Albsoluter Wahnsinn

Er sitzt bei Günther Jauch auf dem heißen Stuhl, tritt beim europäischen Schlagerfest auf, lässt sich ein Buch von Boris Becker signieren, plagt sich mit marodierenden Zombie-Rentnern im Supermarkt herum, wird in Guantánamo von Elke Heidenreich gefoltert, leidet wie ein Hund im Düsseldorfer Karneval und dann steht auch noch die komplette Geissen-Family vor der Tür.

Dies sind nur einige der Widrigkeiten, die das Leben für Michael Albrecht parat hält; er hat es also wahrlich nicht leicht, aber sein Pech ist das Glück des Lesers, der so in den Genuss kommt, an diesen Events teilzunehmen. Der Autor deckt dabei ein breites Spektrum ab; neben einigen ausgewählten Albträumen (s.o.) beschäftigt er sich auch mit dem grassierenden Wahnsinn in den Bereichen Medien, Politik, Religion, Kultur, Gesellschaft, Soziales, Konsum, Technik und Philosophie.

Die Geschichten und Gedichte (ja, auch die gibt es und sie sind echte Kleinode) sind überaus witzig, der Humor ist aber dabei nicht platt, sondern intelligent; mitunter pointiert sarkastisch, aber nie zynisch formuliert. Michael Albrecht geht wachen Auges durch das Leben und schreibt über Dinge, von denen er etwas versteht; damit unterhält er den Leser nicht nur bestens sondern regt ihn auch zum Nachdenken an und das ist mehr, als man normalerweise geboten bekommt. Gerade in der Kategorie “Humor” finde ich es verdammt schwierig, deutsche Bücher zu finden, die die Messlatte eines Mario Barth oder anderen dieses Kalibers locker überqueren. Dem Autor ist nichts weniger als ein kleines Meisterwerk gelungen.


Genre: Humor und Satire
Illustrated by CreateSpace Independent Publishing Platform

Tausche Zement gegen Hemingway

In den frühen 80er Jahren war es für unabhängige westdeutsche Journalisten nicht einfach, Einreisegenehmigungen für die DDR zu erhalten und über dort Erlebtes zu berichten. Einer der wenigen, dem dies gelang ist Rupi Frieling, der nun seine damaligen Reportagen in einem hochinteressanten Band veröffentlicht.

Im Vorwort erzählt er über die damaligen Arbeitsbedingungen, die sicherlich nicht einfach waren für den Freigeist Frieling, aber er machte das Beste daraus und nahm trotzdem kein Blatt vor den Mund.

Es folgt ein fundiert wertvoller Überblick über die Geschichte der DDR-Literatur; dabei lassen sich so manche Perlen finden oder erneut entdecken.

Die Reisereportagen schildern eindrucksvoll ein Land der Leselust, in dem die Einwohner Schwierigkeiten haben, ihren literarischen Hunger zu stillen, besonders natürlich den nach exotischen Köstlichkeiten, die nicht unbedingt im Kulturkaufhaus des sozialistischen Realismus zu finden sind.

Mitunter amüsant fand ich die beschriebenen Bemühungen der DDR-Oberen, bei den von ihnen vereinnahmten großen Denkern wie Goethe, Luther oder Karl May möglichst nur das herauszupicken, was ins sozialistische Weltbild passt; mich erinnert das frappierend an die politische Korrektheit unserer Tage, in denen Klassiker und Schulbücher umgeschrieben werden müssen, um vermeintliche Diskriminierungen zu vermeiden.

Trotz solch aberwitziger Versuche war die DDR wahrlich kein Volk von Literaturbanausen, sondern im Gegenteil ein Land der Leselust, wie Frieling auch im Vorwort resümiert. Ich erinnere mich noch gut an meinen ersten Besuch in Ostberlin, als ich keinerlei Schwierigkeiten hatte, das unfreiwillig erhaltene Begrüßungsgeld in Literatur zu investieren; beeindruckend dort die Vielzahl anspruchsvoller politischer Bücher (auch aus der BRD), die im Westen ein Schattendasein fristeten, wenn sie denn überhaupt erhältlich waren.

Frieling legt mit diesem Buch ein wichtiges Stück Zeit- und Kulturgeschichte aus einem Land vor, von dem man heute leider immer weniger weiß und das ist schade.


Genre: Kulturgeschichte
Illustrated by Internet-Buchverlag Berlin

Böser kleiner Junge

Ein zum Tode verurteilter Kindermörder erzählt kurz vor der Hinrichtung seinem Anwalt die Geschichte, die ihn zu der (für Außenstehende unbegreiflichen) Tat trieb. Und diese Geschichte hat es in sich…

Über Stephen King muss man nicht viele Worte verlieren, seine Erfolge sprechen für sich. Auch hier beweist er wieder sein Erzähltalent und serviert dem Publikum ein spannend und flott geschriebenes kleines Meisterwerk. Das Ende kommt für den King-Kenner zwar nicht wirklich überraschend, aber das tut dem Genuss keinen Abbruch. Das E-Book enthält zusätzlich noch eine Leseprobe aus “Doctor Sleep”; für die Fans ist das allerdings kein Zusatznutzen, sie haben den letzten Roman längst gelesen.

Interessant an dieser neuen Kurzgeschichte ist, dass sie (zunächst) nur auf Deutsch und Französisch erscheint, da der Meister vom Empfang in diesen Ländern angesichts seines Besuchs im November offenbar so angetan war, dass er damit seinen Lesern dort danken möchte. Da ich an einer dieser Lesungen teilnehmen durfte, fühle ich mich natürlich besonders angesprochen. 😉

Amazon ist bekanntlich nicht gerade geizig im Aussprechen von Empfehlungen an seine Kunden anhand der bisherigen Käufe. Dass ich dennoch nur durch Zufall und an anderer Stelle von dieser Neuerscheinung erfuhr, kann ich deshalb nicht ganz nachvollziehen.


Genre: Kurzgeschichten und Erzählungen
Illustrated by Heyne München

Sehnsucht FC Bayern

Echte Fußballfans wissen nicht erst seit Nick Hornby, dass man sich seinen Verein nicht aussuchen kann, weil man vielmehr von ihm ausgesucht wird. Ein Paradebeispiel dafür ist der Autor Armin Radtke, der – obschon wohnhaft in NRW – im Knabenalter vom FC Bayern auserkoren wurde, sein Schicksal fortan mit diesem Club zu verbinden, und zwar richtig, mit allen Konsequenzen.

Genau davon erzählt dieses Buch, das die Fußballjahre 1978/79 bis 2010/11 abdeckt, beginnend mit vorsichtigen ersten Annäherungen und selbstgemalten Fahnen bis zum Hardcore-Fan, der schon mal für ein Wochenende nach Hongkong jettet, um dort ein (objektiv absolut unbedeutendes) Freundschaftsspiel des FCB vor Ort zu verfolgen.

Armin Radtke nimmt den Leser mit auf eine Reise von mehr als 30 Jahren und führt ihn von verregneten Stehplätzen in abbruchreifen Kleinstadtstadien bis zu den Luxuslogen der modernen Fußballtempel, alles wegen des Vereins, mit dem er untrennbar verbunden ist. Dabei erlebt er zwangsläufig sämtliche Höhen und Tiefen (auch die gibt es beim FCB!), die die Welt des Fußballs für den parat hält, der sich ihr ergibt.

Das Buch ist schwierig zu kategorisieren; teils Autobiographie, teils Versuch der Erklärung der Faszination Fußball und noch vieles mehr. Sprachlich versiert und flott geschrieben ist es nie langweilig, denn trotz teils akribischer Statistiken fehlt nie das nötige Maß an Humor und Selbstironie; der Autor entspricht so gar nicht dem gängigen Bild des Fußballfans, das manche Medien so gerne zeichnen.

Armin Radtke arbeitet seit mehreren Jahren auch für die Vereinszeitschrift “Bayern-Magazin” und hat in meinen Augen (ich lese dieses Heft als Mitglied auch schon seit Jahrzehnten…) großen Anteil an der erfreulichen Entwicklung von einer Fan-Postille zu einem modernen Medium, das gerade der Historie breiten Raum einräumt. Als Bayern-Insider verzichtet Radtke verständlicherweise auf durchaus mögliche pikante Enthüllungen; die Liebe und Loyalität zum Verein lassen das einfach nicht zu.

Für Bayern-Fans ist dieses Buch sowieso Pflichtlektüre, aber ich kann es auch den Anhängern anderer Vereine empfehlen, die einen Blick über den Tellerrand riskieren wollen, es lohnt sich. Und denjenigen, die mit Fußball gar nichts am Hut haben, kann es helfen, dieses Phänomen zu verstehen.


Genre: Biographien, Memoiren, Briefe
Illustrated by Verlag Die Werkstatt GmbH

Raketenmänner

Sehr gespannt war ich auf dieses neue Werk und ich wurde nicht enttäuscht. Zum Inhalt muss ich mich nicht auslassen, die hier veröffentlichte vortreffliche Rezension von Britta Langhoff lässt keine Wünsche offen.

Bei Goosen schätze ich es, wie mich seine Protagonisten anrühren, obwohl sie auf den ersten Blick nichts Heldenhaftes oder Bewundernswertes an sich haben; im Gegentum: Man findet mehr Verlierer als Gewinner, aber es sind eben beautiful losers, die -liebenswert lakonisch charakterisiert und gewürzt mit melancholischem Humor (oder umgekehrt)- die allseits bekannten Alltagssituationen mehr oder weniger souverän meistern (müssen).

Auch wenn ich als gebürtiger und wohnhafter Bayer eigentlich ganz anders sozialisiert wurde, fühle ich mich den Raketenmännern auf geheimnisvolle Weise verbunden, und nicht nur wegen der Musik, die immer wieder Leben rettet (mit Grateful Dead konnte ich auch nie was anfangen, dafür finde ich Stevie Nicks toll!). Vielleicht ist das Blut der gemeinsamen Generation eben doch dicker als das Wasser der Regionalität… 😉

Manche werfen Frank Goosen vor, dass dieser Episodenroman nicht mehr exklusiv im Ruhrpott spielt; ich finde ich das engstirnig, denn er muss ja kein Heimatdichter sein und kann das Eine tun, ohne das Andere zu lassen. Mit der ihm eigenen unaufdringlichen Bescheidenheit wird er sicherlich seine Wurzeln weder vergessen, noch verlassen.

Ich liebe einfach die Geschichten, die der Autor in all seinen Werken langsam aber sorgfältig entwickelt und denke dabei dabei stets an eine Liedzeile von Altmeister F.J. Degenhardt:

“Da ist nichts großartig, das soll es auch nicht sein
weil wo was groß ist, ist es drumherum meist klein.”

Zum Schluss eine handwerkliche Anmerkung zu den Raketenmännern: Ein Personenverzeichnis fände ich hilfreich, da ich mir mit den gekonnt verknüpften Verflechtungen der Akteure bisweilen schwer tat, auch weil ich das Buch leider nicht in einem Rutsch durchlesen konnte.


Genre: Kurzgeschichten und Erzählungen
Illustrated by Kiepenheuer & Witsch Köln

Pines

Ethan Burke vom Secret Service wird nach Wayward Pines geschickt um dort nach zwei verschwundenen Kollegen zu suchen. Direkt nach Eintreffen wird er in einen schweren Autounfall verwickelt und als er später (ohne Geld, Papiere oder Handy) zu sich kommt, muss er feststellen, dass etwas nicht stimmt in dieser malerischen Kleinstadt; es ist eine trügerische Idylle und hinter der aufgesetzten Freundlichkeit der Bewohner verbergen sich Abgründe.

Agent Burke gelingt es dennoch, die vermissten Kollegen zu finden, allerdings ist der eine tot und die andere um 20 Jahre gealtert. Spätestens jetzt wird ihm klar, dass es an der Zeit ist, Fersengeld zu geben, nur ist das nicht so einfach, denn es scheint kein Weg nach draußen zu führen…

Der Autor schreibt in seinem Nachwort, dass es dieses Buch ohne “Twin Peaks” nie gegeben hätte und über seine Frustration, als diese geniale Fernsehserie viel zu früh endete. Natürlich finden sich (besonders zu Beginn) Parallelen, doch die Handlung entwickelt sich dann eher in Richtung “Lost” (jedoch ohne die Komplexität der TV-Protagonisten); ebenfalls ein Favorit von Blake Crouch, der dann noch eine Prise Science Fiction einstreut.

Der Roman ist originell und spannend geschrieben, auch wenn die ständigen Torturen, denen der Held ausgesetzt ist den Leser bisweilen mehr ermüden als bei ihm Sympathie erzeugen; weniger wäre hier eindeutig mehr. Dennoch ist dieses Buch nicht nur für die Fans der o.g. TV-Serien eigentlich unverzichtbar, auch alle anderen Freunde gepflegter Thriller-Unterhaltung kommen hier auf ihre Kosten.

Die gesamte Trilogie ist mittlerweile auch in deutscher Übersetzung erhältlich.

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Genre: Thriller
Illustrated by Thomas & Mercer

The October List

Gabriela ist zur falschen Zeit am falschen Ort. Als Büroleiterin eines Finanzberaters, der sich bei Nacht und Nebel mit den Mandantengeldern aus dem Staub gemacht hat, muss sie Angriffe von allen Seiten abwehren: Nicht nur die Cops sind hinter ihr her, sondern auch zwielichtige Klienten und einer von denen hat ihre Tochter entführt. Gefordert werden eine Menge Dollars und ein geheimnisvolles Dokument, jetzt läuft das Ultimatum ab…

Das Besondere an diesem Roman ist, dass Autor und Leser sich auf eine Zeitreise zurück begeben, man beginnt mit dem letzten Kapitel und endet mit dem Vorwort. Das klingt kompliziert und ist es auch, gerade beim Lesen wird einem mehr abverlangt als bei einem normalen Thriller, um nichts zu verpassen oder zu verwechseln sind die Kindle Markier- und Suchfunktionen hier recht hilfreich.

Auch für den Autor war das Schreiben in dieser Form eine Herausforderung, er hat sich ihr gestellt und sie gemeistert; selbst Cliffhanger lassen sich rückwärts einbauen und die bei Deaver typischen überraschenden Drehungen und Wendungen im Plot natürlich auch. Ich hätte nach dem Lesen des ersten (letzten) Kapitels nie gedacht, dass dies tatsächlich der Schluss sein kann, aber es funktioniert, Respekt!

Die Bücher von Jeffery Deaver sind auf meinem Kindle im Ordner “Lieblingsautoren” abgelegt und auch dieser Thriller ist dort bestens aufgehoben, enttäuscht wurde ich vom Autor noch nie. “The October List” ist ein stand alone-Roman, außerhalb der Reihen um die beliebten Protagonisten Lincoln Rhyme oder Kathryn Dance, aber ebenso originell und spannend und garantiert erstklassiges Lesevergnügen.


Genre: Thriller
Illustrated by Hodder & Stoughton

Doctor Sleep

Ich falle mit der Tür ins Haus und nehme schon mal das Wichtigste vorweg: Es war ein rundum gelungener Abend mit dem erfolgreichsten Schriftsteller der Welt, der auch ein richtig netter Kerl ist; überhaupt nicht abgehoben, sondern entspannt humorvoll und einfach muy simpatico. Bei seinem allerersten Besuch in Deutschland traf er im (selbstverständlich ausverkauften) Circus Krone-Bau in München auf 2.500 Gäste, die ihm nach eigenen Bekunden eine „Scheißangst einjagten“ (Autoren bevorzugen das Schreiben statt Auftritte in der Öffentlichkeit), die er sich jedoch nie anmerken ließ. Durch den Abend führte als Moderator Denis Scheck, der interviewte und auch übersetzte und seine Sache sehr gut machte.

Es begann mit einem Gespräch über die (ebenfalls schreibende) Königs-Familie und erste Eindrücke in Deutschland; natürlich verteilte der Meister die obligatorischen Komplimente. Für alle Videos entschuldige ich mich für die grenzwertige Bildqualität, die den Lichtverhältnissen und der Entfernung geschuldet ist; dafür ist wenigstens der Ton verständlich und der ist ja wichtiger:

Danach trug King ein Kapitel aus dem neuen Roman Doctor Sleep vor (die Präsentation desselben ist der eigentliche Anlass seiner Europareise), und weiter ging es mit dem Interview, diesmal war die Entstehung von Shining das Thema:

Nun wurden auch heiklere Dinge angesprochen, nämlich die Kubrick-Verfilmung und der Alkoholismus, sowohl der Familie Torrance aus den Romanen als auch des Autors selbst. Steve zollte zunächst dem Regisseur Respekt, bezeichnete Kubrick als Genie, lediglich die Umsetzung seines Buchs mag er nicht besonders:

Für einen weiteren Höhepunkt sorgte nun David Nathan (der deutsche Hörbuchsprecher) mit einem weiteren Kapitel aus dem neuen Roman, sein Vortrag war sogar besser als der des Meisters, aber er ist ja auch Vorleseprofi.

Im letzten Teil des Abends beantwortete King dann Fragen aus sozialen Netzwerken und gab auch dem Publikum Gelegenheit, Fragen zu stellen. Erneut bewies er seine Vorliebe für diverse F-Wörter, sichtlich angetan von der entspannten Atmosphäre, die er in den prüderen USA wohl so nicht vorfindet. Bemerkenswert, als er (gefragt nach autobiographischen Bezügen) meinte, dass jeder Autor lüge, wenn er den Mund aufmacht…

Noch eine klasse Nachricht für alle Fans: Roland und der Dark Tower lassen King nicht los, er denkt intensiv über neue Geschichten nach:

Dann war ein wunderbarer Abend (auch wenn es kein meet and greet mit dem Rezensenten gab) leider viel zu schnell zu Ende und Steve genoss die verdienten stehenden Ovationen der Fans aus aller Welt (auf dem Heimweg hörte man die verschiedensten Sprachen). Es war nicht nur für mich einfach ein tolles Erlebnis, diesen großartigen Autor und feinen Menschen einmal live und in Farbe erlebt zu haben!


Genre: Horror
Illustrated by Heyne München

Der Roboter Archimedes und der Kanonenkönig

In Eisenstadt herrscht der finstere Kanonenkönig Kalli Kass, dessen Plan, die ganze Welt zu beherrschen zu scheitern droht, da die Eisenvorräte erschöpft sind. Somit kommt es ihm äußerst gelegen, als er hört, dass es im Dorf Irgendwo jede Menge davon gibt und dort sogar ein Roboter lebt. Er sammelt also seine Soldaten und macht sich auf den Weg.

Archimedes (inzwischen liebevoll Archi genannt) hat sich in seiner neuen Heimat Irgendwo bestens eingelebt und führt ein sorgenfrei glückliches Leben. Doch das ändert sich, als Kalli Kass mit seinen Invasionsstreitkräften anrückt. Nun obliegt es dem Roboter und seinen Freunden, das Städtchen mit List und Schlauheit vor der feindlichen Übermacht zu retten.

Im Gegensatz zum ersten Buch “Der Roboter Archimedes und die Rasselbande” steht diesmal mit dem Kanonenkönig ein Bösewicht im Mittelpunkt, was natürlich für zusätzliche Spannung sorgt. Autor Frieling versteht es wiederum meisterhaft, seinen Protagonisten Leben einzuhauchen; gerade Kinder werden daran ihre helle Freude haben und sie lernen nebenbei spielerisch ohne erhobenen Zeigefinger, dass Krieg und Gewalt keine tauglichen Mittel sind.

Man darf sich schon auf weitere Abenteuer mit Archi freuen.


Genre: Kinder- und Jugendbuch
Illustrated by Internet-Buchverlag Berlin

Der Roboter Archimedes und die Rasselbande

Der Roboter Archimedes ist ein begabter Gartenexperte mit viel Hingabe und Freude an seiner Tätigkeit. Da er aber in die Jahre gekommen und technisch nicht mehr auf dem neuesten Stand ist, soll er verschrottet werden. Der Roboter beschließt jedoch, dass er noch nicht zum alten Eisen gehört und nimmt kurzerhand Reißaus.

Nach einer Episode im Wald gelangt er im Dorf Irgendwo an, wo er von den Eingeborenen zunächst misstrauisch beäugt, ob seines freundlichen und arbeitsamen Wesens jedoch bald freudig aufgenommen wird. Schnell freundet er sich mit der Rasselbande an, vier Kinder, die es faustdick hinter den Ohren haben. Gemeinsam baut man trotz Intrigen weniger bösewichtiger Dörfler einen Erlebnispark; Archimedes hat ein neues Zuhause gefunden.

Multitalent Frieling zeigt sich auch als Kinderbuchautor äußerst versiert; die Erlebnisse der liebenswerten Hauptfigur sorgen für viel Freude, auch bei reiferen Lesern. Die Sprache ist zwar kindgerecht, aber niemals belehrend oder herablassend; ungetrübtes (Vor)lesevergnügen ist somit garantiert. Auch die gelungenen Illustrationen fügen sich perfekt in das Gesamtwerk ein und runden das Bild ab.

Weitere Abenteuer werden in der Fortsetzung \”Der Roboter Archimedes und der Kanonenkönig\” serviert, nicht verpassen!


Genre: Kinder- und Jugendbuch
Illustrated by Internet-Buchverlag Berlin

Doctor Sleep

Wir alle erinnern uns noch gut an die Qualen des kleinen Danny damals im Overlook Hotel, die in der Zerstörung des Hauses und im Tod seines besessenen Vaters ihren Höhepunkt fanden. Doch die Geschichte ist damit noch nicht zu Ende, denn die mörderischen Geister (nicht nur aus Zimmer 217) geben keine Ruhe und so findet sich Dan Torrance fast 30 Jahre später an einem Wendepunkt seines Lebens wieder. Er schwört dem Alkohol ab, der seine psychischen Kräfte (das \”Shining\”) auf ein vordergründig erträgliches Maß gedrosselt hatte und versucht, sesshaft zu werden, das ständige Flüchten vor den Dämonen der Vergangenheit endlich aufzugeben. Beides gelingt auch und so ist er im Jahr 2013 seit zwölf Jahren trocken und in einem Hospiz tätig; offiziell als Hausmeister, aber weitaus mehr geschätzt als Begleiter der Patienten, denen er mit Hilfe seiner Fähigkeiten ein friedliches Sterben schenkt. Sein Leben verläuft also in geordneten Bahnen, die allerdings bald einem Rollercoaster gleichen werden…

2001 wird unweit von Dans Domizil Abra Stone geboren, die schon früh ihre Eltern mit paranormalen psychischen Fähigkeiten verblüfft und beunruhigt. Im Laufe der Jahre lernt sie, diese weitgehend für sich zu behalten um ihre Umwelt nicht zu verängstigen. Jedoch nimmt sie bereits als Kleinkind mentalen Kontakt zu Dan auf, wenn auch nur sporadisch und ohne persönliche Beziehung. Die Jahre vergehen ruhig und normal und Abra scheint zu einem ganz normalen Teenager heranzuwachsen…

\”True Knot\” nennt sich eine Gruppe (meist ältlicher) Psycho-Vampire, die sich anstatt von Blut von den übernatürlichen Begabungen mancher Menschen ernähren, welche diese Transfusionen allerdings nicht überleben (am nahrhaftesten sind Kinder, die langsam zu Tode gefoltert werden). Die mörderische Sekte labt sich auch am allgemeinen Leid der Menschen bei Katastrophen und daran herrscht ja bekanntlich selten Mangel. Allerdings werden die Mitglieder mit zunehmender Zeit schwächer und so ist die Euphorie entsprechend groß, als sie durch Zufall auf Abras überwältigendes Shining-Potenzial aufmerksam werden. Sie wittern darin die große Chance, ihr Überleben zu sichern; Dan Torrance und sein junger Schützling stehen vor einem unausweichlichen Showdown…

Stephen King hat mit \”Doctor Sleep\” nicht einfach eine Fortsetzung seines Erfolgsromans \”Shining\” (1977) geschaffen, sondern erzählt vielmehr die Geschichte von Danny weiter, dem kleinen verlorenen Jungen aus dem Overlook Hotel. Dabei gibt es auch autobiografische Bezüge (Alkoholismus); im Vordergrund steht jedoch die Entwicklung eines Menschen, die ihn schließlich bereit macht für eine erneute Konfrontation mit den Mächten der Finsternis. Der eingeweihte Leser trifft neben alten Bekannten (Tony, Dick Halloran) auch faszinierende neue Protagonisten; allesamt (wie vom Meister gewohnt) überzeugend angelegt. Verschiedene Nebenhandlungen stören dabei nie die Stringenz des Plots.

Der Schreibstil ist wieder einmal flott und spannend und lässt stets die Empathie erkennen, die der Autor für seine Charaktere empfindet, er ist viel mehr als der \”Horror-Schriftsteller\”, als der er von vielen immer noch abgetan wird. King wird ja gern mal nachgesagt, dass er sich schwer damit tut, seine Geschichten zu einem überzeugenden Ende zu bringen, in \”Doctor Sleep\” jedoch versteht er es meisterhaft, die verschiedenen Handlungsfäden am Schluss zusammenzuführen. Man mag ihm vorwerfen, dass er erneut eines seiner Lieblingsthemen (Kind mit besonderen Fähigkeiten) aufgreift, aber wenn das immer so genial gelingt wie hier, kann und soll er ruhig damit weitermachen!


Genre: Horror
Illustrated by Scribner

Best of E-Books Vol. 1

Der Siegeszug der Elektrobücher bringt nach und nach eine Demokratisierung des Literaturbetriebs mit sich, auch wenn manche Kulturbeamten hierzulande in Feuilletons oder Verlagen das nicht begreifen (wollen). Jeder, der sich dazu aufgerufen fühlt, kann nun seine Werke der bestimmt schon gespannt darauf wartenden Leserschaft präsentieren und zwar ohne Risiko, denn außer Hirnschmalz beim Schreiben muss nichts aufgewendet oder eingesetzt werden. Die Kehrseite der Medaille: Nicht alle, die auf den Markt drängen sind bisher unentdeckt gebliebene Literaturnobelpreisanwärter; ein großer Teil der selbst verlegten Bücher ist schlichtweg Schrott, nicht allein wegen fragwürdiger literarischer Qualität; vielen “Autoren” fehlt es einfach schon am Handwerkszeug (Orthografie, Grammatik etc.)

Was also soll der potenzielle Leser tun, der dem schier unübersehbaren Angebot zwar aufgeschlossen gegenüber steht, aber weder Zeit noch Geld verschwenden will um unter tausend Glasperlen den einen Diamanten zu entdecken? Dieses Buch liefert wertvolle Hilfe, da es auf ca. 350 Buchseiten 23 deutsche Autoren mit von ihnen selbst ausgewählten Texten (länger und individueller als die Amazon-Leseproben) vorstellt und dem Leser damit Gelegenheit gibt, sich zu einem Spottpreis selbst ein Bild zu machen über die diversen Inhalte und Schreibstile der Gladiatoren.

Etliche der hier versammelten Schriftsteller gehören zu den Stars der deutschen Indie-Szene und sind/waren in den Kindle-Bestsellerlisten vertreten; ebenso findet man die verschiedensten Genres einträchtig aneinander gereiht. Ich hatte jedenfalls viel Freude mit der Auswahl der Texte und holte mir direkt im Anschluss an die jeweilige Leseprobe einige komplette Bücher auf meinen Kindle runter.

Herausgeber Wilhelm Ruprecht Frieling (der in dieser Sammlung natürlich ebenfalls nicht fehlt) ist selbst ein Veteran der Verlagsszene und stets in der ersten Reihe zu finden, wenn sich neue Möglichkeiten im Literaturbetrieb auftun. Schon früh erkannte er auch das Potenzial der Kindle-Revolution und ist seit Beginn als Pionier aktiv mit dabei. Mit dieser großartigen Idee (die hoffentlich bald fortgeführt wird) ist er nicht mehr nur der “E-Book-Pate” (Die Zeit), sondern vielmehr der “E-Book-Papst” (Spieler7).


Genre: Kurzprosa
Illustrated by Internet-Buchverlag Berlin

Der Aufbewarier

Berlin, Februar 1943: Mit regelmäßigen nächtlichen Luftangriffen erntet nun auch die Hauptstadt die Früchte, die das deutsche Volk mit ihrer Massenmörder-Regierung einst säte. In einer dieser Nächte findet der degradierte Kriminalpolizist Axel Daut den zerstückelten Torso einer jungen Frau. Nach und nach tauchen mehr Leichenteile auf und es wird klar, dass es sich bei der Toten um eine Jüdin handelt, was die Ermittlungen natürlich nicht einfacher macht.

Daut muss vorsichtig sein, in diesen Zeiten kann man nur wenigen trauen und auch er selbst hat jüdische Freunde, denen er helfen möchte, den Wahnsinn zu überleben. Bald konzentriert sich die Suche auf den „Aufbewarier“ der Toten; so nennt man die guten unbescholtenen Deutschen, die die Wertsachen der Verfolgten an sich nehmen und verwahren, um sie der Beschlagnahmung zu entziehen. Währenddessen wird die Lage der Juden immer prekärer und Daut ist gezwungen, enorme Risiken einzugehen um seine Freunde vor der Deportation nach Osten zu schützen. Unerwartete Hilfe aber naht, und zwar in Person seines Leinwandidols Zarah Leander…

Auf den Autor Béla Bolten (hinter dem Pseudonym verbirgt sich der renommierte Historiker und Biograf Matthias Brömmelhaus) stieß ich bei der Lektüre des äußerst empfehlenswerten Elektrobuchs „Wie man erfolgreich E-Books verkauft“ von W.R. Frieling.

Bolten ist einer der unabhängigen Kindle-Autorenstars und er hat sich diesen Erfolg redlich verdient: Geschliffene Sprache, klare Handlungsstränge, gediegene Krimi-Spannung und nicht zuletzt die akribische historische Recherche sorgen für ungetrübte Lesefreude. Die zeitgeschichtlichen Bezüge sind dabei mindestens ebenso wichtig wie der Kriminalfall, wer diese Art von Lektüre schätzt (und ich tue das!), wird hier bestens bedient.

„Der Aufbewarier“ (nicht „Aufbewahrer“, bitte in der nächsten Auflage ändern, lieber Prinz Rupi!) ist der zweite Band in der Reihe um Axel Daut und ich hoffe, dass bald weitere folgen; klare Lese- und Kaufempfehlung!


Genre: Kriminalromane
Illustrated by Kindle Edition

Brilliance

Seit 1980 ist ca. 1% aller Neugeborenen mit besonderen unterschiedlichen mentalen Fähigkeiten ausgestattet; die sogenannten “Brilliants”. Wurden sie anfangs noch von der Gesellschaft bestaunt und begeistert aufgenommen, hat sich das Blatt gute 30 Jahre später komplett gewendet; Misstrauen und der Wunsch nach Kontrolle der “Abnormalen” dominieren die öffentliche Meinung, denn die Furcht vor allem Andersartigen ist nun mal eine ausgeprägte Eigenschaft vieler Menschen.

Agent Nick Cooper ist selbst ein Hochbegabter und jagt diejenigen von ihnen, die sich gegen Ausgrenzung und Diskriminierung mit Waffengewalt wehren. Nach einem Bombenanschlag, der natürlich auch dieser Gruppe zugeschrieben wird, eskaliert die Situation und Cooper greift zu drastischen Mitteln im Kampf gegen die Terroristen: Er taucht in den Untergrund ab und lernt dort schnell, dass die Dinge nicht immer so sind, wie sie scheinen…

“Brilliance” zeichnet sich durch einige originelle Ideen aus (auch wenn man sich natürlich sofort an Stephen Kings “Firestarter” erinnert), die auch konsequent umgesetzt werden. Die Schilderung der Akademien, in denen die jugendlichen Hochbegabten einer perfiden Gehirnwäsche unterzogen werden, geht unter die Haut und passt hervorragend in eine Zeit, in der man der US-Regierung wirklich jede Schandtat zutraut.

Der Leser darf sich an einem gut geschriebenen und spannenden Thriller erfreuen, der aber auch politisch Stellung bezieht, ein Plädoyer für die Toleranz der Vielfalt. Das Ende lässt auf eine Fortsetzung hoffen, die noch besser gelingen könnte, wenn der Autor einige Längen vermeiden und die Handlung straffen würde, mein einziger Kritikpunkt an “Brilliance”.


Genre: Thriller
Illustrated by Thomas & Mercer

Es ist ein hartes Leben in der Provinz

Der Ich-Erzähler siedelt mit Frau und Kind von Düsseldorf nach Oberammergau um; völlig klar, dass bei einem derart gewagten Unterfangen der Kulturschock im Preis inbegriffen ist. Doch damit nicht genug: Als selbst auferlegte Strafverschärfung wird im Reich der Herrgottsschnitzer und Passionsspieler auch noch ein Eigenheim errichtet, das langsam aber sicher immer teurer zu werden droht. Kann dieses Doppel-Projekt wirklich gelingen?

Holger Schaeben setzt einen pointierten Kontrapunkt zu der in weiten Teilen der Mittelschicht verbreiteten Sehnsucht nach dem Landleben, das gerne romantisiert und verklärt zur allein selig machenden Daseinsform erhoben wird. Am Beispiel des vermeintlichen Paradieses Oberammergau liefert er jede Menge guter Argumente für die, die das Treiben im urbanen Dschungel der Eintönigkeit der trägen Provinz vorziehen. Denn die ländliche bayerische Idylle besteht eben nicht nur aus Bergen, sondern auch aus Schneebergen (die durchschnittlich sechs Monate im Jahr abgetragen werden wollen) und aus Eingeborenen, die nach der Tourismussaison regelmäßig in den Winterschlaf fallen.

Keineswegs jedoch erliegt der Autor der Versuchung, zwischen Stadt- und Landleben scharf zu polarisieren, er wird nie polemisch oder verletzend, sondern schildert mit humorvoller Selbstironie seine eigenen Erfahrungen und Beobachtungen und zieht daraus für sich die Schlüsse, ohne den Anspruch doktrinärer Allgemeingültigkeit zu erheben. Die geschliffene Sprache und die mit Bedacht gewählten klugen Formulierungen machen dieses Buch zu einem formidablen Lesevergnügen.


Genre: Humor und Satire
Illustrated by Monsenstein und Vannerdat