Pokémon Go ist statistisch betrachtet das erfolgreichste Handy-Spiel aller Zeiten. Um die Millionen deutscher Kids, die mit ihren Smartphones Pokémons jagen, mit erforderlichem Basiswissen auszustatten, legt der Loewe Verlag nun ein ansprechendes Handbuch vor. Damit können sich Anfänger die Grundlagen des Spiels aneignen und Fortgeschrittene erhalten nützliche Anregungen. Weiterlesen
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Pokémon Go. Das ultimative inoffizielle Handbuch
Die Liebesgeschichten-Erzählerin
Die Strandpromenade von Scheveningen im Jahr 1969: Eine Frau, Marie, sitzt auf einer Bank, schaut dem Wellenspiel zu, atmet die herbe Seeluft. Sie ist von Haus aus die Ostsee gewohnt, die rauen Gezeiten der Nordsee sind ihr neu, die Kraft, welche dieses Meer entfaltet, ebenfalls.
Dennoch spürt sie etwas von dieser Kraft in sich. Sie ist dieser Tage frei von Pflichten, Mann und Kinder kommen auch einmal ohne sie zurecht. Finanziell scheint es in ihrer Familie aufwärts zu gehen, das gibt ihr ungewohnte Freiheiten. Sie hat Zeit und Muße, sich auf sich selbst und ihre Ambitionen zu konzentrieren. So recherchiert sie in niederländischen Archiven den Liebesgeschichten ihrer Vorfahren hinterher. Den Liebesgeschichten, von denen sie schon lange spürt, dass sie erzählt werden sollten. Die Geschichte des ersten Königs der modernen Niederlande, der mit einer Berliner Tänzerin eine uneheliche Tochter zeugt, welche wiederum in ihre mecklenburgische Adelsfamilie verheiratet wird. Die Geschichte des Urenkels der Tänzerin (Vater der Erzählerin), der Geschehnisse aus seiner Zeit als kaiserlicher U-Boot Kapitän nie ganz verwunden hat. Und schließlich ihre eigene Geschichte. Sie hat einen Spätheimkehrer geheiratet, einen Gutsbesitzersohn. Und sie entfernt sich immer weiter von ihm.
Friedrich Christian Delius, Träger des Georg-Büchner-Preises, verarbeitet auch in seinem neuen Roman „Die Liebesgeschichtenerzählerin“ Teile seiner eigenen Familiengeschichte. Delius‘ Romane beschäftigen sich meist mit der bundesrepublikanischen Geschichte, so ist er auch einer der Wenigen, die sich literarisch an den „deutschen Herbst“ wagten. Diesmal erzählt er Sequenzen aus dem ganzen letzten Jahrhundert, dieser von Kriegen nie vorher dagewesen Ausmaßes geprägten Epoche, wobei die Liebesgeschichte des niederländischen Königs und der Berliner Tänzerin dem Leser schon aus „Der Königsmacher“ bekannt sein könnte.
Marie nun, die designierte Liebesgeschichtenzählerin, ist das literarische Denkmal für Delius‘ Tante, Irmgard von der Lühe, die ihr Studium für die Familie abbrach und sich erste Sporen als Biographin verdiente – wie Marie. Von der Lühe publizierte auch später noch, allerdings sind von ihr keine Romane veröffentlicht. In Delius‘ Roman bleibt folgerichtig das Ende offen: Wird Marie es wirklich schaffen, „die Liebesgeschichtenerzählerin“ zu werden? Sie verspürt den inneren Drang, „altes verborgenes Wissen von Not, Liebe und Schmerz als von den Vorfahren geerbtes Wissen weiterzugeben“. Diese Marie ist keine Rebellin, sie will auch nicht ausbrechen aus ihrem Leben als umsichtige Hausfrau und Mutter, sie mag dieses Leben. Aber sie hofft darauf, dass dieses Leben auch für sie nun Zeit und Gelegenheit bereithält, ihrem kreativen Gestaltungswillen Raum zu geben. Wobei der Leser nie so recht weiß, ob die Recherche für Marie nicht doch eher so etwas wie eine Flucht aus der Realität bedeutet, um sich nicht allzu tief mit der eigenen Vergangenheit als ehemaliges BDM-Mädel auseinandersetzen zu müssen. Dennoch zeigt Delius anhand ihrer Geschichte, wie sehr politische Geschehnisse in das Leben Einzelner eingreifen. Sehr greifbares Anschauungsmaterial gerade auch in unseren turbulenten Zeiten, besonders auch für diejenigen, die meinen, aktuelle Geschehnisse hätten mit ihnen und ihren Leben nichts zu tun.
Delius erzählt mit leiser, sehr eleganter Sprache, seine Figuren beschreibt er behutsam, immer eine gewisse Distanz wahrend. Auch kritischen Themen wie dem der deutsch-niederländischen Aussöhnung nähert er sich mit sehr viel gebotenem Respekt und Feingefühl. So wie das Ende des Romans offen bleibt, ist auch im Roman selbst bei weitem nicht alles auserzählt. Die Leser mögen die Gelegenheit nutzen, Bruchstücke aus dem eigenen Erinnerungsfundus hinzuzufügen. Auf das, was Marie berichtet, hat sie einen liebevollen Blick, sie ist keine Zynikerin. Auch wenn sie – typisch für ihre Generation – beim Anblick der „Hippies“ im Amsterdam nicht anders kann, als zu denken, ihre Geschichte möge dazu beitragen, dass diese Gestalten erkennen, wie gut sie es doch haben.
Im Roman nimmt die Vater-Tochter-Beziehung einen weiten Raum ein. Viel eher noch als das, was man von einer „Liebesgeschichtenerzählerin“ erwartet, ist er das eigentliche Thema der Marie: der Vater, der nach dem enttäuschten Kaiser-Gehorsam nathlos zum Gottesgehorsam wechselte und Marie unbewusst im Geiste des calvinistisch geprägten Teils der Niederlande erzog. Aber sei es drum: Ist die Vater-Tochter-Beziehung nicht auch eine Liebesgeschichte? Die, aus der sich weitere entwickeln? Insofern folgt Marie dem Leitsatz ihres altes Deutschlehrers: Schreiben heißt ordnen. Auch einordnen. Im Zug auf der Rückfahrt von den Niederlanden am Rhein entlang ordnet Marie das Recherchierte in ihr eigenes Leben ein: Sie ist eine Überlebende und sie ist stolz darauf. Marie ist fest entschlossen, noch vor ihrem Fünfzigsten sich im Familienleben einen neuen Platz als „Liebesgeschichtenerzählerin“ zu erobern und keine Rücksicht mehr darauf zu nehmen, was vor den Augen der Eltern und des Ehemanns Bestand haben könnte. Und vor allem will sie nicht mehr den vom Vater eingebimsten Familien-Imperativ „Schlucks runter, schlucks runter“ befolgen. Immerhin.
Erstveröffentlichung dieser Rezension in den Revierpassagen.de
Tief im Wald und unter der Erde
Eine einsame Bahnschranke im Wald, dunkle Nacht. Seit an diesem Ort vier ihrer Freunde bei einem mysteriösen Unfall ums Leben kamen, wird Melanie von panischer Angst ergriffen, wenn sie hier nachts anhalten muss. Denn jedes Mal scheint es ihr, als krieche eine dunkle, schemenhafte Gestalt vom Waldrand auf ihren Wagen zu. Niemand glaubt ihr – bis die junge Jasmin Dreyer verschwindet, und ihr Fahrrad an der Bahnschranke gefunden wird…
Ein etwas unpassender Klappentext denn Melanie und Jasmin sind nur Nebenfiguren die nach ein paar Seiten auch schon wieder verschwunden sind.
Die Hauptfiguren sind die junge Polizistin Nele Karminter und Ihre Kollegin/Freundin Annouschka Rossberg, die alles daran setzen um denjenigen zu schnappen, der innerhalb von drei Tagen, drei Frauen entführt hat und sie vermutlich tief im Wald und unter der Erde, in der Nähe von Lüneburg gefangen hält…!
Nach anfänglichen, für meinen Geschmack etwas zu schleppenden Ermittlungen, entwickelt sich die Geschichte und wird ziemlich rasant und spannend.
Im Vordergrund steht die junge Polizistin Nele, die bei diesen Ermittlungen einen ziemlichen Spagat zwischen Beruf und Privatleben absolvieren muss und natürlich der Entführer, über den man im Laufe der Geschichte sehr viel erfährt. Man bekommt Einblicke in sein Leben und seine fürchterliche Kindheit, was mir gut gefallen hat.
Die Geschichte wird abwechselnd aus Neles Sicht, der Sicht der entführten Frauen, der Sicht des Entführers und auch aus Annouschkas Sicht erzählt, was mir ebenfalls gut gefallen hat. Auch dass manche Szenen/Ereignisse aus verschiedenen Perspektiven erzählt werden fand ich klasse.
Die Geschichte ist streckenweise schon sehr brutal und blutig, dies hält sich aber noch in Grenzen.
Alles in allem ist es ein spannendes und sehr kurzweiliges Buch. Umgehauen hat es mich allerdings nicht, da hab ich von Herrn Winkelmann schon Besseres gelesen (z.b “Die Zucht” oder “Kill Game”) denn “Tief im Wald und unter Erde” ist bereits das vierte Buch dass ich von Andreas Winkelmann gelesen habe, da waren die Erwartungen natürlich auch dementsprechend groß…!
Empfehlen kann ich das Buch aber auf jeden Fall!
Lustiges Taschenbuch Sonderband – Advent 2
Ein „Wunderbares Weihnachtsfest“ hätte es werden können, wenn Onkel Donald nicht vergessen hätte, den Wunschzettel seiner Neffen dem Weihnachtsmann zu geben. Und dann verunfallt der Weihnachtsmann auch noch, als er in Onkel Donald reinfährt. Zumindest glauben das seine Neffen. Als Donald die herumliegenden Päckchen sieht, beschließt er, einen der Adressaten zum Weihnachtsmann zu machen, um seine Neffen zu überraschen. Aber das ist schwerer als gedacht, denn alle hassen Weihnachten. Über „Geklaute Geschenke“ regt sich Onkel Dagobert auf. In seinen Warenhäusern verschwinden gerade in der Weihnachtszeit immer wieder Geschenke. Als Donald sieht, dass sich seine Neffen an den Videospielen eines der Warenhäuser zu schaffen machen, glaubt er, die Diebe gefunden zu haben. Aber alles läuft anders als vermutet. In ein „Zauberhaftes Mahl“ geraten Donald und seine Neffen, als sie sich verfahren und in einem Spukschloss Rast machen. Dort warten die ehemaligen Bewohner darauf, erlöst zu werden. „Wunder im Sack“ will Goofy den Kindern schenken, weil er dieses Jahr in einem Kaufhaus den Weihnachtsmann spielen darf. Aber der Leiter des Kaufhauses hat andere Pläne. „Unverhofft kommt oft“, als sich Onkel Dagobert unversehens unter Bettlern wiederfindet, die ihm ein unvergessliches Weihnachtsfest bescheren.
24 Geschichten zum Selbstöffnen auf 296 Seiten präsentiert der Sonderband des LTB – an je einem Tag darf man eine Geschichte aufreißen, die in ihrer Gesamtheit Weihnachten unter verschiedenen Blickwinkeln beleuchten; sogar Grusel ist dabei. Darunter sind 6 Erstveröffentlichungen, die im Buch gekennzeichnet sind: „Zauberhaftes Mahl“, „Doppelt hält besser“, „Weihnachtsschmuggel“, „Weihnachtsfreuden“, „Zu viel Dankbarkeit“ und „Die Weihnachtsüberraschung“. Die Geschichten machen wie immer Spaß zu lesen und versetzen die LeserInnen in Weihnachtsstimmung, inklusive Botschaften wie Nächstenliebe und die Fähigkeit, hinter die Fassade zu schauen. Keine der Geschichten kommt im 1. Advents-Sonderband vor. Das Cover mit seinem Goldglanz und den verkleideten Neffen verbreitet ebenfalls Weihnachtsstimmung. Einzige Wehrmutstropfen sind der Preis -12 Euro lässt einen schmalen Geldbeutel eher geschlossen bleiben – und die Tatsache, dass nur 6 der Geschichten neu sind.
Alexander McQueen – Unseen
Robert Fairer war lange Zeit Fotograf für die Vogue und öffnet in der vorliegenden Prachtpublikation des Schirmer/Mosel Verlages sein Privatarchiv, eines der wohl bestgehüteten Geheimnisse der Modebranche. Der Designer Alexander McQueen steht als weltbekannter Designer etwa für „Plato’s Atlantis“. Das Vorwort von Sally Singer, Creative Digital Director von Vogue, erzählt die Geschichte der legendären Shows des Star-Designers als Gesamtkunstwerk. In ihrem Narrativ spielt die rasante technische Entwicklung eine große Rolle, ohne die vieles auch in der Modewelt nicht möglich geworden wäre. Modeschauen seien früher hauptsächlich private Angelegenheiten gewesen, heute gäbe es instagram, twitter, snaps, pins, live streams, apps oder sogar Insta-Images.
McQueen: Atlantis für Modebewusste
Das vorliegende Buch sei ein „hinreißendes Protokoll einer untergegangen Welt“, das sich atemberaubend, aufregend und anmutig schön betrachten lasse. Der britische Fotograf Robert Fairer hat in beinahe zwanzig Jahren bis zu 100 Modenschauen pro Saison fotografiert und davon zehn Jahre exklusiv für die amerikanische Vogue. Für den Designer Alexander McQueen (1969-2010) hat er viele Aufträge übernommen, angefangen bei dessen ersten düster-morbiden Laufsteg-Inszenierungen in London in den 1990er Jahren bis zur letzten Kollektion „Plato’s Atlantis“.
Edles Tuch, schöner Sch(r)ein
Der allein schon durch sein Cover durchaus als opulent zu bezeichnende Bildband „Alexander McQueen – Unseen“ ist als deutsche Ausgabe bei Schirmer/Mosel erschienen und zeigt in 376 Fotografien von Robert Fairer was Mode alles kann. Federn, Metall, vergoldete Tiergerippe, mit Swarovski-Eiern bestückte Vogelnester oder auch alte Getränkedosen wurden von McQueen für seine phantasievolle Kreationen instrumentalisiert. Auf turmhohen Plateausohlen schickte er seine Modells durchs Wasser wateten oder er ließ einen Roboter ein Model in weißem Kleid mit Farbe besprühen.
Stil und Mode für Voyeure und Flaneure
Die Essays von Sally Singer (Vogue) und Claire Wilcox (Victoria & Albert Museum) machen das vorliegende Buch „Alexander McQueen – Unseen“ auch zu einem Insiderbericht über die Modewelt und verstehen sich ebenfalls als eine opulente Hommage an eine untergegangene, äußerst elitäre Welt auf der einen und an die einzigartige Schönheit von McQueens Kreationen auf der anderen Seite. Ein ganz besonderes Buch für alle Mode-Aficionados, Fashion Week-Interessierte und auch ein bisschen für Voyeure und Flaneure.
Brigitte Bardot
1956 hatte die Bardot schon 18 Filme gedreht und mit „Und immer lockt das Weib“ von Roger Vadim, der vor genau 60 Jahren in die Kinos kam, schon damals Kinogeschichte geschrieben und sich zur Ikone der Weiblichkeit nicht nur stilisiert, sondern auch inszeniert. Die 1934 Geborene hat das vorliegende Buch des renommierten schirmer/mosel Verlages sogar mitgestaltet und mit den schönsten Photographien aus ihrem Privatarchiv ergänzt. Das Vorwort hat sie ebenso beigesteuert wie ein exklusives Interview, das nur in der vorliegenden Publikation ungekürzt erhältlich ist.
Die Schöne und das Biest
Angefangen hatte sie als Mannequin und Tänzerin, später wurde sie zur Schauspielerin und Fotomodell einer bestimmten Epoche, die seither immer wieder mit ihr assoziiert wird, da sich gerade heute wieder Menschen nach dieser sorglosen Zeit sehnen: die Sechziger. Als Ehefrau von Gunter Sachs, dem Playboy und Industriellensohn, wuchs sie damals auch dem deutschen Publikum ans Herz, obwohl ihr „typisch“ französischer Schmollmund, ihr Pfirsichteint und ihre Samthaut und ihre Figur sie ohnehin schon zum erklärten Liebling des Wirtschaftswundermannes machte. 90-50-89 waren die Maße die damals die Welt aus den Angeln heben konnte und ihr auch von ihren Kollegen viel Lob und Bewunderung einbrachten. Francoise Arnoul, Mylène Demongeot, Marisa Berenson oder Pamela Anderson kommen in diesem Buch ebenso zu Wort wie die Ikone selbst. 189 Abbildungen auf 256 Seiten erzählen die Geschichte einer ganzen Epoche, die in Mode-, Film-, Foto- und Stil eindeutig französisch war.
Stilikone mit Sauerkrautfrisur
„Et Dieu créa la femme“ machte aus der BB „die“ Bardot und das obwohl sie auch heute noch beteuert, nichts anderes als sich selbst gespielt zu haben oder gewesen zu sein. Sie habe sich nie einem Stil oder einem Trend untergeordnet oder etwas getan, um modisch zu sein. Als natürliche Frau stellt sie sich auch heute noch gerne Frau, die eben einfach nur so sei, „wie Gott sie schuf“. Was für die Bardot damals ganz natürlich erschien führte etwa in den Vereinigten Staaten zu Vorführungsverboten, da man Farbige „um ihr Blut nicht zu sehr zu erhitzen und Vorfällen vorzubeugen“ von Kinos, die den Film zeigten, ausschloß. Im Interview zeigt sich BB allerdings nicht besonders gesprächig und antwortet zumeist in kurzen Hauptsätzen. Ihre „Sauerkraut“-Frisur mag besonders in Frankreich anstößig gewirkt haben, und auch ihr Auftritt im Regierungspalast Élysée in Hosen war revolutionär. Im Laufe des Gesprächs wird Bardot immer gesprächiger und zeigt, dass sie niemand anderer ist, als die, die sie eben nicht vorgibt zu sein. Das Geheimnis der Bardot wird hier schon verraten: sie habe das Gesicht einer kleine Katze und das war perfekt für die Leinwand, so der französische Philosoph Edgar Morin.
Bardot: Traumfrau vieler Philosophen
Ihr Stil ist die Noblesse, die Unschuld, schreibt Anne Vernon, der Sex-Appeal sei Marlene Dietrich, der Glamour Ava Gardner, ihr „Oomph“ Jane Russell und der Pepp Marilyn Monroe, meint Georges Baumes, Chefredakteur von Cinémonde. Mit letzterer hatte sie nur ihre ursprüngliche Haarfarbe gemein. „Brigitte Bardot“, die Publikation, ist eine Hymne an die Frau. Selbst Jean Cocteau streckte die Waffen vor ihr und bezeichnete sie als etwas „Göttliches“, Woody Allen sah in ihr „die schönste Frau der Welt“ – für immer! Henry-Jean Servat zeigt in seiner Publikation mehr als nur 189 Abbildungen, er zeigt auch, wie die Welt die Bardot damals empfand.
Henry-Jean Servat
Brigitte Bardot
schirmer/mosel Verlag
189 Abbildungen, 256 Seiten
1766-2016: 250 Jahre Prater Kino Welt
2016 feierte der Wiener Prater sein 250-jähriges Jubiläum, nachdem Kaiser Joseph II. die ehemals kaiserlichen Jagdgründe öffentlich zugänglich gemacht hatte. 2005 – zum fünfzigjährigen Bestehen des Filmarchivs Austria – erschien die vorliegende Publikation mit dem Titel “Prater Kino Welt”, die sich mit dem Prater als Mythos und Heimat von Illusionen beschäftigt. Eine DVD, die auch heute noch erhältlich ist, sowie eine Ausstellung und ein Festival beim Riesenrad begleiteten das Jubiläum und feierten u.a. auch die ersten Filmvorführungen überhaupt die in eben diesem Prater erstmals Ende des 19. Jahrhunderts stattfanden. Der Prater ist seit damals ein Raum zur Assimilierung der Moderne in dem Hochschau- oder Achterbahnen, Schiffs- und Aeroplankarusselle oder das Prater Hochhaus Hotel Mysteriös und Kaiserpanoramen ausgestellt wurden. Auch Reisen in fremde Welten wurden dort angeboten, etwa nach Venedig, Japan oder Afrika. Aber auch die literarische Repräsentation des Praters von Stifter, Salten und Zweig wird in vorliegender Publikation Rechnung getragen, sowohl in visueller als auch klanglich-auditiver aber sexueller Konnotation und Dimension.
Krystall-Kino und Milieu im Prater
Attraktionen wie Panoramen, Dioramen, Laterna-Magica-Vorführungen, Schnellfotografen oder Panoptiken und „Kunstkabinette“ und schließlich auch die Cinematagraphie hielten in dem Vergnügungsviertel am Wiener Stadtrand Einzug und begeisterten einerseits ein aristokratisches andererseits auch proletarisches Publikum. Der Prater wurde so schon sehr früh zu einer Begegnungsstätte unterschiedlichster Schichten und Klassen und das noch bevor es überhaupt so etwas wie eine bürgerliche Gesellschaft gab. 1904/05 gab es eine Art Gründerzeitstimmung im Prater, schreiben die beiden Herausgeber in ihrem Einleitungsessay zu vorliegendem Bilderbuch, das mit interessanten wissenschaftlichen Texten versehen auch zu einer Art intellektueller Lektüre der Vergangenheit wird. 1904 bis 1914 sei der Prater ein zentraler Ort des Kinos gewesen, in dem das „Krystall-Kino“ oder „Stiller“-Kino, das „Schaaf-Kino“ und andere Filmpaläste mit bis zu 700 Sitzplätzen ihre Heimat fanden. Einen Vergleich mit dem Lunapark Coney Island/New York unternehmen Siegfried Mattl und Schwarz, wenn sie die „verdrängte Natur wird durch groteske Mimesis zum Spektakel“ die beiden Vergnügungsparks beschreiben: „Die Nacht wird zum effektreich übersteigerten Tag“. Möglich machte dies allein die gerade erfundene Elektrizität. Dem Kaiser gefiel’s, denn ihm gehörte bis 1918 das ganze Gelände, das bei Kriegsende an die Stadt überschrieben wurde.
„Organlust“ mit Buffalo Bill im Prater
Die „Organlust“ bestand im Prater im Wandel der körperlichen Bewegung hin zum Auge und den Sinnen, denn die „kinästhetische Wende“ presste die Schaulustigen in ihre Sitze und machte aus dem „roller coaster“ des Körpers jenen des Gemüts. „Die Zuschauer wurden – im Kino – zwar physisch ruhig gestellt, ihre Sinne aber zugleich rasant mobilisiert“, wie die beiden sinngemäß schreiben. „Der Prater ist nicht das Delirium einer Welt der Simulcren, die konsumiert werden kann, sondern exaltiertes Schauspiel der Massen, die sich vor allem an der eigenen Fertigkeit zur Travestie erfreuen“, schließen Mattl/Schwarz ihren Beitrag ab. Ein anderes interessantes Phänomen wird von Ursula Storch angesprochen, die die Geburtsstunde des Wien Tourismus in einer Reise in den Prater versetzt. Anders als heute reisten aber die Wiener selbst in die nahegelegene Welt in den Praterauen, in der minutiös eben diese Welt repliziert wurde, deren Besuch sich damals nur Aristokraten leisten konnten. Reiseersatz und Reiseillusion sei der Prater damals gewesen und die erste elektrische Grottenbahn Europas zeigte die Wüste, den Nordpol, die Niagara-Falls und den Dogenpalast in Venedig. Buffalo Bill war 1906 mit 300 Reitern zu Gast und zeigte den Wilden Westen „wie er wirklich war“, obwohl es ihn so nie gegeben hatte. „Da man die ganze Welt an einem Punkt zusammenführt, erspart der Besuch der Weltausstellung die Weltreise“, sprach’s Werner Hofmann rund hundert Jahre später aus. Eindrucksvolle Fotografien zeigen etwa die Adria-Ausstellung und die Jagd-Ausstellung auf dem Gelände des Praters in den Zehner-Jahren des vorigen Jahrhunderts und beweisen, welch gigantischer Aufwand hier betrieben wurde.
Prater: “Venedig in Wien” oder „Merry-Go-Round“
Die Sonderausstellung „Venedig in Wien“ hatte Repliken der Cá d’Oro, des Palazzo Dario, der Porta del Arsenale des Palazzo Priuli und Desdemona lebensgroß nachgebaut und einen ein Kilometer langen Gondelkanal mit 40 Gondolieri und 25 Gondeln. Oskar Marmore hatte es 1895 erbauen lassen, aber schon 1901 war es wieder verschwunden. Der Prater war damals das Las Vegas von Wien. Auch dort begegnen sich unterschiedliche Klassen und überwinden den Klassengegensatz wie etwa in dem aus dem Jahre 1923 stammenden Film „Merry-Go-Round“. Alexandra Seibel schreibt in ihrem Essay, wie „die rückwärtsgewandte Utopie“ Alt Wiens in Los Angeles für den Film eigens aufgebaut wurde und Wien als „Exportplatz für Sentimentalität“ diente. Der „wohltemperierte Genuss von Sex and Romance“ sollte klassenüberwindend und versöhnlich wirken, nachdem der Weltkrieg als melancholische Anekdote die beiden unterschiedlichen Liebenden wieder zusammenführt. Das Karussell des Praters wird in der amerikanischen Produktion zur Propaganda für die American Middle Class und eine Gesellschaftsform, die sich als sehr viel prosperierender und vielversprechender erweisen sollte als die des alten Kontinents Europa.
Christian Dewald/Werner Michael Schwarz (Hg.)
Prater Kino Welt. Der Wiener Prater und die Geschichte des Kinos
Filmarchiv Austria
Almost young
Zwischen 2008 und 2010 war Leonard Cohen nochmals auf Tournee, darunter auch Auftritte in Europa und vielleicht beschlich schon damals einige Zuschauer das mulmige Gefühl, dass es ja die letzte sein könnte. Im selben Jahr war er auch in die Rock and Roll Hall of Fame aufgenommen worden. Im Herbst 2016 trat der „bibelfeste Jude aus Westmount/Montreal“ wie ihn zuletzt ein Kollege nannte seine letzte Reise und viele mögen dabei in das von ihm oft gespielte „Hallelujah“ eingestimmt haben, leise, zum Abschied eines Sängers, der eigentlich Schriftsteller werden wollte: „I did my best, it wasn’t much/I couldn’t feel, so I tried to touch/I’ve told the truth/I didn’t come to fool you/And even though it all went wrong/I’ll stand before the lord of song/With nothing on my tongue but hallelujah“. Leonard Cohen starb mit 82 Jahren und hinterließ einen „Tower of Songs“, also viel mehr als in dem Song Hallelujah anklingt: it was really much and it it still is.
Kanadischer Star der Melancholie: Leonard Cohen
In der Hippie-Ära lebte Cohen auf der griechischen Insel Hydra und versuchte dort sein schriftstellerisches Werk voranzubringen, aber aus Geldnot musste er dann doch die Bühne betreten. 1967 erschien sein erstes selbstbetiteltes Album, das vor allem aufgrund seiner tiefsinnigen Melancholie den europäischen Zeitgeist traf, denn der „Summer of Love“ war bereits in einen ernüchternden Herbst übergegangen und führte zu dem Aufbruch der Jugend von 1968, in dem die eben verloren gegangene Woodstock-Idylle neu eingefordert wurde. Leonhard Cohen verweigerte es ebenso wie Bob Dylan zum Sprachrohr seiner Generation zu werden, aber er traf dennoch den Nerv der Zeit. Der vorliegende Bildband feiert den 80. Geburtstag Leonhard Cohens im Jahre 2014 und zeigt intime Bilder aus Hydra, aber auch Konzertfotos seiner unzähligen Auftritte in Farbe und Duotone.
Wiedergeburt im Kloster in L.A.
Wie Sparschuh in seinem Vorwort erzählt, habe Cohen auch einmal den Versuch unternommen, mit seiner Olivetti unter Wasser zu schreiben – in der Badewanne. Sein Großvater sei der Rabbi Solomon Klonitzki-Kline gewesen, der lebte allerdings nicht in Kanada, sondern in Litauen. Der selbsternannte „lazy bastard living in a suit“, der nie ohne Zigarette abgelichtet wurde, schuf mit „Suzanne“, „So long, Marianne“ und „Sisters of Mercy“ Meilensteine des Songwritings und lernte seine Stimme durch Hypnose zu beherrschen: „Senken Sie Ihre stimme tiefer und tiefer, bis sie beinahe einem Flüstern gleicht“, eine Erinnerung aus Jugendjahren, die er später auch auf den Bühnen der Welt so eindrücklich beherzigte. Federico Garcia Lorca, der von den Faschisten Francos umgebrachte spanische Dichter, gehörte zu seinen dichterischen Vorbildern, aber das Gitarrespielen soll er von einem in einem Park Montreals spielenden Zigeuner gelernt haben. Woher seine Melancholie kam? Vielleicht weil er seinen Vater schon im Alter von neun Jahre verloren hatte? „Jikan“ war der Name den er in dem Mount Bald Zen Kloster 80 km östliche von L.A. erhielt: der Stille. Die Jahre im Kloster hatte er dringend benötigt, denn als er wieder zurück kam, erfuhr er, dass seine Managerin und Vertraute Kelley Lynch (nomen est omen) sein ganzes Geld beiseite geschafft hatte. Totalverlust. Ein Grund, warum er sich 2008 wieder auf Tournee begab: er wollte sich seine Pension verdienen.
Ein intimes Porträt voller schöner Eindrücke und eine wunderbare Möglichkeit, Abschied von Leonard Cohen Abschied zu nehmen, während im Kamin ein Feuer brennt und eine Flasche Rotwein entkorkt am Couchtisch steht. Auf die Frage nach seiner Wiedergeburt soll Cohen 2012 auf einer Pressekonferenz in Paris geantwortet haben: „Als Hund meiner Tochter.“
Leonard Cohen
almost young
Eine Bildbiographie
Mit einem Text von Jens Sparschuh
schirmer/mosel, 168 Seiten, 75 Abbildungen in Farbe und Duotone
ISBN: 9783829606639
Illustrated by schirmer/mosel
Belgravia
Lady Mary ist glücklich, Lady Edith ist glücklich, Carson und Mrs Hughes auch, das vom Schicksal so gebeutelte Ehepaar Bates ist glücklich, wenn sie nicht gestorben sind und selbst Unter-Butler Thomas ist geläutert und belohnt. Alle sind glücklich, nur das Publikum nicht. Aus dem einfachen Grunde, dass eine der grandiosesten Fernsehserien der letzten Jahre zu einem unwiderruflichen Ende gekommen ist. Die Rede ist – natürlich – von Downton Abbey. Dieses einzigartige Vergnügen zu verdanken hatten wir in erster Linie Julian Fellowes, aus dessen Feder die epische Geschichte der Crawleys floss. Doch Abhilfe naht. Es gibt ein Trostpflaster und ein gar nicht mal so kleines:
Belgravia, der neue Roman des mittlerweile selbst in den Adelsstand erhobenen britischen Kultautors. Mit der Veröffentlichung wurden neue Wege beschritten. Belgravia ist als digitaler Fortsetzungsroman komponiert, eine Serie zum Lesen. In Deutschland wurde Belgravia seit Anfang Oktober digital in insgesamt 11 Folgen veröffentlicht und ist seit kurzem auch als kompletter Roman verfügbar, digital und klassisch.
Belgravia ist seit dem Beginn der Industrialisierung der Londoner Stadtteil, der wie kein anderer für Luxus und adeligen Lebensstil steht. Dort leben Lady und Lord Brockenhurst, die ihren einzigen Sohn in der Schlacht von Waterloo verloren und deren Erbe nun der nichtsnutzige Neffe sein wird. Wenn nicht noch ein Wunder geschieht. Oder besser gesagt, geschah. Denn es gibt ein Geheimnis, von dem sie lange nichts ahnen.
Die Geschichte um dieses Geheimnis nimmt seinen Anfang am Vorabend der Schlacht von Waterloo, in Belgien auf einem Ball der Herzogin von Richmond. Ein Ball, dem bis heute der Mythos des Legendären anhaftet. Auf der anderen Seite des Geheimnisses steht die Familie Trenchard, durch geschäftlichen Erfolg zu Geld und einem luxuriösen Lebensstil gekommen, allerdings nicht zu gesellschaftlichen Renommee. Denn zu Beginn des 18. Jahrhunderts steht man erst ganz am Anfang einer Zeit, in der sich die adelige Gesellschaft von Belgravia mit der der Emporkömmlinge und abschätzig als Kriegsgewinnler bezeichneten Neureichen überschneidet. Der Großteils des Romans ist der Aufdeckung eben jenes Geheimnisses gewidmet, ein Geheimnis, dessen Aufdeckung die Lebenswege aller Beteiligten unwiderruflich verändern wird.
Wer an die Vielfalt des Downton Universums gewöhnt ist, wird auch hier nicht enttäuscht. Alles da, alles drin: Die prunkvollen Häuser, Teenachmittage, Dinnerpartys, die Bediensteten, die mal loyal, mal intrigant in das Leben ihrer Dienstherren eingreifen. Liebe, Hass, Ehrgeiz, Intrigen, Mordversuche. Fellowes lässt auch in Belgravia nichts aus, gewohnt historisch genau, detailverliebt – nur, dass man sich den Film zum Geschehen diesmal selbst vorstellen muss. Aber was nicht ist, kann ja noch werden. Eine der Nebenwirkungen der Veröffentlichung in Episoden ist das Geühl, ein fast fertiges Drehbuch zu lesen.
Zunächst einmal profitiert aber der Roman davon, dass das Buch nicht in klassischen Kapiteln, sondern episodisch erzählt wird. Befreit von üblichen Kapitelbögen kann sich die Dynamik der Geschichte bestens entfalten, die Erzählung hat eine stark vorwärts treibende Kraft und lässt genug Platz für die von seinem Publikum so geliebte detailgetreue Zeichnung des Settings. Gleichzeitig liegt darin aber auch die Schwäche des Romans. Die Episoden konzentrieren sich zu sehr darauf, die Entwicklung der Geschichte voranzutreiben und vernachlässigen die Entwicklung der Charaktere.
Die handelnden Personen kommen über eine eindimensionale Ebene nicht hinaus, sie bleiben entweder grundgut oder unauflösbar böse. Die Entwicklung und Vielschichtigkeit der Charaktere war auch ein Grund mit für den enormen Erfolg von Downton Abbey und wird in Belgravia schmerzlich vermisst. Dennoch ist die Geschichte schön zu lesen, ein guter Schmöker für trübe Herbsttage und ein Trost für die trauernde Downton Abbey Fangemeinde. Denn in einem bleibt Fellowes sich treu. Die Zeit, eine Moral von der Geschicht’ zu vermitteln, hat er sich genommen: Belgravia zeigt, wirkliche Liebe überwindet alle Hürden.
Illustrated by C. Bertelsmann München
Memento
Schneemannwettbewerb in Minneapolis. Auch die beiden Detectives Leo Magozzi und Gino Rolseth bauen fleißig mit, als plötzlich ein Kind wie am Spieß zu schreien beginnt. Die Mittagssonne hat einen Schneemann zum Schmelzen gebracht und sein makabres Innen-leben enthüllt – einen toten Polizisten. Als einen Tag später eine zweite Leiche in einem Schneemann in Dundas County entdeckt wird, machen sich die Detectives Leo Magozzi und Gino Rolseth inmitten eines Blizzards auf den Weg nach Norden. Dort, am gefühlten Ende der Welt, entdecken sie mehr, als ihnen lieb ist…
Ich erwühlte dieses Buch auf einem Flohmarkt und nahm es spontan mit. Erwartet hatte ich nicht viel, höchstens einen netten 0 8 15 Thriller der mir die Zeit vertreibt bis ich mir neues Lesefutter herangeschafft habe und mit dem ich mein “Notfallregal” wieder aufrüsten kann…!
Bekommen habe ich aber einen richtig guten, spannenden und kreativen Thriller den ich gar nicht mehr aus der Hand legen wollte und den ich blitzschnell durch hatte!
Die Geschichte entwickelte sich in eine völlig andere Richtung als ich es erwartet hatte und die beiden Ermittler haben mir mit ihrem Witz, ihrem Zynismus und bissigem Humor außerordentlich gut gefallen!
Die Geschichte startet im sehr verschneiten Minneapolis, die Ermittlungen führen Gino und Leo dann aber an den Arsch der Welt, in das große aber sehr dünn besiedelte Dundas Country in Minnesota, wo Fuchs und Hase sich noch gute Nacht sagen und wo seit Tagen ein schrecklicher Schneesturm wütet…
Bei Ihren Ermittlungen bekommen Gino und Leo immer wieder Hilfe von ein paar merkwürdigen/freakigen Computerspezialisten die auf einer Ranch, der “Monkeewrench” leben und arbeiten und auch diese Figuren haben mir gut gefallen!
Leider kann ich nicht mehr zur Geschichte schreiben da ich sonst schon zu viel verraten würde aber das Buch lohnt sich, ich fand es einfach super!
Auch das Ende fand ich gut denn es handelt sich nicht um ein ewig gleiches “Friede-Freude-Bratkartoffelende” sondern es bleibt vieles offen und “Recht und Unrecht” sind auch nicht eindeutig zuzuordnen, was zum nachdenken anregt…!
Jetzt habe ich erfahren dass dieses Buch zu einer ganzen Reihe von Büchern über die Detectives Leo Magozzi, Gino Rolseth und die “Monkeewrench” gehört und ich hier Band 4 gelesen habe. Das war aber überhaupt nicht schlimm denn dieses Buch kann prima auch unabhängig von den anderen Bänden gelesen werden, mir ist nichts aufgefallen…!
Jetzt werde ich mir aber auf jeden Fall noch die anderen Bände besorgen und hoffe dass mir diese dann auch so gut gefallen wie dieses Buch…!
P.J. Tracy ist das Pseudonym eines Autorenteams welches aus Mutter und Tochter besteht. Die ehemaligen Drehbuchautorinnen erzielten mit ihrem Krimidebüt “Spiel unter Freunden” einen internationalen Überraschungserfolg, der von Lesern und Kritikern mit Lob überhäuft wurde. Seitdem schreiben sie erfolgreich an ihrer Serie um das Monkeewrench-Team.
Radio Heimat – das Buch zum Film
Wie heißt es doch so schön: Du kriegst die Leute zwar aussem Pott, aber den Pott nicht aus den Leuten. Heimat kann eben doch eine Lösung sein, vor allem für die Leute im Ruhrgebiet, liebevoll Ruhrpott genannt.
Diesem Lokalpatriotismus ein literarisches Denkmal gesetzt hat Ruhrgebietschronist Frank Goosen im Kurzgeschichtenband “Radio Heimat”, der seine gesammelten “Geschichten von zuhause” beinhaltet. Die Erstveröffentlichung des Bandes war im Jahr 2010, dem Jahr, als das Ruhrgebiet Kulturhauptstadt Europas war.
Nun sind Geschichten aus diesem Buch und aus dem Roman “Mein ich und sein Leben” als retroselige 80er-Jahre Hommage unter dem Titel “Radio Heimat” als Film im Kino zu bewundern, gestartet diese Woche. Aus diesem Anlass wurde das Buch “Radio Heimat” neu aufgelegt. Die Neuauflage enthält Bilder aus dem Film, versehen mit Goosens ganz persönlichen Erinnerungen. Und einer Neu-Interpretation des berühmten Slogans von Goosen seine Omma: “Damals war auch Scheisse“.
War es natürlich nicht, aber es war eben auch nicht alles Kohlenstaub, was sich auf unsere Lungen legte. Film und Buch erzählen in “Radio Heimat” vonne Malocher-Idylle inne Schrebergärten, von schäbigen Schabracken und Kneipen und natürlich von den Menschen, die diese auch jetzt noch typischen Ruhrpott-Orte bevölkern.
Die “Radio-Heimat”-Sammlung ist ein ganz prima Einstieg in das Goosensche Universum und spannt den Bogen zeitlich noch etwas weiter als der Kinofilm. Er porträtiert die Menschen anne Ruhr schnoddrig, aber nie unter der Gürtellinie, melancholisch, aber nicht sentimental. Film wie Buch eignen sich prima, um zu erinnern, wie es früher mal war. Und um zu zeigen, was davon geblieben ist. Popkultureller Anschauungsunterricht sozusagen.
Und aus eigener Erfahrung kann ich sagen: Nein, das alles ist nicht nur was für verklärte “früher war alles besser” Nostalgiker. Gerade hier im Pott, einem Gebiet, wo der Strukturwandel so tiefgreifend war wie sonst kaum irgendwo, interessieren sich viele junge Leute für ihre Wurzeln, wollen wissen, wie es früher hier war mit dem Kohlenstaub und den tausend Feuern in der Nacht. Das Bewusstsein für die Geschichte ist da, das Interesse auch. Und das ist doch schon mal ein guter Anfang. In diesem Sinne Glückauf für Film und Buch.
Anatomie eines Soldaten
45 Gegenstände, 1 unvergessliche Geschichte.
Captain Tom Barnes leitet einen Einsatz der britischen Armee, als er auf eine Landmine tritt. Zwei einheimische Jungen werden in den Konflikt hineingezogen, kaum ahnend, was dort geschieht. Auf allen Seiten verändert Gewalt das Leben von Grund auf.
In diesem ungewöhnlichen Roman erzählen die Gegenstände des Krieges: Turnschuhe, Soldatenstiefel, Helm, ein paar Dollar, eine Drohne, ein Fahrrad, ein militärischer Orden, ein Glas Bier, eine Schneeflocke, medizinisches Gerät und eine Landmine.
Ein sehr ungewöhnliches/außergewöhnliches Buch und mir fällt das Rezensieren deshalb auch etwas schwer.
Die Geschichte wird nach und nach aus der Perspektive von verschiedenen Gegenständen erzählt die den Soldaten Tom Barnes bei seinem Einsatz und dem Leben danach begleiten. Da wären zu Beginn z.b die neuen Kampfstiefel, die beschreiben wie Barnes mit Ihren losrennt um sie geschmeidig zu machen und sie einzulaufen oder eine Patrone die sich in seiner Hosentasche befindet. Diese Gegenstände erzählen ziemlich genau was um sie herum passiert. Sie tun dies auf eine recht nüchterne und neutrale Beobachtungsweise, was schreckliche Dinge auf eine ganz verstörende Art irgendwie noch schrecklicher wirken lässt.
Barnes tritt im Einsatz in der Wüste auf eine Tretmine und diese beschreibt z.b sehr detailliert und emotionslos wie Barnes Blut sie besudelt, wie er durch die Luft geschleudert wird und Fleischstücke weggeflogen sind. Auch seine Hundemarke beschreibt dieses Erlebnis aus ihrer sicht.
Die neutrale Beobachtungsweise der Gegenstände vermittelt dem Leser oftmals aber auch eine ganz besondere Nähe und es sind vor allem die medizinischen Geräte, deren Beobachtungen/Berichte mich sehr bewegt haben und die einem dem Soldaten Tom Barnes sehr nahe bringen!
Besonders die Knochensäge, die von Barnes Amputationen erzählt hat mich sehr berührt denn Barnes hat durch die Tretmine beide Beine verloren. Zuerst wird ihm das erste Bein amputiert weil die Verletzungen einfach zu schwer waren um es zu retten und ein paar Tage später muss ihm dann auch noch das zweite Bein amputiert werden da sich eine Infektion eingeschlichen hat. Diese Infektion wurde durch einen Pilz hervorgerufen und eine Pilzspore berichtet wie sie bei der Explosion in Barnes Bein eingedrungen ist und unbemerkt wachsen konnte.
Aber auch die Berichte einer Blutkonserve, des Tubus, des Urinkatheters und dem Klingelknopf an Barnes Bett haben mich sehr bewegt und haben mir am besten gefallen denn diese Gegenstände berichten auch was sie sonst noch mitbekommen haben, so wie z.b die Besuche von Toms verzweifelten Eltern an seinem Krankenbett als er tagelang mit dem Leben rang…!
Auch die Handtasche von Toms Mutter berichtet detailliert (aber nüchtern) über die Verzweiflung die sie beobachten konnte!
Die Geschichte wird nicht chronologisch erzählt und immer wieder gibt es zwischen den Krankenhauskapiteln auch Kapitel aus dem Einsatz und diese Kapitel werden z.b aus der Sicht eines Feldbettes, eines Feldpostbriefes oder Barnes Soldatenrucksack erzählt.
Sehr berührt haben mich auch die Kapitel aus der Reha, die z.b von einem Badezimmerspiegel, seiner Prothese und seinem Rollstuhl erzählt werden.
Interessant finde ich dass die „Zivilgegenstände“ immer über Tom als Person berichten, die Militärgegenstände ihn aber immer nur als die Dienstnummer BA5799 bezeichnen. Eine wirklich gute Idee, so zeigt dies meiner Meinung nach doch sehr gut dass Toms Schicksal kein Einzelfall ist sondern auf unzählige Soldaten zutrifft…!
Die Geschichte ist generell alles andere als einseitig denn die Gegenstände berichten nicht nur von Tom und seiner Familie sondern ein Teil dreht sich auch um die Leute aus dem Kriegsgebiet, hauptsächlich um einen jungen Mann namens Faridum und seine Bauernfamilie.
Faridums Erlebnisse werden z.b durch sein Fahrrad, einen handgewebten Teppich oder einen Sack Dünger wiedergegeben. Ein Kapitel, in dem Faridum in Streit gerät, wird sogar aus zwei unterschiedlichen Perspektiven erzählt, nämlich einmal aus Sicht des Düngersackes und einmal aus der Sicht von ein paar Turnschuhen.
Sehr bewegend war auch ein Kapitel gegen Ende des Buches, indem eine Schubkarre erzählt wie Faridums Vater die Leiche seines Sohnes in ihr transportiert hat.
Das Buch ist sehr vielschichtig denn es beschreibt das Grauen des Krieges aus wirklich vielen Perspektiven und es gibt auch nicht wirklich „die Guten“ oder „Die Bösen“ sondern die Geschichte zeigt dass alle Seiten gleichermaßen betroffen sind und es „schuldig“ und „unschuldig“ nicht wirklich gibt und die Grenzen fließend sind…!
Als Barnes gelernt hat mit seinen Prothesen klarzukommen, da berichtet ein Bierglas in einer Kneipe wie Barnes über all das denkt was ihm zugestoßen ist und was er erlebt hat einer von Barnes Sätzen hat mich wirklich sehr beeindruckt denn er lautet „Du hast ja keine Ahnung, würden die Leute die mir das angetan haben jetzt zur Tür hereinkommen dann würde ich sie zu einem Bier einladen“.
So traurig und dramatisch diese Geschichte auch ist, sie ist aber auch hoffnungsvoll und steckt voller Zuversicht denn sie Endet mit einem Bericht von Barnes neuer Laufprothese, mit denen er nun sehr oft joggen geht und sich beim Laufen im Wind erleichtert und frei fühlt und voller Zuversicht in die Zukunft blickt…!
Die Geschichte ist so schon etwas Besonderes und wird noch besonderer wenn man weiß dass der Autor als 23 Jähriger Mann tatsächlich im Einsatz war und dort beide Beine verloren hat! Wie viel von dieser Geschichte jetzt tatsächlich autobiografisch ist kann ich nicht sagen aber ich vermute mal eine ganze Menge…!
Ein lesenswertes Buch, was aber auch seine Schwächen hat denn gerade die Berichte aus dem Einsatz waren mir etwas zu viel und zu langatmig! Das Buch ist nichts was man ein fix drei runtergelesen hat und gehört durch seinen sehr ungewöhnlichen Stil und das ernste Thema schon irgendwie zur schwereren Kost, ist aber auf jeden Fall lesenswert und zu empfehlen!
Harry Parker, aufgewachsen in Wiltshire, ging mit 23 Jahren zur britischen Armee und war im Irak und Afghanistan im Einsatz. Er lebt heute er als Schriftsteller und Künstler in London.
Sehnsucht nach Nebudistan
Wer von den älteren Semestern Billy Mo und seinen Hit »Ich kauf mir lieber einen Tirolerhut« erinnert und über den tiefschwarzen Jazz-Trompeter und Schlagersänger aus Trinidad, der sich zum Gaudi der Zuschauer in eine alpenländische Tracht zwängte, schmunzeln konnte, der ist bei Thaddäus Troll richtig. Weiterlesen
Die Stadt der Diebe
Wir schreiben das Jahr 1943. Die Stadt der Diebe von David Benioff – das ist Leningrad. Diebe haben Konjunktur, denn deutsche Truppen haben die Stadt eingeschlossen und die Bewohner sind kurz vor dem Hungertod.
„Am schönsten sind die Luftkämpfe.“ Das sagen Vera und Lew, wenn sie nachts auf den Dächern oder zwischen den Trümmern der Stadt kauern und zusehen, wie die Ju88 der deutschen Luftwaffe und die Suchois der sowjetischen Luftwaffe über der Stadt kreisen und versuchen, sich gegenseitig abzuschießen. Sie haben die kriegswichtige Aufgabe, den Kämpfen zuzusehen und Meldung zu erstatten, wenn ein deutscher Flieger abgeschossen wird. Pflichtgemäß erstatten sie auch Meldung, aber erst nachdem sie den toten deutschen Piloten ihre Notrationen abgenommen und ihnen die Fliegerstiefel ausgezogen haben. Die deutsche Schokolade und den Zwieback brauchen sie, um nicht zu verhungern, und die Stiefel sind sehr haltbar, da kommt kein russischer Stiefel mit.
Beinahe zwangsläufig landet Lew im Knast, dem Kresty. In der Dunkelheit der Zelle lernt er Kolja kennen, einen angeblichen Deserteur. Lew ist siebzehn Jahre alt und hatte Hunger. Kolja ist knapp zwanzig Jahre alt, Soldat der Roten Armee und ein Deserteur. Er war ein paar Kilometer zu weit von seiner Truppe entfernt. Beide erwarten ihre Hinrichtung am folgenden Morgen. Doch es kommt anders.
Am Morgen werden sie einem Oberst des NKWD vorgeführt, der andere Pläne mit ihnen hat. Des Oberst hübsches Töchterlein, sie können dem Mädchen einige Minuten beim Schlittschuhlaufen auf der zugefrorenen Newa zusehen, will in Kürze heiraten und zu einer standesgemäßen russischen Hochzeit gehört ein Kuchen. Zucker, Mehl und Honig hat die Frau Oberst erfolgreich requirieren können, nur die zehn Eier fehlen und ohne Eier ist ein Kuchen vielleicht ein Kuchen, aber kein Hochzeitskuchen.
„Besser zwölf“, sagt der Oberst, „zwei gehen sicher kaputt.“
Der Oberst schickt Lew und Kolja los, die zwölf Eier zu finden – ein schier unmögliches Vorhaben in einer Stadt, die seit mehr als zwei Jahren von deutschen Truppen belagert wird. Trotz der Aussichtslosigkeit machen sich Lew und Kolja auf den Weg, denn die Alternative ist, vor dem Erschießungskommando zu stehen.
Die mühsame Tour führt sie quer durch Piter, wie die Bewohner ihre Stadt immer noch in Erinnerung an den alten Namen Sankt Petersburg nennen. Stalin hat die Stadt umbenannt, aber man bleibt bei Piter. Vielleicht weil man ahnt, dass irgendwann, wenn der Große Vaterländische Krieg vorüber ist, man sich wieder des alten Namens erinnern wird. Das geschieht auch, wie wir alle wissen, wenn auch erst viele Jahrzehnte später als Gorbatschow die Weltbühne betritt.
Lew und Kolja ziehen derweil durch Leningrad und suchen zwölf Eier. Sie finden keine Eier, weil auch die Hühner mittlerweile gebraten und gegessen wurden, nicht einmal Spatzen, Mäuse oder Ratten gibt es. Alle haben ihren Weg in die ausgelaugten russischen Mägen gefunden. Sie schleichen sich durch den Belagerungsgürtel zu den Partisanen, aber die haben auch keine Eier. Immerhin erregen sie mit ihrer Geschichte so viel Heiterkeit, dass man sie nicht an den nächsten Baum hängt.
Stattdessen stoßen sie auf eine Fülle an Informationen, die alle nur ein Ziel haben – wie überlebt man. So lernt der Leser, welche Körperteile eines Menschen sich am besten zu Koteletts verarbeiten lassen – es sind die Gesäßbacken.
Was sich hier in dieser einen Zeile so unappetitlich liest, beschreibt der Autor David Benioff auf so humorvolle Weise, dass es beinahe seinen Schrecken verliert. Es ist überhaupt der Humor, die Lebensfreude, die dieses Buch mit diesen so entsetzlichen Beschreibungen auszeichnet. Der Leser bekommt auf knapp 400 Seiten eine Kurzlektion, wie man mit Humor und den Resten der Lebensfreude auf einem Trümmerhaufen, viel mehr war Leningrad nicht mehr, überleben kann. Er lernt auch, dass auf den Dächern der dunklen Stadt auch mit knurrendem Magen die Liebe einen Platz finden kann.
Es gibt nicht mehr viele Menschen, die Bombennächte in Deutschland erlebt haben. Aber da sind ja die Enkel, denen die Großeltern davon erzählt haben, von Dresden vielleicht, Hamburg oder Köln. Oder den vielen Städten, die militärische bedeutungslos waren, die nur bombardiert wurden, weil die Flieger ihre Bomben vor dem Heimflug loswerden mussten.
Die Deutschen waren nicht alleine. Das Grauen der Bombardierungen und der Hunger reichte vom Atlantik und der Nordsee bis zum Ural.
Das Geständnis
Der Roman „Das Geständnis“ von John Grisham spielt im Jahr 1998 und ist auf beängstigende Weise zeitgemäß. Es geht um die Todesstrafe und um zweierlei Recht in den USA – für Weiße oder für Schwarze. Es geht auch darum, dass in Texas, Mississippi oder Kansas auch heute noch die juristischen Uhren völlig anders ticken, als im Rest des Landes.
Bei einem Pfarrer einer Kirchengemeinde taucht ein Mann auf und bezichtigt sich des Mordes, begangen vor über neun Jahren. Brisant an seinem Geständnis ist, dass für eben diesen Mord in knapp einer Woche ein anderer Mann per Giftspritze – gängige Praxis in Texas – hingerichtet werden soll. Das einzige Vergehen des Todeskandidaten – wenn man es so nennen will – ist die Tatsache, dass er schwarz ist.
Als Schwarzer unschuldig in der Todeszelle, knapp eine Woche vor der Hinrichtung, da besteht wenig Anlass zur Hoffnung. Der Gouverneur von Texas, nur er kann einen Aufschub anordnen, hat vor allen Dingen seine Beliebtheit bei den weißen Wählern und seine anstehende Wiederwahl im Kopf. Das soll er für einen schwarzen Todeskandidaten, der auch noch dumm genug war, ein Geständnis abzulegen, aufs Spiele setzen? Auch wenn das Geständnis unter dubiosen Umständen zustande kam, und es eine amouröse Verquickung zwischen Richterin und Staatsanwalt gab. Die Geschworenenliste, ein ebenso brisantes Thema. Weshalb haben über einen schwarzen Angeklagten nur weiße Geschworene geurteilt?
Schließlich tauchen vor einer Hinrichtung immer wieder Spinner auf, die sich nur wichtig machen wollen. Nicht zu vergessen – der Mann, der sich als Mörder bezeichnet, steht kurz vor seinem eigenen Dahinscheiden – Hirntumor in fortgeschrittenem Stadium. Obwohl Weißer, ist er mit seinen Selbstbezichtigungen absolut unglaubwürdig, denn er hat sein halbes Leben wegen diverser Sexualdelikte im Knast verbracht.
Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt. Die immer noch für den Todeskandidaten aktive Anwaltskanzlei nimmt sich der Sache an und versucht einen Aufschub zu bewirken. Aber die Mühlen der Justiz mahlen stetig und unerbittlich, sind kaum aufzuhalten.
John Grisham schildert die Verwahrlosung – anders kann man es kaum nennen – der US-amerikanischen Justiz. Minutiös beschreibt er, wie hinter den Kulissen gemauschelt wird, wobei die Schuld oder Unschuld des Beklagten Nebensache ist. Da geht es um Wiederwahl des Bezirksstaatsanwaltes oder der Richter, Menschenleben sind zweitrangig. Überlegenswert ist höchstens noch die Frage, ob mit Rassenunruhen zu rechnen ist und ab wie vielen Hausbränden oder sonstigen Übergriffen die Nationalgarde alarmiert werden muss.
Wie bei jedem Roman muss auch hier im Epilog stehen – alle Personen und Sachverhalte sind frei erfunden. Das muss sein, will der Autor sich nicht selbst vor Gericht wiederfinden. Andererseits sind die Schilderungen der Abläufe derartig detailgenau, dass man annehmen darf, der Autor hat sich als Vorlage wahrer Begebenheiten bedient. Naheliegend, denn John Grisham war selbst Anwalt für Strafrecht in Southaven/Mississippi. Er kennt die Südstaaten und das US-Strafrecht aus eigenem Erleben.
Beschrieben wird auch das geltende Wahlgesetz, ein durchaus aktuelles Thema. Der Mensch, der nichts oder wenig besitzt, hat kaum Chancen, sich in die Wählerlisten eintragen zu lassen und verständlicherweise hat er auch wenig Interesse daran. Er ist mit dem Kampf ums Überleben beschäftigt und der ist in den USA ungleich härter als alles, was wir uns hier in Deutschland und Europa vorstellen können.