Wolfsnächte

WolfsnächteDie Winter sind unbarmherzig in Alaska. In einem dieser unerbittlichen Winter ist es so kalt, dass die Wölfe sich aus den Wäldern wagen und die Kinder aus den Dörfern holen, um ihren Hunger zu stillen. Die Stimmen der Trauernden heulen mit den Wölfen und den Winden um die Wette. Die Menschen haben keine Möglichkeit, das zurückzufordern, was die Natur grausam als ihr Recht entschieden hat. Doch haben die Wölfe auch den sechsjährigen Bailey Slone aus dem gottverlassenen Dorf Keelut auf dem Gewissen?

Baileys Mutter, Medora, bittet den Wolfs-Experten Russell Core, den Tod ihres Kindes zu rächen und ihr wenigstens die Knochen ihres Kindes zu bringen. Russell Core kennt die Wölfe wie kein anderer, er bezweifelt, dass alles so ist, wie es auf den ersten Blick scheint. Er folgt dem ihm unerklärlichen Ruf Medoras, warum genau, weiß er nicht. Er befindet sich an einem scheinbar aussichtslosen Punkt seines Lebens, er hat in eine Zukunft investiert, die ihn vergessen hat. Er empfindet Medoras Brief als den Ruf, auf den er schon lange gewartet hat.

Er macht sich auf und erkennt nur allzu bald, dass Alaska wahrlich “no country for old men” ist. Die Natur ist unerbittlich und die Menschen von Keelut gehen für gewöhnlich nicht gerade freundlich mit Außenstehenden um. Schon gar nicht der Kriegsheimkehrer Vernon Slone, Medoras Mann und der Vater des toten Bailey, der eine Schneise des Todes in den Schnee schlägt. Über Nacht ist Medora verschwunden. Russell Core hat das untrügliche Gefühl, dass über Keelut und seinen Wäldern ein unheilbringendes Geheimnis liegt und auch wenn er spürt, dass dessen Ergründung ihn das Leben kosten könnte – der Sog des Unerklärlichen, ja, des Bösen ist so stark, dass er sich gemeinsam mit Detective Mariam aufmacht. Sie wollen Medora finden, bevor ihr Mann es tut.

Wolfsnächte ist auf den ersten Blick ein Thriller, der von einem unerklärlichen Mord, einer dunklen Liebesgeschichte und einem geheimnisvollen Fluch erzählt. Auf den zweiten Blick ist das Buch mehr, viel mehr. Es ist eine Saga über das Zusammenspiel von Natur und Zivilisation, die von Sand und Schnee erzählt, von Tier und Mensch, angesiedelt in einer Gegend, in der das Licht nur wenige Stunden das Dunkel des Winters durchbricht. In diesem Roman ist es weniger die Handlung, die Spannung erzeugt. Eher ist es umgekehrt. Die Spannung, die es braucht, um ein Gleichgewicht zwischen den Gegensätzen zu erzeugen, trägt die Handlung.

William Giraldi erzählt in seinem zweiten Roman eine Geschichte, die nicht nur im übertragenen Sinne in der Dunkelheit spielt. Wolfsnächte ist wie eine Tragödie aus der Antike, verlegt in ein Alaska, das als wilder Ort ohne Moral gezeichnet wird. Dieses kalte und unversöhnliche Alaska ist dabei nicht nur die Kulisse. Das Land zeigt sich wie ein eigenes Lebewesen, geheimnisvoll, mit eigenen Motiven, eigenem Willen, eigener Unerbittlichkeit. Und dazu immer wieder die Wölfe, die eigentlich Tiere mit klaren Regeln des Zusammenlebens sind, würdevoll und ihres Platzes bewusst. Der Mensch hat aus ihnen Monster gemacht und sie gleichzeitig mit einem Mythos überhöht.

Doch je tiefer Core sich in das Geschehen verstrickt, je mehr er hilflos zusehen muss, wie am Rande der Zivilisation die Natur und das Böse kollidieren, desto mehr beginnt er zu glauben, dass Mythen die einzige Wahrheit sind, die der Mensch hat. Dennoch wird ihm und seinem Gefährten die Natur des unbeeindruckt tötenden Vernon Slone unergründlich bleiben. Zunächst wartet man, dass der Charakter des Kriegsheimkehrers Vernon eine Parabel ist auf das, was der Krieg mit Menschen macht. Doch man wartet vergeblich. Slone sagt ungerührt von sich, dass er nur den gesunden Schlaf des Erschöpften schläft und den Krieg allenfalls als “umherirrende Bruderschaft, die Leichen und Tage zählte” empfunden hat. Core, Mariam und auch der Leser, sie alle müssen es einfach so hinnehmen: dieser Mann ist von einer grundlegenden Andersartigkeit, die alle anderen zutiefst erschrecken lässt.

William Giraldi hat seine Charaktere angesiedelt in eine Zwischenwelt, einer Welt, in der Taten zählen, niemals Worte. So legt er auch seine eigene Sprache, die Sprache des Erzählers an. Seine Worte sind genau bemessen, an keiner Stelle ausschweifend. Kühl bringt er mit präzise geschriebene Sätze zu Papier, die den Leser unerbittlich mitreißen auf eine Reise in das Herz der Finsternis. Wie die Wölfe, die in den Bergen lauern, hat der Roman eine wilde, aber logische Entschlossenheit. Wolfsnächte ist eine düstere, außerordentlich brutale Erzählung, die in unerwarteten Wendungen von Gewalt und Entfremdung in einer unversöhnlichen Natur erzählt. Leider verliert der Roman gegen Ende etwas von seiner Spannung. Ohne Vorwarnung findet der Leser sich in einer Art “Hänsel und Gretel” Happy End wieder, die Wahrheit hinter dem beschworenen Mythos entpuppt sich als enttäuschend banal. Und leider wird der Leser wohl nie erfahren, was genau Medora Slone nun bewogen hat, Russell Core zu rufen.

Dennoch – trotz des enttäuschenden Endes ist Wolfsnächte ein außergewöhnliches Buch. Was es vor allem anderen so außergewöhnlich und lesenswert macht, ist die entschiedene Kompromißlosigkeit, mit der dieses Buch geschrieben wurde. Kompromißlos sowohl in der Sprache als auch in seiner Intention. William Giraldi thematisiert in seinem Roman vor allem “das Böse”. Dabei will er es nicht ergründen, schon gar nicht will er wissen, wie das Böse zu bekämpfen ist. Er will wissen, wie es sich anfühlt, mit dem Bösen zu leben, mehr noch es hemmungslos auszuleben. Auf viele Protagonisten schaut er nachgerade verächtlich, Vernon Slone hingegen begegnet er nicht nur mit Respekt, sondern auch mit Sympathie und Empathie. Das muss dem Leser nicht gefallen, das soll ihm auch nicht gefallen – aber das macht das Buch trotz recht überschaubarer Handlung spannend und lässt dem Leser mit morbider Faszination zurück. Es fühlt sich ganz erstaunlich fremd an. Man kennt das ja fast gar nicht mehr, diese gnadenlose Ehrlichkeit, vor lauter Bemühen um political correctness und dem allüberall um sich greifenden weichgespülten “allen wohl und keinem wehe”. Es gibt einige Gründe, warum man die Wolfsnächte lesen sollte, der wichtigste und spannendste aber ist diese harte Kompromißlosigkeit, die man so selten kennenlernen kann. Und von der man sich nach Lektüre fragt, wo sie fehlt. Wenn sie denn überhaupt fehlt.

William Giraldi lebt als Literaturredakteur in Boston, nach Erscheinen seines Debütromans “Busy Monsters” wurde er vielfach als die neue Stimme eines anderen, dunkleren Amerikas gefeiert. Wolfsnächte ist das erste in deutscher Übersetzung erscheinende Buch von Giraldi.


Genre: Roman, Thriller
Illustrated by Hoffmann und Campe

Lauf, wenn es dunkel wird

laufWas für ein schrecklicher Zufall: Cheyenne schläft auf dem Rücksitz des Familienautos, als dieses gestohlen wird. Und Griffin, der junge Dieb, kann sie nicht einfach so laufen lassen, obwohl er Bedenken hat. Denn Cheyennes Vater ist ein reicher Unternehmer und das perfekte Ziel für eine Erpressung, finden Griffins Komplizen. Cheyenne bleibt nur ein Ausweg: Flucht. Doch die ist doppelt schwierig – denn Cheyenne ist blind!

Cheyenne ist 16 Jahre alt und verlor bei einem Unfall vor 3 Jahren Ihre Mutter und auch ihr Augenlicht. Gemeinsam mit Ihrem Vater und ihrer Stiefmutter lebt Sie in Portland. Cheyenne hat eine Lungenentzündung und als Sie mit ihrer Stiefmutter eines morgens vom Arzt kommt, bleibt Sie in eine Decke gehüllt auf dem Rücksitz des Autos liegen, während ihre Stiefmutter noch schnell zur Apotheke eilt um das Antibiotikum zu holen. Sie lässt den Zündschlüssel stecken und wird dabei von Griffin beobachtet, der die Gelegenheit nutzt, ins Auto springt und damit davonrast. Nach kurzer Zeit bemerkt er Cheyenne auf dem Rücksitz, bereut den Autodiebstahl und die ungewollte Entführung sofort, kann jetzt aber nicht mehr zurück.

Griffin ist mit der Situation völlig überfordert und so fährt er zielstrebig zu seinem Vater Roy nach Hause. Griffin und Roy leben auf einem einsamen und runtergekommenen Grundstück außerhalb von Portland und sind das was in Amerika „white trash“ genannt wird. Sie „verdienen“ sich Ihren Lebensunterhalt mit dem stehlen von Autos, die sie in Ihrer Scheune auseinander schrauben und dann in Einzelteilen verkaufen. Unterstützt werden Sie dabei von zwei nicht minder runtergekommenen Typen die auf dem Grundstück ständig ein und ausgehen.

In dieses Chaos wird Cheyenne also gebracht und allein die Tatsache dass Cheyenne blind ist, hält die Typen wohl davon ab sie zu beseitigen denn schließlich kann sie ein blindes Mädchen zumindest nicht identifizieren.

Innerhalb kürzester Zeit wird Roy klar, dass die versehentliche Entführung ein glücklicher Zufall sein könnte denn wie man aus den Nachrichten hört, hat Cheyennes Vater Geld und kann somit bestimmt ordentlich Lösegeld bezahlen…!

Nach und nach gerät die ganze Sache aber immer mehr außer Kontrolle denn Roy ist aggressiv, die beiden Typen würden Cheyenne nur zu gern an die Wäsche und Griffin bedauert die ganze Sache zutiefst und hat Zweifel daran dass Cheyenne tatsächlich Lebend aus der Sache rauskommen wird…!

Die Geschichte wird abwechselnd aus Cheyennes und Griffins Sicht erzählt die Autorin versteht es super sich in eine blinde Person hinein zu versetzen. Teilweise hatte ich schon fast das Bedürfnis selbst meine Arme zum Tasten auszustrecken, wirklich ganz toll umgesetzt.

Die Geschichte ist die ganze Zeit über sehr interessant und spannend und am Ende konnte man es vor Spannung kaum noch aushalten und nicht mehr aus der Hand legen!

Bereits April Henrys Jugendbuch „Breakout“ hat mir super gefallen aber dieses Buch ist noch mal um Klassen besser!

Eigentlich soll auch dieses Buch ein Jugendbuch bzw. Jugend-Thriller sein und wird für Jugendliche aber 13 Jahren empfohlen aber außer dass die Hauptfiguren Chayenne und Griffin Teenager sind, kann ich nicht sagen dass dieses Buch ein Jugendbuch ist. Es ist einfach sehr guter und spannender Thriller und das empfohlene Alter „ab 13 Jahren“ finde ich ehrlich gesagt ein wenig unpassend!

Ein super Buch das ist blitzschnell durch hatte und auf jeden Fall wärmstens empfehlen kann.

April Henry lebt mit Ihrem Mann und Ihrer Tochter in Portland und hat zahlreiche Thriller und Krimis verfasst. Bereits im Alter von 11 Jahren wurde Ihre erste Kurzgeschichte veröffentlicht. Sie studierte an der Oregon University und verbrachte ein Austauschjahr in Stuttgart.


Genre: Kinder- und Jugendbuch, Thriller
Illustrated by Carlsen Verlag Hamburg

Der Mann, der wie Jesus wirkte

51VTiGsGUvL._SX312_BO1,204,203,200_Was haben Promis wie Goethe, Heinrich von Kleist, Wilhelm Busch und Truman Capote gemeinsam mit einer geheimnisvollen Mumie in der DDR (nein, nicht das, was Sie denken), einem Seiltänzer, Verkehrspolizisten, Catcher, oder Flohbändiger? Nun, sie alle sind Protagonisten in W.R. Frielings neuer Reportagensammlung über Männer, die in ihrem Leben etwas Besonderes geleistet haben.

 

Frieling hat diese Menschen entweder selbst aufgestöbert und interviewt oder er hat journalistisch sauber und sorgfältig recherchiert; in jedem Fall erzählt er launige Geschichten, die den staunenden Leser nicht nur bestens unterhalten sondern ihm auch interessantes Wissen vermitteln; mir zumindest war nicht bekannt, dass Heinrich von Kleist der Erfinder der Tageszeitung ist. Dennoch ist das Buch weit davon entfernt, nur staubtrockenen Lernstoff unters Volk zu streuen, das verhindern schon die oft skurrilen Charaktere und natürlich des Autors gewohnt geistreicher Sprachwitz; ein höchst veritables Lesevergnügen.

 

Die allgegenwärtigen Gleichstellungsbeauftragten könnten bemängeln, dass ausschließlich Männer portraitiert werden, aber sie mögen beruhigt sein, denn Frieling höchstselbst verspricht im Vorwort, dass ein Folgeband mit außergewöhnlichen Frauen schon in Arbeit ist. Na dann frisch ans Werk, wir freuen uns schon darauf!


Illustrated by Internet-Buchverlag Berlin

Isola

isolaZwölf Jugendliche, drei Wochen allein auf einer einsamen Insel vor Rio de Janeiro – als Darsteller eines Films, bei dem nur sie allein die Handlung bestimmen. Doch bald schon wird das paradiesische Idyll für jeden von ihnen zu einer ganz persönlichen Hölle. Und am Ende müssen die Jugendlichen erkennen, dass die Lösung tief in ihnen selbst liegt.

Joy ist 17 Jahre alt und hat sich freiwillig für ein ganz besonderes Filmprojekt gemeldet. Der exzentrische Regisseur Quint Tempelhoff will 6 Jungen und 6 Mädchen 3 Wochen lang auf einer kleinen, komplett Kamera überwachten Insel filmen um daraus hinterher einen Film zusammen zu schneiden, bei dem bisher weder Handlung noch Genre feststeht. Die Jugendlichen sollen sich neue Namen geben und können sich aussuchen ob sie sich selbst spielen oder in eine völlig andere Persönlichkeit schlüpfen. Es gibt nicht viele Regeln, nur dass es keinen Alkohol, keine Drogen und keinen Sex geben darf ist vorgeschrieben.

Bereits am Flughafen wird Joy, die sich auf der Insel „Vera“ nennt, bewusst dass es vielleicht keine gute Entscheidung war sich für dieses Projekt zu melden denn eigentlich ist sie eher eine Einzelgängerin und ziemlich still und schüchtern…! Während der 3 Wochen wird sie allerdings ihren 18. Geburtstag feiern und dann kann sie tun und lassen was sie will und sie will nach der Insel unbedingt noch etwas in Brasilien erledigen, denn zu Brasilien hat sie eine ganz bestimmte Verbindung, was nach und nach deutlich wird…!

Jedenfalls sind die 12 Jugendlichen so unterschiedlich wie es auch nur sein kann und Joy fühlt sich zuerst nicht besonders wohl unter Ihnen…! Nach 3 Tagen auf der Insel, stellt sich dann heraus, dass die Jugendlichen an eine „Spiel“ teilnehmen sollen und das Inselprojekt direkt abgebrochen wird, sollte sich Jemand weigern mitzumachen oder sich nicht an die Spielregeln hält…! Natürlich gerät dieses „Spiel“ ziemlich schnell außer Kontrolle und aus dem anfänglichen Spiel wird bitterer Ernst…!

Die Geschichte wird aus Joys bzw. Veras Sicht erzählt und ist eine sehr nette Mischung aus „Herr der Fliegen“ und Agatha Christies „10 kleine Negerlein“! Dies ist der Autorin aber durchaus bewusst denn sie lässt eine der Figuren sogar die „10 kleinen Negerlein“ erwähnen! Sicherlich ist die Idee nicht wirklich neu aber das Spiel bringt schon frischen Wind in die Geschichte! Aber auch wenn das Spiel nicht Bestandteil der Geschichte gewesen wäre, so hätte sie mir bestimmt trotzdem gefallen denn ich mag es einfach wenn so viele verschiedene Charaktere in einer Ausnahmesituation aufeinandertreffen und kann so etwas immer wieder und in verschiedensten Varianten (oder halt auf einer Insel) lesen und es wird mir nicht langweilig…!

Die Geschichte hält auch ein paar wirklich kreative Überraschungen bereit, allerdings ist sie an ein paar Stellen auch eher durchschaubar…!

Mir hat das Buch gut gefallen, es war sehr kurzweilig und ich kann es gut weiter empfehlen!

Isabel Abedi wurde 1967 geboren und lebt mit Ihrer FAmilie in Hamburg. Sie hat 13 Jahre lang als Werbetexterin gearbeitet und ist inzwischen eine der erfolgreichsten Kinder- und Jugendbuchautorinnen Deutschlands. Ihr Roman “Whisper” wurde 2006 für den deutschen Jugendliteraturpreis nominiert und Ihr Roman “Isola” war Spiegel-Bestseller.


Genre: Kinder- und Jugendbuch
Illustrated by arena Würzburg

Die tote Kuh kommt morgen rein

tote Kuh Erstens kommt es anders und zweitens schneller als man denkt. Eben noch hatte sich Reporter Ralf Heimann relativ kommod eingerichtet in der Redaktion der lokalen Tageszeitung seiner immerhin mittelgroßen Heimatstadt, schon fand er sich im Strom der täglichen Pendler wieder. Anders als die Meisten jedoch nahm er die entgegengesetzte Richtung, lebte weiter in der Stadt und arbeitete fürderhin für ein sich unendlich vor ihm ausdehnendes Jahr in der Ödnis des (fiktiven) Kaffs Borkendorf. Als Lokalredakteur beim (ebenfalls fiktiven) Borkendorfer Boten.

Ich hätte mir was Besseres vorstellen können. Ein gebrochenes Bein zum Beispiel. Oder eine Steuernachzahlung. Aber man wird ja nicht gefragt.” Wenn man als Einziger ein Auto hat und eine Erziehungsurlaubs-Vertretung (Erziehungsurlaub kommt ja bekanntermaßen immer so überraschend wie Weihnachten) schnellstmöglich geschickt werden muss – dann muss eben einer dran glauben und das Hohelied der prunklosen Prunksitzungen, Weihnachtsfeiern im März und Tauben-Ausstellungen an Landfrauen-Treffen nach Schützenfest-Orgien schreiben. Und die tote Kuh morgen rein setzen. Doch auch wenn auf dem Land beileibe nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen ist und auch des Reporters Trinkfestigkeit zumindest zu Beginn des Jahres nicht ganz mit der der Landbewohner mithalten kann – es ist auch nicht alles schlecht dort in Borkendorf.

Ich sach’s ja – ein großes Bild ist schnell geschrieben” Ralf Heimann, Autor von “die tote Kuh kommt morgen rein” weiß, wovon er schreibt. Mehr oder weniger zufällig avancierte er in den letzten Jahren zu so etwas wie einem Kronzeugen des Lokaljournalismus. Sechs Jahre ist es her, da entfachte er mit einem Tweet einen wahren Blumenkübel-Hype, über den sich halb Deutschland amüsierte und der zu einem Lehrstück in Sachen Verselbstständigung von Social Media Phänomenen wurde. Heimann arbeitete lange Jahre als Lokalredakteur im westfälischen Münster, startete vor einiger Zeit mutig die von ihm in der Hoffnung auf nicht-selbsterfüllende Prophezeiung sogenannte Operation Hara-Kiri, welche man auf seinem gleichnamigen Blog verfolgen kann und machte sich als freischaffender Journalist mit Schwerpunkt Absurdität des Lokaljournalismus in diversen Projekten selbstständig.

“Die tote Kuh” war das Erste dieser Projekte und darf gut und gerne als gelungen bezeichnet werden. Die größte und auch einzige Schwierigkeit, vor die sich der geneigte Leser und Rezensent dabei gestellt sieht, ist die Klassifizierung. Genauso ungerne wie sich Ralf Heimann in eine Schublade stecken lässt, genauso ist das Buch schwer einzuordnen. Ist es eine autobiographisch geschriebene Doku-Soap, ein Roman im Reporterstil, eine Reportage im Romanstil? Aber geschenkt – Schubladen neigen bekanntlich dazu, zu klemmen. Beschränken wir uns darauf, das Buch als das zu bezeichnen, was es ohne Zweifel ist: ein gefälliges, erfreuliches Lesevergnügen.

Ralf Heimanns Stärke ist – das weiß, wer ihm und seinen pointierten 140 Zeichen Rezensionen auf Twitter folgt – die augenzwinkernde Überspitzung. Genauso ist auch die tote Kuh zu verstehen, quasi ein Heimatroman der etwas anderen Art. Heimann kann gut über sich selbst lachen, nimmt sich daraus aber nicht unbedingt das Recht, auch über andere zu lachen. Er nimmt seine Protagonisten – auf beiden Seiten der Berichterstattung – zwar nur zu gerne auf den Arm, er tut dies aber nicht ohne Sympathie für die auftretenden Personen. Belustigung ist durchweg zu spüren, aber nie Herablassung. Dieser Balanceakt gelingt ihm außerordentlich gut, zumal mit einer durchweg flotten Schreibe versehen. Er hat einen sehr genauen Blick, nicht nur auf die Landbewohner und ihre teils sehr gewöhnungsbedürftigen Freizeitbetätigungen, sondern auch und gerade auf die, die darüber berichten und die aus jeder kleinsten Belanglosigkeit eine Nachricht zu stricken vermögen.

Dazu kommt: In Zeiten, in denen die Sehnsucht nach dem einfachen Leben auf dem Land geradezu messianische Züge annimmt und Magazine wie Land und Lustig oder wie sie eben alle heißen mögen, sich dem Zeitungssterben erstaunlich erfolgreich entgegenstemmen, kann man in der toten Kuh eine Menge Wahrheiten über die ganz speziellen Risiken und Nebenwirkunden des Landlebens erfahren. Denn das, worüber der Lokalreporter berichtet, ist letztendlich ja genau das, womit sich der Landlebende arrangieren muss. Getreu der alten Weisheit: Lärm gibt es schließlich auch in der Großstadt, der auf dem Land ist nur anders.


Genre: Dokumentation, Sachbuch
Illustrated by Scherz Frankfurt am Main

Die Nachhut

 

NachhutJosef, Otto, Konrad und Fritz hat man blutjung und noch ohne Feindberührung kurz vor Kriegsende 1945 zur Waffen-SS eingezogen. Ihr Auftrag: den ultrageheimen Stützpunkt im Brandenburgischen warm halten, falls der Führer einen Rückzugsraum benötigt. Als sechzig Jahre später der letzte Büchsenöffner abbricht, kommt es in dem vergessenen unterirdischen Bunker nahe dem heutigen Autobahndreieck Wittstock zur Meuterei: Nach weit mehr als einem halben Leben tief unter der Erde, trotz unzähliger Durchhalteparolen und gegenseitiger Beförderungen ist die eiserne Disziplin der mittlerweile steinalten Männer endgültig aufgebraucht, und sie beschließen den Ausstieg. Ans Tageslicht treten vier Don Quichotes der deutschen Vergangenheit, die ein heilloses Chaos anrichten.

Als Fritz im Alter von 17 Jahren, kurz vor Kriegsende, zur Waffen-SS eingezogen wurde, ging alles sehr schnell. Gemeinsam mit 20 anderen, jungen Soldaten, verfrachtete man ihn in einen geheimen Bunker in der brandenburgischen Pampa um dort die Stellung zu halten und auf den Führer zu warten. Dann war der Krieg vorbei und man hat die jungen Soldaten einfach vergessen. Die Jahre zogen ins Land und ohne Kontakt zur Außenwelt, haben die Männer nie erfahren dass der Krieg schon längst vorbei ist.

Dummerweise wurde im Laufe der Jahre aus dem Wald ein Militärübungsgelände und somit hörten die Soldaten im Bunker immer wieder Schüsse und Militärflugzeuge, weshalb für sie feststand, dass der Krieg auch nach 60 Jahren noch im vollen Gang ist und sie die Stellung zu halten haben bis sie neue Befehle bekommen.

Im Jahr 2004 sind lediglich noch 4 von den inzwischen fast 80 jährigen Soldaten übrig, da viele bereits an Altersschwäche oder auch Krankheit verstorben sind. Als dann der letzte Dosenöffner abbricht, nehmen die 4 dies als Zeichen und beschließen nach tagelangem hin und her überlegen doch den Bunker zu verlassen, sich auf den Weg zur „Reichshauptstadt“ zu machen um dort neue Befehle entgegen zu nehmen…!

Otto, der Ranghöchste Soldat, ist bereits Mitte 80, extrem schlecht zu Fuß und wird bei Ihrem Marsch durch kleine, brandenburgische Dörfer deshalb in einem Sessel geschoben. So machen sich die 4 Kammeraden auf den Weg, natürlich extrem vorsichtig und selbstverständlich in standesgemäßer Waffen-SS Uniform und mit Gewehren bewaffnet…!

Auf Ihrem Weg kommen den Soldaten nicht die geringsten Zweifel daran dass der Krieg noch in vollem Gange ist, schließlich sind die Straßen marode, in kleinen Dörfern sind viele Häuser leerstehend oder verfallen und lediglich ältere Menschen sind auf den Straßen anzutreffen. Diese schauen beim Anblick der 4 Soldaten zwar oftmals sehr verstört aber das ist ja auch klar denn eigentlich sollten die Männer ja an der Front kämpfen und nicht durch die Gegend ziehen…! Bei wenigen zaghaften Unterhaltungen (das deutsche Volk ist durch den immer noch andauernden Krieg scheinbar stark traumatisiert) erfahren sie, dass die jungen Männer alle im Westen sind (dort müssen also die größten Gefechte stattfinden)! Aber es ist doch schön zu wissen dass es nach so vielen Jahren des Krieges immer noch genügend tapfere Soldaten gibt die für das Deutsche Reich kämpfen denn schließlich sieht man auch hier und da immer wieder Gebäude mit Hakenkreuzverzierungen und der Parole „Sieg Heil“!

Es dauert nicht lange da erwecken die 4 komischen Alten in Ihren SS-Uniformen natürlich Aufsehen und werden von Reportern (dem 27 jährigen Benny und seinem Team) und der SoRex (Sonderkommission Rechtsextremismus, geleitet von der 40 jährigen Evelyn) verfolgt. Irgendwie gelingt es den alten Herren aber immer wieder zu entkommen, sei es durch Glück, Zufall oder der Hilfe von Jugendlichen Neonazis die die Alten natürlich total super finden und die sie unwissentlich in ihrem Glauben bestärken dass der Krieg noch nicht vorbei ist denn von Nichts anderem lassen sich die 4 Kameraden überzeugen…!

Die Geschichte spielt im Jahr 2004 und wird aus verschiedenen Perspektiven erzählt. Der fast 80 jährige Fritz hat die 60 Jahre im Bunker akribisch in unzähligen Tagebüchern festgehalten und auch auf der „Flucht“ nach dem Bunker, schreibt er fleißig weiter und hält seine Eindrücke und Erlebnisse fest. Dabei richtet er sich ganz speziell an seine geliebte Lisbeth, der er in Briefform alles erzählt…!

Im Laufe der Geschichte bekommt der Leser auch nach und nach mehrere Male Eindrücke von den Geschehnissen im Bunker, da der Journalist Benny diese Tagebücher in die Finger bekommt und immer wieder mal in ihnen liest…!

Die zweite Perspektive ist nämlich Bennys Sichtweise, der nämlich seine Erlebnisse rund um die alten SS-Soldaten aufgeschrieben hat und in Briefform Evelyn davon berichtet. Dabei wird ziemlich schnell klar dass Benny und Evelyn mittlerweile ein Paar sind…!

Die dritte Perspektive ist die von Evelyn denn auch sie hat die komplette Geschichte aufgeschrieben und richtig ihre Briefe speziell an Benny.

Man könnte also sagen, dass das komplette Buch fast nur auf Briefen und Aufzeichnungen besteht, was ich eine gute Idee finde und der Spannung absolut keinen Abbruch tut! Außerdem ist es sehr interessant die Geschichte aus verschiedenen Sichtweisen, von doch sehr unterschiedlichen Personen erzählt zu bekommen…!

Ich habe viel gelacht, Fritz´ Sichtweise ist teilweise einfach nur zum Schreien, ich war aber auch betroffen denn obwohl es sich um SS-Soldaten handelt, so können sie einen in gewissen Situationen schon wirklich Leidtun und teilweise erwischt man sich sogar dabei dass manche Ihrer Aussagen tatsächlich Hand und Fuß haben! Z.B ist Fritz außer sich als er erfährt, dass junge, glatzköpfige Männer in der Nacht einen türkischen Imbiss angezündet haben denn „So etwas Feiges und hinterhältiges macht ein anständiger Deutscher nicht“! Generell muss man Fritz des Öfteren mal Recht geben und ist dann darüber erstaunt dass er zwischendurch wirklich vernünftige Sätze von sich gibt und Sichtweisen vertritt…!

Wer jetzt denkt dass das Buch nur ein Abklatsch von Timur Vermes „Er ist wieder da“ ist, dem sei gesagt, dass dieses Buch einige Jahre früher erschienen ist und auch nicht ganz sooo leichte Kost ist wie „Er ist wieder da“ (welches ich übrigens auch großartig fand)!

Dieses Buch ist auf viel mehr Ebenen zugänglich und behandelt unzählige Themen gleichzeitig wie z.b den (richtigen) Umgang mit der dunklen Vergangenheit (aber welcher ist der richtige Umgang?) es befasst sich mit Pressefreiheit und Vertuschungsaktionen seitens der Polizei, Vetternwirtschaft, Amtsmissbrauch, mit blindem Vertrauen und dem Folgen falscher Ideale und noch sooo vielen Themen mehr. Denn nicht nur die 4 alten SS-Soldaten stehen im Mittelpunkt sondern auch die Kapitel über Bennys und Evelyns Erlebnisse und das ist auch wirklich gut so denn man bekommt einen intensiven und speziellen Einblick über Polizeiarbeit und Journalismus…! Die Geschichte zeigt wie sehr man dazu neigt blind zu vertrauen und wie ratsam es ist, auch über den eigenen Horizont zu blicken und Dinge aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten und zu hinterfragen…! Sie zeigt wie leicht Meinungen doch kippen können und das die Grenzen zwischen richtig und falsch oftmals nicht so leicht zu durchschauen sind…!

Das Buch ist absolut lesenswert, es hat mir super gefallen und es wundert mich sehr dass es nicht so erfolgreich wurde wie „Er ist wieder da“! Vermutlich liegt es aber daran, dass es doch ein wenig anspruchsvoller ist denn gerade in Evelyns „Polizeikapiteln“ geht es doch auch häufiger um Hintergründe und Politik und auch Benny fängt nach und nach an intensiver nachzudenken, Zusammenhänge zu verstehen und Sachen in Frage zu stellen…!

Hans Waal wurde 1968 geboren, lebt mit seiner Familie in Leipzig und arbeitet unter seinem richtigen Namen in Berlin und schreibt für den „Stern“.


Genre: Humor und Satire, Romane
Illustrated by Aufbau Taschenbuch Berlin

Cutter und Bone

Cutter_und_Bone_300Vom ersten bis zum allerletzten Satz liefert Newton Thornburg (1929-2011) mit »Cutter und Bone« einen Roman, der sowohl hinsichtlich seiner sprachlichen Eleganz wie in der Auswahl seiner morbiden Protagonisten weit aus dem Meer der Kriminalliteratur herausragt. Der im Freestyle geschriebene Krimi fasziniert und verstört gleichermaßen und zeigt, was in dem Genre abseits des Mainstreams schriftstellerisch möglich ist. Weiterlesen


Genre: Kriminalromane
Illustrated by Polar Verlag

Basar der bösen Träume

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Ein Auto, das Leute frisst, ein Strand, an dem wie von Geisterhand Namen von bald Sterbenden geschrieben werden und ein Kindle mit magischen Qualitäten. Das sind nur einige der Protagonisten in »The Bazaar of Bad Dreams«; willkommen in der Welt von Stephen King! In dieser neuen Sammlung von Kurzgeschichten zeigt der Meister, dass er auch dieses Metier perfekt beherrscht. Er wird ja von Kritikern oft für seine angeblich allzu ausschweifenden Romane kritisiert (eine Einschätzung, die ich ganz und gar nicht teile), aber hier ist er zur Selbstdisziplinierung gezwungen und das funktioniert, die Pointen sitzen und treffen zielsicher.

»Basar der bösen Träume« enthält neben dem Hardcore-Fan bereits bekannten Stories wie »Mile 81«, »Bad Little Kid«, »Ur«, »Under the Weather« und »Blockade Billy« jede Menge neues Material und auch das ist richtig gut, der Leser wird immer wieder aufs Neue überrascht vom Einfallsreichtum und der Erzählkunst des Autors. Zu jeder Geschichte gibt es eine sorgfältige Einleitung über die Entstehung, die ebenso lesenswert ist wie die Story selbst. Enthalten ist übrigens auch »That Bus is Another World«, die Idee dafür hatte King, als er im November 2013 auf Europa-Tournee war, bei der Lesung in München erzählte er davon.

Für Fans ist das Buch sowieso ein Muss, für Neulinge ein prima Einstieg in das Alptraum-Universum von Mister King. Vergleichen lässt sich diese Geschichtensammlung (wie so vieles) mit einer Schachtel Pralinen, man kann sie nach und nach genießen, oder alles möglichst schnell hinunter schlingen. Ich habe mich für die zweite Variante entschieden, die erste lässt sich ja nachholen.

P.S.: Ich habe das Buch im amerikanischen Original gelesen und kann daher die Qualität der Übersetzung nicht beurteilen.


Genre: Horror
Illustrated by Heyne München

Warum bist du nur so heiß?!

9783551733559Ryu ist ein wilder Teenager und prügelt sich gern, obwohl er aus gutem Hause stammt und später einmal das Hotel seiner Eltern übernehmen soll. Sein Kumpel Hinatsu ist das genaue Gegenteil: Er ist ruhig, handelt überlegt und wurde von Ryus großem Bruder Tsubame dazu überredet, auf Ryu aufzupassen. Das passt Ryu gar nicht, denn insgeheim ist er von zuhause ausgezogen, um nicht mehr in der Nähe Hinatsus zu sein – denn in den ist er heimlich verliebt. Und Hinatsu scheint nur Tsubames wegen Ryus Nähe zu suchen. Oder doch nicht? Tsubame dagegen hat andere Probleme. Eigentlich ist er als erster Sohn verpflichtet, das Hotel später zu übernehmen und er macht seinen Job als Nachfolger nach außen hin sehr gut. Keiner weiß, dass er auch eine andere Seite hat, die er heimlich am Strand auslebt: Da lässt er sich mithilfe des Alkohols und der Zigaretten gern gehen. Dabei erwischt ihn ein Gast. Atori aber sieht das locker und so treffen sich die beiden immer dann am Strand, wenn Atori zu Gast im Hotel weilt. Nach und nach verliebt sich Tsubame in Atori. Aber dann eröffnet Atori ihm, dass er ins Ausland gehen muss. Tora ist schon lange in den acht Jahre älteren Kellner Maya verliebt. Aber der interessiert sich leider nur als eine Art großer Bruder für ihn. Trotzdem gibt Tora nicht auf. Seine Chance kommt, als Mayas Beziehung in die Brüche geht.

Wie man am Inhalt schon ersehen kann, geht es hier um homosexuelle Liebe zwischen jungen Männern. In Japan und unter hiesigen Fans nennt man dieses Genre „Shonen Ai“ (Shonen = Junge, Ai = Liebe). Bei weiblichen Manga-Fans ist dieses Genre sehr beliebt, sicher auch wegen der hübschen Jungs. Überhaupt sind gezeichnete männliche und weibliche Figuren in Mangas (wunder)schön anzuschauen, was einen großen Teil der Anziehungskraft dieser Art der Comics ausmacht. Gerade die männlichen Figuren, die ein weibliches Publikum ansprechen sollen, sind vielschichtiger und schöner als die der Mangas für Jungen (Shonen Mangas). Da macht auch das Shonen-Ai-Genre keine Ausnahme. In Deutschland fing das Interesse der weiblichen Fans (wohl auch der männlichen Homosexuellen) in den späteren 90ern des vergangenen Jahrhunderts mit den Serien „Zetsuai 1989“ und „Bronze Zetsuai“ an, die damals in der AnimaniA (einer Fachzeitschrift für Mangas, Animes und japanische Kultur) vorgestellt wurde und in Japan Kultstatus genießt. Ursprünglich war dieser Manga ein Doshinji (Fan-Manga) zur Fußballserie „Captain Tsubasa“ (auch hier als Manga in den frühen 2000ern erschienen; als Anime kam er in Deutschland erstmals 1995 ins Fernsehen). Daraus entwickelte die Autorin Minami Ozaki eine Geschichte über die homosexuelle Liebe zwischen zwei Männern. Die Serie wurde in den 2000ern auch in Deutschland veröffentlicht. Seitdem hat Shonen Ai einen festen Platz in den Herzen der Fans. Die Spannbereite geht von romantischer Liebe bis hin zu Sex-Szenen. Kritisiert wird allerdings oft, dass die Ausgrenzung Homosexueller (gerade auch in Japan) wenig bis gar nicht thematisiert wird. Manchmal gibt es Mangas, die das explizit in die Geschichte einbauen, manche Mangas streifen das Thema, aber oft hat man als LeserIn das Gefühl, die Geschichten spielen in einer abgeschlossenen/abgeschotteten Welt, in der sich die Figuren „nur“ über ihre eigenen Gefühle klarwerden sollen, ohne die Reaktionen der Umwelt dabei beachten zu müssen. In diesem Manga ist es ähnlich: Die jungen Männer sind zwar verwirrt über ihre Gefühle, aber sie machen sich um eine Außenwirkung wenig Gedanken. Die Figuren sind gewohnt hübsch, aber im Gegensatz zu anderen Shonen-Ai-Mangas nicht außergewöhnlich schön, sondern eher individuell. Das ist für mich ein Pluspunkt, weil hier vom Stereotyp abgewichen wird. Für LeserInnen ist es in Anbetracht der Realität nicht immer so ganz einfach nachzuvollziehen, dass die „Homos“, wie in diesem Manga, gern geballt auf einem Haufen vorkommen – alle sind miteinander verwandt, befreundet oder bekannt. Normalerweise muss man sich als Homo erst einmal Gleichgesinnte suchen. Trotzdem sind die Geschichten für einen Einzelband in Ordnung; die Entwicklung der Story und der Gefühle geht in Anbetracht des wenigen Platzes nicht zu schnell voran und auch die Charakterentfaltung ist okay. Da eine Sexszene vorkommt, empfiehlt Carlsen den Manga für eine LeserInnenschaft ab 16 Jahren, was ich in Ordnung finde. Gut auch, dass zumindest die Geschichte von Tora und Maya aus zwei Perspektiven erzählt wird, nämlich die beider Hauptpersonen, sodass man Einblicke in ihre jeweils eigene Gefühls- und Gedankenwelt erhält. Die anderen Geschichten sind eher klassisch aufgebaut und berichten aus der Erzählerperspektive, wobei immer ein Charakter und dessen Gefühlswelt im Vordergrund steht. Die Hintergründe sind eher minimalistisch gehalten und dienen meist der Intensivierung und Verdeutlichung der Innenwelt der Figuren.

Fazit: Solider Shonen-Ai-Manga, der zwar kaum neue Impulse setzt, aber angenehm zu lesen ist.

 


Illustrated by Carlsen Verlag Hamburg

Warum französische Frauen nicht dick werden

41fER4JJGwL._SX309_BO1,204,203,200_Die Autorin Mireille Guiliano ist eine extrem schlanke, extrem erfolgreiche französische Frau. Präsidentin in New York für Louis Vuitton und die Luxuslabels, die noch dazu gehören. Sie schildert in ihrem Buch “Das Geheimnis genussvollen Essens” und die Überschrift des Klappentextes lautet: “Dieses Buch wird Ihr Leben verändern”. Dermaßen provoziert, musste ich dieses Buch, über das ich beim Stöbern in einer Buchhandlung gestolpert bin, natürlich kaufen. Welche Frau wüsste nicht gerne, wie man genussvoll isst und dabei noch klapperdürr bleibt? Und wenn ein einfaches Büchlein mein ganzes Leben verändern würde, mit dem ich doch sehr zufrieden bin? Der Kaufzwang war mit diesem Satz garantiert, denn es kann ja nur noch besser werden.

Mit einiger Skepsis machte ich mich an das Buch, immer meine französischen Freundinnen vor Augen. Deren Essverhalten hatte ich bisher nicht weiter beachtet, muss aber dazu sagen, dass eine wirklich gertenschlank ist und die andere  schöne natürliche Rundungen hat und sehr gerne auch mal zu viel futtert.

Madame Guiliano schildert auf sehr vielen Seiten ein äußerst luxuriöses Leben, das wir Normalfrauen gar nicht in der Lage sind, zu führen. Sie lebt in New York und in der Provence. Pendelt natürlich erster Klasse zwischen beiden Ländern hin und her und muss, ach die Ärmste, ständig in Sterne-Restaurants essen. Dort gibt es immerzu Champagner und erlesene Weine, vom guten Essen ganz zu schweigen. Selbstverständlich werden nur Designerstücke in der kleinsten Größe am Körper getragen und das soll auch so bleiben.

Beim Lesen werden die Augen größer und größer und man ist geneigt, der Dame gehörig in den knochigen Hintern zu treten, ob so vieler Beschwerden über dieses harte Leben.

Bei aller Empörung bin ich aber irgendwann ihrem Plauderton erlegen und habe tiefe Einblicke in das Essverhalten “der Französinnen” bekommen und vieles davon leuchtet ein. Plötzlich sehe ich meine schlanke französische Freundin mit anderen Augen. Auch sie schiebt gerne ihr Essen auf dem Teller hin und her, lässt grundsätzlich etwas liegen und gleicht ständig Mahlzeiten mit Salätchen aus.

Madame Guiliano gibt viele Tipps, die sich auch hier in die Realität umsetzen lassen und es macht Spaß, ihr zu folgen.

Am Ende muss aber das eigene Versagen stehen, denn es ist in Deutschland nicht möglich, wenn man Frau Normalverbraucher ist, ein Leben wie die Autorin zu führen.Trotzdem kann man gut ein paar Ernährungstipps übernehmen, die wirklich simpel sind und den Umgang mit Lebensmitteln erleichtern.

Wer einen Einblick in die französsische Lebensart wagen möchte und staunend erfahren möchte, mit welchen Wehwechen die Schönen und die Reichen und die ganz schön Reichen zu kämpfen haben, dem sei dieses Buch ans Herz gelegt.

Leicht zu lesen, mit einem Augenzwinkern zu genießen.

Unterhaltsam.


Genre: Biographien, Ratgeber
Illustrated by Piper München, Zürich

Kitchen Princess 3

kitchen princess 3Inhalt Band 1 bis 3: Najika backt und kocht für ihr Leben gern. Als Kind hat ihr ein unbekannter Junge geholfen, den Verlust ihrer Eltern zu überwinden, indem er ihr einen leckeren Pudding geschenkt hat. Diesen Jungen will Najika wiederfinden. Deshalb hat sie alles darangesetzt, in der Schule ein Stipendium zu ergattern, die auch dieser Junge besucht. Das klappt zwar, aber Najika wird von ihren neuen Mitschülern gemobbt, weil sie angeblich nichts Besonderes kann. Vor allem Akane und ihre Freundinnen machen ihr das Leben schwer. Aber nach einem Backwettbewerb kann Najika die meisten von ihrem Talent überzeugen. Nur Akane macht weiter, weil sie eifersüchtig auf Najika und deren guter Beziehung zu dem mürrischen und stürmischen Taichi ist. Mit den Attacken hört sie erst auf, als es Najika gelingt, Akane mithilfe ihres Lieblingskuchens von ihrer Magersucht zu befreien. Aber selbst jetzt ist der geschlossene Friede eher wackelig, weil Akane immer noch eifersüchtig ist. Und Akanes Freundinnen mobben Najika weiter. Najika meint indessen, dass Taichis Bruder Sora der gesuchte Junge sein könnte, aber sie kann es nicht beweisen. Allmählich verliebt sie sich in ihn. Allerdings hat sie momentan noch andere Sorgen, denn die kleine Schulmensa, die sie mit viel Liebe wieder zum Leben erweckt hat, soll geschlossen werden. Und dann ist auch noch Tante Hagio – die Leiterin des Waisenhauses, in dem Najika aufgewachsen ist – zusammengebrochen. Im Waisenhaus angekommen hilft nicht nur Najika der Leiterin und den Kindern, sondern auch Taichi und Sora. Und Najika gelingt es sogar, den aggressiven Waisenjungen Fuuta wieder ins Lot zu bringen. Aber wieder zuhause gehen die Probleme weiter.

Eigentlich ist „Kitchen Princess“ vom Grundaufbau her eine simple Dreiecksstory: Zwei (komplett unterschiedliche) Jungen bemühen sich um die Gunst eines Mädchens. Aus diesem Grundstock gewinnt die romantische Seite des Mangas ihre Spannung, denn Najika rätselt hin und her, wer denn ihr Puddingprinz sein könnte. Aber auch andere Themen machen den Manga interessant und sogar ein wenig tiefgründig: Kochen, Mobbing, Selbstbewusstsein (v.a. bei Mädchen), Freundschaft, Magersucht. Akane, ein gefragtes Model, isst nicht, weil sie gut aussehen will. Das beschert ihr eine Essstörung. Damit werden gleich mehrere gesellschaftliche Gegebenheiten mehr oder weniger direkt kritisiert: die Modelbranche, die immer wieder Schlagzeilen wegen zu dünner Models macht, die angebliche Vorbildfunktion der Mager-Models, die auf Psyche und Körper von Mädchen zerstörerisch wirkt, und die Gesellschaft allgemein, die v.a. von Mädchen und Frauen jeden Alters verlangt, gut, schlank und sexy auszusehen. Diesen zerstörerischen alleinigen Bezug auf das Äußere und den Wert von guter und schmackhafter Nahrung will der Manga durch Najika deutlich machen. Er vertritt durchaus die chinesische Philosophie, dass Essen auch Medizin ist. Und dass mit Essen Liebe durch den Magen geht, dass mit Essen schöne Erinnerungen verbunden sind, dass gutes Essen insgesamt Leib und Seele nährt. Einzuwenden wäre freilich, dass auch Najika schlank und hübsch ist. Leider trauen sich nur wenige Comic- und Manga-ZeichernInnen, unansehnliche Frauenfiguren zu zeigen und sie gar zur Hauptfigur zu machen (bei männlichen Figuren sieht das anders aus…). Allerdings weist Najika einige Eigenschaften auf, die sie zum Vorbild für Mädchen macht: Sie ist selbstständig, optimistisch, beißt sich durch schwierige Situationen durch (ohne zu verschweigen, dass sie manchmal fast aufgegeben hätte), ist fröhlich, empathisch und hilfsbereit. Bleibt nur zu hoffen, dass sie, wenn sie ihren Puddingprinzen gefunden hat, diese Selbstständigkeit bewahrt. Denn das ist leider nicht selbstverständlich: Viele ehemals selbstständige Heldinnen gehen quasi im Helden auf, sobald sie mit ihm zusammen sind, und verschwinden in den Hintergrund. Dass das gerade für Leserinnen nicht vorbildhaft sein kann und zudem sehr ärgerlich ist, brauche ich nicht extra zu erwähnen. Außerdem kann frau sich nicht des Eindrucks erwehren, dass Najika etwas (?) naiv ist. Auch diese Naivität wird gern in Zusammenhang mit weiblichen Charakteren benutzt, denn diese lässt sie kontrollierbar und schwach erscheinen. Ebenfalls eine Zuordnung, die für das weibliche Geschlecht nicht gerade erstrebenswert ist. Interessanterweise werden auch Jungen, die in Shonen-Ai-Mangas (Mangas, in denen es um homosexuelle Liebe zwischen Jungen geht) den weiblichen Part darstellen, eher naiv und ‚weiblich zart‘ dargestellt. Schließlich will der ‚Mann‘ was zum Beschützen (und damit eine Plattform zum sich Präsentieren) haben. Dass mit dieser angeblichen ‚Beschützerei‘ die Frau in Abhängigkeit gehalten wird, braucht ebenfalls nicht extra erwähnt zu werden. Allerdings ist dieses Motiv in den meisten Comics und Mangas – leider – sehr beliebt. Damit werden auch Rollenklischees zementiert und in die Köpfe junger Mädchen (und Jungen) eingepflanzt. Rühmliche Ausnahme in fast jeder Hinsicht ist der Manga „Obaka-chan“. Die Heldin ist zwar auch nicht gerade intelligent, aber eine Koryphäe im Kampfsport. Jegliche Versuche ihrer beiden Verehrer, sie beschützen zu wollen, arten in Lächerlichkeit aus und gipfeln in der Szene, in der das Mädchen einen der beiden Jungen aus den Händen einer Gang befreit. Und das letztlich im Alleingang. Das wird der Stärke der Frauen schon eher gerecht, die auch ohne Kampfsport längst nicht so schwach sind wie das Rollenklischee hartnäckig glauben machen will. Dazu braucht man sich nur Frauen in Kriegs- und Nachkriegssituationen anzusehen oder Frauen im normalen Alltag, die – immer noch – ihre Mehrfachbelastung stemmen müssen. Und wer schon mal regelmäßig sein (zappelndes und strampelndes) Baby/Kind mit sich herumschleppen musste, der weiß, dass man sich das teure Fitnessstudio sparen kann. Schon die vorausgehende Schwangerschaft und Geburt ist eine Belastungsprobe für Körper und Seele, die ein Mann so nie durchleben (und durchleiden) muss. Auch das zeigt die Stärke der Frauen – die nicht umsonst älter werden als die Männer, wenn sie dank Verhütungsmittel aus dem Rad der ständigen Schwangerschaften und möglicherweise tödlich verlaufenden (Fehl-)Geburten befreit sind. Ergo: Ihr Körper und ihre Psyche müssen allein schon wegen der Fähigkeit zu gebären mehr aushalten können als die der Männer. Die Situation bei Najika stellt sich momentan so dar: Sie erhält zwar Hilfe von ihren beiden Verehrern, aber sie hilft im Gegenzug auch ihnen. Ein gegenseitiges Geben und Nehmen, so wie es sein soll. Möge es so bleiben. Einen bitteren Nachgeschmack hinterlässt allerdings Soma: Wie in so vielen anderen Mangas auch belehrt der (selbstsichere, über allem stehende) Junge das (unwissende, sich gerade schwach zeigende) Mädchen. Warum ist es nicht mal umgekehrt?

Nomen est Omen: Oft sind die Namen in Mangas sprechend. So auch hier. „Najika“ bedeutet „die 7 Aromen/Farben des Regenbogens“, „Sora“ bedeutet „Himmel“ und „Taichi“ Erde. Dass der Regenbogen Himmel und Erde miteinander verbindet, drängt sich hier geradezu auf. Najika spielt eine Mittlerrolle zwischen den zerstrittenen Brüdern. Kulinarisch wird das im Kapitel „Najika und das Regenbogengelee“ verarbeitet (Band 1). Überhaupt dreht sich alles um Essen, nicht nur in der Geschichte selbst, sondern auch im Anhang. Der präsentiert nämlich alle Gerichte als Rezepte zum Nachkochen. Wer Spaß am Kochen und Backen hat, darf sich gern mal an den Rezepten versuchen, sollte allerdings für manche Rezepte Zeit mitbringen.

Auch das Thema Mobbing (verbunden mit Rufmord) kommt oft in Mangas vor. Dazu muss man wissen, dass in Japan Außenseiter aufgrund der Gruppenmentalität noch weniger angesehen sind als in Deutschland. Aber hier wie dort gibt es in jeder Klasse Außenseiter. Und die werden auch gemobbt. Neben dem klassischen Mobbing gibt es mittlerweile auch das Cyber-Mobbing, das durch die rasante Verbreitung mithilfe der sozialen Netzwerke ungeahnte Ausmaße annimmt. Auch Najika wird gemobbt, im Manga noch auf klassische Art. Trotzdem ist es auch für sie schwer, ohne Hilfe dagegen anzugehen. Tatsächlich schafft sie es nur mit Rückendeckung durch beliebte Schüler. Im Manga wird durch den Direktoren-Sohn Sora, der in Abwesenheit seines Vaters dessen Posten vertritt, angedeutet, dass Mobbing auch ein Fall für die Schule ist. In der Realität gibt es in Schulen inzwischen Lerneinheiten und Theaterstücke, die sich mit diesem Thema auseinandersetzen.

Fazit: Schöner Romantic-Koch-Manga, der allerdings nicht frei von Rollenklischees ist.

 


Illustrated by Carlsen Verlag Hamburg

Breakout

breakoutCassies Stiefvater Rick ist Psychiater. Drei seiner jugendlichen Patienten nahmen sich unter mysteriösen Umständen das Leben. Kein Zufall, glaubt Cassie, und durchsucht heimlich die Patientenakten. Alle drei Verstorbenen erhielten die Verhaltensdroge Socom – ohne Erlaubnis von Eltern oder Behörden. Doch ehe Cassie Ricks illegale Experimente an eine Journalistin verraten kann, lässt er die Stieftochter in das Erziehungscamp “Peaceful Cove” einweisen. Dort beginnt die Hölle: eiserner Drill, Beruhigungsmittel und ständige Überwachung. Aber Cassies Willen kann niemand brechen. Schnell gewinnt sie eine Verbündete und zusammen planen die Mädchen den Ausbruch…

Cassie ist 16 Jahre alt, hat gute Noten und versteht sich blendend mit Ihrer Mutter. Doch Ihrem neuen Stiefvater Rick ist Cassie ein Dorn im Auge und erst Recht seit Cassie herausgefunden hat, dass Rick in illegale Machenschaften verstrickt ist…!

Die Geschichte beginnt direkt sehr dramatisch, nämlich als Cassie von der Schule nach Hause kommt und von zwei Männern in einen weißen Lieferwagen gezerrt wird. Cassie denkt zuerst dass sie entführt wird, aber dann erscheinen Rick und Ihre Mutter und geben den beiden Männern einen Koffer mit Cassies Sachen mit. Rick versteckte Drogen in Cassies Zimmer und überredete Ihre Mutter, Cassie in ein spezielles Erziehungscamp in der mexikanischen Wüste bringen zu lassen damit Cassie nicht völlig auf die “schiefe Bahn” gerät…!

In Mexiko angekommen, muss Cassie feststellen, dass dieses Erziehungscamp so gar nicht dem entspricht was die Hochglanzbroschüre verspricht! Die Jugendlichen dort dürfen lediglich alte Klamotten und Schlappen tragen, die sie einmal wöchentlich in einem Eimer auswaschen dürfen, einmal pro Woche darf für 3 Minuten kalt geduscht werden, es gibt viel zu wenig und zu schlecht zu essen und man schläft auf harten Holzpritschen ohne Kissen und Decke! Darüber hinaus ist es strengstens verboten mit anderem Jugendlichen zu reden oder auch nur Blickkontakt mit einander auf zu nehmen! Man darf nur hochblicken oder reden wenn man von den „Betreuern“ etwas gefragt wird und auch dann sollte man sich seine Antwort gut überlegen. Die kleinsten Vergehen werden direkt bestraft und große Vergehen wie z.b weinen, werden mit einem Aufenthalt im BR-Raum bestraft, in dem man oft tagelang mit dem Gesicht nach unten auf kaltem Betonboden liegen muss…!

„In Peaceful Cove“ gibt es sechs verschiedene Level die die Jugendlichen durchlaufen müssen und man startet als Neuankömmling in Level eins. Durch Gehorsamkeit soll man sich bis Level sechs hocharbeiten und bekommt von Level zu Level ein paar Privilegien zugesprochen (z.b Augenkontakt zu anderen Jugendlichen). Nach erfolgreicher Absolvierung des sechsen Levels, ist die Resozialisierung angeblich abgeschlossen und die Jugendlichen dürfen wieder nach Hause, allerdings findet sich immer ein Grund die Jugendlichen wieder um ein paar Level zurückzustufen…!

Also mir hat das Buch super gefallen, ich bin total begeistert und konnte es kaum aus den Händen legen! Es ist sehr spannend und man leidet und fiebert förmlich mit Cassie und den anderen Jugendlichen mit.

Gut gefallen hat mir auch, dass das Buch am Anfang in zwei verschiedenen Zeiten erzählt wird. Es beginnt damit dass Cassie ins Camp gebracht wird, zwischendurch gibt es aber immer wieder Kapitel, in denen rückblickend erzählt wird, was vorher passierte und wie Cassie, gemeinsam mit einem Freund, hinter die Machenschaften Ihres Stiefvaters gekommen ist und wie gefährlich sie somit für ihn wurde…!

Und ich möchte an dieser Stelle noch sagen, dass es doch möglich ist eine spannende und detaillierte Geschichte auf gerade einmal 190 Seiten zu erschaffen! Für ein so dünnes Buch wirklich außerordentlich gut gelungen und sehr zu empfehlen…!

April Henry lebt mit Ihrem Mann und Ihrer Tochter in Portland und hat zahlreiche Thriller und Krimis verfasst. Bereits im Alter von 11 Jahren wurde Ihre erste Kurzgeschichte veröffentlicht. Sie studierte an der Oregon University und verbrachte ein Austauschjahr in Stuttgart.


Genre: Kinder- und Jugendbuch
Illustrated by Beltz und Gelberg

Juliana Cass – Der Killer in mir

51UZ5tMPYlL._SX311_BO1,204,203,200_JULIANA CASS – DER KILLER IN MIR ist ein packender Psychothriller, der unter die Haut geht und dem Leser bis zur letzten Seite kaum einmal Gelegenheit zum Durchatmen gibt; gnadenlos spannend und voller überraschender Wendungen.
Juliana Cass ist Scharfschützin beim FBI Los Angeles. Vor fünf Monaten war sie bei einem Einsatz gezwungen, ein junges Mädchen zu erschießen. Nur so ließ sich die Zündung einer Bombe verhindern, die sonst hundert oder mehr Kinder in den Tod gerissen hätte. Trotzdem kann sie sich selbst nicht vergeben.
Ein psychopathischer Mörder sieht das ganz anders. Er erhebt Juliana Cass zu seiner persönlichen Heldin und versucht, sie mit grausam-bizarren Inszenierungen zu beeindrucken. Als das nicht fruchtet, entführt er Julianas Kinder und zwingt sie damit, erneut eine furchtbare Entscheidung zu treffen.

Rezension

Also zuerst habe ich mich geärgert, denn die ersten 3o Seiten des neuen Thrillers von Boris Maggioni, einem meiner Lieblingsautoren, der Plots und Figuren entwickelt, die so erfrischend neu und originell sind, erzählen von Geiselnahme, Bombenattentat, einer schwer traumatisierten Polizistin, die im Grunde am Ende ist, einem äußerst grausamen, psychopathischen Serienkiller. Mainstream! Der Boris Maggioni schreibt auf einmal Mainstream? Für alle? Irgendwie war ich frustriert, aber dann wurde ja doch noch alles anders.
Die Story schlug mir die Reißzähne in den Nacken und schüttelte mich. Atemlos folgte ich dem Geschehen, es ließ mich nicht mehr los. Ich träumte nachts davon.
Boris Maggioni hat mich also wieder nicht enttäuscht, wie auch bei den Vorgängern dieses Buches kam ich voll auf meine Rechnung. Daher kann ich das Buch den Freunden von 1A Psychothrillern sehr empfehlen.
Es ist brutal, es ist erschreckend, es ist abartig – und es ist großartig!
Und jetzt hole ich mir den 2. Band.


Genre: Thriller
Illustrated by Kindle Edition

Das Labor

LaborIn Las Vegas geht die Angst um: Detektoren greifen sich obdachlose Männer und verschleppen sie in ein unterirdisches Geheimlabor, wo sie für grausame Versuche missbraucht werden. Auch Jacks jüngerer Bruder wird entführt. Als Jack ihn retten will, gerät er in tödliche Gefahr…

 

Las Vegas im Jahr 2061: Die einst so glitzernde Stadt ist nicht mehr das was sie einmal war. Chemiefabriken verpesten die Luft und das Trinkwasser und Las Vegas gleicht mittlerweile eher einer Müllkippe in der zum größten Teil Obdachlose hausen. Jack ist 20 Jahre alt und haust mit seinem 18 jährigen Bruder Hector in der oberen Etage eines alten Hotels. Um zu überleben muss sich jeder selbst der Nächste sein und Perspektiven gibt es nicht. Es gibt aber das Gerücht, dass „Detektoren“ (Männer in Robotor ähnlichen Anzügen) durch die Straßen streifen und immer wieder junge Männer verschleppen…!

Als Jack eines Tages in sein Versteck zurückkehrt, muss er feststellen, dass es keine Gerüchte sind denn diese Detektoren haben sich nun seinen Bruder gegriffen. Jack ist fest entschlossen ihn zu finden und zu retten und lässt sich deshalb selbst von den Detektoren gefangen nehmen und Sie bringen ihn ein riesiges, unterirdisches Labor…!

Zuerst muss ich sagen, dass ich mich nicht vernünftig informiert hatte als ich mir dieses Buch im Internet bestellte. Hätte ich auf die Seitenzahl geachtet (gerade mal 150 Seiten) dann hätte ich bestimmt direkt die Finger davon gelassen. Denn wie soll auf so wenigen Seiten eine ausführliche und packende Geschichte entstehen? Die Antwort lautet leider: Gar nicht!

Die Idee an sich ist schon gut, hat mich sehr interessiert und man hätte wirklich viel daraus machen können, hat die Autorin aber leider nicht. Die Geschichte ist leider sehr oberflächig. Ich hätte gern mehr über Las Vegas und Amerika im Jahr 2061 erfahren aber das bleibt einem verwehrt. Ich hätte auch gern eine engere „Bindung“ zum Protagonisten Jack aufgebaut und mit ihm mitgefiebert aber auf so wenig Seiten wird man ja kaum warm mit einander und erfährt leider auch nicht wirklich viel über ihn…! Auch über die Experimente und das Labor an sich erfährt man leider nicht so viel wie man es eigentlich möchte…! Irgendwie wird man nur „angefüttert“ und kommt nicht auf seine Kosten…!

Es tröstet mich auch nicht, dass dies erst der erste Teil einer Trilogie ist, denn ich bezweifle stark dass Band zwei und drei mehr Tiefgang haben werden. Ich hatte auch gar nicht mitbekommen dass es sich überhaupt um eine Trilogie handelt, denn auch dann hätte ich das Buch nicht gekauft (Bei der Kindle Version wurde darauf hingewiesen, beim Taschenbuch leider nicht). Mir geht es nämlich ziemlich auf die Nerven, dass Trilogien zur Zeit so extrem in Mode sind und man dann oftmals endlos warten muss bis der nächste Band auf den Markt geworfen wird…! Und es scheint auch hier so zu sein dass der zweite Band noch gar nicht geschrieben wurde, obwohl Band eins bereits im Jahr 2013 erschienen ist…!

Aus diesem Grund meide ich nämlich seit einigen Jahren Trilogien (es sei denn es handelt sich um ältere Bücher, die bereits komplett erschienen sind).

Die Geschichte ist schon nett und kurzweilig, man kann sie gut lesen, man verpasst aber Nichts wenn man es nicht tut…!

Dee Hunter arbeitet und lebt in Innsbruck. Früher hat Sie Bilanzen analysiert, Männerbünde wissenschaftlich untersucht und als Modefotografin gearbeitet. Heute schreibt sie Thriller, die vor allem düster und beklemmend sind.


Genre: Dystopie, Endzeitgeschichten, Thriller
Illustrated by CreateSpace Independent Publishing Platform

Bilder Deiner großen Liebe

Bilder Deiner großen Liebe „Verrückt sein heißt ja auch nur, dass man verrückt ist, und nicht bescheuert.“ Es kommt in Schüben, gegen die man sich nicht wehren kann – „wie Hunger oder Durst, oder wenn man ficken will“. Mit solcher Art Betrachtungen beginnen die „Bilder deiner großen Liebe“.

Ein junges Mädchen stellt diese Betrachtungen an. Sie steht im Hof einer Anstalt, betrachtet die blühenden Blumen, die Sonne am Himmel – das Klischee ist ihr bewusst. Mit dem Daumennagel berührt sie die Sonne, schiebt sie Millimeter um Millimeter zurück. Langsam verschiebt sich auch das Eisentor, welches die Anstalt vom Rest der Welt trennt. Das Mächden, welches eben noch die Sonne berührt hat, huscht hinaus.
Sie hat keine Schuhe an, egal.

Sie zieht die Socken auch noch aus und beginnt barfuß ihre Wanderung. An der Autobahn entlang, durch Dörfer, Wiesen und immer wieder durch den Wald, der ihr, seit sie denken kann, ein Freund, ein Trost war. Mehr Freund als die meisten Menschen, denen sie begegnet ist in ihrem Leben oder die sie auf ihrer Wanderung noch treffen wird: Den Binnenschiffer, der mal ein Bankräuber war oder auch nicht, einen verdrucksten Schriftsteller, einen lüsternen Fernfahrer, auf dem Friedhof einen wohlwollenden Mann in grüner Trainingsjacke, ihr und uns bekannt.* Und auf einer Müllkippe trifft sie zwei Jungen, mit denen sie eine Zeitlang zusammenbleibt. Eine kurze, aber eine wahrhaftige, eine fast schon glückliche Zeitlang. Das wandernde Mädchen – wir kennen sie. Es ist Isa, die hinreißende, grandiose Isa aus Wolfgang Herrndorfs nicht weniger hinreißendem Jugendroman „Tschick“.

Der unvollendete Roman „Bilder deiner großen Liebe“ ist der letzte veröffentlichte Text des viel zu früh verstorbenen Wolfgang Herrndorf. Wolfgang Herrndorf war Schriftsteller, Maler, Illustrator und Blogger, der seinen hoch verdienten, berechtigten Erfolg erst erfuhr, als er schon unheilbar an einem Gehirntumor erkrankt war. In Konsequenz dieser unheilbaren, ihn zerstörenden Krankheit nahm er sich im August 2013 das Leben. Sein Leben mit der Krankheit und seine Vorbereitungen auf den Freitod teilte er in seinem tief berührenden, auch verstörenden Blog Arbeit und Struktur mit der Öffentlichkeit, posthum als Buch herausgegeben.

Der Veröffentlichung des fragmentarischen Isa-Textes stimmte er erst wenige Tage vor seinem Freitod zu. Zum Glück für uns, die Leser, die ihn und seine Texte schon länger begleitet haben. Ja, es ist unfassbar traurig, zum letzten Mal etwas Neues von Wolfgang Herrndorf lesen zu dürfen, aber es ist schön, es ist eine große Freude, dass es ein Text über Isa ist.

Wolfgang Herrndorfs Jugendroman „Tschick“, der Überraschungserfolg des Jahres 2010, ist ein großartiges Buch. Die Figur Tschick war grandios, die Figur Maik Klingenberg war grandios, aber seien wir ehrlich, die Grandioseste von allen war Isa. Die Figur, die auch Jahre nach der Lektüre am präsentesten in der Erinnerung ist. Isa, die Unbezähmbare, die Lebenskluge, so wild entschlossen, dem Leben wenigstens ein bißchen etwas abzutrotzden. Nicht nur die Protagonisten in Tschick liebten sie, nicht nur der Leser, sondern wohl auch Wolfgang Herrndorf.

Möglicherweise war Isa sogar diejenige von Herrndorfs Romanfiguren, die ihm am meisten bedeutete. Isa ist wohl die Romanfigur der letzten Jahre mit dem größten Potential. Es ist (bei aller Tragik des Schicksals von Herrndorf) eine weitere Tragik in sich, dass diese Figur mit ihm unvollendet gehen musste. Mit den letzten Zeilen der „Bilder“ kommt der Gedanke auf, dass Isa seine imaginäre Gefährtin war, die ihn in den Tod begleiten und doch zurückbleiben sollte, um für ihn noch etwas zu Ende zu bringen.

Den Titel „Bilder deiner großen Liebe “ hat Herrndorf selbst noch bestimmt, irgendwie ist er untypisch für ihn. Die Romanfigur Isa hat ein reales Vorbild aus dem Leben Wolfgang Herrndorfs. Ines, eine Frau, die mitten im Wald in einer Hütte wohnte, die barfuß durch den Wald streifte und über Katarakte kletterte, die ihm zum Einschlafen Musils „Fliegenpapier“ vorlas. Sie gab schon der Hauptfigur in den „Plüschgewittern“ ihren Namen, der Autor bezeichnete sie als „naturkindhaft“ und die Tage mit Ines, mit der ihn eine platonische Beziehung verband, nennt er die glücklichsten seines Lebens. (Nachzulesen im oben verlinkten Blog, Kapitel 6, 22.07.2010, 5:33h ) So betrachtet, passt der Titel dann doch wieder ganz gut. Ein weiteres schönes, berührendes Detail am Rande: Das Landschaftsgemälde auf dem Schutzumschlag ist ein Gemälde von Wolfgang Herrndorf selbst. Wie einem Hinweis im Buch zu entnehmen ist, hing es lange Zeit schief und ungerahmt und mit der Zeile „macht einem manchmal Angst: Die Natur“ an der Wand über seinem Schreibtisch.

„Bilder deiner großen Liebe“ ist keine Fortsetzung von „Tschick“. Es sind gerade mal sechs Seiten, die sich in den „Bildern“ mit der „Tschick“-Handlung überschneiden. Das mag manchen enttäuschen, zumal sich nach der Lektüre der Gedanke aufdrängt, dass die beiden Jungs für Isa bei weitem nicht das waren, was sie umgekehrt für die Jungs war. Für die „Bilder“ ist das aber völlig in Ordnung, „Tschick“ braucht keine Fortsetzung. „Tschick“ ist genauso wie es ist richtig.

Aber – so weiß der Leser schon vor der Lektüre ungefähr, was ihn erwartet. Ein Text aus der Sicht einer unzuverlässigen Erzählerin. Unter allen unzuverlässigen Erzählern, die es je gegeben hat, ist Isa wohl die unzuverlässigste. Sie mäandert durch Zeit und Raum und das liegt nicht nur daran, dass der Text den Herausgebern als Fragment vorlag. Aber gerade deswegen funktionieren die Bilder als Road Novel außerordentlich gut, gerade deswegen wirkt der Roman weit weniger unvollendet und fragmentarisch, als vor Lektüre erwartet. Es ist wirklich weniger der Roman, der unvollendet bleibt, als vielmehr Isa selbst, deren viel zu kurzes Gastspiel in der literarischen Welt man nur außerordentlich bedauern kann.

Die Herausgeber Kathrin Passig und Marcus Gärtner waren enge Freunde des Autors und zeichneten auch schon verantwortlich für die Veröffentlichung des Blogs als Buch. Man kann es nicht anders sagen, als dass sie es auch mit den „Bildern“ gut, sogar sehr gemacht haben. Man merkt (auch im erkärenden Nachwort der Beiden), dass sie sich den Entscheidungen, die sie zu treffen hatten und die eigentlich nur einem Autor zustehen, mit tiefem Respekt genähert haben. Sie haben sehr sorgfältig gearbeitet, leichtgefallen ist es ihnen auch nach eigener Aussage nicht. Sie verbergen vorhandene Lücken nicht, dennoch ist der Text zusammenhängend. Vor allem aber bewahren sie Wolfgang Herrndorfs ganz eigene Sprache und würdigen so die Einzigartigkeit des Autors.

Worte waren seine Bilder, je plastischer, desto lieber. Die gelegentlich etwas schief sitzende Grammatik – sie ist gewollt und die Herausgeber haben sie unverändert gelassen. So hat Wolfgang Herrndorf es sich gewünscht, so haben Passig und Gärtner es gemacht. Bloß keinen „Germanistenscheiß“ an den Text ranlassen, das war Herrndorf wichtig. Er wäre stolz auf das Ergebnis gewesen.

Auch wenn der Roman noch so oft unvollendet genannt werden wird, für mich als Leserin, die alle Werke Herrndorfs chronologisch zum jeweiligen Zeitpunkt ihres Erscheinens – angefangen mit den Erzählungen „Diesseits des Van-Allen-Gürtels“ bis hin zum Blog – gelesen hat, für mich sind die „Bilder Deiner großen Liebe“ ein versöhnliches, wenn auch für immer traurig bleibendes Ende.

Erstveröffentlichung dieser Rezension in den Revierpassagen.de am 20.März 2015


Genre: Fragmente, Roman, unvollendeter Roman
Illustrated by Rowohlt