Unsere Welt neu denken: Eine Einladung

Titel Maja GöpelDies ist ein kleines Büchlein (200 Seiten), aber es hat es in sich: Die Klimakrise wird nicht erst beschrieben, es geht darum, welches Wirtschaftssystem nötig wäre, um sie aufzuhalten. Wir sind eingeladen, mitzudenken. Am Ende jeden Kapitels stehen weitergehende Gedanken zum Gesagten, wie ein Abspann.

Unsere Utopien haben sich in Dystopien verwandelt, Ursache ist die derzeitige Produktionsweise. Diese wird von ihren Kollegen Wirtschaftswissenschaftlern als gottgegeben gelehrt. Maja Göpel, die promovierte Volkswirtin und Professorin, nimmt uns mit in eine Vorlesung, als sie junge Studentin war: Es ging darum, wie sich Menschen entscheiden, um ein Auskommen zu haben. Gelehrt wurde, dass Arbeiter immer den höchsten Lohn anstreben, auch wenn es bedeutete, dass sie ins Ausland müssten. Als sie fragte, ob berechnet worden war, „ab wieviel Armut vor Ort und Lohnunterschied Menschen denn ihre Familie verlassen würden und (warum) für einen solchen Aufwand aufseiten der Arbeiter*innen keinerlei Kosten in dem Modell auflaufen würden, wurde es plötzlich still im Hörsaal.“

Dem verblüfften Prof fiel nur ein: “Seht her, da spricht ja ein warmes Herz.“ Sie nahm das als Anstoß, sich mit den volkswirtschaftlichen Theorien zu befassen, und dies später in ihrer Promotion zu vertiefen.

Wir erhalten grundlegendes Wissen zu den immer wieder zitierten Größen des Fachs. Wir lernen, dass der „homo oeconomicus“ unersättlich ist. Dazu aus dem Abspann des Kapitels Mensch und Verhalten: „Die Mehrheit der Ökonomen denkt den Menschen immer noch als eine egoistische Kreatur, der es nur um den eigenen Vorteil geht und die dadurch auf wundersame Weise für alle Wohlstand schafft. Dieses Menschenbild ist falsch und muss dringend einem Update unterzogen werden…“

Während sich in der Natur über Milliarden von Jahren stabile Kreisläufe herausgebildet haben, auch durch Korrekturen immer wieder ausgeglichen wurden, ist unsere industrielle Produktionsweise nur auf ihre Endprodukte ausgerichtet, wie ein Fließband, das immer weiterläuft. Wenn Produkte nicht mehr gebraucht werden, werden sie nicht wieder in den Kreislauf eingespeist, sie werden Müll, der zunehmend die Umwelt belastet. Weiteres Wachstum ist angestrebt, auch wenn wir inzwischen wissen, dass mehr Produktion auch mehr Planetenzerstörung bedeutet. Dazu heißt es im Abspann des Kapitels Technologischer Fortschritt, dass das, was Fortschritt ist, neu gedacht werden muss.

Seit wann gibt es diese Bedenken? 1983 setzten die Vereinten Nationen eine Kommission ein, die „sich Gedanken machen sollte, wie sich unser Wirtschaften mit den Grenzen des Planeten vereinbaren lässt.“ Geleitet wurde sie von Gro Harlum Brundlandt. Die Definition, die als Grundlage für weitere Umweltabkommen gefunden wurde, lautet: „Dauerhafte (nachhaltige) Entwicklung ist Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können.“ Im selben Jahrzehnt erhält der US-Ökonom Solow den Nobelpreis für sein Konzept von Wachstum, welches die Rolle von Erfindungen in den Vordergrund setzt, auch diejenigen, die Naturkapital ersetzen können (Substituierbarkeit). Maja Göpel erläutert, wie dies die Definition der Brundlandt Kommission verwässert, und dafür bekommt er den Nobelpreis? Auf diesem Hintergrund verstehen wir, wie etwa die US-amerikanische Firma Walmart dazu kommt, im Jahr 2018 ein Patent für eine Blütenbefruchterdrohne anzumelden: Wenn Bienen aussterben, dann können sie doch durch eine Drohne substituiert werden!

In den reichen Ländern sind Verhaltensänderungen notwendig, dazu ein Leitsatz: „Konsumiere so, wie Du Dir wünschen würdest, dass alle es tun!“ Wir haben gelernt, das Ich im Mittelpunkt zu sehen, es gelte, nun das Wir mehr zu bedenken.

Die Stärke dieses Buches ist die von der (jungen) Wissenschaftlerin gelebte Erfahrung, wie sich die Welt im letzten Vierteljahrhundert entwickelte: Sie ist in den neunziger Jahren als Freiwillige vom BUND bei einer Demonstration in Cancun dabei, als Protest gegen eine Tagung der WTO (Welthandelsorganisation). Diese war 1994 gegründet worden, als nach dem Zusammenbruch des Kommunismus die Vorteile einer globalisierten Weltwirtschaft formuliert worden waren.

Sie ist Geschäftsführerin des wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung, und auch Mitbegründerin der Scientists for Future, die wissenschaftliche Belege für die Jugendlichenbewegung Fridays for Future liefern. Sie hat die Bildung der Oligopolisten (Marktführer mit wenig Konkurrenz) beobachtet und wissenschaftlich begleitet, die Finanzkrise, bei der Großbanken mit Steuergeldern gerettet wurden, und, und, und …

Es ist dies das erste wirtschaftswissenschaftliche Buch, das ich gerne, und bis zum Schluss, gelesen habe. Und ich habe endlich verstanden, was mich so störte, als ich vor Jahren meinen Master in Management machte: Nicht alle, nur wenige Menschen ticken so, wie sie es nach dem Menschenbild der Ökonomen tun. Im Gegenteil: Warme Herzen können einen scharfen Geist befördern!


Genre: Politik und Gesellschaft, Wirtschaft, Wissenschaft
Illustrated by Ullstein

Der Crash ist die Lösung

Lenin, einer der wohl größten Kapitalismus-Kritiker, hat in seiner Schrift »Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus« anschaulich den Prozess des verfaulenden Kapitalismus beschrieben: »Monopole, Oligarchie, das Streben nach Herrschaft statt nach Freiheit, die Ausbeutung einer immer größeren Anzahl kleiner oder schwacher Nationen durch ganz wenige reiche oder mächtige Nationen – all das erzeugte jene Merkmale des Imperialismus, die uns veranlassen, ihn als parasitären oder in Fäulnis begriffenen Kapitalismus zu kennzeichnen. Immer plastischer tritt als eine Tendenz des Imperialismus die Bildung des „Rentnerstaates“, des Wucherstaates hervor, dessen Bourgeoisie in steigendem Maße von Kapitalexport und „Kuponschneiden“ lebt. Es wäre ein Fehler, zu glauben, dass diese Fäulnistendenz ein rasches Wachstum des Kapitalismus ausschließt; durchaus nicht, einzelne Industriezweige, einzelne Schichten der Bourgeoisie und einzelne Länder offenbaren in der Epoche des Imperialismus mehr oder minder stark bald die eine, bald die andere dieser Tendenzen. Im großen und ganzen wächst der Kapitalismus bedeutend schneller als früher, aber dieses Wachstum wird nicht nur im allgemeinen immer ungleichmäßiger, sondern die Ungleichmäßigkeit äußert sich auch im besonderen in der Fäulnis der kapitalkräftigsten Länder.«

Dieses Buch bestätigt Lenin. Auf den ersten zweihundert Seiten legen die Autroen Weik und Friedrich mittels Zahlen qualifiziert dar, dass die Wirtschaftsordnung, in der wir leben, keine Zukunft hat und vom Untergang bedroht ist. Dies entspricht dem Eindruck weiter gesellschaftlicher Schichten, die auch ohne analytische Fähigkeiten ahnen, dass die guten Jahre gezählt sind und eine Periode des Heulens und Zähneknirschens bevorsteht. Und wie einst Jesus in seiner Sterbestunde am Ölberg beten sie heimlich »Lass diesen Kelch an mir vorüber gehen …«.

Die Autoren halten dem Stillstand ein fundiertes »Watt kütt, dat kütt« entgegen und zeigen auf, dass auch Deutschlands Fundamente bröckeln, die Zeit der Rendite vorbei ist und wir alle Wohlstand verlieren werden oder an andere abgeben müssen. Längst gehe es ausschließlich um Vermögenserhalt und Vermögenssicherung. Der Staat, diese große, gierige Räuberbande, bereite sich längst auf einen Generalangriff auf unser Geld und unser Vermögen vor. Schließlich ginge nicht der Staat pleite, sondern seine Bürger. Inflation, Deflation und Hyperinflation seien längst gängige Szenarien. Der Chrash, so die Autoren, sei unausweichlich. Ausgelassen wird dabei die historische Erfahrung, dass die imperialistische Staatengemeinschaft ihren Hals mehrfach mit dem Anzetteln verheerender Weltkriege aus der Schlinge zog. Es ist ein Mangel der Veröffentlichung, diesen Aspekt ausser Acht zu lassen.

Nach umfangreicher Analyse und langer Vorrede kommen die Autoren schließlich auf ihre eigentliche Fragestellung, wie Otto Normalverbraucher denn sein Vermögen schützen könne. Dass dabei jemand, der schuldenfrei ist, freier agieren kann als eine Melkkuh der Banken, wird vorausgesetzt. Kapitallebens- und Rentenversicherungen seien ebenso wie Bausparverträge Auslaufmodelle. Bargeld – ob unter der Matratze oder im Schließfach – hingegen bedeute »Freiheit, Unabhängigkeit, Flexibilität und Mündigkeit«. Investitionen in Sachwerte, die man anfassen könne, seien ebenso sinnvoll. Aktien hingegen seien kein Instrument, um sein Vermögen effektiv vor dem Zugriff des Staates zu schützen. Silber und das mehrwertsteuerfreie Gold hingegen seien global akzeptierte Sachwerte zur Vermögenssicherung. Auch hochwertiger Whisky vom Originalabfüller sei ein langfristiges Investment.

Ob diese Tipps ausreichen, dem Big Bang vorzubeugen und damit möglichst zu denjenigen zu zählen, die nicht alles verlieren, sei dahingestellt. »Der Crash ist die Lösung« gibt jedenfalls Anregungen, sich mit dem Thema zu befassen, und das ist auf jeden Fall besser, als wie das Kaninchen auf die Schlange zu starren. Der Rezensent empfiehlt zum Thema das Schreiben von Ratgebern. Dies kann in Krisenzeiten eine ausgezeichnete Investition sein, um sein Geld zu retten und zu mehren. Quod erat demonstrandum.


Genre: Wirtschaft