Das Liebespaar des Jahrhunderts

Das Liebespaar des Jahrhunderts. Was mit drei Worten beginnt kann auch mit drei Worten enden. Vom “Ich liebe dich” zum “Ich verlasse dich” führt dieser Roman über drei Dekaden hinweg. Ein unglaublich persönliches Stück Literatur, das jede und jeden von uns betrifft. Julia Schoch fasst das in Worte, was sich die wenigsten von uns zu denken trauen. Und am Ende siegt doch die Liebe. So oder so. Ein Roman vielmehr noch als nur eine Geschichte: ein Manifest der Liebe.

Die Liebe: französische Filme, Revolution und Aufbruch

Die Protagonistin und Ich-Erzählerin in diesem verblüffenden autofiktionalen Roman wuchs im Osten auf und wurde wie so viele andere ihrer Generation von der deutschen Revolution überrascht und überrollt. Sozialisiert im linken Milieu warten sowohl ihr Partner als auch sie auf die nächste, die “zweite” Revolution und praktizieren in ihrer Liebe doch genau das, worauf sie warten: Liebe ohne Bindung. “Wir dachten über Freiheit und Anarchie nach, über die Irrationalität des Kleinbürgers, über die Sinnlosigkeit von Utopien oder die Trägheit der Masse.” 31 Sommer haben sie zusammen erlebt und gelebt, sechs davon wurden sogar als “Jahrhundertsommer” bezeichnet. Von Anfang an fand sie ihn “stattlich” und himmelte ihn an, mit ihrem Bekenntnis zu ihm konnte sie auch in gewisser Weise ihre Herkunft tilgen.

Etui der Liebe

Als sie sich beruflich geografisch trennen müssen, packt er ihr seine Pyjamajacke ein, “Etui der Liebe“, schrieb er auf einen beigelegten Zettel. “Unsere Liebe fing dort an, wo die Filme aufhörten“, leidenschaftlich gern trafen sie sich zu französischen Filmen in den Kinos ihrer Städte, sie arbeitete stets nur, um die Zeit zu überbrücken, wieder bei ihm zu sein. Arbeit war nur ein Zeitvertreib, “es kam mir logisch vor, alles aufzugeben für dich“. Gesetzmäßigkeiten stellen sich erst ein, wenn man länger zusammenbleibt, also lohnt sich das warten. “Ich habe einen Wimpernschlag gebraucht, mich in dich zu verlieben, und dreißig Jahre, um Gründe dagegen zu sammeln.”

Möglichkeiten eines Lebens (ohne dich)

Julia Schoch hat ein unglaubliches Buch geschrieben. Sie formuliert Fragen, die sich wahrscheinlich jeder stellt, der es länger als einen Wimpernschlag in einer Beziehung aushält. Denn nicht immer ist das Bekenntnis zueinander leicht und gleicht oft einem Wunder. “In was verwandelt man sich, wenn der andere aufhört, einen zu lieben? Verwandelt man sich in sich selbst zurück? Ist man, wenn man aus einer Liebesbeziehung entlassen wird, noch immer der Mensch, in den der andere sich einst verliebt hat?” Was wären die Möglichkeiten eines Lebens (ohne dich)? Die bittere Erkenntnis lautet am Ende des Tages: “Jeder wohnt in seiner eigenen Vergangenheit.” Aber dennoch kann man sich abends beim Einschlafen schon auf den gemeinsamen Kaffee in der Frühe freuen.

Das Liebespaar des Jahrhunderts

Die “Wahrheit” liege nicht in Bildern oder Vergleichen. Sie liegt im Körper des andren, seiner Anwesenheit, seiner Stimmen, seinem Geruch, schreibt Julia Schoch und trifft damit wohl den Nagel auf den Kopf. Vielleicht liege das Geheimnis des Zusammenbleibens ja darin, dass man voneinander abrückt. Zumindest von Zeit zu Zeit Abstand gewinnt und sich seiner selbst versichert. “Frei seine ist nichts, ich wollt ich wäre dein”, zitiert sie St. Vincent Millay und wer diesen Satz verstehen will, der versteht die Liebe. “Die erzählen Geschichten führten mir vor Augen, wie intensiv und groß und einmalig das Leben ist, wenn man liebt.

Wenn das “Liebesobjekt” zum “Studienobjekt” wird, bedeutet das nicht das Ende der Liebe. Immerhin weiß man (dann), was gemeint ist, wenn von Liebe die Rede ist. Die “blinde Liebe” weicht dann vielleicht der “Lust auf Dauer”. Das Wesentliche: unsere Geschichte.

Julia Schoch
Das Liebespaar des Jahrhunderts
Roman
ISBN : 978-3-423-44178-0
2025, 2. Auflage, 192 Seiten

dtv
EUR 10,99 [DE]

 


Genre: Frauen, Liebe, Roman
Illustrated by dtv

In der Ruhe liegt der Wahnsinn

In der Ruhe liegt der Wahnsinn. Der sympathische 39-jährige Engländer mit inzwischen deutscher Staatsbürgerschaft veröffentlichte schon mehrere Bücher im Beck Verlag. Mit seinem neuen vielversprechenden Buchtitel legt er ein sehr persönliches Zeugnis ab, das mit englischem Humor und deutscher Gründlichkeit eine Beziehungsachterbahnfahrt schildert. Konfliktpotential: die Babyfrage.

In der Ruhe liegt der Wahnsinn

Wer länger in einer Beziehung ist setzt sich früher oder später unweigerlich der Babyfrage aus. Dies gilt sowohl für homo- wie heterosexuelle Paare. Aber was, wenn die Babies einfach nicht kommen wollen? Adams Freundin Evelyn schickt ihren Partner auf ein zehntägiges Vipassana-Retreat. Sie hat alles schon organisiert und gibt ihm 50 Minuten Bedenkezeit. Allerdings fährt in 40 Minuten sein Zug. Adam überlegt kurz und packt nicht nur die von Evelyn vorbereitete Tasche, sondern auch eine günstige Gelegenheit beim Schopf. Seit das mit der Befruchtung nicht so richtig klappt befindet sich ihre erst einjährige Beziehung ohnehin in der Krise und da kommt eine Auszeit für beide recht.

Vollkörner und andere Freunde

Aber zehn Tage in einem Schweigeretreat? Mit lauter “Vollkörnern”? Kann das gut gehen? Adam Fletcher verfügt über einen ausreichend amüsanten Humor, dass nicht nur seine Reise, sondern auch die Lektüre seines Bekenntnisses so unterhaltsam wird, dass sich der Plot sogar zu einer absoluten Hyperbel steigert. Denn das er am Ende seiner Achterbahnfahrt in einem Flugzeug nach Adamistan sitzt in dem lauter andere, jüngere Ausgaben von ihm selbst sitzen, Adams eben, das kann ihm so schnell niemand nachmachen. Daran kommt auch die Abschiedsszene von seiner Ex Sarah gut ran. Ein echter Knüller für jede/n Leser/in.

Vipassana: die Dinge sehen, wie sie wirklich sind

Zehn Tage Schweigen, zehn Tage Meditieren, zwölf Stunden am Tag. Ohne Bücher, ohne Handy, ohne Internet. Kann man sich das heute wirklich noch vorstellen? Wahrscheinlich ist das, was Adam macht, eines der letzten Abenteuer, die wirklich Mut erfordern. Denn bei seinem Roadtrip ohne Reiseversicherung gibt es eines ganz sicher nicht: ein Rückfahrticket. Wer sich einmal auf sich selbst einlässt, wird wissen, dass er sein Leben lang damit zu tun haben wird. Adams Reise ins eigene Innere offenbart ihm die wesentlichsten Momente seines bisherigen Lebens und damit schließlich auch das Glück das er sucht. Er lernt, sich selbst zuzuhören, aber auch wieder hinaus, zu den Menschen und zur Liebe seines Lebens, zu treten. Die “Festung seines Denkens” zu verlassen und neues auszuprobieren verdient in jedem Fall Respekt. Man schafft sich seine Verhältnisse ohnehin selbst. Adam lernt als erstes richtig zu atmen und worum es dabei geht: die Gegenwart. Falsche Glaubenssätze werden von ihm hinterfragt und zu Irrglaubenssätze, falschen Welterklärungsmodellen und Weisheiten.

Wrack aus Wut, Weh und Wirrnis

Aus dem “Wrack aus Wut, Weh und Wirrnis” wird alsbald ein Wurmfresser, der für andere lustige Spitznamen wie Grill Bill, Apfelficker, Rotkappe, Saubär et al erfindet. “Was ist der Sinn von Nihilismus?“, ist eine durchaus berechtigte Frage. Bald lernt Adam den Unterschied zwischen Philtrum und Masturbatorium doch noch schätzen und findet mit Hilfe seiner Frau eine Antwort auf seinen Satz der alle anderen Sätze beenden sollte. Wenn es beim ersten Mal nicht klappt, …

Ein unterhaltsamer Ratgeber voller britischem Humor, der gängige Klischees über Rollenbilder aufbricht und ihnen eine neue Dimension verleiht. Eine amüsante. “Bist du jetzt Happy Meal du McMotherfucker?” Okay. Das war jetzt der deutsche Anteil am Humor.

Fletcher, Adam,
In der Ruhe liegt der Wahnsinn.
WIE ICH IN EINEM 10-TÄGIGEN SCHWEIGE-RETREAT DEN VERSTAND VERLOR, ABER MEIN GLÜCK UND ALLES ANDERE FAND.
Aus dem Englischen von Ingo Herzke
ISBN: 978-3-406-82438-8
2025, Hardcover, 270 S.
C.H.Beck Verlag
20,00 €


Genre: Roman
Illustrated by C.H. Beck München

Der Meister und Margarita

Der Meister und Margarita. Gebunden, mit Farbschnitt, Prägung, Lesebändchen und 25 beeindruckenden, ganzseitigen Illustrationen von Alexander Fedorov: das ist eine Festausgabe des russischen Kultbuchs von Michail Bulgakow. Der am 15. Mai 1891 in Kiew geborene und am 10. März 1940 in Moskau – vor bald 85 Jahren – gestorbene Autor beschäftigt die Literaturgeschichte seit mehr als 100 Jahren. Ebenso sein Hauptwerk, das nun in einer bibliophilen Ausgabe beim Anaconda Verlag erschienen ist. Weitere ähnlich gestaltete Neuauflagen seiner anderen Werke finden sich auf der Verlagsseite.

Die letzten Gerechten: Meister und Margarita

“Der Meister und Margarita” wurde von Bulgakow zwischen 1928 und März 1940 verfasst. Die letzte Fassung wurde von ihm persönlich seiner Frau quasi am Totenbett diktiert. Das Werk erschient aber erst November 1966, 26 Jahre nach dem Tod des Autors, in Fortsetzungen in der Literaturzeitschrift Moskwa. Er war von der Zensur um rund ein Achtel gekürzt worden. Die Zeitschrift hatte eine Auflage von immerhin 150.000 Exemplaren und war binnen weniger Stunden ausverkauft. Die von der Zensur herausgekürzten Textteile wurden sogar handschriftlich vervielfältigt und als Samisdat heimlich im Untergrund weiterverbreitet, so beliebt war die Geschichte. Viele Menschen lernten ganze Passagen sogar auswendig, um sie weitergeben zu können. Aber was regte die stalinistische Zensur damals eigentlich so auf? Der Plot spielt hauptsächlich in der immer noch existierenden Wohnung Nr. 50 in der Sadowaja 302b, in der der Autor von 1921 bis 1924 ein Zimmer bewohnte. Inzwischen sei die Wohnung längst zu einem beliebten Ausflugsziel von Bulgakow-Verehrern geworden, so diverse Quellen. Im Moskau zu Beginn der 30er-Jahre sucht der Teufel höchstpersönlich die Stadt heim und stürzt ihre Bewohner:innen mit tatkräftiger Unterstützung seiner Zauberlehrlinge in ein Chaos aus Hypnose, Spuk und Zerstörung. Die verdiente Strafe für Heuchelei, Korruption und Mittelmaß trifft alle gleichermaßen, bis auf die letzten zwei Gerechten. Der im Irrenhaus sitzende Schriftsteller, genannt “Meister” und Margarita, dessen einstige Geliebte.

Der Liebe zum Durchbruch verhelfen

Die Biographie des Pontius Pilatus ist die eine Geschichte, die von Bulgakow als „Roman im Roman“ erzählt wird und darin verwendet er nicht nur die alten gräzisierten oder hebräischen Formen. Er weist darauf hin, in welchen Sprachen damals gesprochen wurde, neben Latein auch in Griechisch, aber vor allem Aramäisch. „Golgatha“ (aramäisch) wird nicht „Ort der Stirn“ (russisch: lobnoe mesto) genannt, sondern als Begriff der slawischen Folklore: Kahler Berg („Lysaja Gora“). Der berüchtigte Treffpunkt der Hexen, der im Westen durch Modest Mussorgskis „Noc’ na Lysoj Gore“ bekannt wurde. Zum Ausgangspunkt seines Romans wählt Bulgakow aber die Moskauer Patriarchenteiche, die wie der Name schon andeutet, einst dem Patriarchen, also der russischen Kirche, gehörten. Der Roman, der eine Dekade nach der Revolution begonnen wurde, zeigt wie der „Ziegensumpf“, der volkstümliche Name der Teiche, schon das Dämonische anklingen lässt: „Koz’e boloto“. Denn bei Ziege denkt man gleich an den Bocksfüßigen, der überall seine Hände im Spiel hat. „I was around when Jesus Christ had his moment of doubt and pain/Made damn sure that Pilate washed his hands and sealed his fate“, sangen die Rolling Stones und weiter: „I stuck around St. Petersburg, when I saw it was a time for a change…”. Nun, bei Bulgakow kommt der Teufel bis Moskau und zettelt zwar keine Revolution, aber doch ein ziemliches Chaos an. Im Zweiten Teil taucht dann endlich auch Margarita auf, der Leser spürt es schon im ersten Satz: „Wer hat dir erzählt, es gebe auf der Welt keine echte, wahrhafte, ewige Liebe? Möge dem Lügner seine schändliche Zunge abgetrennt werden!“

Faust lässt grüßen: Meister und Margarita

Ist es also allein dem Charme dieser Margarita zu verdanken, dass Woland (Professor W) mit Hilfe seiner Kumpanen, dem Kater Behemoth, dem wienernden Korowjew, Azazello und der Dienerin Gella, der Liebe zu ihrem Durchbruch verhilft, auch wenn er die Liebenden dann – wie bei Tristan und Isolde – zunächst Gift trinken lässt? „Und Sie bleiben auch ganz bestimmt auf dem Teppich?“ Neben den Patriarchenteichen und einem Theater spielt der vorliegende russische Jahrhundertroman des fantastischen Realismus auch in der Wohnung des verunglückten Berlioz, Nr. 302 Block B Wohnung 50, und der besagten Irrenanstalt. „Nun gut, der Liebende hat das Geschick des Geliebten mitzutragen“, heißt es am Ende der Schleife, in der Margarita und der Meister sich finden und die illustren 5 nicht gefasst werden können. 2023 erschien in Russland die Verfilmung von “Der Meister und Margarita” von Michael Lockshin (157 min, mit August Diehl, Yulia Snigir, Evgeniy Tsyganov). Kinostart Deutschland/Österreich ca. 1.5.2025

Michail Bulgakow
Der Meister und Margarita. Schmuckausgabe mit Illustrationen von Alexander Fedorov,
Mit Farbschnitt, Leseband, geprägtem Cover, übersetzt von Alexandra Berlina
2024, Hardcover, Pappband, 512 Seiten, 13,5×21,5cm, SW-Illustrationen
ISBN: 978-3-7306-1425-9
Anaconda Verlag
€ 18,00


Genre: Roman
Illustrated by Anaconda

Wie Grischa mit einer verwegenen Idee beinahe den Weltfrieden auslöste

Wie Grischa. “Frühling kann sich sehr kalt anfühlen.” Psychiater und SPIEGEL-Bestsellerautor Jakob Hein hat zuletzt gemeinsam mit Kat Menschik auch das illustrierte Kompendium der psychoaktiven Pflanzen veröffentlicht. Bekannt geworden ist er auch durch Mein erstes T-Shirt (2001), Herr Jensen steigt aus (2006), Wurst und Wahn (2011), Kaltes Wasser (2016) und Die Orient-Mission des Leutnant Stern (2018) oder Hypochonder leben länger und andere gute Nachrichten aus meiner psychiatrischen Praxis (2020).

Import Export Geschäfte der “Bruderländer”

Der etwas sperrige Titel des hier neu vorliegenden absurd-abgedrehten Romans über ein bisschen Gras, einen genialen Coup und das Wunder von Bayern entführt die Leserinnen in die Achtziger Jahre als noch FJS in Bayern herrschte, Afghanistan von der Sowjetunion besetzt war und die Mauer gerade noch so stand. Wenn auch etwas wackelig schon. Aber ausgerechnet durch eine fette Finanzspritze aus Bayern konnte das Überleben der DDR noch ein paar Jahre gesichert werden. Wie es dazu kam, dass ausgerechnet Bayern den bankrotten Sozialismus finanzierte, erzählt die hier vorliegende herrlich abgedrehte Geschichte. Der “Held der Arbeit” ist in diesem Fall der Titelheld Grischa, der nicht nur Filmliebhaber ist, sondern auch für den Staatsdienst arbeitet, Assistent der Plankommission.

Als lebten sie schon im Sozialismus

Als solcher macht er sich Gedanken über die Finanzsituation seines Landes und überlegt sich, was das Bruderland Afghanistan, die DR Afghanistan, der D-DR im Austausch für ihre Güter anbieten könnte. Da das Land für klassische Landwirtschaft nicht so gut geeignet sei, bauten die Bauern dort vor allem Opiate und Cannabis an. Unter Einfluss des letzteren fühlten sich die Menschen, “als lebten sie schon im Sozialismus”, beschreibt ein wissenschaftlicher Kollege den Cannabis-Rausch. Was als spreche gegen eine Import-Export-Deal mit dem Bruderland am Hindukusch?

Schelmenstück mit viel trockenem Humor

Im Deutsch-Afghanischen-Freundschaftsladen im Grenzgebiet West-Berlins und der DDR wird alsbald das Harz des Cannabis im Zehnerpack verkauft, neben Wollschals und anderen Gewürzen. Frau Dr Frühling, die etwas seiner Lieblingsschauspielerin Jelena Metjolkina aus dem Film “Die Frau aus dem All” ähnelt, assistiert Grischa bei seinem Unternehmen, auch wenn sie wenig davon überzeugt ist. “Es ist das Gefühl einer großen Verbindung mit der Jugend der Welt im Geiste des Sozialismus“, so Genosse Burg poetisch über das fernöstliche Kraut, das sich bald wie warme Semmeln verkauft. Und genau der Erfolg des “Produkts” wird dann zu einem so großen Problem, dass es auch die Westdeutsche Regierung auf den Plan ruft.

Wie Grischa beinahe…

Denn die Käufer des landestypischsten Produkts Afghanistans, das Cannabis, ist hauptsächlich die westdeutsche Jugend, die aufgrund der hohen Qualität sogar aus fernen Bundesländern extra anreist. Bei einem Gulasch mit Extra-Würze entscheidet sich alsbald das Schicksal der DDR und Grischa und Frühling spielen dabei so gut zusammen, dass zumindest für den einen der beiden ein Orden abfällt: Held der Arbeit fürs Nichtstun. Aber wer würde 1 Milliarde DM nicht als Gewinn ansehen? Vordergründig ging es 1984 zwar um den Abbau der Selbstschussanlagen an der deutsch-deutschen Grenze, aber Grischa und Frühling wissen es besser.

Ein lesenswerter Schelmenroman, der die historische Tatsache des FJS eingefädelten Kredits für die DDR durch die Bong raucht. Witzig und lesenswert, voller versteckter Pointen und mit viel trockenem deutschen Humor.

Jakob Hein
Wie Grischa mit einer verwegenen Idee beinahe den Weltfrieden auslöste
2025, Hardcover mit Schutzumschlag, 256 Seiten
ISBN: 978-3-86971-316-8
Galiani-Berlin
€ 23,00


Genre: Roman
Illustrated by Galiani

Wild nach einem wilden Traum

Wild nach einem wilden Traum. Nach “Das Vorkommnis” und “Das Liebespaar des Jahrhunderts” nun der letzte Teil der Trilogie “Biographie einer Frau“. Die beiden ersten erscheinen zeitgleich auch schon als Taschenbuch und die Autorin geht auf Lesereise durch Deutschland West und Ost.

Verwandlung im Namen der Liebe

Julia Schoch stammt aus Mecklenburg und lebt heute in Potsdam. 2022 wurde ihr die Ehrengabe der Deutschen Schillerstiftung verliehen, 2023 der Schubart-Literaturpreis der Stadt Aalen, 2024 der Mainzer Stadtschreiber-Literaturpreis. Die ersten beiden Bände sind sowohl Leser:innen- als Kritiker:innenlieblinge und standen auf der SWR- wie der ORF-Bestenliste. Während es im ersten Band um die Ursprungsfamilie und im zweiten um die Partnerbeziehung ging wird in “Wild nach einem wilden Traum” sowohl die Literatur als auch die Liebe in’s Zentrum der Erzählung gerückt. “Die Erinnerung an eine Liebe kann intensiver sein als diese Liebe selbst“, schreibt sie etwa, als sie fern von zu Hause einen Mann kennenlernt, den sie stets schlicht als “Katalanen” bezeichnet. Namen sind ohnehin Schall und Rauch und so bleibt auch die Ortschaft A., wo die beiden eine “artists in residence”-Beziehung in einer Künstlerkolonie eingehen, im Dunkeln. Ebenso ihr Ehemann, der stets nur der Mann ist, ohne Namen, ohne Alter, auch ihre zwei Kinder.

Wild nach einem wilden Traum

Der Katalane kommt aus einem Land, das sich abspalten will, die Erzählerin aus einem Land, das sich gerade wiedervereinigt hat. Offen bleibt, ob nicht auch Deutschland bald gewissen Auflösungstendenzen anheim fallen wird, denkt sie und verwirft den Gedanken sogleich. “Vielleicht passiert die Liebe, dieses Gefühl, wenn wir uns zu jemandem hingezogen fühlen, immer nur so: stellvertretend für etwas viel Früheres, Älteres, das uns verloren gegangen ist und das wird zurückverlangen wollen. Alle Liebe ist nur ein Ersatz-Haltegriff, habe ich irgendwo gelesen“, schreibt sie und reißt damit einen Graben auf, der sich nicht mehr zuschütten lässt. “Wahrscheinlich geschieht es nur einmal, dass man sich voller Begeisterung für jemanden aufgibt. Diese Verwandlung im Namen der Liebe. Später braucht man sich nicht mehr. Später: wenn man wieder man selbst geworden ist.” Und was heißt denn schon zurückkommen? “Wer weiß denn schon, ob das, was zurückkehrt, auch das ist, was verschwunden war?

Einer das Vehikel des andern

Künstler seien keine glücklichen Menschen, sie taugen nichts fürs Leben, offenbart ihr ein älterer Freund, der Soldat, von dem sie auch den Titel ihres Romans ausgeborgt hat. “Man muss wild danach sein. Wild nach einem wilden Traum.” Das sind starke Sätze, die die Autorin da findet: “Wir bewohnen unsere Vergangenheit, wie man Träume bewohnt“. Verblassenden Erinnerungen oder nachlassendem Gedächtnis kann sie etwas positives abgewinnen. Denn auf das Vergessen sei Verlass und ohne es gebe es keine Geschichten. “Sie sind das, was übrig bleibt.” Auch in der Liebe benutzt man einander, ist “Vehikel“, wie sie schreibt, für einander und bringen fernere, frühere, dunklere Bereiche ans Licht. Oder man lebt in einem “glücklichen Irrtum“.

Maske der Ehrlichkeit

Mit einem Mal gebe es dann keinen Unterschied mehr zwischen Erinnerung und Erzählung. Schließlich sei auch nur die Ehrlichkeit eine Maske. Das sitzt tief. Schriftsteller würden die vergangene Zeit spüren, die Zukunft und das, was noch kommt. Sie hätten eine intensivere Verbindung zu den Toten und eine bessere Verbindung zum Schmerz in der Welt, sagt er, der Katalane. Und obwohl sie diese Meinung für überzogen und pathetisch hält, stimmt sie ihr insgeheim zu. “Bücher sind beinahe magische Objekte. Schon das Lesen war eine Art heilige Handlung, ganz zu schweigen vom Schreiben.

Einspruch gegen die Unmöglichkeit der Liebe

Und lesen kann tatsächlich bessere Menschen aus uns machen, davon sind wir alle überzeugt, alle die lesen natürlich nur. Am allerschönsten finde ich die Stelle in der sie über das Jung-sein schreibt. “Ich habe den Glauben, man könne den Menschen befreien ja vielleicht sogar Die Welt retten, in den Jahren danach immer wieder vermisst. Ich vermisse ihn noch immer.” Das große Seufzen verbindet uns alle, nicht nur die Mütter, die dadurch die Brücken zum Rest der Menschheit schlagen. “Man sollte Einspruch erheben gegen das Gerede von der Unmöglichkeit der Liebe.” Das ist Julia Schoch in jedem Fall gelungen.

Mehr zu den drei Bänden hier

Julia Schoch
Wild nach einem wilden Traum
Roman.
2025, Hardcover, 160 Seiten
ISBN: 978-3-423-28425-7
dtv
23,00 €


Genre: Frauen, Liebe, Literatur, Roman
Illustrated by dtv

Die Verdorbenen

Die Verdorbenen. Eine klassische Ménage-à-trois ist die Beziehung zwischen Johann, dem Protagonisten und dem Paar Tommi und Christiane. Eigentlich beginnt alles ganz harmlos, doch dann gesellt sich zu Liebe, Lust und Spiel auch das Böse.

Des Vaters Liebe zum Leben

Einmal im Leben möchte ich einen Mann töten“, sagt der junge Johann zu seinem Vater, der alles liebte. “Aber es war etwas das man nicht sagen, das man nur denken darf.” Und so schweigt Johann lieber und hofft, das sein Vater die Frage wieder vergisst. Der Dolmetscher, der mit einer Engländerin verheiratet ist, schreibt selbst und liebt das Leben über alles. “Er liebte die Bücher, er liebte die Vögel, er liebte die Musik, den Sternenhimmel, den Föhn im Frühling, frische Honigsemmeln zum Frühstück, er liebte seine Frau und er liebte seinen Sohn – er liebte, und wenn er nicht liebte, war er nicht.” Wie konnte dieser Vater einen so missratenen Sohn zeugen oder aufziehen? Lag es an der Frage, ob er jemanden habe, dass dies alles auslöste?

Liebe zu dritt: “Das ist Hippieshit

Denn Johann fühlt sich unter Druck, eine Freundin zu haben und dringt so in die Paarbeziehung zwischen Tommi und Christiane. Aber eigentlich ist es Christiane, die sich vor ihm auszieht. Ein harmloser Spaziergang um einen Teich wird zum Beginn einer einseitigen Liebesgeschichte und der Zerstörung einer anderen. Mit 22 Jahren studiert Johann in Marburg an der Lahn und lernt, dass Freud einen Mangel an Scham als ein Zeichen von Schwachsinn bewertet habe. Dass ihm die “prächtige Herrschaft” über sein Leben entgleiten könnte, das wäre ihm nicht in den Sinn gekommen. Aber als er entdeckt, dass Tommi und Christiane ihre “Doktorspiele” schon seit sie neun sind spielen, braucht er ein Ventil und reist per Anhalter an die Nordsee. “I shot a man in Reno just to watch him die“, zitiert der Autor Johnny Cash’s Folsom Prison Blues. Gut gepasst hätte aber auch Stereo Total: Liebe zu dritt, das ist Hippieshit.

Hänsjes Krankheit

Dort geschieht plötzlich das Unbeschreibliche. Köhlmeier beschreibt es. “Wo das Leben nur mehr aus Langeweile besteht, ersetzen die Erinnerungen die Taten.” In einer Mischung aus Selbsthass, Wut aber auch Langeweile und dem existentialistischen Ennui tötet er tatsächlich einen Menschen, auch wenn es wie Notwehr erscheint. “Manchmal mitten am Tag, ergriff mich ein ungewisses Entsetzen vor dem Tod. (…) Dann Resignation, und hinter mir wartete die Langeweile.” In drei Kapiteln und einem Epilog vierzig Jahre später erzählt Michael Köhlmeier die Geschichte des unschuldigen, aber verdorbenen Johann, der sich durch die Liebe von Christiane so eingeengt fühlt, dass er einen verzweifelten Ausbruch sucht. Stets seinen “Zarathustra” in der Tasche und mit klassenkämpferischer Miene und schwarzer Lederkleidung hat er in den vom Kommunismus und der Ölkrise inspirierten Siebzigern keine Ahnung vom Klassenkampf oder von der Liebe.

Obsessive Liebe als Brutstätte des Bösen

Zu selbstbezogen und immer mit seiner eigenen Nabelschau beschäftigt, verliert er den Boden unter den Füßen und die Augen im purpurnen Meer. Michael Köhlmeier hat mit “Die Verdorbenen” einen autofiktionalen Roman geschrieben, der die Frage stellt, was aus ihm geworden wäre, wenn er der Obsession einer anderen Frau nachgegeben hätte. Eine Miniatur über die Liebe, ihre Besitzansprüche, Auswüchse und nicht zuletzt auch ihre Nestwärme der Brutalität. Denn oft erwächst das wirklich Böse aus schlecht kommunizierter Liebe. Oder Lust. Meisterlich geschrieben regt auch dieser Roman von Michael Köhlmeier zum Nachdenken an und verführt zur Rekapitulation seiner Erinnerungen. Zwischen “Die Träumer” und “Der Fremde” eine Erkundung des Bösen.

Michael Köhlmeier
Die Verdorbenen. Roman
2025, Hardcover, 160 Seiten
ISBN 978-3-446-28250-6
Hanser Verlag
23,00 €

 

 


Genre: Roman
Illustrated by Hanser

Dawn of DC: Der Pinguin 1

Der Pinguin. Der wohl kleinste und scheinbar niedlichste Antagonist aus der Batman-Schurken Galerie bekommt endlich was er verdient: eine eigene Serie. Oswald Cobblepot alias der Pinguin soll im Auftrag der US-Regierung sein altes Imperium zurückerobern. Aber ratet mal, wer da etwas dagegen hat! Eine Comic-Soloserie für den Schurken, der 2024 auch eine TV-Serie bekommen hat.

Pinguin und die “Force of July”

1941 debütierte der Blicke Dieb erstmals mit Frack, Zylinder, Monokel und Regenschirm. Mit letzterem, in dem sich auch ein Maschinengewehr befindet, eroberte er sich von seiner Iceberg Lounge aus auch sein kriminelles Weltreich. Der Ausgangspunkt dieser neuen Soloserie wird ausgerechnet der Tod des Pinguins. Denn nach der Dark Crisis (Chip Zdarsky) Storyline lässt sich der im Krankenhaus liegende Pinguin von Batman vergiften, was selbstverständlich nur inszeniert ist. Vorerst lebt Cobblepot zurückgezogen als Buchhändler in Metropolis, aber Agentin Nuri Espinoza überzeugt ihn schließlich nach Gotham City zurückzukehren und seine Geschäfte wieder zu aufhzunehmen. Mit seiner Automatik in der einen Hand und einem Glas “Antarctica Glacier Water mit Omega3-Fischöl” sitzt der wie ein Mafiosi zurechtgemachte Gangster an seinem runden Holztisch. Im Hintergrund die blutrote Tapete aus dem letzten Abenteuer eröffnet sich vor dem geistigen Auge des Betrachters ein wohl ebenso blutiger Reigen: “Irren ist menschlich, vergeben göttlich”, so Oswald Cobblepot. Und bald schon sammelt er seine neue Gang, die Force of July, eine Anspielung auf den amerikanischen Nationalfeiertag, um sich. Darunter so illustre Gestalten wie der Ex-Boxer Major Victory, Lady Liberty aka Liberty Torch, der Fingerkünstler Sparkler, die Pflanzenlady Mayflower und die Dublikantin Silent Majority.

Pinguin 1: Lehrjahre eines Verbrechers

Der gute alte Oswald. Anmutig wie ein Schwan, stolz wie ein Pfau, fröhlich wie nie Lerche, fett wie ein Pinguin.” So etwas darf nur seine Ex-Frau Lisa zu ihm sagen, aber sie sagt es voller Bewunderung, denn genau das ist es, was kleine Leute nachweislich brauchen. Auftritt Black Spider. Ein Rückblick in Oswald’s Zeit als Barkeeper für Falcone eröffnet auch die Poesie dieser Neugeburt eines Gossenschnabels: “Nein, zu viel Licht kommt von unten. Das hat meine Ma immer gesagt. Hat gesagt, sie würde mich von hier wegbringen. Mir nen schöneren Himmel zeigen. Und dass man das ganze Universum sehen könnte, wenn man nur diese Stadt verlässt“. Damals war er noch Batmans Barkeeper, denn er war sein Whistleblower und rettete so 37 Frauen das Leben. “Wer benutzt hier wen?“, so das Credo des Pinguins, der eigentlich nur an seinem eigenen Aufstieg arbeitet. Mit Batmans unfreiwilliger Hilfe. Der Pinguin versammelt ein Team aus Killern und anderen Spezialisten um sich und ein Blick in die Vergangenheit und auf das erste Aufeinandertreffen zwischen Batman und dem Pinguin gehören zu den Spezialitäten dieses ersten Bandes einer vielversprechenden, uns erwartenden Serie. Von Eisner-Gewinner Tom King (Batman), Rafael De Latorre (Daredevil) und Stevan Subic (Der Riddler: Das erste Jahr).

Tom King/Rafael De Latorre, Steven Subic
Der Pinguin 1

Reihe: Dawn of DC
2024, Softcover, 176 Seiten, Format: 17X26
Original Storys: The Penguin 1–7
ISBN: 9783741637681
Panini Comics
22,00 €


Genre: Comic
Illustrated by Panini Comics

Bat-Man – First Knight 1, Band 1 von 3

Bat-Man – First Knight 1. Das Krimi-Highlight des DC Black Label hält sich ganz an die düsteren Film Noir Vorlagen der Dreißiger und Vierziger Jahre Hollywoods. Batman wurde ja bekanntlich 1939 aus der Feder von Bob Kane und Bill Finger geboren, seine ersten Abenteuer werden nun von Autor Dan Jurgens und Zeichner Mike Perkins in neues, schwarzes Licht getaucht.

Bat-Man in den Dreißigern

“Ein neues Zeitalter bricht an Wir haben 1939, das nächste Jahrzehnt ist reif zur Ausbeutung. Rund um den Globus bricht Chaos aus. Ein Grossteil der Welt wird brennen. Verglichen mit dem, was kommt, ist das Grauen des Großen Krieges nichts.” Diese Worte werden von einem Mann vor einem großen Kaminfeuer gesprochen und er hält sich dezent im Hintergrund, noch ist die Zeit nicht gekommen, dass wir ihn erkennen. Ganz der Nacht ist auch die Stimmung dieses Comics gewidmet, denn die Depression und die allgemeine Hoffnungslosigkeit der Zwanziger und Dreißiger Jahre wurde durch die Prohibition auch nicht gerade erleichtert. Dann schon lieber Zuflucht beim Rabbi suchen, was Batman auch gleich macht.

Bat-Man – First Knight 1 und der Rabbi

Das Unvorstellbare ist definitiv möglich“, sagt auch Bat-Man. Denn dieser Bat-Man (so schreibt sich diese Fledermaus mit Riesenohren) ist eindeutig eine Kreatur der Nacht. Tagsüber langweilt er sich als Millionär und Playboy Bruce Wayne, aber in der Nacht zeigt er hinter der Maske sein wahres Gesicht. Er kämpft gegen Zombieartige Wesen und weiß doch diese armen Kreaturen von irgendwem viel mächtigeren gesteuert werden. Im Radio läuft “Strange Fruit” von Billie Holiday und erinnert an andere Grausamkeiten dieses Jahrhunderts und als Bat-Man selbst am elektrischen Stuhl landet, weil er einen anderen davor erretten möchte wird klar, dass es auch die Justiz jeder Tage nicht so genau nahm.

Jahrzehnt zwischen den Katastrophen

Das erste Album des eigenständigen Noir-Meisterwerks, das Batmans frühste Auftritte neu interpretiert, liegt nun in Farbe bei Panini vor und sprengt alle bisherigen Vorstellungen des Flattermanns. Mit dabei sind nicht nur der mutige Rabbi Jakob Cohen, sondern auch die Schauspieler Martin Brock und Julie Madison, Commissioner Gordon natürlich, dienstbeflissen wie immer sowie die Prostituierte Tillie und der Oberkriminelle Johnny die Peitsche. Direktor Shelby des Blackgate-Gefängnisses wundert sich zwar, wie ein Mensch überhaupt zweitausend Volt aushalten kann, aber mehr noch, dass ein Toter weglaufen kann. “Solange ich dieses Leben führe…hab ich nur mich selbst”, sinniert der verbrannte und verkohlte Bruce Wayne in seiner Badewanne. Der Bat-Man von Dan Jurgens/Mike Perkins ist ein existentialistischer Held, der sich für die Gesellschaft opfert, um sein eigenes Trauma vom viel zu frühen Tod seiner Eltern zu überwinden. Seine Abenteuer sind in die schillernde Farben der Nacht getaucht, denn die Umrisse werden bei künstlicher Beleuchtung zwar schärfer, aber im Hintergrund mäandrieren die Schatten mit den Farben wie auf dem Rücken einer Smaragdeidechse. In Gotham City regieren Armut, Korruption und Verbrechen und das Land steuert direkt auf den Zweiten Weltkrieg zu. Selbst in den USA gibt es Sympathisanten für Hitler-Deutschland, nicht nur damals übrigens.

Und als mehrere Stadträte der grausigen Mordserie zum Opfer fallen, die Bat-Man versuch aufzuklären, machen Gerüchte über ihn als Fledermaus-monster die Runde. In Wahrheit jagt der reiche Bruce Wayne als Bat-Man verkleidet die wahren Killer und Mörder der Demokratie. Im Albenformat. Ein neuer Blick auf Batmans erste Abenteuer aus den 1930ern. Musst-Have. Teil 1 und 2 sind schon erschienen, Teil 3 wird mit Spannung erwartet.

Dan Jurgens/Mike Perkins
Bat-Man – First Knight 1, Band 1 von 3
2024, Hardcover, 56 Seiten, Format: 24.5X31.5
Original Storys: The Bat-Man: First Knight 1
ISBN: 9783741640124
Panini Comics
16,00 €


Genre: Comics
Illustrated by Panini Comics

Modesty Blaise-der weibliche James Bond

Modesty Blaise galt in den Sechzigern als weiblicher James Bond und war doch so ganz anders als der britische Geheimagent. Darauf besteht auch ihr Erfinder Peter O’Donnell in einem Interview, das in dieser Bocola Gesamtausgabe abgedruckt ist. Von 95 Comic-Strips sind bisher ca. 30 Abenteuer in vier Bänden erschienen, also 1963-1968 im Hardcover-Querformat von 30,5 x 28,0 cm.

Ein weiblicher James Bond aus dem Orient

Die herausgeberische Leistung bestand dabei u.a. auch darin hunderte Negative neu einzuscannen und die Qualität der Druckvorlage damit wesentlich zu verbessern, worauf auch im Eingangskapitel von Band 3 näher eingegangen wird. Basierend auf dem Roman “A taste of death” liege ein Manuskript von Tarantino vor. Aber auch Luc Bessons Nikita oder Uma Thurman in Tarantino’s Kung-Fu-Epos Kill Bill gelten als Modeste Blaise Epigonen. Schöpfer Peter O’Donnell sieht in seiner Modeste aber mitnichten ein feministisches Role Model, dafür sei sie viel zu sehr Individualistin, sagt er in einem Interview. Das mag auch an ihrer Herkunft liegen, denn als Flüchtlingskind aus Persien kam sie in der Zeit des Kalten Krieges nach Europa. Mit ihrem “Network” genannten Geheimbund verdiente sie gleich mehrere Millionen Pfund und konnte sich schon in den frühen Zwanzigern zur Ruhe setzen.

Modesty Blaise: Heim, Freunde, Interessen

Da sie sich in ihrem Reichtum aber langweilt, hilft sie immer wieder dem britischen Geheimdienst bei der Verbrecherjagd (eigentlich nur in 2/95 Abenteuern), was sie immerhin mit ihrem prominenten männlichen Pendant verbindet. Aber Peter O’Donnell erklärt die wesentlichen Unterschiede zwischen den beiden: er hat kein Heim, keine Freunde, keine Interessen, Modesty Blaise hingegen hat das alles! Drei Rückzugsorte, Freunde, sie hat ein Privatleben und interessiert sich für viele Dinge. Und vor allem hat sie Willie Garvin, ihren Compagnon, der ihr immer wieder beisteht. Die beiden verbindet eine nicht-sexuelle Beziehung zwischen Mann und Frau, was gleichzeitig natürlich auch die Frage stellt, ob dies überhaupt möglich ist, zwischen Mann und Frau. Aber die beiden haben immer wieder Affären, jedoch nie miteinander.

Freundschaft (ohne Benefits) um der Freundschaft Willen

In einem ihrer Abenteuer mit dem Titel “Der Verräter an der Spitze” geht es auch gleich um den Kalten Krieg und die im Westen und Osten verteilten Spione und Doppelagenten wie Kim Philby etwa, ein Überläufer, den es tatsächlich gab. Blaise und Garvin müssen ein Nest von Verrätern entschlüsseln und entscheiden wer der Maulwurf ist, Ranshaw oder Sefton. Dabei sind ihre Methoden nicht gerade zimperlich, denn sie entführen kurzerhand die Verdächtigten. Bis sich herausstellt, wer der wahre Schurke ist. Dafür engagieren sie sogar den Schauspieler Michael York. Schuyler, ein anderer “Beamter”, versucht nämlich ein Netzwerk an unabhängigen Spionen aufzubauen und wird so zum mächtigen Gegenspieler, da er seinerseits Gerald Tarrant entführte und ihn am Markt für Spione anbietet.

Geheimwaffe M…für Modesty Blaise

Zur Grundausrüstung unserer beiden Helden im Kampf gegen das Böse gehört u.a. die sog. Kongo-Kugel, die Nervenknotenpunkte ausschalten kann und die Betäubungszäpfchen für die Nase, die Gegner für kurze Zeit unschädlich macht. Denn töten, das gibt es für Modesty und Wille nicht. In der Geschichte “Die Wikinger” wiederum kämpfen sie gegen Magnus, den Anführer eines Schmugglerrings, die mit ihrem Motorboot friedliche Reiche überfallen und ausrauben. Aber der Sohn eines Freundes, Mr. Nilsen, der für Magnus arbeitet, soll aus dieser kriminellen Bande herausgelöst werden. Auffallend ist natürlich das Necken der beiden, Willie und Modesty, das fast schon zur Gewohnheit wird in dem vertrauten Arbeitsverhältnis der beiden. So spricht Willie sie oft mit “Prinzessin” an, auch wenn Modesty dann auf ein Fass steigen muss, um ihren Gegner aus dem Gleichgewicht zu bringen. Praktische Tipps hat sie aber auch für die Leser auf Lager: niemals einem Gegner auf seinem Gelände zu seinen Bedingungen begegnen. Das könnte tatsächlich ins Auge gehen. Wenn man nicht Modesty Blaise heißt.

Bereits bei Bocola erschienen ist auch Modesty Blaise – Band 4, der die kompletten Comicstrips von 1966-1968 beinhaltet und im Hardcover-Querformat von 30,5 x 28,0 cm präsentiert.

Peter O’Donnell/Jim Holdaway
Modesty Blaise, Band 3
2024, 3 abgeschlossene Stories, Hardcover-Querformat (30,5 x 28,0 cm), 144 Seiten, sw mit farbigem Vorwort,
Text: Peter O’Donnell
Vorwort: Nick Jones, Peter O’Donnell und Mike Paterson
Übersetzung: Mik Schulz
ISBN: 978-3-946842-77-4
Bocola Verlag
€ 29.-


Genre: Comic
Illustrated by Bocola

Great Escapes Germany. The Hotel Book

Eine Flucht aus dem Alltag verspricht diese neue Publikation des TASCHEN Verlages zu Germany. Von der Nordsee bis zu den Alpen bietet Deutschland hat Angelika Taschen wieder stimmungsvolle Unterkünfte besucht und ausgewählt. Die erfolgreiche und beliebte Reihe des TASCHEN Verlages “Great Escapes.The Hotel Book” ist u.a. schon zu Italien, The Mediterranean, USA und The Alps erschienen.

Flucht aus dem Alltag: Great Escapes Germany

“Great Escapes Germany. The Hotel Book” lässt einen teilhaben an der großen landschaftlichen und kulturellen Vielfalt Deutschlands, darunter auch Grandhotels, Bed & Breakfasts, Schlösser, ein Kloster, Glamping-Zelte und mehr. Anhand von einladenden und ästhetischen Fotos und informativen Texten werden neue Reiseziele in Deutschland vorgestellt und ansprechend aufbereitet. Entdecken auch Sie ihre zukünftigen Lieblingsunterkünfte für eine Entdeckungsreise durch Deutschland, ein Land, dessen Städte, einst von Römern gegründet wurden. Ein Land, das seinen Gästen mit mittelalterlichen Handelsstraßen, atemberaubenden Küsten sowie Flüssen und Bergen, die schon große Künstler des 18. und 19. Jahrhunderts inspirierten, aufwarten kann. Städte, Burgen und Kirchen mit spannender Geschichte, das Moseltal, den Schwarzwald und das Allgäu sind allesamt zu Recht weltberühmt für ihre Schönheit und ihren ganz besonderen Charme.

Bauhaus, Bach und Lifestyle

Herausgeberin und Autorin Angelika Taschen, die schon zahlreiche Titel zu den Themen Kunst, Architektur, Fotografie, Design, Reise und Lifestyle veröffentlicht hat, bereiste auch für diesen Band wieder unvergessliche Unterkünfte. Zum Beispiel die elegante Reederin, ehemaliger Hauptsitz einer Reederei in der Hansestadt Lübeck, oder das Grand Hotel Heiligendamm, benannt nach Deutschlands ältesten Seebad, ebenso wie das idyllisch gelegene St. Oberholz Retreat in Mecklenburg-Vorpommern. Das Bauhaus Dessau Atelierhaus beherbergte früher Studenten der Bauhaus-Schule und das charmante Hotel Stadthaus Arnstadt in Thüringen und ist ein Muss für Bach-Liebhaber und solche die es werden wollen.

Lichtblick einer Arbeitspause: der Urlaub

Die Architektur von Max Dudler im Gut Cantzheim an der Saar kann in “Germany” ebenso bewundert werden wie die Kunstsammlung sowie der köstliche Riesling des Gutes. Oder man erkundet den legendären Schwarzwald vom familiengeführten Hotel Spielweg aus oder erlebt eine Romanze in Konstanz im Bed & Breakfast “Zum Egle”, das sich in einem 700 Jahre alten Gebäude befindet. Das Romantik Hotel Markusturm in Rothenburg ob der Tauber gesellt sich zu den anderen 46 mittelalterlichen Türme der Altstadt. In Ulm kann man sich im Schiefen Haus buchstäblich an den Fluss lehnen und im Kloster Beuerberg in Bayern absolute Ruhe genießen. Deutschland bietet vielleicht sogar mehr als man vermuten würde und lässt sich in vorliegendem Prachtband auch kurz in einer Arbeitspause bewundern.

Erholung garantiert: The Hotel Book

Schmökern in diesem “Great Escapes Germany. The Hotel Book” lohnt sich allemal. Also Flucht aus dem Alltag, aber auch als Inspiration dafür, wofür es sich zu leben lohnt. Und zu arbeiten. Unterstützt wurde Angelika Taschen, die ihren Schwerpunkt bei Kunstgeschichte und Germanistik hat von Christiane Reiter. Letztere lebt nicht in Heidelberg wie Taschen, sondern in Brüssel als freie Autorin und studierte Journalismus an der Universität von Eichstätt. Sie arbeitete u.a. als Reiseredakteurin für Ringier Publishing in München sowie Zürich, ehe sie den Reiseteil der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung aufbaute.

Great Escapes Germany. The Hotel Book
Angelika Taschen, Christiane Reiter
Ausgabe: Mehrsprachig (Deutsch, Englisch, Französisch)
2024, Hardcover, 360 Seiten
ISBN 978-3-7544-0067-8
TASCHEN
€ 50


Genre: Reisen
Illustrated by Taschen Köln

Ava – Die barfüßige Gräfin 

Ava – Die barfüßige Gräfin. Ava Gardner, die Hollywood-Diva der Frühzeit, steht ganz im Mittelpunkt dieses Biocomics, das sie zur Zeit ihres größten Erfolges, “Die barfüßige Gräfin“, zeigt. Auf Primo-Tour in Südamerika macht sie Station in Brasiliens pulsierender Metropole der 1950er Jahre.

Ava: Sabotage durch Howard Hughes

Die Schattierungen der Iris variieren je nach Stimmung: graugrün, wenn die Melancholie sie überfällt, smaragdgrün, wenn Frank Sinatra – ihre einzige, heftige Liebe – in der Nähe ist, saphirblau an Abenden, an denen sie sich betrinkt.” Mit diesen Worten beschreibt Elisabeth Gouslan, Autorin von “Ava, la Femme qui amait les hommes” ihre Ava in ihrem Geleitwort zu vorliegender herausragender Comic-Biographie. Die Leinwandgöttin Ava soll in Rio de Janeiro Werbung für ihren neuen Film “Die barfüßige Gräfin” machen. Aber die zwei Promo-Tage sind ein Wechselbad aus Fanjubel, Skandalen, Presserummel, Rausch und Tränen. Ava dient als Projektionsfläche für Fantasien und Interessen aller Beteiligten, aber eines Morgens will sie nicht mehr mitspielen. Denn es geht das Gerücht, dass ein gewisser Howard Hughes, der wohl reichste Mann der damaligen Welt, alles tut, um ihren Film und die damit verbundene Promotion zu zerstören. Als ihr Presseagent vor Ort verhaftet wird und sie am Flughafen beinahe von ihren Fans zertrampelt wird, ahnt Ava Gardner schon, dass Rio kein Honiglecken werden wird.

Ava Gardner- der Gottesbeweis

Sie kommt in ein Land deren Präsident sich vor zwei Wochen erst selbst gerichtet hat und die Bevölkerung ist keineswegs in guter Laune. “Diese Stadt deprimiert mich, Rene. Ich brauche einen Drink“, sagt Ava zu ihrer Concierge, sich vor dem Spiegel die Haare bürstend. Bald wird auch Rene von einem aufsäßigen Liebhaber kompromittiert und vielleicht steckt selbst dahinter der durchtriebene Millionär, den Ava einfach nicht mehr daten will. Denn es gab schon einmal so ein Date, das in einem Desaster endete. Ava Gardners “erhabene Gleichgültigkeit“, wie ihr schwuler Presseagent es nennt, kommt bald erheblich ins Wanken. Bald ist auch die brasilianische Presse gegen sie, die ihr Hochnäsigkeit vorwirft nur weil sie das Hotel gewechselt hat. “Ihre Arroganz, ihr Alkoholismus und ihre Zügellosigkeit sind uns zutiefst zuwider. Sie bilden sich wunder was ein, dabei sind sie nur eine mittelmäßige Schauspielerin“, fasst es eine Zollbeamtin bei der Ausreise zusammen. Decio Vieira Ottoni, ein Filmkritiker sah das ganz anders: “Ava ist ein Gottesbeweis“, soll er einmal gesagt oder besser im Diario Carioca geschrieben haben. Moralische Vorstellungen sollten eben nie über der qualitativen Bewertung des Berufes einer Person stehen.

Die Zeichnungen von Ana Miralles zeigen Ava Gardner als fantastischen Gottesbeweis, eine klassische Hollywoodiva und Leindwandgöttin, schöner vielleicht sogar, als sie es in Wirklichkeit war. Vor allen Dingen aber zeigt Szenarist Emilio Ruiz, dass es eine Frau damals genauso so schwer hatte, wie heute gegen alte weiße Männer etwas auszurichten.

Emilio Ruiz
Ava – Die barfüßige Gräfin
Zeichnung: Ana Miralles · Szenario: Emilio Ruiz
2024, gebunden, 112 Seiten, Farbe
ISBN: 978-3-96582-166-8
Schreiber&Leser
€ 24,80


Genre: Biographie, Comic
Illustrated by Schreiber&Leser

Zum Sterben schön

Anfang der Neunziger im spanischen Andalusien wird Hugo durch einen Telefonanruf aus seinen Grübeleien gerissen. Eine verwirrte junge Frau mit seiner Telefonnummer in der Hand wurde in einem abgelegenen Winkel Andalusiens gefunden, er solle doch kommen, um sie abzuholen.

Ausbruch in die Freiheit

Chivas Regal am Verstärker, Pink Floyd’s Dark Side of the Moon in den Ohren und ein paar aufgebrachte Nachbarn später bricht Hugo auf, die Frau zu suchen, die seine Telefonnummer hat. Aber was Hugo nicht weiß, ist, dass noch ein anderer Mann nach dieser Frau sucht und der kennt sie wirklich. Er ist ihr Ehemann und vor ihm ist sie wahrscheinlich geflüchtet. Die Frau, die ihn anrief, wohnt mit ihrem leicht debilen Sohn Louis im Nirgendwo Andalusiens an einer Landstraße. Es kommen nicht viele Menschen dort vorbei und die Einkünfte von Frau Soler sind gering. Warum sollte sie ihr Einkommen also nicht mit etwas Hilfe von Fremden aufbessern? Auf seiner Reise in die Provinz wird der Junge von ein paar spanischen oder andalusischen Rednecks auseinander genommen, gerade als er die Spur der geheimnisvollen jungen Frau aufgenommen hat. Die Einfältigkeit der Menschen am Land für die jeder Fremder ein Verdächtiger ist macht auch vor Hugo nicht Halt. Diese Erfahrung macht wohl jeder junge Mensch, der alleine reist. Seguso, der Ehemann ist bei seinen Recherchen weniger zimperlich, er benimmt sich ebenfalls wie ein Redneck, ist unfreundlich und brutal. Als ein Mechaniker auf einer Reparaturwerkstätte ihn als Versicherungsmakler einschätzt, läßt er ihm seinen Glauben. Er hat kein Interesse an der Wahrheit oder an Gesprächen. Da ist Hugo ganz anders und als er Maria schließlich findet, sieht sie ihm in sein gutes Herz. Aber am nächsten Tag ist sie verschwunden.

Zum Sterben schön

Jetzt muss sich Hugo beeilen, denn er ahnt, dass es da einen Ehemann gibt, der diese Maria ebenfalls suchen könnte. Eine spannende Verfolgung durch die Sanddünen Andalusiens beginnt an deren Ende leider nicht nur die ewiggestrigen Franksten auf der Strecke bleiben, sondern auch das Gute dieser Welt. Denn die andalusische Wüste birgt ein grausames Geheimnis, das jeder auf seine Art entdecken und verarbeiten muss. Hugo ebenso wie Seguso. Oder handelt es sich vielleicht doch alles um eine Verwechslung? Meisterhaft zeichnet Jean-Michel Beuriot im sepiafarbenen Gelb- und Goldtönen, sowohl die Wüste als auch ihre Protagonist:innen bekommen ihr ganz besonderes Denkmal. Denn Szenario Philippe Richelle hat sich ein ganz besonderes Verwirrspiel und viele Plot Twists überlegt um die Leser:innen auf den Holzweg zu führen. Oder sollte man sagen durch die andalusische Wüste? Ein lesenswertes Abenteuer, das sowohl die Schönheit der Wüste als auch die einer neu entflammten Liebe zeigt, aber auch vor Besitzansprüchen warnt. Denn die wahre Liebe gedeiht nur in Freiheit.

Philippe Richelle
Zum Sterben schön
Zeichnung: Jean-Michel Beuriot · Szenario: Philippe Richelle
2024, gebunden, 88 Seiten, Farbe
ISBN: 978-3-96582-169-9
Schreiber&Leser
€ 22,80


Genre: Comic
Illustrated by Schreiber&Leser

Bailey’s Eighties

Eighties. Waren die Achtziger die Dekade der Dekadenz? Fotograf David Baileys Blick zurück auf die Ära der Zügellosigkeit zeigt alles: die Schulterpolster, toupierte Haare und knallige Farben, aber auch Fotos aus Vogue und Tatler und Ikonen wie Jerry Hall, Tina Turner und Yves Saint Laurent. Nackt, angezogen oder nur leicht bekleidet? David Bailey, einer der renommiertesten Mode- und Porträtfotografen Großbritanniens, nimmt uns mit auf seine Zeitreise in die Achtziger.

I Love The 80s in Black and White und Farbe

Das Bekenntnis des Fotografen David Bailey (Jg. 1938), der gebürtiger Londoner ist, könnte gleichsam titelgebend über seinem Werk stehen. Bailey gilt als einer der Begründer der zeitgenössischen Fotografie und hat wohl einige der ikonischesten Porträts der letzten fünf Jahrzehnte erschaffen. Sein Frühwerk widmete sich noch ganz der Atmosphäre vom Swinging London der 60er-Jahre. Er machte damit eine neue Generation von Models wie Jean Shrimpton und Penelope Tree zu Stars. Neben der Fotografie arbeitet Bailey damals auch noch in den Bereichen Werbung, Film, Malerei und Bildhauerei, was seine Arbeiten wohl mitbeeinflusste. Seine sehr direkte, angeschnittene Perspektive wurde stets von einem Gefühl von Bewegung und Unmittelbarkeit begleitet, was wohl seine Werke so lebendig macht. Für die Eighties wurde der britische Modefotograf David Bailey bald so etwas wie ein Chronist. Als Gegensatz zu den Sechzigern standen in den Achtzigern mehr leuchtendere Farben, noch mehr Glamour, hochgewachsene Models, extremes Make-up, Spandex, Lycra, Jumpsuits, Power-Dressing, Big Hair und, wie Grace Coddington es im Vorwort formuliert, „Jackets mit riesigen Schulterpolstern, die über den allerkürzesten Miniröcken und gefährlich hohen Schuhen getragen wurden“ im Vordergrund.

Glamour und Glitzer eines Jahrzehnts der Genüsse

Das Buch “Eighties” versammelt Baileys stilprägende Modefotografien aus den legendären Zeiten von Vogue Italia, Vogue Paris, Tatler und zahlreichen anderen auf dickem, sehr hochwertigen Papier. Mit Bildern von Couture-, Laufsteg- und Prêt-à-porter-Kollektionen der wegweisenden Designer dieser Dekade, darunter Azzedine Alaïa, Comme des Garçons, Guy Laroche, Missoni, Stephen Jones, Valentino und Yves Saint Laurent, ist das Buch wie eine Dokumentation eines Jahrzehnts zu lesen, das Geschmackshierarchien auflöste, um Spaß und Sex in die Mode zurückzubringen. Glitzernder Schmuck, schimmernde Seide und raschelnde Anzugstoffe werden spielerisch, unbesiegbar und provokativ unter die Schönsten der Schönen gemischt und in Szene gesetzt. Darunter finden sich Ikonen der 1980er Jahre wie Catherine Bailey, Naomi Campbell, Cindy Crawford, Catherine Deneuve, Prinzessin Diana, Jerry Hall, Marie Helvin, Grace Jones, Kelly LeBrock, Christy Turlington, Tina Turner und viele mehr. „Die Achtziger haben sich als magisch erwiesen.“, sagt David Bailey im Vorwort zu vorliegender Publikation, die diese Magie wieder lebendig werden lässt.

David Bailey
Eighties
2024, Hardcover, 296 Seiten, 28.4 x 36 cm, 3.55 kg
Ausgabe: Englisch
ISBN: 9783754400111
TASCHEN
€ 100


Genre: Fotografie, Porträt
Illustrated by Taschen Köln

Die Rache von Moon Knight 1

Moon Knight. Autor Jed Mackay und Zeichner Alessandro Cappuccio legen wieder ein unwiderstehliches Abenteuer des wohl dunkelsten Marvelheldens der Comic Geschichte vor: Marc Spector besser bekannt als Moon Knight und die Faust des Khonshu, ist tot.

Priester, Angst der Dämonen

Superheldin Tigra, Khonshus anderer Avatar Hunter’s Moon sowie die guten Vampire Soldier und Reese müssen Marcs Mission nun ohne ihn fortsetzen. Aber bald taucht ein Trittbrettfahrer auf, der sich ebenfalls in das Kostüm Moon Knights, ein in Schwarz gehüllter Mondritter, zwängt und die anderen herausfordert, sich ihm nicht in den Weg zu stelen, denn sonst würde er sie töten. Ist Marc wirklich zurück und nur persönlichkeitsverändert? Oder wer verbirgt sich wirklich hinter dem Schwarzen Cape mit der Mondsichel im Wanst? Kurz taucht auch Mr. Grimm von den F4 auf, dieses Mal im Anzug und mit Schlips, denn schließlich geht es um das Begräbnis eines Freundes. Wer hat sich da noch versammelt? Eightball ebenso wie Captain America, Dr Strange, der Bogenschütze uvam. “Es gibt nur eins, wovor sich Dämonen führten: Priester!” Und da taucht auch schon Hunter’s Moon auf, ganz in weiß. Bald muss auch Tigra ihre scharfen Krallen ausfahren und gesteht: “Ich wurde zur Superheldin. Cat. Aber irgendwann war es nicht mehr nur ein Kostüm. Ich wurde Tiara. Die Werwölfin. Und ich war endlich ganz ich selbst.”

Moon Knight: wenn sich zwei oder mehr in deinem Namen versammeln

Die bestechenden Zeichnungen vom italienischen Starzeichner Alessandro Cappuccio (Mighty Morphin Power Rangers), der mit einem Caravaggio Schatten Licht inspirierten Zeichenstift über die spannenden Comicheften hinwegfegt und doch voller Details alle Einzelheiten nachschärft sind sicherlich schon mal ein großes Lesevergnügen. Aber auch die Story von Jed Mackay (Avengers, Dr. Strange) macht Lust auf mehr. Mehr von Moon Knight, der vielleicht doch nicht so tot ist, wie er scheint. Oder doch? “Die Mitternachtsmission ist eine Gang. Wir haben unser Revier. Wir haben unser Klubhaus. Wir kümmern uns um unsere Leute.” Was wiederum beweist, dass jemand erst tot ist, wenn man nicht mehr von ihm spricht oder alle die ihn kannten nicht mehr leben. Und selbst dann: the Spirit always stays alive. Es reicht mitunter, wenn sich einige in deinem Namen versammeln. Das kennen wir auch aus der christlichen Mythologie. Und es funktioniert seit mehr als 2000 Jahren. Mehr oder weniger. “Der Wunsch nach Strafe ist stärker als Trauer“, erklärt Hunter’s Moon seine Entspanntheit. Aber jeder weiß, was eine Raubkatze vor dem großen Sprung macht.

Jed Mackay
Die Rache von Moon Knight 1
Original Storys: The Vengeance of Moon Knight (2024) 1-4
2024, Softcover, Klebebindung, 104 Seiten, Format: 17 X2 6
ISBN: 9783741639043
Panini Comics
13,00 €

 


Genre: Comic
Illustrated by Panini Comics

Die Kunst, ohne Sorgen zu leben

Sozusagen die letzten Worte Stefan Zweigs, eines der größten Schriftsteller unserer Zeit, werden in vorliegender Publikation nochmal zusammengetragen. Die letzten publizierten Worte erschienen zwischen 1940 bis 1942 in Zeitungen und Zeitschriften, es waren Kurzgeschichten ebenso wie politische Appelle, Warnrufe vor Katastrophen, die er nicht mehr erleben wollte.

Die Kunst, ohne Sorgen zu leben

In der ersten, titelgebenden Erzählung, stößt Stefan Zweig beim Spaziergang mit seinem Cocospaniel Kaspar auf einen einmaligen Menschen, den Anton. Als sein Hündchen sich an Bäumen rieb und murrte und knurrte und Zweig dies erst für die “Unart des Frühlings” hielt, half ihm dieser “sonderbare Anton” indem er Kaspar den Zeck fachmännisch entfernte. Zweig, überrascht von seiner Hilfsbereitschaft, konnte gar nicht reagieren, so schnell ging dieser Anton wieder seines Weges. Zuhause erzählte Zweig von dieser Episode und seine Köchin wusste sofort Bescheid, denn jeder kannte im Salzburg von damals diesen Anton, die gute Seele. Er hatte keinen Beruf, aber ging jeden Tag spazieren und half dabei anderen Leuten, reparierte was lose, machte ganz, was kaputt. Er hätte gleichsam ein antikapitalistisches System erfunden, schreibt Zweig euphorisch, denn er nahm nie ein Geld und wollte sich nirgends bereichern. Aber alle Bewohner dieser kleinen Stadt hätten ein mobiles Kapital von moralischen Verpflichtungen ihm gegenüber angesammelt. Zweig bezeichnet dies etwas blauäugig als “großes Lebens-geheimnis“, denn er besaß zwar nichts, war aber reich, reich an sozialem Kapital. Wenn nur alle diese “Reziprozität des Vertrauens“, wie Zweig schreibt, beherzigten, dann müsste es “keine Polizei, keine Gerichte, keine Gefängnisse, kein Geld” mehr geben, so Zweig. Ein bißchen klingt das wie eine Weihnachtsgeschichte, nicht? Ein Hoch auf die Antons dieser Welt…

Im alten Österreich und der Welt

In der zweiten Geschichte, “Nur Mut!“, erfahren wir von einem Mitschüler Zweigs, dessen Vater wegen Schwindel in einem Finanzunternehmen verhaftet wurde. Zweig bereut es, damals nicht die richtigen Worte für den geknickten Mitschüler gefunden zu haben, denn er verließ die Schule und wurde Apothekerlehrling. In “Was mir das Geld bedeutet” berichtet Zweig von der grassierende Inflation, die noch weit höher war als unsere des 21. Jahrhunderts. “Ein einziges Ei kostete vier Milliarden Mark, mehr als das Etat eines Landes mit sechzig Millionen Einwohnern.” Im alten Österreich war bald jeder ein Millionär, aber nur für den Augenblick, denn eine Woche später hatte seine Million ihren Wert verloren. Unsere wirkliche Sicherheit liege aber ohnehin nicht in dem, was wir besäßen, “sondern in dem, was wir sind und was wir aus uns machen“. Und natürlich in den Menschen, die uns lieben. Die Erzählung “Die Angler an der Seine“, die auch das wunderschöne zeitgenössische Cover des vorliegenden Buches inspirierte, geht Zweig auf den Umstand ein, dass es unbeteiligte Angler gab, die nicht dem Schauspiel des welthistorischen Ereignisses, der Enthauptung König Louis in Frankreich, beiwohnten und ihm den Rücken zudrehten. “Steigert sich das Tragische ohne Maß“, schreibt Zweig, “so vermindert es die Fähigkeit, uns zu erschüttern statt sie zu steigern“. “Wir alle fühlen heute diese verhängnisvolle Proportion: Je länger das Weltdrama vor unseren Blicken dauert, umso mehr lässt unsere Fähigkeit des innerlichen Miterleben nach.

Die Kunst, ohne Sorgen zu leben” zeigt Zweig bei Rodin, im Nachruf auf Alfonso Hernandez Cata, und in der Trauer über ein untergehendes Europa. Aktuelle könnte kein Buch derzeit sein.

Stefan Zweig
Die Kunst, ohne Sorgen zu leben. Letzte Aufzeichnungen und Aufrufe
Mit einem Nachwort von Volker Michels. Herausgegeben von Klaus Gräbner und Volker Michels
2024, Insel-Bücherei 1524, fester Einband, 79 Seiten
ISBN: 978-3-458-19524-5
Insel Verlag, 5. Auflage
15,00 € (D), 15,50 € (A), 21,90 Fr. (CH)


Genre: Exil, Nationalsozialismus, Vertreibun