Zeitloses Lesevergnügen
Als typisches Werk der Exilliteratur wurde die «Schachnovelle» von Stefan Zweig 1942 posthum erstmals in Kleinstauflage in Buenos Aires veröffentlicht. Im argentinischen Exil geschrieben, gilt sie heute als bekanntestes Buch dieses Schriftstellers, das inzwischen weit über eine Millionen Mal verkauft wurde. Anfang der siebziger Jahre wurde diese Novelle auch in Deutschland wiederentdeckt, sie gilt seitdem als zeitloser Bestseller. Als geradezu exemplarisches Werk gehört sie mit ihrem ausgefeilten Plot inzwischen nicht nur zum literarischen Kanon, sie wird immer wieder auch als Schullektüre herangezogen, wie die vielen angebotenen Lektüreschlüssel belegen.
Auf einem Passagierdampfer nach Buenos Aires erfährt der Ich-Erzähler, ein österreichischer Emigrant, dass sich der amtierende Schachweltmeister Czentovic ebenfalls an Bord befindet. Der aus einfachen Verhältnissen stammender Waise war von einem Pfarrer großgezogen worden, blieb trotz aller Bemühungen jedoch ein ungebildeter, verstockter Bursche. Bis er sich durch Zufall als Schachgenie erweist, in kurzer Zeit bis in die Profiwelt aufsteigt und als Zwanzigjähriger sogar Weltmeister wird. Dabei zeigt er sich als besonders geldgierig, zudem ist er als Mensch schroff und unsympathisch. Ein mitreisender amerikanischer Millionär fordert den Weltmeister spontan zu einem von ihm fürstlich honorierten Spiel heraus und verliert natürlich. Es kommt zu einer Revanche, bei der jetzt jeder mit dem Millionär zusammen als Gruppe gegen den Champion antreten darf, eine große Zahl an Zuschauern verfolgt gebannt das Spiel. Nach einigen Zügen greift, als die Gruppe sich auf einen Zug geeinigt hat, unvermittelt einer der Zuschauer ein und empfiehlt einen ganz anderen Zug, der wenigstens ein Remis erzwingen würde, – und so kommt es auch! Eine weitere Partie lehnt der Unbekannte aber ab, er habe ja seit seiner Zeit als Pennäler vor keinem Schachbrett mehr gesessen.
Dem neugierig gewordenen Ich-Erzähler berichtet Dr. B. nun davon, wie er nach dem Anschluss Österreichs von den Nazis in Isolationshaft genommen wurde, um Informationen über seine anwaltliche Tätigkeit für den Klerus aus ihm herauszupressen. Um der immer unerträglicher werdenden psychischen Folter des absoluten Alleinseins und Nichtstuns zu entgehen, nutzt Dr. B. eine Gelegenheit und entwendet ein Buch, das sich als Sammlung meisterlicher Schachpartien erweist. Zunächst mit improvisiertem Brett und aus Teig gekneteten Figuren füllt er nun seine Zeit mit Schach, wobei das Spiel schon bald nur noch in seinem Kopf stattfindet. Er tritt als Ich-Schwarz gegen sich selbst als Ich-Weiß an. Mit der Zeit gerät er in einen wahnhaften Zustand, den er selbst als ‹Schachvergiftung› bezeichnet. Er erleidet durch die permanente Aufspaltung seiner Persönlichkeit schließlich einen Tobsuchtsanfall, wird wegen Unzurechnungsfähigkeit entlassen und zur Ausreise ins Exil gezwungen.
Stefan Zweig lässt in seiner spannenden Geschichte zwei Figuren aufeinander treffen, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Da ist der einseitig begabte, ungehobelte, maulfaule Czentovic, der seine Tourneen als Schach-Weltmeister lediglich des Geldes wegen unternimmt, teilnahmslos am Brett sitzt und äußerst rücksichtslos und brutal seinen Vorteil sucht. Er ist ein Naturtalent, das mit seiner Inselbegabung bei gleichzeitig autistischer Unbeholfenheit typische Merkmale eines Savant aufweist. Dr. B. hingegen ist ein intelligenter, eloquenter Jurist, der sich als Anwalt des Klerus bei der Rettung von Vermögen vor den Nazis selbst in große Gefahr begibt. Die Isolationsfolter, der er ausgesetzt wird, war damals noch eher ungewöhnlich, der Autor hat damit prophetisch in die Zukunft gedeutet. Diese nach goethescher Definition geradezu archetypische Novelle ist in einer angenehm lesbaren, nüchternen Sprache geschrieben, die geschickt zwei Innengeschichten über die Figuren in die maritime Rahmenhandlung integriert. Ein zeitloses Lesevergnügen!
Fazit: erstklassig
Meine Website: http://ortaia.de
Pop-Trash
Wenn ihr so weitermacht
Beten hilft nicht
Dreifach diskriminiert
Bukowski Fuck Machine. „Erections, Ejaculations, Exhibtions and General Tales of Ordinary Madness 1967-1972“ war der Titel des Sammelbandes in denen Charles Bukowskis unzählige Kolumnen aus diversen Undergroundzeitschriften erstmals als Buch erschienen. Aber Bukowski schrieb auch Gedichte und Romane und insgesamt umfasst sein Werk mehr als 40 Bücher. Am 16. August wäre er 100 Jahre alt geworden, ein guter Vorwand für eine Re-Lektüre.
Kaputt in Hollywood: Zum 100. Geburtstag des geliebten Skandal-Autors Charles Bukowski ist in der FISCHER Taschenbibliothek „Kaputt in Hollywood“ eine Neuausgabe als gebundenes Buch mit 192 Seiten erschienen. Dieser Rezension liegt die Taschenbuchausgabe von 2018 mit 121 Seiten vor. Die beiden Ausgaben unterscheiden sich inhaltlich meines nur durch die Druckgröße der Buchstaben. Alles zehn Stories sind eine Auswahl aus dem unter dem amerikansichen Original erschienenen Sammelband „Erections, Ejaculations, Exhibitions and General Tales of Ordinary Madness, 1967-1972“. Bukowskis Geschichten waren vor 1972 in diversen Undergroundzeitschriften erschienen und unter diesem Titel erstmals gesammelt veröffentlicht worden. Die deutsche Erstveröffentlichschung übernahm damals der Maro-Verlag im Jahre 1976. Im Anhang zu dieser Ausgabe findet sich ein Interview von Thomas Kettner mit dem Autor.
Prinz Vogelfrei
Ein narratives Verwirrspiel
Hic sunt leones
Kein Wohlfühlroman
Starker Tobak für arglose Leser
Nicht bewältigtes, narratives Chaos
Geschmälerte Lesefrüchte