – ich glaub Kiese Laymon – hat gesagt, dass weiße Menschen schlafwandeln, wenn es um Rassismus in Amerika geht. Sie sehen es nicht, also glauben sie, es existiert nicht mehr. Sie dazu zu zwingen zu sehen, dass es passiert, hier und jetzt, ist wie einen Schlafwandler aufzuwecken. Sie werden orientierungslos, wütend auf dich, anstatt auf den Rassismus selbst.“

„ ‘Gott, bin ich froh, dass ich gerade kein Kind hab. Ich wüsste nicht, was ich sagen sollte.‘ ‚Aber was kann man sonst sagen? Z fragt nach, weil diese Dinge passieren! Leute, die so aussehen wie er, werden verprügelt, Leute feuern das an, Leute sitzen daneben und gucken zu, Leute sagen: ‚Zeig mir das nicht, ich will es nicht sehen.‘ – Das alles formt in ihm eine große Frage. Wie könnte es auch nicht?‘ “

„ ‚Ich bin nicht der Feind.‘ ‚Ich bin kein weißer Mann.‘ ‚Du redest mit mir, als wäre ich irgendein Typ aus den 50ern, der darüber noch nie nachgedacht hat.‘ ‚Ich rede mit dir wie mit jemandem, der darüber nicht nachdenkt, weil er es nicht musste. Wie jemand, der gerade gesagt hat, ich muss einfach selbstbewusst sein.‘ “ Dieses Mann-Frau-Gespräch macht deutlich, wo der Hund begraben liegt: Der Mann ist sich der Diskriminierung nicht bewusst, will es vielleicht auch gar nicht sein und gibt der Frau auch noch die Schuld, wenn sie versucht sich zu behaupten: Sie soll einfach selbstbewusst sein. Wenn sie es nicht ist, selbst schuld. Aber wie soll frau selbstbewusst sein, vor allem einfach, wenn das Patriarchat tunlichst jegliches frauliche Selbstbewusstsein auslöscht, weil es für die männlichen Machtansprüche gefährlich ist?

„Als ich auf der Highschool war, wusste ich, dass man eigentlich verliebt sein musste, um miteinander rumzumachen, damit man keine Schlampe war, aber sich zu verlieben war schwer.“ Auch hier schwingt zwischen den Zeilen mit, dass freie Sexualität der Frau nicht zugestanden wird. Es gibt noch nicht einmal einen männlichen Gegenbegriff für „Schlampe“. Im Gegenteil: Der Mann ist der „tolle Hecht“, wenn er viele Frauen hat, die Frau dagegen eine „Schlampe“. Das Patriarchat fürchtet die freie Sexualität der Frau, wie die Autoren des Buches „Die Wahrheit über Eva“ herausgearbeitet haben, denn diese lässt den Mann bezüglich seiner Kinder und seiner Beziehung zur Frau und seinen Besitzansprüchen im Unklaren.

„Sogar wenn man verliebt war, konnte es seltsam werden. ‚Denkst du, du schmeckst anders als andere Mädchen?‘ ‚Ich glaube nicht. Warte, ich schmecke anders als andere Mädchen?‘ ‚Schwer zu sagen.‘ “

Tja, da bleiben einem die Worte weg. Und die Graphic Novel ist voll von diesen Erfahrungen einer einzigen Person, die sich über jeden Lebensbereich erstrecken. Sie zeigt auch, dass Sexismus und Rassismus eng miteinander verwoben sind. Frauen sind sowieso Mehrfachdiskriminierung ausgesetzt, was dieses Buch ebenfalls sehr deutlich bis ins kleinste Detail zeigt.

Der Titel „Good Talk“ ist mehrdeutig. Er deutet zum einen an, wie wichtig es ist, miteinander zu kommunizieren: „Denn wenn du zu einem Menschen heranwächst, der sich fragt, wer er ist, warum die Dinge so sind, wie sie sind, und was wir tun können, um sie besser zu machen, hast du immer noch Hoffnung für diese Welt. Und wenn du noch Hoffnung hast, mein Liebling, habe ich sie auch.“ Damit beendet die Autorin ihr Buch mit unausgesprochenen Gedanken für ihren Sohn, die sie ihm wohl mitteilen wird, wenn er alt genug ist, sie zu verstehen. Denn auch da liegt ein Großteil der Schwierigkeit: Das kindliche Hirn ist noch nicht entwickelt genug, um Dinge umfassend verstehen zu können, auch wenn Kinder vieles mitbekommen. Das macht es für Eltern, v.a. für Mütter, an denen die meiste Erziehungsarbeit immer noch hängt, so schwierig, komplexe Dinge einfach zu erklären. Das geht im Grunde gar nicht.

Zum anderen ist es wichtig, Diskriminierungen und alles andere, was schiefläuft, immer und immer wieder anzusprechen, möglichst laut und deutlich, damit sich etwas zum Besseren ändert. Denn Schweigen und Ducken spielt nur Despoten, diskriminierenden Systemen, Regimes und Religionen in die Hände!

Fazit

Äußerst gelungene Graphic Novel zum Thema Diskriminierung, Sexismus und Rassismus. Sie zeigt auf, wie tief Diskriminierungen aller Art immer wieder an jeder Ecke täglich aufs Neue in Gesellschaften lauern und verankert sind – und dass Frauen immer wieder täglich aufs Neue mehrfach diskriminiert werden. Selbst dort, wo man es eher nicht vermuten würde, lauern mannigfaltige Diskriminierungen. Die Graphic Novel sensibilisiert dafür, indem sie Alltagserfahrungen für sich sprechen lässt.


Genre: Diskriminierung, Graphic Novel, Rassismus, Sexismus
Illustrated by Carlsen graphic novel

Achtung, Zucker! Die schlimmsten Zuckerfallen und die besten Alternativen

Achtung, Zucker!

Eines nimmt dieses Buch vorneweg: Süße Speisen sind ein Labsal für die Seele und gehören einfach dazu. „Wer sich ausgewogen ernährt und sich genügend bewegt, kann Süßes in Maßen mit gutem Gewissen genießen.“ Aber es gibt auch Zuckerfallen wie z.B. die verarbeiteten Lebensmittel. Das Buch will darüber aufklären, wo genau diese Fallen versteckt sind und welche Alternativen es gibt. Außerdem will es helfen, die Ernährung unkompliziert zuckerärmer zu gestalten. „Ersetzen, abwandeln oder selber machen ist hier das Motto.“

Zunächst geht das Buch auf die einzelnen Zuckerarten ein und hält als Fazit fest, dass man Vielfach- oder Mehrfachzucker bevorzugen sollte. 100 g Zucker oder 40 Stück Würfelzucker isst der Deutsche pro Tag. Hinzu kommt der nicht mitberechnete Glukoseverbrauch, der sich in den letzten 20 Jahren verdoppelt hat. Glukose wird Lebensmitteln, v.a. Getränken und Süßwaren, zugesetzt und gerade der Konsum von gezuckerten Getränken wirkt sich ungünstig auf das Gewicht aus. Die WHO empfiehlt, nicht mehr als 10% des täglichen Energiebedarfes mit Zucker zu decken. Das sind 50 bis maximal 60 g Zucker pro Person und Tag. Noch besser wäre ein Zuckerkonsum von nur 5% pro Person und Tag. Auch bei Kindern werden maximal 10% pro Kind und Tag empfohlen.

Bei erhöhtem Zuckerkonsum drohen Krankheiten wie Übergewicht und Diabetes. Dem kann man durch eine ausgewogene Ernährung und Bewegung vorbeugen. Eine ausgewogene Ernährung besteht aus etwa 15% Eiweiß, 30% Fett und 55% Kohlehydrate. Letztere sollten v.a. durch ballaststoffreiche Lebensmittel abgedeckt werden, da diese nachweislich das Risiko für Erkrankungen senken. So wird die Zuckerzufuhr automatisch begrenzt. Für Kinder besonders ungesund sind gezuckerte Getränke, Bewegungsmangel und zu wenig Schlaf.

Täglich 10.000 Schritte zurückzulegen kann chronischen Krankheiten vorbeugen. Gesunde Ernährung und Bewegung ist auch bei einer schon bestehenden Diabetes-Erkrankung hilfreich, denn Bewegung wirkt wie Insulin und senkt den Blutzuckerspiegel. Übrigens kann ein hoher Konsum von Fruchtzucker Fettstoffwechselstörungen, Insulinresistenz und Fettleibigkeit begünstigen. Oft greift man zu zuckerhaltigen Lebensmitteln, wenn man gestresst ist, sich trösten oder belohnen will. Da sollte man nach Alternativen suchen, z.B. sich einen Waldspaziergang vornehmen oder andere Dingen, die man als angenehm empfindet. Die Portionen an Zucker, die man sich gönnt, sollte man bewusst genießen. Außerdem helfen das Prinzip der kleinen Schritte und realistische Ziele, sich langsam vom Zucker zu entwöhnen.

Das Buch hilft bei der Umstellung, indem es z.B. Alternativen anbietet oder Möglichkeiten aufzeigt, Zucker im Alltag zu reduzieren. U.a. kann man in herkömmliche Joghurts zu gleichen Teilen Naturjoghurt mischen, um den Zuckeranteil zu verringern. Süße Pfannkuchen oder Milchreis kann man auch mit ungesüßtem Fruchtmus zubereiten, Müslimischungen mit ungezuckerten Haferflocken, Flakes oder gepopptem Getreide mischen. Fertigsalate oder -soßen lassen sich durch zusätzliches Gemüse aufwerten. Fruchtsäfte oder Limonaden im Verhältnis 3:1 mit Wasser mischen, sodass das Wasser bzw. der Sprudel überwiegt. Bei einem Gebäck aus Rührteig gibt es sogar mehrere Alternativen: 1/3 des Zuckers weglassen, einen Teil der Zuckermenge durch zerdrückte Banane oder Apfelmus ersetzen oder mit Hefeteig, Quark-Öl-Teig oder Brandteig arbeiten, die sowieso schon zuckerärmer sind. Insgesamt kann man seine Lieblingskuchen immer noch genießen, aber durch die vorgeschlagenen Alternativen zuckerärmer gestalten. Überhaupt wird das selbst Gekochte oder Gebackene empfohlen, da man hier die Kontrolle über die Zuckermengen behält. Ansonsten ist ein Blick auf die Zutatenliste der gekauften Produkte hilfreich: Das am meisten verwendete Produkt steht immer an vorderster Stelle.

Informatives, gut verständliches Buch mit alltagstauglichen Tipps

Sehr übersichtlich und mit vielen Tipps, sowie 50 Rezepten gibt das Buch einen sehr guten Überblick über alles, was mit Zucker, Zuckeralternativen, Zuckerfallen (die einen Großteil des Buches einnehmen), Lebensmittel für Babys und Kleinkinder usw. zusammenhängt. Es arbeitet hierzu mit Tabellen, Verweisen, Exkursen, rot unterlegten wichtigen Texten, verständlicher Sprache, Zusammenfassungen und einem übersichtlichen Seitenlayout. Dabei wird bei allen vorgestellten Lebensmitteln immer der Zuckergehalt angegeben und welche Alternativen es gibt, inklusive Verweis an passender Stelle auf ein entsprechendes Rezept. Auch die Farbgebung ist nicht nur ein Hingucker, sondern auch symbolisch, indem Rot auf Zuckerfallen hindeutet, während Grün die gesündere Alternative vorstellt. Die Rezepte sind besonders auf Zuckerfallen bezogen, um eine gesunde Alternative vorzustellen. Deshalb unterteilen sie sich in Getränke, Frühstücksprodukte, Gebäck und Kuchen, Desserts, Müsliriegel (die zu den Süßigkeiten zählen), Saucen und Dressings, Salate.

Fazit

Sehr übersichtliches, gut verständliches, am Alltag orientiertes, informatives Buch über Zucker, Zuckerfallen und deren Alternativen. Nachhaltig auf recyceltem Papier gedruckt.


Genre: Ernährung, Sachbuch
Illustrated by Verbraucherzentrale

Das schnelle Diabetes-Kochbuch – Die besten Rezepte für jeden Tag

Was versteht man unter Diabetes und wie hilft Low Carb?

„Volkskrankheit Diabetes – Diabetes kann jeden treffen, Menschen aller Altersstufen, jeden Geschlechts und aus allen Gebieten der Welt. Und das tut die Krankheit auch – in Zahlen, die dramatisch zunehmen.“

Vor allem Diabetes Typ 2 (Altersdiabetes) sei massiv auf dem Vormarsch, aber auch bei Kindern sei Diabetes (Typ 1) mit 1,1, Millionen Betroffenen mittlerweile keine Seltenheit mehr. In Deutschland sind offiziell 7, 5 Millionen Menschen an Diabetes erkrankt, aber die Zahlen liegen wohl weit höher.

Typ-1-Diabetes wird durch eine Autoimmunreaktion verursacht. Das Abwehrsystem greift die insulinproduzierenden Zellen an, weswegen wenig oder kein Insulin produziert wird. Der Typ-2-Diabetes geht meist eine Insulinresistenz voraus, die entsteht, wenn über einen längeren Zeitraum sehr viel Insulin produziert und verarbeitet werden musste. Diese wiederum entsteht durch eine kohlenhydratreiche Ernährung mit einem bewegungsarmen Lebensstil. Das Ergebnis sind erhöhte Blutzuckerwerte, die zahlreiche schwerwiegende Folgekrankheiten nach sich ziehen können. Dieser Typ tritt vorwiegend bei älteren Erwachsenen auf, kommt aber durch mangelnde Bewegung und schlechte Ernährung mittlerweile auch schon bei Jüngeren vor.

Eine kohlenhydratarme Ernährung verbessert die Blutzuckerwerte. Mit einer Low-Carb-Ernährung wird der Blutzuckerspiegel langfristig reduziert und auf einem konstanten Level gehalten. Außerdem ist es enorm wichtig, sich zu bewegen. Die körperliche Aktivität verbessert die Aufnahme des Blutzuckers in die Zellen, sodass die erhöhten Blutzuckerwerte sinken. Außerdem werden Muskeln aufgebaut, die ebenfalls durch den erhöhten Bedarf an Kalorien zur Besserung beitragen, da der Insulinbedarf der Körperzellen sinkt. Außerdem wird der Blutdruck verbessert und überschüssiges Fett reduziert, was Herz-Kreislauf-Krankheiten vorbeugt. Jede Sportart ist geeignet, v.a. aber Ausdauersportarten. Im Alltag sollte man versuchen, so viel Bewegung wie möglich einzubauen.

Die Low-Carb-Ernährung besteht aus kohlenhydratarmem, gesundem Essen mit viel Gemüse, reichlich gesunden Fetten und Eiweiß.

Schnelles Kochen?

Der Autor geht näher auf Diabetes und diese Form der Ernährung ein und erklärt beides übersichtlich und verständlich, u.a. in Form einer Ernährungspyramide. Außerdem empfiehlt er das Selbstkochen, denn es kommt ohne all den Zucker, das Salz und die Zusatzstoffe aus, die den gekauften Produkten meist zugesetzt sind. So weit, so vorbildhaft.

Er wirbt bei seinen Rezepten, die den Großteil des Buches einnehmen, für eine schnelle Diabetes-Küche, sprich: Das Kochen an sich soll schnell gehen. Da ich regelmäßig und schon seit Langem koche, habe ich das natürlich ausprobiert. Ich komme zu dem Ergebnis, dass die Zeitangaben doch sehr optimistisch gehalten sind. Auf die Zeit komme ich, wenn ich Hilfe habe (also meist eher nicht) oder schon alles vorgeschnitten ist (ebenfalls eher nicht), ansonsten brauche ich ungefähr doppelt so lange wie im Rezept angegeben. Fazit: Die Rezepte brauchen durchschnittlich lange, bis alles vorbereitet und gekocht ist, wirklich schnell geht es nicht. Außerdem bin ich nicht einer Meinung mit dem Autor, wenn er schreibt: „Denn die Zeit, die Sie beim Kochen verbringen, entschleunigt ungemein und befreit vom Stress des hektischen Alltages.“ Ich koche gern, aber definitiv nicht unter Zeitdruck! Und den habe ich als Frau und Mutter, die alles irgendwie in einen viel zu kurzen Tag quetschen muss! Kochen verkommt hier zu einem weiteren Punkt einer unendlichen To-Do-Liste und ist dann nun wirklich keine Art der Entschleunigung mehr. Da verrät sich eine sehr männliche Sichtweise ohne Mehrfachbelastung… Die Tipps für schnelleres Kochen, die er anspricht, setzt eine Frau im Alltag sowieso schon um, weil es nicht anders geht.

Die Rezepte selbst sind unterteilt in Frühstück, Suppen, Salate, Vegetarische Gerichte, Geflügelgerichte, Fleischgerichte, Fischgerichte, Desserts und Snacks. Mir persönlich schmecken sie gut, aber ich bin Mutter und muss auch schauen, dass sie meinem Kind schmecken. Das ist nicht immer der Fall. Der Spitzkohlauflauf z.B. war in Ordnung für alle Erwachsenen am Tisch, für mein Kind aber nicht. Dafür mochte er den Spargel im Speckmantel – ohne die Salatsoße. Ich bin schon seit Längerem sehr dafür, dass man in Kochbüchern Familien mehr berücksichtigt! Schließlich fängt die gesunde Ernährung schon bei den Kleinsten an.

Ansonsten könnte eine radikale Umstellung auf diese Art der gesunden Ernährung möglicherweise dazu führen, dass man sie nicht durchhält. Wer sich vorher v.a. von Fastfood und Fertiggerichten ernährt hat, der wird sich wohl eher nicht sofort mit Low-Carb in der vorgeschlagenen Form anfreunden. Hier wäre ein Übergang ratsam, der sich zu der optimalen Ernährung langsam hintastet.

Außerdem ist mir bei den Diabetikern in der Familie aufgefallen, dass schon eine gewisse Menge an Kohlenhydraten vorhanden sein muss, damit sie nicht unterzuckern. Und das kann schnell gehen. An mir selbst fiel mir auf, dass mein Wärmehaushalt absackt, wenn ich so kohlenhydratarm esse. Sprich: Ich friere deutlich schneller als sonst. Ein individueller Ernährungsplan wäre also optimal, die angegebenen Tipps des Buches sollten als Anregung verstanden werden.

Fazit

Übersichtliches Buch mit anschaulichen Erklärungen und schöner Bebilderung, das alles Relevante zu Diabetes und einer diabeteskonformen Ernährung gut erklärt. Die Rezepte sind für offen eingestellte Erwachsene schmackhaft, für Familien mit Kindern sollten sie allerdings angepasst werden.


Genre: Diabetes, Kochbuch, Sachbuch

Ghostly Things 3

Die Natur, das Jenseits und die Menschen

Yashios Freundin erinnert sich eines schönen Tags an ihren toten Bruder. Aber die Erinnerungen werden ihr von einem Spinnennaturgeist aus dem Kopf gezogen, weil er sich daraus ein Nest bauen will. Yashio erfährt, dass diese Geister den Kopf leeren, damit neue Erinnerungen Platz finden. Aber ihre Freundin hängt an ihrem toten Bruder, deshalb will sie ihr die Erinnerungen zurückholen. Außerdem wird ein neuer Torwächtergeist geboren, den Moro und sie in ihre Obhut nehmen, bis er am großen Fest zum Geleit ins Totenreich teilnehmen kann. Das Fest selbst muss noch vorbereitet werden, damit der Heimkehr der Naturgeister ins Totenreich nichts im Weg steht. Vorerst aber findet Yashio durch eine Art Unfall selbst den Weg ins Totenreich. Sie begegnet dem verschwundenen Professor, der das Jenseits erforscht, aber nicht mehr zurückkehren darf. Er gibt ihr den entscheidenden Rat für Yashios Suche nach ihrer Mutter.

Abschlussband

Der letzte Teil der Trilogie fühlt sich nicht wie ein Abschluss an. Er hört für meinen Geschmack zu abrupt auf, denn die Story hat durchaus noch das Potential fortgeführt zu werden: Wie will Yashio ihre Mutter finden, was passiert mit ihren Gegnern und wird Moro tatsächlich seinem Schicksal überlassen? Das wird alles nur zart angedeutet oder findet viel zu schnell und hastig statt, ohne dass man als Leser*in so recht weiß, was und wie einem gerade geschieht. Der Band vermittelt den Eindruck, unter Zeitdruck oder ungeduldig fertig gestellt worden zu sein, sodass am Schluss des Bandes nur noch grobe Storyskizzen möglich waren. Das ist schade, denn die ersten beiden Bände und auch die ersten Teile des Abschlussbandes sind qualitativ hochwertig in den Zeichnungen und der Gestaltung der Story. Ein vierter Band hätte die Geschichte in Würde zum Abschluss gebracht. Man könnte natürlich dafür plädieren, dass das Ende des Bandes ein offenes ist, aber es sprechen o.g. Gründe dagegen, denn selbst ein offenes Ende wird nicht hastig gestrickt. Schade, dass ein runder Schluss für diese wirklich schöne Geschichte fehlt.


Genre: Jenseits, Manga, Natur
Illustrated by Carlsen Manga!

Vom Endzeit-Blues zurück ins Leben

Turbulente Lebensgewässer

Vom bewegten Leben eines ganz normalen Bürgers erzählt die Autobiografie „Vom Endzeit-Blues zurück ins Leben“. Als eines von mehreren Geschwistern wächst der Autor zunächst bei seinen Eltern und später bei Onkel und Tante auf, die sich mit dem Kind wohl ihren Kinderwunsch erfüllt haben. Zunächst läuft es für den Jungen ganz gut; er ist begeistert von den Freiheiten, die er jetzt genießt. Aber das Leben bei Onkel und Tante hat nicht nur gute Seiten, sodass er als Teenager zurück zu seinen Eltern zieht. Dort macht er eine Lehre zum Schriftsetzer, muss aber quasi als Mädchen für alles vielerlei andere Arbeiten verrichten. Aus mehreren Gründen heiratet Ranstädt früh. Seine Frau bringt einen Sohn mit in die Ehe, zwei weitere Kinder folgen. Ein paar Jahre später muss der Autor seinen ersten Schicksalsschlag verkraften, denn der erste Sohn erkrankt schwer. Weitere Schicksalsschläge folgen in Form von Trennungen, schwierigen Beziehungen zu den Kindern und turbulenten Arbeitsstellen, bis Ranstädt sein stürmisches Lebensschiff in ruhigere Gewässer steuern kann.

Nach dem Ab folgt ein Auf

Die Autobiografie liest sich flüssig, schnell und spannend. Ich habe als Mutter nur ca. 3 Abende gebraucht, um sie zu lesen. Das verdankt sich nicht nur der flüssigen Schreibweise mit Appetizern am Ende der Kapitel, sondern auch der recht großen Schrift, die das Lesen angenehm gestaltet. Das Buch entfaltet sich als Lebensrückschau vor den Augen der Leser*innen und beweist, dass auch und gerade die Geschichte ganz normaler Leute interessant sein kann.

Der Autor will den Leser*innen Mut machen, indem er sagt, dass nach jedem (Jammer-)Tal auch wieder frohes Gipfelstürmen folgen kann. Das Leben erfolgt in Wellen; es gibt immer ein Auf und Ab. Und wie ein Stehaufmännchen soll man sich von den Tiefen nicht unterkriegen lassen, denn irgendwo kommt immer wieder ein Lichtlein her. Es ist wirklich faszinierend zu sehen, wie ein solches Lichtlein just in dem Moment um die Ecke biegt, wenn alles am Boden zu liegen scheint. Da beneide ich Ranstädt, denn in meinem Leben kam mal nicht eben ein Lichtlein vorbei, ich musste mir solche Lichter stets selbst erarbeiten. Das ist aber auch das einzige Beneidenswerte, denn ansonsten wurde dem Autor in seinem Leben kaum etwas erspart. Das ermöglicht ihm aber eine Weitsicht und Reife, die auch im Nachwort des Buches zu spüren ist.

Ich persönlich finde es schade, dass das Buch für meinen Geschmack zu sehr an der Oberfläche geblieben ist, denn ich wäre gern noch tiefer in seine Geschichte eingetaucht. Kaum angefangen war das Buch schon ausgelesen. Ich kann mir aber vorstellen, dass es sehr schwer sein muss, sein Leben derart offen darzulegen und Wunden wieder aufzureißen. Das geht wohl nur bis zu einem gewissen Grad. Hin und wieder tauchen Tippfehler auf, die evtl. für eine zweite Auflage angegangen werden könnten. Ansonsten habe ich aber an dem Buch nichts auszusetzen. Eigentlich könnte es ruhig mehr Biografien von „ganz normalen Leuten“ geben – sie lesen sich zumindest für mich spannender als so manche Promi-Biografie und beweisen, wie vielfältig der „ganz normale Alltagswahnsinn“ sein kann.

 


Genre: Autobiografie
Illustrated by BoD Norderstedt

Abby – Auf der Seite des Gesetzes (Band 3)

Von Outlaws zu gesetzestreuen Bürger*innen

Abigail Clearwater Williams, genannt Abby, hat sich mit ihrem Mann Butch Cassidy, jetzt bekannt unter dem Namen Robert Williams, eine Ranch gekauft. Beide wollen nach ihrem Dasein als Outlaws ein ruhiges, gesetzestreues Leben führen. Deshalb geht Robert seiner zweiten Leidenschaft, dem Hegen und Pflegen von Tieren, nach: Er züchtet und verkauft Pferde. Ihre gemeinsame Tochter Elisabeth, kurz Betty, liebt Tiere ebenfalls und liegt ihren Eltern schon seit geraumer Zeit mit eigenen Pferden und Hunden in den Ohren. Betty weiß nichts von der Outlaw-Vergangenheit ihrer Eltern und das soll nach dem Willen von Abby und Robert auch so bleiben. Sie haben extra ihre Spuren verwischt, damit man ihren ruhigen Lebensabend nicht gefährden kann. Das bedeutet aber auch, dass Abby auf ihre erste Tochter Alison verzichten muss, denn diese kennt die Vergangenheit ihrer Mutter. Alison lebt mittlerweile in dem Glauben, Butch Cassidy und Abby seien gestorben. Aber durch Abbys und Roberts Freunde Mary und Elzy, die mit Alison in Kontakt stehen, ist Abby immer über ihre Tochter informiert, sodass sie zumindest aus der Ferne an Alisons Leben teilhaben kann. Dann aber erleidet Alison einen lebensbedrohlichen Unfall und Abby beschließt, sie im Krankenhaus zu besuchen. Das ist leider nicht das einzige Unheil, dass den Frieden der Familie gefährdet: Auch Betty, die mit ihrer lebhaften Art ihrer Mutter nachschlägt, erleidet einen Unfall, der sie an den Rand des Todes bringt. Außerdem müssen sich Abby und Robert gegen einen Pater wehren, der Kinder missbraucht. Ihr Leben gestaltet sich also weiterhin alles andere als ruhig.

Wahre Begebenheiten

Ich bin erst mit Band 3 in die Reihe eingestiegen. Schon erhältlich sind die Bände „Abby – Mit Butch Cassidy auf dem Outlaw Trail“ und „Abby – Totgesagte leben länger“. Ein 4. Band ist geplant. Mir ist der Einstieg in die Reihe leichtgefallen, da kurze Rückblicke an gegebener Stelle einiges erklären, was sonst unklar geblieben wäre.

Die Autorin hat sich mit dieser Reihe dem Western verschrieben, und zwar aus Frauensicht. Ihre Protagonistin Abby ist zwar eine Fantasiefigur, aber Fischer lehnt ihre Geschichte an wahre Begebenheiten an. Butch Cassidy und Elzy Lay z.B. waren reale Outlaws, über die sich die Autorin mithilfe von Büchern informierte, wie sie im Nachwort schreibt. Ihr ist es auch wichtig, zwischen Realität und Fiktion zu trennen und aufzuzeigen, wo bei ihr die Fiktion beginnt. Sie weist aber auch darauf hin, dass sie behutsam ihre Fiktion mit der Realität verbunden hat, um ein rundes Ganzes zu schaffen. Das ist ihr gelungen. Die Geschichte liest sich spannend, man kann gut in die Story eintauchen und mit den Figuren mitfühlen. Die Figuren selbst hat Fischer lebendig und sympathisch gestaltet.

Frauenbild

Um noch einmal auf das Genre “Western” aus Frauensicht zurückzukommen: Meist sind Western aus Männersicht geschrieben oder verfilmt. Frauen kommt dabei eher die Rolle von Nebendarstellerinnen zu, die entweder die gute Hausfrau mimen, in Salons den männlichen Voyeurismus bedienen oder als „schwaches“ Geschlecht z.B. als evtl. zu rettendes Opfer herhalten müssen. Kurz: Die Rolle der Frau in einer solchen Sicht des Westerns hat zumindest bei mir als Mädchen und später als Frau keine Begeisterungsstürme ausgelöst. Ich konnte mich aus guten Gründen mit keiner dieser negativ und einseitig besetzten Frauenrollen identifizieren, sodass mir dieses Genre weitgehend fremd geblieben ist. Mit einer selbstbestimmten und gleichwertigen Frau als Hauptfigur sieht das aber schon ganz anders aus. Abby ist selbstbestimmt; sie lässt sich auch in sexueller Hinsicht nichts sagen und macht das, was ihr richtig erscheint. Sie steht ihren Mann, ohne dabei ihre Form der Weiblichkeit aufzugeben. Letztlich ist sie es, die entscheidende Richtungswendungen veranlasst. Auch ihre Töchter Alison und Betty lassen sich in kein Rollenklischee pressen und machen das, was ihnen gut dünkt. Gerade Alison eckt damit regelmäßig bei ihrem konservativen Vater an. Aber das macht sie bewusst, um ihn zu ärgern und vielleicht auch, damit er über seinen engen Tellerrand hinaussieht. Betty hat das Glück in einer Familie aufzuwachsen, die ihr die für sie so notwendigen Freiheiten gibt, damit sie sich gesund entwickeln kann.

Die anderen Frauen in dem Roman entsprechen allerdings dem Rollenklischee und scheinen damit auch zufrieden zu sein. Das ist in Ordnung, solange sie dazu nicht gezwungen sind und anderen keine Vorhaltungen machen, wie sie zu leben haben. Das tun die Frauen in dem Roman nicht, sie unterstützen sich gegenseitig und ergänzen sich. Damit entsprechen sie den matriarchalen Netzwerken, die für Frauen sehr vorteilhaft sind, wenn sie funktionieren. Das Patriarchat versucht nicht umsonst, starke Frauennetzwerke zu zerstören. Ein Wehrmutstropfen für mich ist allerdings, dass Abby dem Klischee der Rothaarigen entspricht: Sie ist so feurig wie ihre Haarfarbe. Sieht man sich die historischen Begebenheiten an, leiden Rothaarige und v.a. rothaarige Frauen unter Klischees. Die Haarfarbe ist bei anderen Menschen nicht sehr beliebt und führte in der Vergangenheit sogar zu Tötungen von gerade weiblichen Rothaarigen (Hexenverbrennungen). Auch eine meiner Kindheitsfreundinnen, die rothaarig war, litt immer wieder unter Repressalien wegen ihrer Haarfarbe. Deshalb finde ich es besser, Klischees zu durchbrechen, anstatt sie weiter zu bedienen. Frauen müssen auch nicht immer impulsiv sein, um Stärke zu zeigen, zumal Frauen, die impulsiv sind, oft die Vernunft und das analytische Denken abgesprochen werden (was nicht stimmt, es geht auch beides). Analytisches Denken, kühle Überlegtheit wird oft nur Männern zugestanden, was ebenso falsch ist. Wenn man bedenkt, was Frauen egal welchen Charakters durch die Mehrbelastung leisten müssen und dass das nur mit durchgetaktetem Tagesablauf und damit nur mit strategischer Planung und Organisation geht, dann ist dieses Klischee schon millionenfach widerlegt.

Positive Grundhaltung

Der Roman hat trotz aller Schwierigkeiten, die die Figuren meistern müssen, immer einen positiven Grundton. Er liest sich flüssig und leicht. Die Figuren meistern die Schwierigkeiten mit Entschlossenheit, verbergen aber auch ihre Bedenken und ihre Ängste nicht, was sie realer wirken lässt. Durch die positive Grundhaltung gesunden Abby und die anderen wieder und versinken nicht in Depressionen. Was meinen Lesefluss ein wenig gestört hat, ist die Angewohnheit der Autorin, ganze Sätze nicht mit einem Punkt, sondern nur mit einem Komma abzutrennen. Dadurch werden die Sätze zu lang und bekommen etwas Hastiges, Unruhiges im Satzduktus. Die kleine Lesepause durch den Punkt fehlt mir. Aber insgesamt finde ich den Roman gelungen, denn aus o.g. Gründen ist er gut durchdacht und spannend geschrieben.


Genre: Roman, Western
Illustrated by Bogner

Just because I love you

Rowdy trifft Schönling

Auf Takeru Totoki trifft der Satz „Harte Schale, weicher Kern“ zu: Immer wieder in Raufereien verwickelt und deshalb als Rowdy gebrandmarkt, will er eigentlich nur ein normales Leben führen. Aber Takeru hat inzwischen keine Hoffnung mehr, dass er aus diesem Teufelskreis herauskommt – bis sich eines Tages Schulschönling Teo Yoshizawa nach einer Schlägerei um ihn kümmert. Ab diesem Zeitpunkt freunden sich die beiden unterschiedlichen Jungen immer mehr an und Takeru merkt, dass ihm der Kontakt mit dem beliebten Schüler guttut, denn er führt jetzt ein merklich ruhigeres Leben. Als Teo ihn auch noch für die Prüfungen in der Schule fit macht, erhält er zum ersten Mal in seinem Leben gute Noten. Alles läuft prima – aber was werden die anderen sagen, wenn sie merken, dass Takeru und Teo mittlerweile mehr sind als nur gute Freunde?

Klischees kritisch hinterfragt

Der BL-Manga (Boys-Love-Manga) thematisiert Homosexualität in einer eher beiläufigen Art. Die beiden Protagonisten verheimlichen zwar ihre Neigung und ihre Beziehung, aber sie machen sich ansonsten kaum Gedanken um ihre Homosexualität und leben sie einfach. Allerdings steht das im Widerspruch zur Wirklichkeit v.a. in Japan, in der Homosexualität tabuisiert wird und man sich deshalb automatisch viele Gedanken machen muss. Ansonsten aber ist gerade die Figur Takerus sehr schön herausgearbeitet: Durch seine körperliche Größe und sein eher wildes Aussehen wird er gleich in eine Schublade gesteckt, in die er von seinem liebenswürdigen Wesen her überhaupt nicht passt. Hier wird indirekt kritisiert, dass die Gesellschaft nur auf Äußerlichkeiten schaut und sich nicht die Mühe macht, hinter die Fassade zu blicken bzw. das Innere einer Person zu ergründen. Ausgerechnet der Schulschönling Teo, dem man aufgrund seiner Beliebtheit eher Oberflächlichkeit zutrauen würde (hier wird also ebenfalls mit Klischees gespielt), interessiert sich für die Person Takeru selbst und verurteilt Takeru nicht von vorneherein. Mit expliziten, aber nicht pornografischen Sex-Szenen. Der Verlag empfiehlt den Manga daher erst ab 18 Jahren, aber ich denke, ab 15 oder 16 Jahren ist das auch in Ordnung. Mich wundert sowieso, warum Gewaltszenen, die für die Psyche schädlicher sind, schon ab jungem Alter freigegeben werden, während einvernehmlicher Sex so tabuisiert wird. Da wirkt wohl noch die Leibfeindlichkeit der Kirche nach.


Genre: Homosexualität, Manga
Illustrated by Carlsen / Hayabusa

My Roomate is a Cat 7

Verantwortungsvoller Umgang mit Tieren

Der introvertierte Schriftsteller Subaru hat unter seiner Terrasse Katzenbabys gefunden. Die möchte er jetzt in gute Hände vermitteln. Allerdings fällt es ihm schwer, Zettel mit Infos zu den Kätzchen zu verteilen, da er kontaktscheu ist. Aber er bekommt überraschend Hilfe von Verkäufer*innen, die seine Zettel bei sich aushängen. Schon bald darauf melden sich Interessent*innen, die zwei von den drei Katzenbabys mitnehmen – auch wenn die Vermittlung nicht immer glatt verläuft. Und Subaru überlegt, ob er das letzte Kätzchen nicht selbst behalten soll.

 

Selbstüberwindung und Elternqualitäten

Der 7. Band erzählt wieder sowohl aus der Perspektive von Mensch als auch Katze die Geschichte und bietet dabei unterschiedliche Blickwinkel. Katze Haru hat alle Pfoten voll zu tun, die kleinen Energiebündel in Schach zu halten, während Subaru seine Scheu erneut überwinden muss, um den Katzenbabys zu helfen. Haru lernt auch hier, ein gutes Vorbild zu sein, während Subaru erfährt, dass die Außenwelt besser und hilfsbereiter ist als er angenommen hat. Insgesamt wird auch in diesem Band wieder ein stiller Optimismus vermittelt, der wie warme, weiche Wattewolken die Leser*innen einhüllt. Dieser Optimismus ist zwar nicht unbedingt realistisch – es gibt an jeder Ecke Menschen mit schlechtem Charakter, für die Charaktere wie Subaru ein willkommenes Opfer sind – aber wer Realität von Fiktion unterscheiden kann, ist mit dieser liebevollen Geschichte über Selbstfindung und Tierliebe gut bedient. Allerdings muss man dazu sagen, dass die Sicht der Katzen sehr menschlich ist und daher eher keine echte Katzenperspektive bietet. Die Serie erscheint in Japan seit 2015, in Deutschland sei 2020. Seit 2019 gibt es sie auch als Anime.


Genre: Katzen, Manga, Schriftsteller*innen
Illustrated by Carlsen Manga!

Carole & Tuesday

Selbstverwirklichung

Die 17-Jährige Tuesday hat nur einen Wunsch: Sie will Musik machen! Aber innerhalb ihres strengen Elternhauses ist das nicht möglich. Deshalb reißt sie von zuhause aus und versucht ihr Glück in der Mars-Hauptstadt Alba City. Dort trifft sie zufällig auf Carole, die als Straßenmusikerin versucht, ein wenig Geld in die Kasse zu spülen. Tuesday ist von Caroles gefühlvollen Keyboardklängen begeistert und hat sofort einen Liedtext im Kopf. Sie zieht bei Carole ein und beide versuchen mit ihren Stimmen, der Gitarre und dem Keyboard sich anzunähern. Um die Akustik zu testen, spielen sie ihr neues Lied schließlich illegal in einer Konzerthalle. Dort nimmt ein Mitarbeiter ein Video der beiden auf, das sofort viral geht. Die Zuhörer*innen spüren trotz aller Anfängerfehler sofort die Seele (den Soul) der Musik, der durch die KI-produzierten Lieder abhandengekommen ist.

Der Soul der Musik

Der 1. Band der Reihe, die auf dem gleichnamigen Anime beruht – ansonsten ist es meist umgekehrt, denn zuerst wird der Manga veröffentlicht, auf den bei Erfolg ein Anime folgt – ist eine Mischung aus Science-Fiction-Manga und einem Manga über das Künstler*innendasein, in dem Fall über Musikerinnen und die Schwierigkeiten, einer Leidenschaft nachzugehen und damit auch noch Geld zu verdienen. Er zeigt schon im ersten Band, welche Hindernisse überwunden werden müssen, um bekannt zu werden. Dabei geht es hauptsächlich um das Künstlerische; die Science-Fiction bildet nur den Rahmen der Geschichte.

Bemerkenswert finde ich, dass nicht nur zwei Frauen die Hauptfiguren stellen, sondern dass eine der beiden auch noch dunkelhäutig ist. Das findet man in Manga, v.a. als Hauptperson, selten. Aufgrund der vielen Hautfarben, die es schon seit jeher gibt, und wenn man bedenkt, dass die helle Hautfarbe eigentlich nur eine Mutation der dunklen ist, um sich an nordische Klimaverhältnisse anzupassen, sowie weiter sinniert, dass die Vorfahren der Menschheit aus Afrika stammen, sollte es eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein, dass man diese Vielfalt an menschlichem Dasein auch in der Literatur abbildet. Dem ist aber leider nicht so; es gibt hier noch viel Handlungsbedarf.

Spinnt man den Faden weiter, ist es aufgrund der düsteren Geschichte nicht selbstverständlich, dass eine dunkelhäutige und eine weißhäutige Figur quasi sofort eine Freundschaft eingehen. Sie bilden zwar ein schwarz-weißes Duo, aber dieses ist nicht im Sinne des engstirnigen Schwarz-Weiß-Denkens zu verstehen, sondern ganz im Gegenteil wie die beiden sich ergänzenden Teile des Yin und Yang.

Ebenfalls ein wichtiges Thema ist die Seele der Musik (Soul). Man denke an die Musikrichtung Soul, die mit afroamerikanischen Menschen verknüpft wird. Da schon in der Gegenwart Musik gern technisiert wird, nimmt der Manga diesen Trend auf und führt ihn in letzter Konsequenz ad absurdum: Technik, selbst wenn sie noch so ausgefeilt ist, kann menschlichen Soul nicht ersetzen. Wenn der Soul fehlt, ist die Musik letztlich leer und bietet keine Seelennahrung, was eigentlich ihre Aufgabe ist.

Insgesamt ein gelungener, schöner Manga zum Thema Musik und Künstler*innendasein im Setting der Science-Fiction.


Genre: Manga, Musik, SF

Love and Fortune 2

Gefühlschaos

Als Yumeaki Wako fragt, ob sie seine Freundin sein will, weiß Wako keine Antwort. Sie ist zwar in den 15-jährigen Jungen verliebt, aber der Altersunterschied macht ihr zu schaffen. Außerdem muss sie sich darüber klarwerden, wie sie zu ihrem langjährigen Freund Futa steht. Als sie sich nach langem Hin und Her dafür entscheidet, Futa zu verlassen, merkt Wako, dass das nicht so einfach geht. Sie bleibt daraufhin bei ihm. Die beiden wollen sogar heiraten. Aber Futa schöpft Verdacht. Er kommt Wako schließlich auf die Schliche und trennt sich. Als seine Freunde ihn aber nicht bei sich aufnehmen wollen und ihm ins Gewissen reden, geht er zu Wako zurück und die beiden kommen wieder zusammen. Aber dann trifft Wako Yumeaki im Kino wieder.

Die Konsequenzen einer Affäre

Der 2. Band beleuchtet die Irrungen und Wirrungen einer Affäre. Er geht auf das Gefühlschaos ein, das in allen Beteiligten vorgeht, wenn eine Affäre herauskommt. Indirekt wird auch das Toy-Boy-Vorurteil erwähnt, denn Futa nimmt Yumeaki nicht ernst und beleidigt ihn wegen seines jugendlichen Alters. Gezeigt wird aber auch, dass Wako trotz einer unguten Beziehung entscheidungsschwach ist und letztlich die Macht der Gewohnheit siegt. Dabei hätte sie als diejenige, die das Geld verdient, alle Freiheiten: entweder sich zu trennen und Single zu bleiben oder sich eine Beziehung zu suchen, in der sie wertgeschätzt wird. Für sie ist eine Beziehung mit dem minderjährigen Yumeaki allerdings mit Gefahren verbunden, weswegen sie die bestehende vermeintlich ungefährliche vorzieht. Da Yumeaki sich aber nicht abweisen lässt, findet Wako keine Ruhe, sondern wird zwischen den beiden Männern hin und her gezerrt. Sie endet in diesem Band im Gegensatz zum ersten als passiver Teil der Dreiecksgeschichte. Was der Band ebenfalls anspricht: Affären entstehen, wenn eine Frau sich nicht geliebt fühlt und nicht wertgeschätzt wird. Sie nimmt sich dann das, was ihr fehlt, bei einem anderen Mann. Das Rollenklischee des wortkargen, gefühlsarmen Mannes wird in einem Gespräch Futas mit der Frau seines Freundes kritisiert. Beziehungen leben von respektvoller Kommunikation, Wertschätzung und dem Zeigen von liebevollen Gefühlen. Sie scheitern, wenn das alles nicht gelebt wird. Deshalb versteht eine Leserin einerseits die schwankende Wako, andererseits möchte frau ihr aber auch einen Schubs in Richtung Selbstständigkeit geben und ihr sagen, dass eine Zeit als Single nur guttun kann, um sich selbst und die eigenen Bedürfnisse besser kennenzulernen. Anders ausgedrückt: Der Manga schafft es, dass man sich in die Geschichte hineinversetzt und mit den Figuren mitfiebert.


Genre: Manga
Illustrated by Carlsen / Hayabusa

Wilde Saat

Quellbild anzeigenZucht und Ordnung

Der Unsterbliche Doro züchtet schon seit Jahrtausenden Menschen mit außergewöhnlichen Merkmalen. Deshalb ist er ständig auf der Suche nach vermeintlichen Hexen oder Hexern („wilde Saat“), die frisches Blut in seine Zuchtdörfer bringen. Eines Tages folgt er der Spur einer ganz besonderen Frau: Sie ist wie er unsterblich, besitzt darüber hinaus aber noch die Fähigkeiten einer Gestaltwandlerin und einer außergewöhnlichen Heilerin. Anyanwu ist zunächst von der Aussicht begeistert, endlich nicht mehr von ihren Nachfahren mit dem Tod bedroht zu werden und unter ihresgleichen leben zu können. Deshalb folgt sie Doro in eines seiner Zuchtdörfer. Aber sie muss schnell feststellen, dass auch dieses vermeintliche Paradies seine Schattenseiten hat. Doro herrscht wie ein Gott über seine Nachfahren. Er hat despotische Züge, duldet keine Widerrede und verlangt, dass man klaglos seinen Zucht- und sonstigen Wünschen nachkommt. Das bedeutet auch, dass sich die Menschen von ihm töten lassen müssen, wenn Doro einen neuen Körper braucht. Seine Seele kann nicht ins Jenseits eingehen, sondern wechselt automatisch den Körper, wenn der alte verbraucht ist. Und das passiert spätestens nach zwei bis drei Jahren. Das Töten ist ihm zur Gewohnheit geworden, was Anyanwu als Heilerin entsetzlich findet. Sie selbst ist aus anderem Holz geschnitzt als Doro: Ihre Nachfahren dürfen sich ihre Partner*innen selbst wählen, erhalten Hilfe, Heilung, Schutz und Rat von ihrer Ahnin, und Anyanwu zieht all ihre zahlreichen Kinder eigenhändig und liebevoll auf. Überhaupt herrscht bei ihr Liebe und soziales Verhalten, wenn sie ein Dorf gründet. Nach ihren Möglichkeiten versucht sie Doro zum Positiven hin zu beeinflussen, aber dieser erweist sich als resistent gegen ihre Versuche, seine Praktiken sozialverträglicher zu machen. Da sie selbst vom Tod bedroht ist, wenn sie Doro nicht gehorcht – er würde schlicht und einfach ihren Körper übernehmen, was ihren Tod nach sich ziehen würde – verzweifelt sie allmählich an ihrer Machtlosigkeit Doro gegenüber. Schließlich entzieht sie sich ihm durch Flucht. Aber da Anyanwu für Doro gefährlich werden könnte, nimmt er die Verfolgung auf.

Patriarchat versus Matriarchat

Dieser von einer Frau geschriebene Science-Fiction-Roman ist in mehrerlei Hinsicht ungewöhnlich. Zum einen sind die Hauptpersonen schwarzhäutig, auch wenn Doro immer mal wieder weiße Körper benutzt. Schwarzhäutige Menschen, v.a. als Hautpersonen, kommen leider viel zu wenig in Romanen vor, weshalb schon dieser Umstand eine positive Hervorhebung wert ist. Dementsprechend spielt ein Teil der Geschichte in Afrika, und zwar vor und während der Kolonialzeit und der Versklavung der Schwarzafrikaner*innen. Hier wird die grausame Geschichte der Schwarzafrikaner*innen aufgezeigt, auch wie die Menschen darunter leiden. Und Doro wird als Mittäter dargestellt, da er aufgrund seiner eigenen Sichtweise kaum noch Menschlichkeit an den Tag legt. Er will zwar, dass es seinen Zuchtobjekten gut geht, sortiert aber auch gnadenlos aus, wenn sie ihm nicht mehr von Nutzen erscheinen. Nur Anyanwu macht all dies etwas aus. Sie möchte Menschlichkeit und positives soziales Verhalten um sich herum. Sie stellt damit einen Gegenentwurf zu Doro dar, dem seine Menschlichkeit immer mehr abhanden kommt.

Afrika ist die Wiege der Menschheit, und irgendwie schwingt das in dieser Geschichte mit. Dabei wird aber auch nicht verschwiegen, dass auch Schwarzafrikaner*innen ihren Anteil an der Versklavung hatten, wenn sie andere Stämme unterwarfen und verkauften oder ihresgleichen als Hexen brandmarkten und sogar zu töten versuchten. Das wird zwar eher nebenbei erwähnt, aber es hat Einfluss auf den weiteren Verlauf der Geschichte. Butler wollte wohl möglichst realistisch und nicht in im wahrsten Sinne des Wortes schwarz-weiß denken, sondern eine facettenreiche Story entwerfen, was ihr auch gelungen ist. Ihre Charaktere sind plausibel und nicht eindimensional, egal ob schwarz- oder weißhäutig.

Insgesamt entwirft Butler eine Geschichte des Patriarchats versus des Matriarchats. Sie zeigt das anhand ihrer beiden Hauptpersonen Doro und Anyanwu. Wenn man sich die Story genauer betrachtet, erinnert sie an die Theorie von Marija Gambutas: Vertreter des Patriarchats fallen in Gebiete ein, in denen das deutlich sozialere Matriarchat vertreten ist, und löschen diese Kultur trotz erbitterter Gegenwehr durch Frauen und Männer mit brutaler Gewalt aus. Doro vertritt in seinem gesamten Gehabe das Patriarchat. Seine Position als Familienoberhaupt ist unanfechtbar, sein Wort Gesetz. Wer sich an seine Vorschriften hält, führt ein einigermaßen gutes Leben, gibt dafür aber alle Freiheiten auf. Wer sich nicht daran hält, wird bestraft bis hin zum Tod. Es ist letztlich eine Gewaltherrschaft, die darauf beruht, dass Doro weiß, dass er den anderen überlegen ist. Die Menschen bleiben nicht freiwillig und gern bei ihm, sondern weil sie Angst vor ihm haben.

Anyanwu als Gegenentwurf zu Doro ist auch sehr mächtig, aber sie setzt ihre Macht nicht gegen, sondern für die Menschen ein, auch wenn diese sie als Bedrohung sehen. Sie setzt nicht auf Angriff, sondern auf Verteidigung, wenn es nicht mehr anders geht. Sie bevorzugt weder Gewalt noch Tod, sondern Heilung in allen Facetten. Sie denkt nicht wie Doro destruktiv, sondern konstruktiv. Sie agiert positiv sozial, indem ihr etwas an ihren Mitmenschen liegt, und sie ihnen mit Rat und Tat zur Seite steht. Sie lebt mit ihnen und nicht über ihnen. Sie liebt ihre Nachkommen und alle, die in ihrem Dorf Zuflucht gefunden haben. Sie vernetzt sich mit den Menschen und sie vernetzt die Menschen untereinander. Sie verhält sich wie eine gute Mutter zu ihren Kindern, hegt und pflegt die Gemeinschaft. Sie agiert mit der Natur und nicht gegen die Natur. Sie fügt sich in das Große Ganze ein und lebt nicht als herrschaftlicher, despotischer Parasit wie Doro. Doros Sohn trägt ihr auf, Doro zum Positiven zu beeinflussen, damit er seine Menschlichkeit nicht ganz verliert – was sich zu einer Mammutaufgabe auswächst, die aber aufgrund der Rettung der Welt notwendig ist.

Das erinnert sehr an Mythen und deren Kämpfe, die die realen Kämpfe des Patriarchats gegen das Matriarchat abbilden. Man sehe sich z.B. nur einmal die griechischen Mythen an, von der zunächst von einer weiblichen, großen Urgottheit die Rede ist, bis hin zur Entwicklung zum männerdominierten göttlichen Olymp, auf dem die Göttinnen eine den Göttern untergeordnete Rolle spielen. Doros Übernahme erfolgt zwar vergleichsweise sanft, aber die Drohung ist latent bis deutlich immer vorhanden. Die einst eigenständige Anyanwu wird regelrecht unterjocht, hört aber nie auf sich zu wehren, bis sie von Doro ernst genommen wird. Das wird sie allerdings erst, als sie den Tod nicht mehr fürchtet, denn erst durch diese Entscheidung wird sie wieder unabhängig.

Doro regiert seine Zuchtdörfer mit strenger Hand. Er fordert Unterwerfung. In seinen Dörfern ist es zwar egal, welcher „Rasse“ die Menschen angehören, trotzdem existiert eine Hierarchie. Die Hierarchie beruht auf geeigneten und ungeeigneten Zuchtobjekten. Je mehr „Hexen“-Potential seine Zuchtmenschen haben, desto wertvoller sind sie für ihn. Eine echte Bindung zu seinen Kindern besteht nicht, nur ein Sohn darf ihm wirklich nahekommen. Dem gegenüber steht die Gleichrangigkeit der Menschen bei Anyanwu. Sie behandelt die Menschen mit Menschlichkeit und der einzelne Mensch ist ihr wertvoll. Wenn sie urteilt, dann nach dem Charakter. Ein Mensch, der ihrer Gemeinschaft Schaden zufügt, wird ausgeschlossen. Sie handelt damit nach matriarchalischen und Jäger-Sammler-Mustern.

Science-Fiction ist hier wörtlich zu verstehen: Nach Art der Alternative History wird gezeigt, was genetische Versuche positiv und negativ bewirken, auch und gerade in ethischer Hinsicht.

Fazit

Der Science-Fiction-Roman handelt nicht in der Zukunft, sondern in der Vergangenheit. Er nimmt die Wissenschaftsfiktion wörtlich, indem er beleuchtet, wie genetische Zuchtversuche am Menschen in körperlicher und ethischer Hinsicht aussehen und ausgehen können. Dabei beleuchtet er zwei Systeme: das des Patriarchats und das des Matriarchats. Der Roman behandelt in Kombination dazu Andersartigkeit und wie damit umgegangen wird. Außerdem stellt er afrikanische und afroamerikanische Menschen in den Vordergrund, was leider immer noch viel zu selten vorkommt. Ein in vielerlei Hinsicht vielschichtiger und wertvoller SF-Roman.


Genre: Science-fiction
Illustrated by Heyne München