Ein Geräusch klopft an die Tür

Werner Vogel beweist, dass auch ein Deutschlehrer nach 25 Jahren Fron im Schuldienst seine Freude am Spiel mit der Sprache nicht zwingend verlieren muss. Dem Schulmann aus Wien sagen seine Schüler nach, er habe »Augen, die öfters strahlen und zwei abstechende Ohren«, und »Er hat zwei lange normale Arme und zwei normal lange Beine«. Diese strahlenden Augen und normalen Arme pflückten nun in hunderten Schulaufsätzen allerlei Sprachpannen, die in gesammelter Form verewigt wurden.

Vogel trug wundervolle Sprachminiaturen zusammen. Diese entstanden meist im Stress von Prüfungen und Tests und bilden in ihrer Zusammenstellung einen bunt schillernden, exotisch anmutenden Blütenstrauß. Dabei wird unter andrem Dramatik pur geboten: »Anne verlor das Übergewicht und flog in die Tiefe«. Doch zum Glück geht (meist) alles gut aus: »Die ganze Schule brannte ab, nur der 2. und 3. Stock blieben unversehrt«.

Seien es Themen aus der Welt der wilden Kreaturen (»Er fragte den Hund, warum er das gemacht hätte, aber der antwortete nicht«), aus Liebe & Erotik (»Sie war nackt und hatte ein blaues Kleid an«) oder dem Märchenreigen (»Ich rettete mich auf einen Stein, der mich glücklicherweise auf eine einsame Insel trieb«), in dem vorliegenden Bändchen finden sich strahlende Perlen des unfreiwilligen Sprachwitzes der Schülerschaft.

Gemeinsam ist den aufgelisteten »Fehlern«, dass ihnen ein wesentlich längeres Leben beschieden ist als dem korrekten Rest der Texte. Denn gerade die sprachlichen Stolpersteine sind es, die dem Leser Freude schenken an unserer »funkelnden, eigensinnigen, stets aufs Neue überraschenden Sprache«, wie Vogel meint. Er überlegt aus diesem Grunde, ob diese sogenannten »Fehler« »nicht das Schönste in unserem Leben« sind. – Der Mann könnte Recht haben, zumindest stilsicherer kann es einem Schulmeister kaum ins Stammbuch geschrieben werden: »Der Bub öffnete die Schultasche und gab seinen Kopf hinein«.


Genre: Humor und Satire
Illustrated by Holzbaum Wien

Der Fluchpalast

»Fluchpalast« wird das spätbarocke Schloss mit dem unvergleichlichen Ausblick auf das hessisch-nassauische Mainpanorama im Volksmund genannt. Denn die unbewohnte Prunkresidenz hat den unheimlichen Ruf, dass dort nicht alles mit rechten Dingen zugeht. Bereits beim Bau verunglückten sechs Arbeiter tödlich aus ungeklärten Ursachen, und einen Tag nach der prunkvollen Einweihungsfeier verschwanden die Erbauer, zwei steinreiche italienische Tabakhändler, spurlos.

Keiner der Ortsansässigen wagt es seitdem, den düsteren Palast zu betreten. Lediglich der Badersohn Bartel Häcklein, ein achtzehnjähriger Betrüger und Dieb, der gern in die obere Gesellschaft aufsteigen möchte, nutzt das zerfallende Gemäuer als Schatzkammer für Diebesgut.

Doch eines Nachts wird dem Gelegenheitsdieb im Keller des Palais bei lebendigem Leibe das Herz heraus gerissen. Der Tote landet im Laboratorium von Professor Dr. Johann Jakob Fürchtegott Froebius, der vom städtischen Polizeicommissär den offiziellen Auftrag erhält, das Verbrechen aufzuklären. Doch als der Medicus den auf geheimnisvolle Weise umgekommenen jungen Mann sezieren will, mag er seinen Augen kaum zu trauen … und als bald darauf auch der Bürgermeister des Ortes ohne Herz tot aufgefunden wird, will Froebius unbedingt das geheimnisvolle Rätsel um das mit einem Fluch belegte Schloss klären …

Mit seinem 4. Froebius-Roman entführt Autor Norman Nekro seine Leser in die Welt okkulter Mächte, zu Untoten und Wiedergängern. Eine durch ein Zeitfenster mögliche Reise nach Venedig, ein böse starrender goldener Drache an einer barocken Brunnengalerie, Zaubersprüche aus Exorzistenhandbüchern und das Geheimnis des Dunklen Engels spielen in dieser spannenden Erzählung zentrale Rollen.

Der Autor versteht es, einen hochmodernen Genremix in ein historisch treffsicher gewebtes Kostüm zu kleiden. Hochspannung ist dabei ebenso garantiert wie das Überleben des Haupthelden, dessen Fans bereits auf weitere Abenteuer warten.


Genre: Kriminalliteratur
Illustrated by Kindle Edition

The Wings of Kilimanjaro

Alex Tannen heftet kurze Berichte von Eindrücken seiner Reisen durch Ostafrika wie an einer Perlenschnur aneinander und lässt den Leser teilhaben an abenteuerlichen Fahrten. Denn trotz guter Vorbereitung per Internet und sonstiger Kommunikationsmittel lässt sich beispielsweise Tansania, das frühere Deutsch-Ostafrika, nicht so bereisen, wie der Weltenbummler es erwartet.

Eines der Hauptziele, dem sich Tannen verschrieben hat, ist eine Fahrt mit der »Liemba« über den Tanganjikasee. Der Dampfer lieft vor hundert Jahren als »Graf Goetzen« vom Stapel und dampft seitdem tapfer von der Regionalhauptstadt Kigoma die Ostseite des Sees hinunter bis nach Sambia, ohne auf den Fahrplan zu achten. Nach diversen Anläufen schafft der Autor es auch tatsächlich, den Dampfer zu entern. Seine Fahrt verläuft sorgenfrei, der Motor fällt nicht aus, der Kahn gerät nicht in schwere See und selbst seine Kabine wird nicht aufgebrochen. Er schlägt vor, einen Nationalfeiertag auszurufen, sollte einmal ein Boot pünktlich ankommen, zumal einige Sansibar-Fähren leider erst gar nicht ankamen (zwei von ihnen sind 2011 und 2012 untergegangen).

Noch gefährlicher als uralte Schiffe sind Busfahrten. Der Autor fährt seit 15 Jahren durch Ostafrika und wundert sich immer wieder, dass man ihm noch nie ein Ticket für einen Bus verkaufte, den es gar nicht gibt und er zudem noch nie am Ziel feststellen musste, dass sein Rucksack schon ein paar Stunden vorher ausgestiegen war. Dafür erlebt er Fahrer, die kompromisslos durch eine Kraterlandschaft heizt und dabei Bodenwellen, Treibsand, Rillen und Löcher zu Lasten der Knochen seiner Fahrgäste ignoriert.

Doch es gibt auch Fluggerät zum Reisen. Der Titel des Buches »Wings of Kilimanjaro« ist dem Firmenslogan von »Air Tanzania« entlehnt, der auf dem Heck der teilweise abenteuerlichen Maschinen prangt. Diese starten und landen beispielsweise in der Metropole Dar, wo nicht nur planmäßig der Strom, sondern unplanmäßig auch das Notstromaggregat für die Befeuerung der Landebahn ausfällt.

Züge fahren nach dem Zufallsprinzip, Toilettenspülungen funktionieren selten, Türen von Taxis sind oft nur durch absurde Verrenkungen zu öffnen. Der Leser fragt sich, warum der Autor sich all das antut, statt daheim auf der Couch zu liegen und Romane zu verfassen.

Aber immerhin funktionieren Mobilfunk, privater Flugverkehr und die Versorgung mit Kilimanjaro-Bier. Außerdem hängt zum Trost in jeder Hotelrezeption im ganzen Land das gerahmte Porträt des Staatspräsidenten Kikwete. Zumindest das ist gut organisiert.


Genre: Reisen
Illustrated by Kindle Edition

Was am Anfang aller Dinge geschah

Sakin Kale wurde von Schriftstellern der europäischen wie von der orientalischen Klassik inspiriert. Er empfindet Schreiben als eine Liebeserklärung an seinen Leser und lädt diesen ein, Teil seiner Gedankenwelt zu werden.

Dazu stellt der Autor in seiner ersten Arbeitsprobe Lyrik und Prosa zusammen, die bunt gefächert über Liebe und Leid, Freude und Kummer, Krieg und Frieden, Sehnsucht und Zufriedenheit erzählen. Er folgt dabei dem Gedanken von Goethe, der im »Faust 1« den Theaterdirektor sagen lässt: »Die Masse könnt Ihr nur durch Masse zwingen,
Ein jeder sucht sich endlich selbst was aus.
Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen;
Und jeder geht zufrieden aus dem Haus.«

Bereits das titelgebende Gedicht macht Sakes Weltsicht deutlich. Denn als der Mensch begann, die Gesetze der Natur zu brechen, erhob er sich selbst zum Schöpfer und damit zum Zerstörer der Welten, in die ihn ein Schöpfer vor Jahrmilliarden sezte.

In »Erzengel Gabriel« lässt der Autor den Engel der Verkündigung berichten, was am Anfang aller Dinge geschah und wie es zum Sündenfall und damit zum Bösen auf Erden kam.

Ausklang des Bandes sind Kurzgeschichten sowie einige Gedichte auf Türkisch, der Muttersprache des Autors.

Großartig ist das Titelbild des Buches, das von dem chinesischen Illustrator Wie Chen stammt und ein von Kolibris umschwärmtes lesendes Mädchen zeigt.

Insgesamt ist das vorliegende Werk eine beachtenswerte Probe eines heranwachsenden Talents, das Anerkennung verdient.


Genre: Lyrik
Illustrated by Kindle Edition

Die Analphabetin, die rechnen konnte

Die Analphabetin die rechnen konnte von Jonas Jonasson

Gibt es ein besseres Konzept für einen Autor, als ein überaus erfolgreiches Konzept – in diesem Fall das des Welt-Bestsellers »Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand« – zu wiederholen? Dan Brown macht es, John Grisham zelebriert es bis zur Perversion, und auch Jonas Jonasson strickt seinen zweiten Roman über eine Analphabetin so wie seine überaus erfolgreiche Nummer Eins.

Jonasson schildert den sagenhaften Aufstieg von Nombeko, einem kleinen schwarzen Mädchens aus Soweto. Die Analphabetin startet als Latrinenausträgerin, wird bald Chefin aller Scheiße-Schlepper, dann eine Art wissenschaftliche Hilfskraft und beendet schließlich ihre wundersame Laufbahn als Botschafterin Schwedens in Südafrika. Ihre besten Freundinnen sind drei chinesische Schwestern, die Kunst fälschen und Hunde vergiften.

Die Schicksalsgeschichte der pfiffigen Schwarzen wird mit viel Humor und diversen satirischen Seitenhieben auf politische Konstellationen erzählt. Parallel beschreibt der Autor das Leben eines schwedischen Zwillingspaares. Dies wiederum wird von einem schwärmerisch monarchistisch eingestellten Vater erzogen, der irgendwann anfängt, den König als Objekt seiner Anbetung zu hassen und zum Republikaner umschwenkt.

Natürlich laufen die beiden Erzählstränge ineinander und die Geschichte kulminiert in Schweden. Mordende Agenten vom Mossad sind auf ihren Spuren, denn Nombeko hat eine Atombombe im Gepäck, die in Südafrika vom Laster fiel. Sie gilt es, loszuwerden. Die tumbe schwedische Polizei bekommt dabei ebenso ihr Fett ab, wenn sie ein angeblich besetztes Haus stürmt wie das Schwedische Königshaus und die herrschende Politik.

Insgesamt beschert es erneut großes Vergnügen, Jonas Jonasson zu lesen. Es ist dabei müßig, lange abzugleichen, ob sein zweiter Roman an die Stärke seines weltbekannten Erstlings heranreicht. Nein, er reicht nicht daran, denn schon die Ausgangsgeschichte ist sehr viel ernster und sozialkritischer als die Slapstick-Komödie des »Hundertjährigen«.

Der Autor versteht es dafür ausgezeichnet, Realitäten ins Abstruse zu überdrehen und Situationen derart zu überzeichnen, dass der Leser sich vor Lachen schütteln kann, ohne dabei den politischen Wahnsinn beispielsweise des afrikanischen Apartheid-Regimes zu übersehen.

Ein amüsantes, flott geschriebenes Buch für intelligente Leser.

WERBUNG[amazon_link asins=’3328100156′ template=’ProductCarousel’ store=’literaturzeit-21′ marketplace=’DE’ link_id=’fa038598-af71-11e8-bdd5-cdc24497d9ab’]


Genre: Romane
Illustrated by Carl´s Books

Das Gedankenexperiment

Jonas Winner schreibt intelligente Romane, die den Leser fordern. Im »Gedankenexperiment« befasst er sich in erster Linie mit einer philosophisch-lingustischen Grundfrage der Sprachtheorie. Es geht ihm dabei um die Diskussion, woher die menschliche Sprache eigentlich kommt. Ist es denkbar, dass ein mit unserem Körper verknüpftes »Sprachwesen« in uns haust, das Macht über unseren Geist hat und dem wir – unter geeigneten Umständen – vielleicht sogar begegnen können?
Stammt also möglicherweise das, was wir sagen, gar nicht von uns, sondern von dieser geheimnisvollen Wesenheit, die unsere gesamte zwischenmenschliche Kommunikation steuert? Und was ist, wenn wir dieses Sprachwesen als dreidimensionales Etwas in uns hocken sehen, es aber nicht (be)greifen können – treibt uns das möglicherweise in den Wahnsinn? Ist der Verlust des Verstandes, beziehungsweise das, was wir darunter verstehen, der Preis, der gezahlt werden muss, um das Wesen zu erkennen?
Der Forscher Leonard Habich, der in einem verwinkelten Schloss mit unterirdischen Gängen und Gewölben residiert, ist dieser Idee verfallen. Seinen »Verfall« muss Karl Borchert, ein aufstrebender Philosoph, der eine Stelle als dessen Privatsekretär antritt, bald feststellen. Habich will ein bahnbrechendes Werk zum Abschluss bringen, an dem er seit Jahrzehnten arbeitet, Borchert soll ihm dabei helfen. Doch es gibt mehr als gemeinsame philosophische Interessen zwischen den beiden. Denn wie kommt es, dass der alte Forscher seinen jungen Assistenten Borchert und dessen wissenschaftliche Arbeit so genau kennt? Wieso war er ausgerechnet mit seinem Vater, einem Chirurgen, befreundet, der seinen Sohn in jungen Jahren nach einem tragischen Fahrradunfall an einer schweren Kopfverletzung operierte? Was steckt wirklich hinter den Forschungen, die auf dem Schlossgelände betrieben werden? Existiert dort eine Höllenmaschine, die jeden auf eine Irrsinnsreise schickt? Werden eventuell sogar Menschenexperimente gemacht?
Jonas Winner versteht es, eine vielschichtige wissenschaftliche Theorie in eine durchaus spannende Rahmenhandlung einzubinden. Er versäumt dabei nicht, auf versunkenes Geheimwissen anzuspielen und paradigmenstiftende Verschwörungstheorien einzuflechten. Nicht zufällig spricht Habich Henochisch, eine alte magische Sprache, die auch »Sprache der Engel« genannt wird.
Philosophen haben wohl immer schon davon geträumt, den eigenen Geist wie ein Besucher betreten und sich darin umsehen zu können, also in sich selbst spazieren zu gehen. Platon, Descartes und Wittgenstein beschäftigten sich mit der Thematik, die zuletzt in wilden Hippiezeiten wieder aufkam, in denen unter Drogeneinfluss (Winner lässt diesen Aspekt allerdings aus) versucht wurde, einen vom Bewusstsein losgelösten äußeren Einstieg in die Innenwelt zu erlangen. Gern wird diese Diskussion mit der Grundsatzfrage verknüpft, wie die Sprache überhaupt entstand und in unsere Köpfe gelangte. Philosophisch delikat dabei ist der Aspekt, dass das Medium, in dem nachgedacht wird identisch ist mit dem Gegenstand, über den nachgedacht wird.
In diesem Zusammenhang taucht im Roman natürlich auch der berühmte US-Linguistiker Noam Chomsky auf, der mit der »Chomsky-Hierarchie« unter anderem versuchte, eine Metasprache zu entwickeln. Der Forscher machte geltend, dass die Daten, die wir als Kind empfangen, zu dünn seien, als dass allein dadurch etwas derartiges Komplexes wie die Sprache erlernt werden könne. Nach seiner Auffassung muss es eine Art angeborene Sprachkompetenzorgan im Hirn geben, dessen Parameter durch die Eindrücke des Kindes eingestellt werden, vergleichbar etwa mit einem Computer, bei dessen Erstinstallation die Sprache eingestellt wird. Auf diesem Gedanken wiederum fußt Habichs Theorie vom Sprachwesen, das eine Symbiose mit dem menschlichen Körper eingeht.
Jonas Winners Roman spricht Leser an, die sich für philosophische Paradigmen und Theorien der Sprachentwicklung interessieren. Der Autor macht es als promovierter Philosoph dem Leser dabei nicht ganz einfach, wenn er die Weiterentwicklung von der Seins- über die Bewusstseins zur Sprachphilosophie als »Dreischritt« begreift, dem ein vierter Schritt folgen müsse: »Den Grundgedanken, dass wir gefangen sein könnten, dass wir getäuscht werden könnten, dass jemand absichtlich ein Schild aufgestellt haben könnte, um uns in die Irre zu führen. Den Grundgedanken, das wir erst dann aus einer inszenierten Verwirrung herauskommen, wenn wir begreifen, dass wir Opfer einer Verschwörung sein könnten. Opfer derjenigen, die uns als Gefangene in einer Höhle halten.« (S. 129)
Vielleicht lässt sich »Das Gedankeninstrument« als Wissenschaftskrimi beschreiben. Denn gut drei Viertel des Werkes könnten auch als populäres Sachbuch zum Thema Sprache durchgehen. Dass er trotzdem die Kurve bekommt und die ganze Geschichte spannend verpackt, ist eine absolute Stärke des Autors.


Genre: Kriminalromane
Illustrated by Droemer Knaur München

Copyworld

Michael Szameit (* 1950) zählte zu den viel gelesenen Autoren im Genre wissenschaftliche Phantastik der untergegangenen DDR. Sein veröffentlichtes Werk ist umfangreich und wurde in großen Auflagen verbreitet. Der Roman »Copyworld«, man glaubt es kaum, entstand tatsächlich schon zu einer Zeit, als Hammer und Zirkel noch regierten, und manch ein Leser erkennt darin auch Anspielungen auf das autokratische System des sozialistischen Deutschlands. Nun liegt das Opus nach komatösem Schlummer in einer Schreibtischschublade als E-Book vor, und es ist zu hoffen, dass der Text neue Freunde des Genres erreicht.

Szameit wagt mit seinem Buch einen Spagat. Es versetzt eine klassische Fantasygeschichte mit einer Science-Fiction-Story und lässt beide erst ganz zum Schluss ineinander verschwimmen.

Eine Schwierigkeit beider Genres besteht bekanntlich darin, dem Leser in eine vom Autor erschaffene Kunstwelt zu helfen. Wird zu wenig geliefert, wirkt die Geschichte vielleicht nicht fantastisch genug. Wird zu viel des Guten getan, springt der überanstrengte Leser ab, bevor die Handlung richtig ins Rollen kommt und ihn gefangen nimmt. Szameit beansprucht seine Leser überdurchschnittlich. Zwar wird bereits im ersten Kapitel ein spannendes Kampfgeschehen im Präsenz erzählt, indem er einen jungen Krieger gegen einen mächtigen Gegner antreten lässt, um dessen wertvolles Ei zu rauben, das dazu dient, Macht, Herrschaft und Ansehen zu gewinnen. Aber der Autor konfrontiert seinen Leser auch mit einer Vielfalt von Figuren, Waffen, Kleidungsstücken Zubehör und naturwissenschaftlichen Betrachtungen, die den Einstieg nicht gerade leicht machen.

Nach einem Cliffhanger – der Kampf auf Leben und Tod bleibt vorerst unentschieden – wechselt er in eine andere Welt – eben die titelgebende Copyworld – und lässt den Leser am Leben des Internatsschülers Hyazinth Blume teilhaben, der für eine besondere Mission auserwählt wurde. Es ist die Rolle des Märtyrers, der sich für die reine Lehre opfert und nicht – wie angeblich alle anderen Bewohner – zu ewigem Leben in Form einer digitalen Kopie finden. Dazu sollen sich die Auserwählten nehmen, was sie zu nehmen imstande sind, bis es ihnen zur Qual wird, Reichtum und Besitz hinterherzujagen. Ein »Shoppingdebit« muss erfüllt werden, sie müssen so viel Geld wie möglich ausgeben, die doppelte Summe wird ihnen dann zur Belohnung gutgeschrieben. Allerdings darf ein bestimmtes Tagessoll nicht unterschritten werden, sonst gibt es Strafpunkte. Im Ergebnis soll ein Wohlstand erreicht sein, der jede Sorge um Materielles entbehrt. Wer einen vorgegebenen Kontostand erreicht, empfängt die ersehnte Märtyrerweihe.

Hyazinth Blume erkennt bald, dass sich in seinem Ohr ein Wächter befindet, der im vorgeschriebenen jährlichen Gesundheits-Check eingesetzt wurde. Damit können observierende Instanzen nicht nur alles hören, was um ihn herum vorgeht, sie können sogar seine Gedanken, Fragen und Zweifel lesen. Nichts kann im Verborgenen gedacht, nichts unbeobachtet gesagt, nichts getan werden, was nicht in intellektronischen Impulsen aufgezeichnet worden wäre. Damit öffnet sich die Ebene, wonach der junge Mann selbst lediglich eine Matrix für die Vorstellungen und Phantasien einer anderen Kaste sein könnte, die das wirkliche Geschehen von Copyworld bestimmt.

Diese wiederum gründet auf der Gedankenwelt von Arthur Schopenhauer (1788-1860), einem Philosophen des 19. Jahrhunderts. Der lehrte – im Gegensatz zum Materialismus von Karl Marx (»Das Sein bestimmt das Bewusstsein«) die Erschaffung des Seins aus dem Bewusstsein. Es geht damit um die Schöpfung aus dem Nichts durch das einzelne Subjekt, Schöpfung im Sinne einer veritas aeterna.

Dasjenige, das alles erkennt, aber von keinem erkannt wird, ist das Subjekt. Nur für das Subjekt ist alles, was Gegenstand seiner Erkenntnis ist – also auch der eigene Körper – Objekt. Objekte liegen in Raum und Zeit, das Subjekt hingegen liegt außerhalb von Raum und Zeit, daher sind Subjekt und Objekt zwei unzertrennliche Hälften, eines kann ohne das andere nicht existieren. Die Welt der Objekte aber ist und bleibt Vorstellung, sie hat transzendentale Identität, weil die ganze Wirklichkeit nur durch den Verstand und im Verstand ist.

Copyworld nun ist ein Projekt, bei dem jedes Subjekt sich seine Welt aus Wille und Vorstellung erschaffen kann, und die Akteure träumen einen vom Autor als »Schopenhauerwelt« bezeichneten Traum, der gleichzeitig real ist. Das Projekt Copyworld ist nicht schlechthin der Übergang von einer Existenzsphäre in die andere – Unsterblichkeit wird zu etwas qualitativ vollkommen anderem als die Bannung des physischen Todes. Als Schöpfer der Realität werden Subjekt und Copyworld eins, Bewusstseinsinhalte sind der Stoff, aus dem die Welt geschaffen wird.

So ist die Fantasygeschichte, die Szameit erzählt, eine derartige Schopenhauerwelt, die erträumt und durch subjektiven Willen gesteuert wird. Aber auch die Welt des Hyazinth Blume könnte eine Ebene sein, die aus Träumen, Phantasien und möglicherweise bösen Absichten geschaffen wurde. Und so fiebert der Leser, der sich auf die streckenweise hochphilosophischen Gedankengänge Szameits einlässt, der Lösung des Rätsels entgegen: Wer kontrolliert eigentlich wen, wozu und mit welchem Interesse …

Auf Position 8324 seines E-Books hilft der Autor dem Kritiker zu dessen Entlastung beim Abfassen seiner Rezension: »Nur der Stümper braucht Kritiker, die seinem Publikum erklären, was Sinn und Anliegen seines Werkes war.« Erleichtert seufze ich auf und danke Michael Szameit, der mir eine Last von den Schultern nimmt, denn es ist wahrlich keine ganz leichte Aufgabe, seinen Roman angemessen zu interpretieren.

Unter dem berühmten Strich schenkt das immer wieder an eine Melange aus Tad Williams »Otherworld« und »Shadowmarch« erinnernde Szameit-Epos Erkenntnis über die Funktion der Gesellschaft: »Gib dem Volk eine Ideologie, ein Ziel und einen Weg. Kontrolliere damit ihre Sehnsüchte und Ängste, ihr Fühlen und Denken«, meint einer der Protagonisten. »Dann wirst du frei sein, um wie ein Gott schaffen und wirken zu können, denn sie selbst werden dich zu ihrem Gott machen«.

Ob es dem Buch insgesamt wirklich dient, die Fantasyebene mit hineinzuheben, – und damit komme ich auf den Ausgangspunkt zurück – bezweifele ich, zumal diese unvermittelt an einer wirklich spannenden Stelle abbricht. Letztlich zerfällt das Werk in zwei Geschichten, eine spannende erzählte, klassische Fantasy-Story und ein anspruchsvolles existenzphilosophisch angehauchtes Stück Science-Fiction-Literatur.

PS. Bekannt wurde Schopenhauer nicht nur durch sein Hauptwerk »Die Welt als Wille und Vorstellung«, sondern auch durch seinen leidenschaftlichen Kampf gegen Setzfehler. Vor diesem Hintergrund sei dem Autor empfohlen, noch einmal Korrektur lesen zu lassen und vor allem die massenhaft auftretenden doppelten Leerzeichen zu beseitigen, die den Lesefluss auf einem Reader beeinträchtigen.


Genre: Science-fiction
Illustrated by Kindle Edition

Zauberkunst lernen mit Thommy Ten

Thomas Höschele war zehn Jahre jung, als es das erste Mal im Wohnzimmer der elterlichen Wohnung eine selbst gebastelte Bühne erklomm, um sein Publikum zu verzaubern. Er hatte von seinen Eltern einen Zauberkasten bekommen und führte die Tricks vor, die er daraus gelernt hatte. Schnell bemerkte der kleine Magier, dass sehr viel mehr dazu gehört, um Zuschauer zu verzaubern, als lediglich Tricks zu zeigen. Er erfand Geschichten rund um seine Kunststücke und begriff, dass die Magie tatsächlich im Kopf des Publikums stattfindet.

Mittlerweile ist Höschele unter dem Künstlernamen »Thommy Ten« mehrfacher deutscher und österreichischer Meister der Zauberkunst und wurde 2012 zu den Top-Mentalmagiern bei den Weltmeisterschaften der Magie erwählt.

In diesem Buch nun verrät der Zauberkünstler seinem jugendlichen Nachwuchs, der ebenso gern die Herzen der Zuschauer gewinnen will, seine zehn besten Tricks. Er erklärt anhand detaillierter How-to-do-Fotos, wie aus zwei Bindfäden einer gemacht werden kann, wie ein aufgemalter Punkt von einem Fingernagel auf den anderen springt, wie man mit Gummibändern zaubert und wie Münzen auf geheimnisvolle Art verschwinden.

Ansprechend an diesem Buch ist, dass jeder Trick mit einer kleinen biografischen Erinnerung von Eltern, Freunden und Verwandten eingeleitet wird. So wird deutlich, dass jeder große Zauberer einmal klein angefangen hat und nur durch ständiges Üben und immer neue Auftritte zur Meisterschaft kommt.

Das Buch empfiehlt sich für den Zauberernachwuchs ab acht Jahre. Wer die zehn vorgestellten Tricks beherrscht und – angespornt von begeisterten Zuschauern – Lust verspürt, tiefer in die Thematik einzutauchen, hat dann vielleicht Lust zur Kontaktaufnahme mit einem Magischen Zirkel, den es in jedem Land gibt. Und – Abrakadabra – vielleicht findet durch die Lektüre dieses Buches der größte Zauberkünstler kommender Jahrzehnte seinen Weg in die Welt der Magie.


Genre: Kinder- und Jugendbuch
Illustrated by Holzbaum Wien

Die Self-Publisher-Bibel

Dieses Buch hat eine spannende Entstehungsgeschichte: Ursprünglich war im Sommer 2012 angedacht, den Erfahrungsschatz für das noch junge Medium E-Book zu sammeln und einen kleinen Teil der dafür erforderlichen Arbeitskraft quasi im Subskriptionsverfahren via Crowdfunding zu finanzieren. Dieser Plan wurde spontan von bereits erfolgreichen Self-Publishern wie Emily Bold, Michael Linnemann und Jonas Winner unterstützt. In der Masse der Indie-Autoren fand er jedoch kaum Zuspruch, weil die Gratis-Mentalität des Internets vorherrschte. Man brauchte nur in einschlägigen Foren oder in der Facebook-Gruppe der Self-Publisher Fragen stellen, und schon kamen mehr oder weniger hilfreiche Antworten aus allen Richtungen. Weiterlesen


Genre: Lexika und Nachschlagewerke
Illustrated by Kindle Edition

Träume gehen nie in Rente

Aufgrund seiner liebevollen gestalteten Aufmachung springt dieses im Espresso-Table-Format produzierte Büchlein dem Leser sofort ins Auge. Dazu tragen vor allem die farbenfohen Collagen der DaDa-Künstlerin Ursula Bachmann bei, die der Publikation ein unverwechselbares Gesicht geben und sie zum Augenschmaus machen. Sie umspielen die Kurzprosa von KarlHeinz Karius, der sich mal als Aphoristiker, mal als Verseschmied präsentiert

Auf einem dem Buch beigefügten – ebenfalls grafisch perfekt gestalteten – Lesezeichen erfährt der geneigte Leser mehr über das vom Autoren ersonnene »Karius-Rating«. Damit sollen die einzelnen Aussagen des Buches hinsichtlich ihres Nutzens bewertet werden. Lege ich diese Latte an, dann bewegt sich der Band insgesamt zwischen »3 K« = »Olala! Schaun wir mal, dann sehn wir schon: prüfenswert!« und »Mega K« = »Hallelujah! PremiumErkenntnis! Kaum zu toppen!«


Genre: Kurzprosa
Illustrated by WortHupferl Leonberg

Mama, jetzt nicht!

Dass ein Autor wie Daniel Glattauer, der in der Hochliteratur mit »Gut gegen Nordwind« brilliert, in den Niederungen des Tagesjournalismus alles andere als erstklassig auftritt, beweist die vorliegende Veröffentlichung, die seine Glossen aus der österreichischen Tageszeitung »Der Standard« sammelt.

Angesprochen werden Leser zwischen Wien, Salzburg und St. Pölten, die des österreichischen Idioms mächtig sind, denn viele der Texte enthalten Begriffe, die dem hochdeutschen Leser kaum geläufig sein dürften. Wer sich indes als deutscher Leser dafür interessiert, was »Gackersackerl« oder »Grantprofis« sind, wer wissen will, ob man sich in Österreich mit »Grüß Gott« oder »Mahlzeit« begegnet, ob die SPÖ Musil liest, was ein »Röster« oder ein »Pantscherl« ist, der erfährt in den 165 ultrakurzen Texten Neues und Wissenswertes.

Wie Glattauers Verlag den eher unverschämten Preis von € 8,99 für die E-Book-Ausgabe des Buches rechtfertigt, hat sich mir während der Lektüre des Werke nicht erschlossen.


Genre: Kolumnen
Illustrated by Goldmann München

Das Leben ist ein Baumarkt

Wer hat nicht schon mal in einem Baumarkt nach der Lösung eines kleinen Problems im eigenen Heim gesucht, für das ein entsprechendes Utensil, eine Schraube, ein Verschluss, ein Werkzeug oder was auch immer fehlte. Den Nicht-Handwerker stellt bereits die Suche nach dem richtigen Regal auf eine harte Probe und just aus dem Grund begibt der Hilflose sich gern in die Hände eines fachkundigen Beraters. Dieser ist indes oft noch schwieriger zu finden als der gesuchte Gegenstand selbst, er befindet sich scheinbar ständig auf der Flucht oder wird bereits von anderen Ratsuchenden umlagert, die auf weise Worte warten wie die Gläubigen am Petersplatz in Rom.

Das vorliegende Buch verschafft nun der anderen Seite Gehör. Der Autor, nach eigenem Bekunden Abteilungsleiter eines Baumarktes, durchbricht das Klischee des Fachberaters. Er tritt sachkundig, intelligent und serviceorientiert auf, kennt die Schwächen seiner Kollegen ebenso gut wie die seiner Chefs. Vor allem kennt er aber seine wichtigsten Pappenheimer, die Kunden, denen der überwiegende Teil seiner oft sarkastischen Betrachtungen gewidmet ist. Dabei ärgert er sich besonders über die »Vollpfosten« in Internetforen, die irgendwelche Produkte empfehlen, »die es einfach nicht gibt« und damit den Kunden desinformieren.

Trompetter schildert seine Klientel in allen denkbaren Schattierungen. Er typisiert die Menschen, die sich in seinem Fachgebiet »Fliese« einfinden und teilweise zu bescheuert sind, die erforderliche Menge Steingut für eine vorgegebene Raumgröße zu berechnen. Er rächt sich dann damit, dem Kunden die teuerste Fliese zu empfehlen und freut sich diebisch, wenn dieser darauf hereinfällt. Schadenfreude ist dem Fachberater alles andere als fremd, es wäre für Psychologen ein interessantes Unterfangen, den Charakter des Autors anhand seines Buches eingehend zu analysieren.

Gleichwohl vermag sich der Leser mit dem Fachberater zu solidarisieren, wenn der erraten soll, was König Kunde meint, wenn er »Beton für untendrunter« (Fliesenkleber) oder »Was Rotes, wenn einem mal was raushängt« (rote Fahne zum Markieren überstehender Ladung) sucht. Clever und geschäftstüchtig geht er mit Leuten um, die reklamieren wollen. Kommt ein Kunde mit einer unbrauchbaren Silikonkartusche aus einem anderen Baumarkt, macht er ihn nicht etwa auf seinen Fehler aufmerksam, sondern lässt ihn geduldig Regalreihen durchstreifen und nach dem Produkt suchen, bis dieser selbst seinen Irrtum erkennt und entnervt Silikon samt Kartuschenpresse bei ihm kauft. Hätte er ihm gleich gesagt, wo die Kartuschen her sind, wäre er straks dorthin gegangen, um sich zu beschweren. So hat er wenigstens bei ihm gekauft.

Die Lektüre dieser Veröffentlichung schenkt Spaß, denn sie birgt die Gefahr, sich selbst zu erkennen.


Genre: Humor und Satire
Illustrated by Riva Verlag München

Der andere Frühling

Ein hochwertig gearbeitetes Hardcover, das mir der glückliche Zufall in die Hände spielte, kündigt einen lyrisch-musikalischen Spaziergang durch Riddagshausen an. – Riddagshausen? – Wikipedia, ohne dessen Hilfestellung ich verloren wäre, weiß, dass es sich um ein historisch gewachsenes Naturschutzgebiet im Osten von Braunschweig handelt, dessen Kern ein altes Teichgebiet bildet.
Hier spaziert der Autor also offensichtlich gern; hier fotografiert und verdichtet er im wahrsten Wortsinn seine Eindrücke in Gedichte nach klassischem Versmaß. Zwölf Lieder sind auf diese Weise entstanden. 43 vollfarbige Fotos illustrieren großzügig die Texte und verstärken sie damit in ihrer Wirkung.
Thematisch geht es um die Erwartung des Menschen nach dem Licht, das auf die kalte Zeit folgt. Der Autor spiegelt die Hoffnung auf die Befreiung von eisigen Fesseln wie die Sehnsucht nach Ablösung von winterlichem Trübsinn und Schwermut durch des Frühlings farbenversprühenden Frohsinn. Er beschreibt den Aufbruch der Natur in neues Leben als Aufforderung an den Menschen, sich aufzurichten und neue Wege einzuschlagen.
Die Sammlung beginnt mit dem Klanggedicht »Winterüberdruss«, einem klassisch gearbeiteten Sonett mit 14 metrisch gesetzten Zeilen. Diese Gedichtform beherrscht Eberhard Kleinschmidt formvollendet, wie er bereits mit seinem Band »Stationen – Sonette um Freundschaft und Liebe – Ein Zyklus« bewiesen hat.
Kleinschmidts lyrischer Bilderbogen ist insgesamt klangbetont gearbeitet und in unterschiedliche Reimschemata gefasst. Der Dichter verwendet als Versilbungsprinzip konsequent Endreime, die mal männlich stumpf, mal weiblich klingend, mal dreisilbrig reich auftreten.
Einen Höhepunkt des Buches bildet die Ballade »Der neue Pygmalion«. Hier schildert der Autor die Kraftlosigkeit des sagenhaften Bildhauers, der verzweifelt am Boden liegt, als sich ein Fenster öffnet und der hereinströmende Frühling ihn und seine Leidenschaft neu erweckt. Pygmalion schafft aus einem Marmorblock eine Traumgestalt, die ihm den knospenden Frühling verkörpert und die durch die Macht der Götter schließlich zum Leben erweckt wird.
Dieser ursprüngliche auf Ovid basierende Stoff wurde von George Bernard Shaw zu einer Komödie verarbeitet, die wiederum Grundlage für das Broadway-Musical »My Fair Lady« war. Damit schließt sich der Bogen zum Lied »Es grünt so grün …« und Klavierimprovisationen, mit denen Peer Kleinschmidt auf einer beiliegenden CD die Texte rahmt und klangmalerisch nachzeichnet. Auf der CD werden die zwölf Gedichttexte vom Autor selbst vorgetragen, der sich in der gelungenen Vater-Sohn-Präsentation auch nach als Rezitator profiliert.
So entstand im Ergebnis ein kleines Gesamtkunstwerk, das Freunden klassischer Dichtkunst Anregung und Freude beschert.


Genre: Lyrik
Illustrated by Unbekannter Verlag

Hurenehre

zack_hurenehreTreibt in Zürich eine Organmafia ihr Unwesen? Die Mädels, die im Kreis 4 auf den Strich gehen, bangen um ihr Leben. Aus der Perspektive eines ehemaligen sizilianischen »Vollstreckers«, der als Barmann arbeitet, wird aus dem Leben der Bordsteinschwalben berichtet.

Luigi, der Ich-Erzähler, erzählt seine Story: Seine erste Station in Zürich ist das »Rialto« an der Rosentalbrücke. Dort ist er tätig, bis an einem Abend drei PKW langsam am Lokal vorbeifuhren, in denen jeweils vier Männer sitzen. Er entkommt durch einen Hinterausgang. In der Zeitung steht später, die Polizei habe einen Drogenring zerschlagen.

Im nächsten Club, in dem er tätig ist, kümmert er sich um die Prostituierten, die von ihren Freiern teilweise böse misshandelt werden. Doch er entwickelt auch eigene Bedürfnisse und kuschelt mit Chantal aus Brasov, in die er sich schließlich verliebt …

Eine Hure sei wie ein Schmetterling, dem das Leben die Flügel gebrochen hat, meint der Verfasser dieses Romans. Eddy Zack, das Alter Ego von Autor Detlef Crusius, erzählt seine Geschichte unprätentiös und dicht. Da ist nichts Überflüssiges, Crusius beschränkt auf das Wesentliche ohne hypotaktischen Verschraubungen. Es dominiert die Parataxe. Der Leser wird klar und leicht von einem Ereignis zum nächsten geführt.

Eddy Zack ist ein Lesevergnügen!


Genre: Kriminalliteratur
Illustrated by Kindle Edition

Zehntausend Fallen

Auch nachdem sie den Dienst quittiert und ein kleines Unternehmen am Stadtrand von Berlin etabliert hat, findet Ellen Faber keine Ruhe. Die ehemalige Hauptkommissarin rettet einem Landmann, der sich erschießen will, das Leben (leider wird diese Figur zwar in die Geschichte eingeführt, taucht dann aber nicht mehr auf). Faber will die Hintergründe des schief gelaufenen Selbstmordes klären und gerät darauf ins Blickfeld einer weltweit ihr Unwesen treibenden Gen-Mafia.

Hintergrund der Story ist das Bemühungen der Genmanipulateure, eigene Pflanzen auf ganz bestimmte Pflanzenschutzmittel abzustimmen, die aus eigener Produktion stammen. Dieses System wird unter dem Deckmantel verkauft, dadurch die Menge der Pestizide zu reduzieren. Hauptsächlich dient es aber zur Gewinnmaximierung. Es entsteht eine nahezu zwanghafte Kundenbindung, denn der Landwirt, der von einem bestimmten Unternehmen Saatgut bezieht, hat kaum eine Chance, zu wechseln. Ist das Saatgut auch noch so manipuliert, dass es keine Erträge bringt, dann ist der Bauer bald pleite und erledigt.

Der hinter allem stehende skrupellose Weltkonzern erfährt sehr rasch von den Nachforschungen der neugierigen Dame und will sie ausschalten. Dazu werden Unterlagen gefälscht, Analysen verändert, Wissenschaftler unter Druck gesetzt und Polizisten gekauft. Aufgrund von Falschinformationen wird Ellen Faber bald auch von ehemaligen Kollegen gejagt, und sie hat kaum eine Chance, bis zum Ende der Story durchzuhalten …

Vor diesem Hintergrund spielt der zweite Ellen-Faber-Krimi, den Klaus Seibel vorlegt. Außergewöhnlich an seinem Plot ist, dass sich die Ex-Kommissarin mit ihrem schlimmen Widersacher aus Band Eins, »Zehntausend Augen«, einem technologisch äußerst fitten Erpresser, zusammen tut, um ihre Haut zu retten und den Fall aufzuklären. An dieser ungewöhnlichen Wendung wird die individuelle Handschrift des Erzählers spürbar.

Seibel erzählt seine Geschichte geradlinig und schnell. Es gibt weder plötzliche Brüche noch verschlungene Pfade, die erst nach vielen hundert Seiten ineinander fließen. Gut und Böse sind deutlich gezeichnet, es fällt leicht, dem Lauf der Handlung zu folgen, es handelt sich um Literatur, die entspannt und unterhält.

Stilistisch bedient sich der Autor der Schilderung, wobei die Figuren relativ farblos bleiben. Er erklärt gern und wiederholt manches, was dem flüchtigen Leser hilfreich ist. Seibel schreibt in der Diktion der Sixties. Seine Wortwahl ist nicht jung, frech oder überraschend, sie entspricht dem Stil des Romans, der im Ergebnis als flüssig geschriebener, klassischer Krimi mit hohem Aktualitätsbezug bezeichnet werden darf.


Genre: Kriminalliteratur
Illustrated by Kindle Edition