Copyworld

Michael Szameit (* 1950) zählte zu den viel gelesenen Autoren im Genre wissenschaftliche Phantastik der untergegangenen DDR. Sein veröffentlichtes Werk ist umfangreich und wurde in großen Auflagen verbreitet. Der Roman »Copyworld«, man glaubt es kaum, entstand tatsächlich schon zu einer Zeit, als Hammer und Zirkel noch regierten, und manch ein Leser erkennt darin auch Anspielungen auf das autokratische System des sozialistischen Deutschlands. Nun liegt das Opus nach komatösem Schlummer in einer Schreibtischschublade als E-Book vor, und es ist zu hoffen, dass der Text neue Freunde des Genres erreicht.

Szameit wagt mit seinem Buch einen Spagat. Es versetzt eine klassische Fantasygeschichte mit einer Science-Fiction-Story und lässt beide erst ganz zum Schluss ineinander verschwimmen.

Eine Schwierigkeit beider Genres besteht bekanntlich darin, dem Leser in eine vom Autor erschaffene Kunstwelt zu helfen. Wird zu wenig geliefert, wirkt die Geschichte vielleicht nicht fantastisch genug. Wird zu viel des Guten getan, springt der überanstrengte Leser ab, bevor die Handlung richtig ins Rollen kommt und ihn gefangen nimmt. Szameit beansprucht seine Leser überdurchschnittlich. Zwar wird bereits im ersten Kapitel ein spannendes Kampfgeschehen im Präsenz erzählt, indem er einen jungen Krieger gegen einen mächtigen Gegner antreten lässt, um dessen wertvolles Ei zu rauben, das dazu dient, Macht, Herrschaft und Ansehen zu gewinnen. Aber der Autor konfrontiert seinen Leser auch mit einer Vielfalt von Figuren, Waffen, Kleidungsstücken Zubehör und naturwissenschaftlichen Betrachtungen, die den Einstieg nicht gerade leicht machen.

Nach einem Cliffhanger – der Kampf auf Leben und Tod bleibt vorerst unentschieden – wechselt er in eine andere Welt – eben die titelgebende Copyworld – und lässt den Leser am Leben des Internatsschülers Hyazinth Blume teilhaben, der für eine besondere Mission auserwählt wurde. Es ist die Rolle des Märtyrers, der sich für die reine Lehre opfert und nicht – wie angeblich alle anderen Bewohner – zu ewigem Leben in Form einer digitalen Kopie finden. Dazu sollen sich die Auserwählten nehmen, was sie zu nehmen imstande sind, bis es ihnen zur Qual wird, Reichtum und Besitz hinterherzujagen. Ein »Shoppingdebit« muss erfüllt werden, sie müssen so viel Geld wie möglich ausgeben, die doppelte Summe wird ihnen dann zur Belohnung gutgeschrieben. Allerdings darf ein bestimmtes Tagessoll nicht unterschritten werden, sonst gibt es Strafpunkte. Im Ergebnis soll ein Wohlstand erreicht sein, der jede Sorge um Materielles entbehrt. Wer einen vorgegebenen Kontostand erreicht, empfängt die ersehnte Märtyrerweihe.

Hyazinth Blume erkennt bald, dass sich in seinem Ohr ein Wächter befindet, der im vorgeschriebenen jährlichen Gesundheits-Check eingesetzt wurde. Damit können observierende Instanzen nicht nur alles hören, was um ihn herum vorgeht, sie können sogar seine Gedanken, Fragen und Zweifel lesen. Nichts kann im Verborgenen gedacht, nichts unbeobachtet gesagt, nichts getan werden, was nicht in intellektronischen Impulsen aufgezeichnet worden wäre. Damit öffnet sich die Ebene, wonach der junge Mann selbst lediglich eine Matrix für die Vorstellungen und Phantasien einer anderen Kaste sein könnte, die das wirkliche Geschehen von Copyworld bestimmt.

Diese wiederum gründet auf der Gedankenwelt von Arthur Schopenhauer (1788-1860), einem Philosophen des 19. Jahrhunderts. Der lehrte – im Gegensatz zum Materialismus von Karl Marx (»Das Sein bestimmt das Bewusstsein«) die Erschaffung des Seins aus dem Bewusstsein. Es geht damit um die Schöpfung aus dem Nichts durch das einzelne Subjekt, Schöpfung im Sinne einer veritas aeterna.

Dasjenige, das alles erkennt, aber von keinem erkannt wird, ist das Subjekt. Nur für das Subjekt ist alles, was Gegenstand seiner Erkenntnis ist – also auch der eigene Körper – Objekt. Objekte liegen in Raum und Zeit, das Subjekt hingegen liegt außerhalb von Raum und Zeit, daher sind Subjekt und Objekt zwei unzertrennliche Hälften, eines kann ohne das andere nicht existieren. Die Welt der Objekte aber ist und bleibt Vorstellung, sie hat transzendentale Identität, weil die ganze Wirklichkeit nur durch den Verstand und im Verstand ist.

Copyworld nun ist ein Projekt, bei dem jedes Subjekt sich seine Welt aus Wille und Vorstellung erschaffen kann, und die Akteure träumen einen vom Autor als »Schopenhauerwelt« bezeichneten Traum, der gleichzeitig real ist. Das Projekt Copyworld ist nicht schlechthin der Übergang von einer Existenzsphäre in die andere – Unsterblichkeit wird zu etwas qualitativ vollkommen anderem als die Bannung des physischen Todes. Als Schöpfer der Realität werden Subjekt und Copyworld eins, Bewusstseinsinhalte sind der Stoff, aus dem die Welt geschaffen wird.

So ist die Fantasygeschichte, die Szameit erzählt, eine derartige Schopenhauerwelt, die erträumt und durch subjektiven Willen gesteuert wird. Aber auch die Welt des Hyazinth Blume könnte eine Ebene sein, die aus Träumen, Phantasien und möglicherweise bösen Absichten geschaffen wurde. Und so fiebert der Leser, der sich auf die streckenweise hochphilosophischen Gedankengänge Szameits einlässt, der Lösung des Rätsels entgegen: Wer kontrolliert eigentlich wen, wozu und mit welchem Interesse …

Auf Position 8324 seines E-Books hilft der Autor dem Kritiker zu dessen Entlastung beim Abfassen seiner Rezension: »Nur der Stümper braucht Kritiker, die seinem Publikum erklären, was Sinn und Anliegen seines Werkes war.« Erleichtert seufze ich auf und danke Michael Szameit, der mir eine Last von den Schultern nimmt, denn es ist wahrlich keine ganz leichte Aufgabe, seinen Roman angemessen zu interpretieren.

Unter dem berühmten Strich schenkt das immer wieder an eine Melange aus Tad Williams »Otherworld« und »Shadowmarch« erinnernde Szameit-Epos Erkenntnis über die Funktion der Gesellschaft: »Gib dem Volk eine Ideologie, ein Ziel und einen Weg. Kontrolliere damit ihre Sehnsüchte und Ängste, ihr Fühlen und Denken«, meint einer der Protagonisten. »Dann wirst du frei sein, um wie ein Gott schaffen und wirken zu können, denn sie selbst werden dich zu ihrem Gott machen«.

Ob es dem Buch insgesamt wirklich dient, die Fantasyebene mit hineinzuheben, – und damit komme ich auf den Ausgangspunkt zurück – bezweifele ich, zumal diese unvermittelt an einer wirklich spannenden Stelle abbricht. Letztlich zerfällt das Werk in zwei Geschichten, eine spannende erzählte, klassische Fantasy-Story und ein anspruchsvolles existenzphilosophisch angehauchtes Stück Science-Fiction-Literatur.

PS. Bekannt wurde Schopenhauer nicht nur durch sein Hauptwerk »Die Welt als Wille und Vorstellung«, sondern auch durch seinen leidenschaftlichen Kampf gegen Setzfehler. Vor diesem Hintergrund sei dem Autor empfohlen, noch einmal Korrektur lesen zu lassen und vor allem die massenhaft auftretenden doppelten Leerzeichen zu beseitigen, die den Lesefluss auf einem Reader beeinträchtigen.


Genre: Science-fiction
Illustrated by Kindle Edition

Zauberkunst lernen mit Thommy Ten

Thomas Höschele war zehn Jahre jung, als es das erste Mal im Wohnzimmer der elterlichen Wohnung eine selbst gebastelte Bühne erklomm, um sein Publikum zu verzaubern. Er hatte von seinen Eltern einen Zauberkasten bekommen und führte die Tricks vor, die er daraus gelernt hatte. Schnell bemerkte der kleine Magier, dass sehr viel mehr dazu gehört, um Zuschauer zu verzaubern, als lediglich Tricks zu zeigen. Er erfand Geschichten rund um seine Kunststücke und begriff, dass die Magie tatsächlich im Kopf des Publikums stattfindet.

Mittlerweile ist Höschele unter dem Künstlernamen »Thommy Ten« mehrfacher deutscher und österreichischer Meister der Zauberkunst und wurde 2012 zu den Top-Mentalmagiern bei den Weltmeisterschaften der Magie erwählt.

In diesem Buch nun verrät der Zauberkünstler seinem jugendlichen Nachwuchs, der ebenso gern die Herzen der Zuschauer gewinnen will, seine zehn besten Tricks. Er erklärt anhand detaillierter How-to-do-Fotos, wie aus zwei Bindfäden einer gemacht werden kann, wie ein aufgemalter Punkt von einem Fingernagel auf den anderen springt, wie man mit Gummibändern zaubert und wie Münzen auf geheimnisvolle Art verschwinden.

Ansprechend an diesem Buch ist, dass jeder Trick mit einer kleinen biografischen Erinnerung von Eltern, Freunden und Verwandten eingeleitet wird. So wird deutlich, dass jeder große Zauberer einmal klein angefangen hat und nur durch ständiges Üben und immer neue Auftritte zur Meisterschaft kommt.

Das Buch empfiehlt sich für den Zauberernachwuchs ab acht Jahre. Wer die zehn vorgestellten Tricks beherrscht und – angespornt von begeisterten Zuschauern – Lust verspürt, tiefer in die Thematik einzutauchen, hat dann vielleicht Lust zur Kontaktaufnahme mit einem Magischen Zirkel, den es in jedem Land gibt. Und – Abrakadabra – vielleicht findet durch die Lektüre dieses Buches der größte Zauberkünstler kommender Jahrzehnte seinen Weg in die Welt der Magie.


Genre: Kinder- und Jugendbuch
Illustrated by Holzbaum Wien

Die Self-Publisher-Bibel

Dieses Buch hat eine spannende Entstehungsgeschichte: Ursprünglich war im Sommer 2012 angedacht, den Erfahrungsschatz für das noch junge Medium E-Book zu sammeln und einen kleinen Teil der dafür erforderlichen Arbeitskraft quasi im Subskriptionsverfahren via Crowdfunding zu finanzieren. Dieser Plan wurde spontan von bereits erfolgreichen Self-Publishern wie Emily Bold, Michael Linnemann und Jonas Winner unterstützt. In der Masse der Indie-Autoren fand er jedoch kaum Zuspruch, weil die Gratis-Mentalität des Internets vorherrschte. Man brauchte nur in einschlägigen Foren oder in der Facebook-Gruppe der Self-Publisher Fragen stellen, und schon kamen mehr oder weniger hilfreiche Antworten aus allen Richtungen. Weiterlesen


Genre: Lexika und Nachschlagewerke
Illustrated by Kindle Edition

Träume gehen nie in Rente

Aufgrund seiner liebevollen gestalteten Aufmachung springt dieses im Espresso-Table-Format produzierte Büchlein dem Leser sofort ins Auge. Dazu tragen vor allem die farbenfohen Collagen der DaDa-Künstlerin Ursula Bachmann bei, die der Publikation ein unverwechselbares Gesicht geben und sie zum Augenschmaus machen. Sie umspielen die Kurzprosa von KarlHeinz Karius, der sich mal als Aphoristiker, mal als Verseschmied präsentiert

Auf einem dem Buch beigefügten – ebenfalls grafisch perfekt gestalteten – Lesezeichen erfährt der geneigte Leser mehr über das vom Autoren ersonnene »Karius-Rating«. Damit sollen die einzelnen Aussagen des Buches hinsichtlich ihres Nutzens bewertet werden. Lege ich diese Latte an, dann bewegt sich der Band insgesamt zwischen »3 K« = »Olala! Schaun wir mal, dann sehn wir schon: prüfenswert!« und »Mega K« = »Hallelujah! PremiumErkenntnis! Kaum zu toppen!«


Genre: Kurzprosa
Illustrated by WortHupferl Leonberg

Das Leben ist ein Baumarkt

Wer hat nicht schon mal in einem Baumarkt nach der Lösung eines kleinen Problems im eigenen Heim gesucht, für das ein entsprechendes Utensil, eine Schraube, ein Verschluss, ein Werkzeug oder was auch immer fehlte. Den Nicht-Handwerker stellt bereits die Suche nach dem richtigen Regal auf eine harte Probe und just aus dem Grund begibt der Hilflose sich gern in die Hände eines fachkundigen Beraters. Dieser ist indes oft noch schwieriger zu finden als der gesuchte Gegenstand selbst, er befindet sich scheinbar ständig auf der Flucht oder wird bereits von anderen Ratsuchenden umlagert, die auf weise Worte warten wie die Gläubigen am Petersplatz in Rom.

Das vorliegende Buch verschafft nun der anderen Seite Gehör. Der Autor, nach eigenem Bekunden Abteilungsleiter eines Baumarktes, durchbricht das Klischee des Fachberaters. Er tritt sachkundig, intelligent und serviceorientiert auf, kennt die Schwächen seiner Kollegen ebenso gut wie die seiner Chefs. Vor allem kennt er aber seine wichtigsten Pappenheimer, die Kunden, denen der überwiegende Teil seiner oft sarkastischen Betrachtungen gewidmet ist. Dabei ärgert er sich besonders über die »Vollpfosten« in Internetforen, die irgendwelche Produkte empfehlen, »die es einfach nicht gibt« und damit den Kunden desinformieren.

Trompetter schildert seine Klientel in allen denkbaren Schattierungen. Er typisiert die Menschen, die sich in seinem Fachgebiet »Fliese« einfinden und teilweise zu bescheuert sind, die erforderliche Menge Steingut für eine vorgegebene Raumgröße zu berechnen. Er rächt sich dann damit, dem Kunden die teuerste Fliese zu empfehlen und freut sich diebisch, wenn dieser darauf hereinfällt. Schadenfreude ist dem Fachberater alles andere als fremd, es wäre für Psychologen ein interessantes Unterfangen, den Charakter des Autors anhand seines Buches eingehend zu analysieren.

Gleichwohl vermag sich der Leser mit dem Fachberater zu solidarisieren, wenn der erraten soll, was König Kunde meint, wenn er »Beton für untendrunter« (Fliesenkleber) oder »Was Rotes, wenn einem mal was raushängt« (rote Fahne zum Markieren überstehender Ladung) sucht. Clever und geschäftstüchtig geht er mit Leuten um, die reklamieren wollen. Kommt ein Kunde mit einer unbrauchbaren Silikonkartusche aus einem anderen Baumarkt, macht er ihn nicht etwa auf seinen Fehler aufmerksam, sondern lässt ihn geduldig Regalreihen durchstreifen und nach dem Produkt suchen, bis dieser selbst seinen Irrtum erkennt und entnervt Silikon samt Kartuschenpresse bei ihm kauft. Hätte er ihm gleich gesagt, wo die Kartuschen her sind, wäre er straks dorthin gegangen, um sich zu beschweren. So hat er wenigstens bei ihm gekauft.

Die Lektüre dieser Veröffentlichung schenkt Spaß, denn sie birgt die Gefahr, sich selbst zu erkennen.


Genre: Humor und Satire
Illustrated by Riva Verlag München

Mama, jetzt nicht!

Dass ein Autor wie Daniel Glattauer, der in der Hochliteratur mit »Gut gegen Nordwind« brilliert, in den Niederungen des Tagesjournalismus alles andere als erstklassig auftritt, beweist die vorliegende Veröffentlichung, die seine Glossen aus der österreichischen Tageszeitung »Der Standard« sammelt.

Angesprochen werden Leser zwischen Wien, Salzburg und St. Pölten, die des österreichischen Idioms mächtig sind, denn viele der Texte enthalten Begriffe, die dem hochdeutschen Leser kaum geläufig sein dürften. Wer sich indes als deutscher Leser dafür interessiert, was »Gackersackerl« oder »Grantprofis« sind, wer wissen will, ob man sich in Österreich mit »Grüß Gott« oder »Mahlzeit« begegnet, ob die SPÖ Musil liest, was ein »Röster« oder ein »Pantscherl« ist, der erfährt in den 165 ultrakurzen Texten Neues und Wissenswertes.

Wie Glattauers Verlag den eher unverschämten Preis von € 8,99 für die E-Book-Ausgabe des Buches rechtfertigt, hat sich mir während der Lektüre des Werke nicht erschlossen.


Genre: Kolumnen
Illustrated by Goldmann München

Der andere Frühling

Ein hochwertig gearbeitetes Hardcover, das mir der glückliche Zufall in die Hände spielte, kündigt einen lyrisch-musikalischen Spaziergang durch Riddagshausen an. – Riddagshausen? – Wikipedia, ohne dessen Hilfestellung ich verloren wäre, weiß, dass es sich um ein historisch gewachsenes Naturschutzgebiet im Osten von Braunschweig handelt, dessen Kern ein altes Teichgebiet bildet.
Hier spaziert der Autor also offensichtlich gern; hier fotografiert und verdichtet er im wahrsten Wortsinn seine Eindrücke in Gedichte nach klassischem Versmaß. Zwölf Lieder sind auf diese Weise entstanden. 43 vollfarbige Fotos illustrieren großzügig die Texte und verstärken sie damit in ihrer Wirkung.
Thematisch geht es um die Erwartung des Menschen nach dem Licht, das auf die kalte Zeit folgt. Der Autor spiegelt die Hoffnung auf die Befreiung von eisigen Fesseln wie die Sehnsucht nach Ablösung von winterlichem Trübsinn und Schwermut durch des Frühlings farbenversprühenden Frohsinn. Er beschreibt den Aufbruch der Natur in neues Leben als Aufforderung an den Menschen, sich aufzurichten und neue Wege einzuschlagen.
Die Sammlung beginnt mit dem Klanggedicht »Winterüberdruss«, einem klassisch gearbeiteten Sonett mit 14 metrisch gesetzten Zeilen. Diese Gedichtform beherrscht Eberhard Kleinschmidt formvollendet, wie er bereits mit seinem Band »Stationen – Sonette um Freundschaft und Liebe – Ein Zyklus« bewiesen hat.
Kleinschmidts lyrischer Bilderbogen ist insgesamt klangbetont gearbeitet und in unterschiedliche Reimschemata gefasst. Der Dichter verwendet als Versilbungsprinzip konsequent Endreime, die mal männlich stumpf, mal weiblich klingend, mal dreisilbrig reich auftreten.
Einen Höhepunkt des Buches bildet die Ballade »Der neue Pygmalion«. Hier schildert der Autor die Kraftlosigkeit des sagenhaften Bildhauers, der verzweifelt am Boden liegt, als sich ein Fenster öffnet und der hereinströmende Frühling ihn und seine Leidenschaft neu erweckt. Pygmalion schafft aus einem Marmorblock eine Traumgestalt, die ihm den knospenden Frühling verkörpert und die durch die Macht der Götter schließlich zum Leben erweckt wird.
Dieser ursprüngliche auf Ovid basierende Stoff wurde von George Bernard Shaw zu einer Komödie verarbeitet, die wiederum Grundlage für das Broadway-Musical »My Fair Lady« war. Damit schließt sich der Bogen zum Lied »Es grünt so grün …« und Klavierimprovisationen, mit denen Peer Kleinschmidt auf einer beiliegenden CD die Texte rahmt und klangmalerisch nachzeichnet. Auf der CD werden die zwölf Gedichttexte vom Autor selbst vorgetragen, der sich in der gelungenen Vater-Sohn-Präsentation auch nach als Rezitator profiliert.
So entstand im Ergebnis ein kleines Gesamtkunstwerk, das Freunden klassischer Dichtkunst Anregung und Freude beschert.


Genre: Lyrik
Illustrated by Unbekannter Verlag

Hurenehre

zack_hurenehreTreibt in Zürich eine Organmafia ihr Unwesen? Die Mädels, die im Kreis 4 auf den Strich gehen, bangen um ihr Leben. Aus der Perspektive eines ehemaligen sizilianischen »Vollstreckers«, der als Barmann arbeitet, wird aus dem Leben der Bordsteinschwalben berichtet.

Luigi, der Ich-Erzähler, erzählt seine Story: Seine erste Station in Zürich ist das »Rialto« an der Rosentalbrücke. Dort ist er tätig, bis an einem Abend drei PKW langsam am Lokal vorbeifuhren, in denen jeweils vier Männer sitzen. Er entkommt durch einen Hinterausgang. In der Zeitung steht später, die Polizei habe einen Drogenring zerschlagen.

Im nächsten Club, in dem er tätig ist, kümmert er sich um die Prostituierten, die von ihren Freiern teilweise böse misshandelt werden. Doch er entwickelt auch eigene Bedürfnisse und kuschelt mit Chantal aus Brasov, in die er sich schließlich verliebt …

Eine Hure sei wie ein Schmetterling, dem das Leben die Flügel gebrochen hat, meint der Verfasser dieses Romans. Eddy Zack, das Alter Ego von Autor Detlef Crusius, erzählt seine Geschichte unprätentiös und dicht. Da ist nichts Überflüssiges, Crusius beschränkt auf das Wesentliche ohne hypotaktischen Verschraubungen. Es dominiert die Parataxe. Der Leser wird klar und leicht von einem Ereignis zum nächsten geführt.

Eddy Zack ist ein Lesevergnügen!


Genre: Kriminalliteratur
Illustrated by Kindle Edition

Zehntausend Fallen

Auch nachdem sie den Dienst quittiert und ein kleines Unternehmen am Stadtrand von Berlin etabliert hat, findet Ellen Faber keine Ruhe. Die ehemalige Hauptkommissarin rettet einem Landmann, der sich erschießen will, das Leben (leider wird diese Figur zwar in die Geschichte eingeführt, taucht dann aber nicht mehr auf). Faber will die Hintergründe des schief gelaufenen Selbstmordes klären und gerät darauf ins Blickfeld einer weltweit ihr Unwesen treibenden Gen-Mafia.

Hintergrund der Story ist das Bemühungen der Genmanipulateure, eigene Pflanzen auf ganz bestimmte Pflanzenschutzmittel abzustimmen, die aus eigener Produktion stammen. Dieses System wird unter dem Deckmantel verkauft, dadurch die Menge der Pestizide zu reduzieren. Hauptsächlich dient es aber zur Gewinnmaximierung. Es entsteht eine nahezu zwanghafte Kundenbindung, denn der Landwirt, der von einem bestimmten Unternehmen Saatgut bezieht, hat kaum eine Chance, zu wechseln. Ist das Saatgut auch noch so manipuliert, dass es keine Erträge bringt, dann ist der Bauer bald pleite und erledigt.

Der hinter allem stehende skrupellose Weltkonzern erfährt sehr rasch von den Nachforschungen der neugierigen Dame und will sie ausschalten. Dazu werden Unterlagen gefälscht, Analysen verändert, Wissenschaftler unter Druck gesetzt und Polizisten gekauft. Aufgrund von Falschinformationen wird Ellen Faber bald auch von ehemaligen Kollegen gejagt, und sie hat kaum eine Chance, bis zum Ende der Story durchzuhalten …

Vor diesem Hintergrund spielt der zweite Ellen-Faber-Krimi, den Klaus Seibel vorlegt. Außergewöhnlich an seinem Plot ist, dass sich die Ex-Kommissarin mit ihrem schlimmen Widersacher aus Band Eins, »Zehntausend Augen«, einem technologisch äußerst fitten Erpresser, zusammen tut, um ihre Haut zu retten und den Fall aufzuklären. An dieser ungewöhnlichen Wendung wird die individuelle Handschrift des Erzählers spürbar.

Seibel erzählt seine Geschichte geradlinig und schnell. Es gibt weder plötzliche Brüche noch verschlungene Pfade, die erst nach vielen hundert Seiten ineinander fließen. Gut und Böse sind deutlich gezeichnet, es fällt leicht, dem Lauf der Handlung zu folgen, es handelt sich um Literatur, die entspannt und unterhält.

Stilistisch bedient sich der Autor der Schilderung, wobei die Figuren relativ farblos bleiben. Er erklärt gern und wiederholt manches, was dem flüchtigen Leser hilfreich ist. Seibel schreibt in der Diktion der Sixties. Seine Wortwahl ist nicht jung, frech oder überraschend, sie entspricht dem Stil des Romans, der im Ergebnis als flüssig geschriebener, klassischer Krimi mit hohem Aktualitätsbezug bezeichnet werden darf.


Genre: Kriminalliteratur
Illustrated by Kindle Edition

Wirklich wichtig sind die Schuhe

Bevor sie sich zum zweiten Mal in die Babypause verabschiedet, legt Star-Mezzosopranistin Elina Garanca ihr erstes Buch vor. Unter dem Titel »Wirklich wichtig sind die Schuhe« erzählt sie ihren rastlosen Lebensweg aus dem lettischen Kuhstall auf die großen Bühnen dieser Welt.

Die erst 37-jährige Opernsängerin startet ihre Erinnerungen mit dem Hinweis auf den Zwiespalt, mit dem viele gefeierte Künstler umgehen müssen, und das macht sie sympathisch. Auf der Bühne sind Sänger umjubelte Rollenstars in einer Welt des Zaubers, der Fantasie und der Emotionen. Schlüpfen sie aber in der Garderobe aus ihren Kostümen, dann sind sie nackt und allein.

»Der Erfolg schützt den Künstler nicht vor der Einsamkeit«, weiß Garanča. Dabei wirkt das einstige »Bauernmädchen«, das in Riga mit der Crème de la Crème der Intellektuellen aufwuchs, alles andere als einsam. Die Mutter war ebenfalls Mezzo, die Großeltern hingegen Bauern, die sie an jedem Wochenende besuchte – unter anderem, um den Kühen auf den Wiesen kleine Dialoge oder Lieder aus dem Theater vorzutragen.

Wie für viele andere Künstler aus osteuropäischen Staaten war auch für Elina Garanča ein Vorteil, aus der Welt des Mangels und der sozialistischen Selbstorganisation zu kommen. Für sie bedeutet es kein Problem, aus wenigen Zutaten ein schmackhaftes Mahl zu bereiten, und auch der Aufbau von IKEA-Möbeln stellt keine Hürde dar. Dafür waren Honorare in Westgeld die Erfüllung eines Märchentraums. Ihr erstes Honorar, ein Scheck über DM 9.000,- vom Staatstheater Meiningen begeisterte sie übrigens so sehr, dass sie ihn einrahmte und an die Wand hing – bis die Intendanz nachfragen ließ, ob sie denn den Betrag nicht gelegentlich einlösen wollte, man würde gern die Buchhaltung abschließen.

Ihren Weg nach oben beschreibt Garanča als Hindernislauf, der ihr alles abverlangte. Nur durch eiserne Disziplin und das Ergreifen jeder sich bietenden Gelegenheit schaffte sie es, ihre Stimme über anfänglich anderthalb Oktaven hinaus zu erweitern und sich auch schauspielerisch für die Hosenrollen zu qualifizieren, in denen sie debütierte. Sie sieht ihren Erfolg als Frucht harter Arbeit, als »eine Art Perlenkette, bei der ich jede Perle mit Sorgsamkeit und viel Ehrgeiz aufgefädelt habe«. Auf diese Weise schaffte sie es scheinbar mühelos über Wien nach Salzburg, Zürich, Aix-en-Provence, London, Paris bis nach New York.

Rangiert üblicherweise im Opernbetrieb die Sopranistin als Primadonna, ist die Mezzospranistin »Seconda Donna«. Elina Garanča stieg jedoch selbst zu einer der Primadonnen auf, ohne bislang in den Geruch einer Diva zu kommen. Den Weg ihrer steilen Karriere beschreibt sie anschaulich und schlicht. Dazu zählen ihre Heirat mit Karel Mark, ihr Vertrag mit der Deutschen Grammophon, die erste Solo-CD, aber auch die Bekanntschaft mit anderen Stars der Opernwelt wie der Sopranistin Anna Netrebko, mit der sie in Bellinis »I Capuletti e i Montecchi« in einer der berühmtesten Liebhaber-Rollen der Weltliteratur brillierte.

Garanča macht der Bühnenzauber, also die Stimmung, das Singen, der Applaus, süchtig. »Er kommt ohne Vorwarnung und vergeht, ohne dass man ihn greifen könnte.« Für sie spielt die Familie eine wesentliche Rolle aus Ausgleich, um eines Tages nicht in Leere und Einsamkeit alt werden zu müssen. Ihr Buch, das die für eine Biografie eigentlich viel zu junge Künstlerin Ida Metzger und Peter Dusek diktierte, beschreibt diesen Balanceakt anschaulich und wird dadurch zu einer interessanten und spannenden Lektüre.


Genre: Oper
Illustrated by Ecowin Salzburg

LINNEN – Das Grabtuch Mysterium

Auf geschickte Weise verknüpft Norman Nekro die umstrittene Geschichte einer der wertvollsten und zugleich umstrittensten Ikonen der katholischen Kirche mit einer ultraspannenden Handlung. Es geht um das Leinentuch, in dem angeblich Jesus von Nazareth nach der Kreuzigung begraben wurde. Dieses Linnen fiel vermutlich im Jahre 1204 bei der Eroberung Konstantinopels in die Hände christlicher Kreuzritter und wurde auf Anordnung des Großmeisters des Tempelordens nachgebildet. Das mysteriöse »Turiner Grabtuch« wird aktuell in einer Seitenkapelle des Turiner Doms aufbewahrt.

In eben diese Kathedrale bricht nun plötzlich ein Trupp Bewaffneter ein und raubt den Schatz. Im Geheimen operierende Nachfahren der Tempelritter versuchen im Wettlauf mit der vatikanischen Geheimpolizei, die Reliquie wieder in die Hände zu bekommen, da sie darauf einen historisch begründeten Rechtsanspruch erheben. In einer wilden Jagd durch halb Europa verfolgen sich die konkurrierenden Parteien, wobei beide auch vor Mord, Raub und Erpressung im Namen Christi nicht zurückschrecken.

Sowohl von der Erzählweise wie auch vom Sujet erinnert der vorliegende Roman an die Werke von Dan Brown. Vor dem geistigen Auge des Lesers läuft sofort ein Kinofilm ab, der diesem Werk quasi auf den Leib geschrieben ist. Anders als bei Brown ist Nekros Protagonist allerdings ein kreuzgefährlicher einzelgängerischer Mörder. Ihm stellt der Autor keine bildhübsche Partnerin zur Seite, die schlanke Blonde mit dem langen Zopf agiert vielmehr auf der anderen Seite und zählt zu seinen zu allem entschlossenen Widersachern.

Der vorliegende Roman ist Nekros bislang umfangreichste Arbeit. Der Autor hat damit einen Quantensprung in der literarischen Entwicklung vollzogen, indem er einen atemlosen Thriller verfasste, der sich tatsächlich genau so ereignet haben könnte und schon deshalb Öl ins Feuer aller Verschwörungstheoretiker gießt. Denn wer weiß schon so genau, welches geheimnisvolle Linnen in Turin ausgestellt wird …


Genre: Thriller
Illustrated by Kindle Edition

Ziemlich bester Schurke

Auch Rezensenten sind mitunter neugierig. So folge ich der persönlichen Einladung einer Schweizer »Medienstelle« und lasse mir ein Exemplar der Geschichte des ehemaligen Finanzjongleurs Josef Müller samt aufwändiger Hochglanz-Information zusenden.

Offen gestanden: Von diesem Josef Müller hatte ich zuvor weder gehört noch gelesen. Aber der Klappentext macht neugierig, in die Unterwelt der Betrogenen und Betrüger zu steigen. Außerdem kann ich Müllers zentrale Erkenntnis aus eigener unternehmerischer Erfahrung bestätigen: »Wenn ich mich auf etwas verlassen konnte, dann auf die Gier der Menschen«.

Josef Müller wurde 1955 in Fürstenfeldbruck bei München als Sohn eines Kriminalbeamten und einer OP-Schwester geboren. Mit 16 Jahren konnte er mit einer Sondergenehmigung den PKW-Führerschein erwerben und hatte kurz vor seinem 18. Geburtstag einen schweren Verkehrsunfall. Seitdem ist er auf die Benutzung eines Rollstuhls angewiesen.

Als der querschnittsgelähmte junge Mann eines Tages einen knallroten Mercedes 300 SL Cabrio Gullwing sieht, aus dessen elegant nach oben geöffnetem Türflügel ein Falt-Rolli herausfliegt und ein körperbehinderter Mann aussteigt, schwört er sich, trotz seines Handicaps ein Vorstadtcasanova zu werden. In seinem Buch beschreibt er nun, wie er zum erfolgreichen Anlage- und Steuerberater der Münchener Schickeria wurde, der schließlich als »11-Millionen-Euro-Betrüger« Eingang in die Schlagzeilen der Boulevardpresse fand. Denn das Interesse seiner Klientel, möglichst viel in die eigenen Taschen zu raffen, begünstigte seine Neigung, gnadenlos mit der Kundenkohle zu zocken, sie zu verprassen und dabei den Löwenanteil eiskalt für sich selbst zu kassieren.

Letztlich aber war der »ziemlich beste Schurke« nicht clever genug. Er ging, im Unterschied zu den zahllosen Schurken aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung, die uns auf der Nase herumtanzen, Polizei und Staatsanwaltschaft ins Netz. Und als sei er einem Lehrbuch für Resozialisation entstiegen, läuterten ihn fünfeinhalb Jährchen im Knast angeblich und ließen ihn das vorliegende Buch ersinnen.

Müller möchte dem Leser eine Saulus-Paulus-Verwandlung verkaufen. Danach hat er im Gefängnis eine »starke Umwertung meiner Werte« erfahren. Er will erkannt haben, »dass der Dienst am Geld eine zu anspruchsvolle Religion« sei und plädiert für »Liebe«, die mehr bedeute als Gerechtigkeit.

Auf 320 Seiten schildert das Buch, das offensichtlich von einem Profiautor begleitet wurde, warum Müller nach der Knasterfahrung sein Leben ändern wollte und was ihm weiterhin »für wundersame und aufregende Dinge widerfahren sind«. Der Text arbeitet mit ständigen Wiederholungen, so wird in nahezu jedem Kapitel die Müllersche Bio kurz zusammengefasst und gebetsmühlenartig wiederholt. So fällt dann auch nicht weiter auf, wenn der Autor in einem Kapitel auf drei Millionen Schulden sitzt, um im nächsten Kapitel wieder in Rolls und Bentley durch die bayerischen Lande zu kutschieren.

Josef Müller versucht mit dem Buch, sein Leben als bunten Märchenfilm zu vermarkten und dabei die Geschädigten, Geprellten und Betrogenen zu unfreiwilligen Komparsen seiner »geilen Story« zu machen. Dazu passen Fotos, die ihn mit Heiligenschein auf einer Kirchenbank zeigen, während er sich im Alltagsleben – vollkommen uneitel – gern im rosafarbigen Leinenanzug mit Einstecktuch und gelber Krawatte präsentiert.

Ob nun geprellte Ex-Kunden das Buch in die Hand nehmen und ob des Talents ihres einstigen Beraters schmunzeln? Vielleicht murmeln sie »Passt schon«, denn im Bazi-Land Bayern ist manches denkbar …


Genre: Biographien, Memoiren
Illustrated by Brunnen Verlag Basel

Sturm und Tang

55 Reisegedichte liefern zwei Autoren, die unterschiedlicher nicht sein können und dennoch freundschaftlich verbunden sind. Elsemarie Maletzke ist Journalistin und ausgesprochen reisefreudig. Christian Golusda hingegen bleibt lieber auf dem Boden seiner angestammten Heimat und schaut sich dort um.

Im lyrischen Wechselgesang der beiden Dichter werden verschiedene Gedichtformen angewandt. Vom Haiku über den Limerick bis hin zum Sonett ist alles dabei.

Keine große Literatur, aber ein unterhaltsamer Spaß für jeden, der sich an Gereimtem und Ungereimtem erfreuen kann.


Genre: Lyrik
Illustrated by Weissbooks Frankfurt am Main

Wie man garantiert (fast) einen Bestseller schreibt

Erfolgsautorin Louise Krämer ist die einzige Dame eines Autorenkränzchens, die es – nach eigenen Angaben – geschafft hat, ein Buch in einem Verlag unterzubringen. Deshalb kommen zwei andere Teilnehmerinnen dieses illustren Kreises schreibender Frauen auf die Idee, sie in ein Gemeinschaftsprojekt einzubinden, das den Buchmarkt erstürmen soll. Inspiriert durch eine Überdosis Eierlikör wollen sie ihre »Zielgruppen bündeln«, indem sie ein Gemeinschaftsbuch verfassen.

Insgeheim wird zwar jeder der Damen übel, wenn sie daran denkt, mit einer der anderen Tussen zusammenarbeiten zu müssen, aber da man sich wechselseitig immer wieder Wertschätzung, Hochachtung, ja Liebe, beteuert, kann frau schlecht Nein sagen. Allerdings versuchen Lousies Co-Autorinnen recht schnell, sich selbst in den Vordergrund zu spielen und sie auszubooten. Dass dies nicht ohne Zwischenfälle verläuft, lässt sich denken.

Die Autorinnen leben nach der Bestsellerformel »Sei bieder, aber tu so, als seist du verrucht. Tu so, als hättest du die Weisheit mit Löffeln gefressen, aber sei nicht arrogant. Schreib so, dass es alle verstehen, aber nicht so, dass es jemand für banal hält. Setz dich in Talkshows und lass die Titten halb raushängen, auch wenn du fünfzig bist«. Klar ist den Autorinnen dabei, dass das Geheimnis der Bestsellerei darin besteht, »Ansammlungen von Klischees zu schaffen, denn originelle Bücher werden prinzipiell keine Bestseller. Jedenfalls nicht zu Lebzeiten des Autors.« Zuerst schreiben sie jedoch fünfsternige Amazon-Kritiken, dann folgt der Text, auf den sich diese beziehen.

Catrin Alpach legt mit diesem kurzen Text eine vergnügliche Humoreske vor, die auf hinreichende Erfahrungen in Schreibgruppen schließen lässt und ebenso gut in einer der zahllosen Indie- und Self-Publisher-Foren im Internet spielen könnte. Ohne weh zu tun, karikiert sie die Welt der Hobbyschreiberinnen, von der es mehr zu geben scheint als manch eine(r) ahnt. Denn für jede Frau gibt es, so die Verfasserin, drei existentielle Entscheidungen, die sich nach den ersten Stürmen der Pubertät treffen muss: »Welchen Mann heirate ich? Was ziehe ich zur Hochzeit an? Und: Welchem Genre widme ich mich, wenn die Ehe so öde geworden ist, dass nur noch Schreiben Linderung verschafft?«

Für meinen Geschmack hätte das Thema zwar deutlich mehr Biss verdient, das entwertet den Text jedoch weder in Form noch Inhalt.


Genre: Humor und Satire
Illustrated by Kindle Edition

Der Architekt

Ben Lindenberger, Drehbuchautor von TV-Krimi-Serien, entdeckt Stoff für einen eigenständigen Kriminalroman: Er verfolgt den Prozess gegen einen Familienvater, der angeklagt ist, Frau und Kinder auf bestialische Weise erschlagen zu haben. Der Angeklagte, ein Berliner Stararchitekt, der besessen der Theorie vom Bauwerk als Gesamtkunstwerk anhängt, erweckt allerdings nicht den Eindruck eines brutalen Mörders. Ben nimmt während der Verhandlung Kontakt zu dem Angeklagten auf und steigt in sein Privatleben ein.

Lindenbergers großes Vorbild ist Truman Capote, der mit »Kaltblütig« eine der großartigsten Kriminalreportagen der Literaturgeschichte schrieb. Die Entstehung dieses Meisterwerks wurde dadurch begünstigt, dass Capote ein nahezu intimes Verhältnis zu den beiden später überführten und zum Tode verurteilten Tätern aufbaute, das ihm half, neben der Tat, ihrem Ablauf und der Wirkung auf den Ort des Geschehens das Seelenleben der Mörder zu sezieren. Dies versucht auch der Protagonist des Psychothrillers von Jonas Winner, wobei ihm Scharfsinn, Stilsicherheit und Distanziertheit Capotes fehlen. Dafür kommt er mühelos mit diversen Damen in die Horizontale. Dass sich dies auch gegen ihn wenden kann, erkennt er erst später.

Winners Psychothriller ist flott geschriebene Unterhaltungslektüre. Zahlreiche Dialoge outen den Verfasser als Kenner des Drehbuchgeschäfts. In vielen Punkten schimmert der Held des Romans als Winners Alter Ego durch. Der Autor liebt es, mehrere Handlungsstränge, die später zusammenfließen und sich teilweise erschließen, in Häppchen zu servieren. Der Einstieg in das »Setting«, ein Begriff, den gleich mehrere Romanfiguren verwenden, wird dadurch am Anfang erschwert. Doch dann schreitet die Erzählung geradlinig voran.

Es dauert allerdings rund 200 Seiten, bis sich der eigentliche Plot erschließt und Spannung aufkommt. Einen wirklichen »Thrill«, den der Untertitel verspricht, bleibt der Autor jedoch schuldig. Die Spannung spielt sich mehr im Kopf des Erzählers ab, insofern ist es ein typisch deutscher Krimi, der Spannung, »ein raffiniertes psychologisches Puzzle um Machtgier, Täuschung, Intrigen und dunkle Begierden« laut Klappentext, intellektuell aufbaut, statt sie tatsächlich zu schildern.

Jonas Winner wurde als Self-Publisher mit seinem düsteren Siebenteiler »Berlin Gothic« bekannt, den begeisterte Leser auf Spitzenplätze in den Amazon-Bestsellercharts katapultierten. Amazon entschied sich aufgrund der Popularität der Reihe, das Buch zu übersetzen und in den US-Markt einzuführen. Entsprechenden Erfolg erhofft sich auch Knaur, der den Autor jetzt herausbringt. So wie es Ben Lindenberger erträumt, sei auch dem Verfasser des Krimis gewünscht, aus dem nervenden Job des Serienschreibers aussteigen und seine weitere Karriere als Romanautor fortsetzen zu können. Das Zeug dazu hat der 1966 geborene promovierte Philosoph auf jeden Fall, wie dieser als Erstling anzusehende Kriminalroman beweist, der vom »großen Wurf« allerdings noch ein klein wenig entfernt ist.

Jonas Winner
Der Architekt. Psychothriller
Knaur 2012
ISBN 978-3-426-51275-3


Genre: Thriller
Illustrated by Knaur München