Manifesto. Warum ich niemals aufgebe.

Bernhardine Evaristo hat 60 Jahre an sich gearbeitet, um eine erfolgreiche Autorin zu werden. Zuvor hatte ich das Buch Mädchen, Frau, etc. gelesen, das 2019 den Booker Preis gewonnen hat. Ihren Weg beschreibt sie ehrlich und mit Humor. Sie nennt ihre Selbstreflexionen „ein Memoir und eine Meditation.“

Das Buch ist in sechs Kapitel eingeteilt, deren Zahl in allen Sprachen angegeben werden, die mit ihrer Herkunft zu tun haben. Dazu mehr am Schluss, wenn es um die Übersetzung geht. Für dieses Manifest, es werden anderthalb Seiten am Ende des Buches, hat sie viel recherchiert, angefangen mit ihren Vorfahren: Die Mutter war der Stolz der Familie, die erste Akademikerin, mit englischen, irischen und auch deutschen Wurzeln. Und so wird es für die Großmutter eine Enttäuschung, als sie ihre Liebe, einen nigerianischen Einwanderer, heiratet. Bernhardine wird das vierte von acht Kindern.

Die Nachbarn im armen Süden Londons werfen Scheiben ein, oder legen tote Ratten vor die Tür. Der Vater, sie nennt ihn Yorubakrieger, geht dagegen vor, verklagt Angreifer, als Betriebsrat tritt er auch für Gerechtigkeit Anderer ein. Zu Hause ist er sehr streng, die Wärme und Geborgenheit, die die Mutter schafft, wird durch seine Anwesenheit nur gestört.  Die Mutter ist streng katholisch, Bernhardine beobachtet schon als Kind, wie Priester von der Gemeinde, die Mutter einbegriffen, verherrlicht werden, obwohl sie von denen als „Schokos“ abgewertet werden.

Sie beschreibt sich selbst als Schulkind, erst in einer katholischen Grundschule, kommentiert Zeugnisse, die ihr ausgestellt wurden. In der Mittelschule lernt sie noch Handarbeiten und ist stolz, darin nie gut gewesen zu sein. Als Schwester hat sie die jüngere, mit der sie das Zimmer teilte, dominiert. Als Teenager wollte sie so schnell wie möglich die Familie verlassen. Sie taucht in das aufregende Leben in London ein, das Anderssein wird ihre Rolle.

Sie sucht Beziehungen zu anderen Frauen, sie nennt es ihr „lesbisches Zeitalter“, macht One-Night-Stands, bis sie dauerhafte Beziehungen sucht und findet. Später beschreibt sie, wie sie unter DDD, das steht für die durchgeknallte Domina, leidet. Hier macht es Spaß, die Vorbilder für den Roman zu erkennen.

Sie verbringt viel Zeit in Theatergruppen, initiiert solche, später konzentriert sie sich auf das Schreiben, über Jahre nimmt sie Kurse, Lyrik wird ihr Ding und sie gründet Gruppierungen, mit denen der Nachwuchs gefördert wird, zunehmend für People of Color.

In Kapitel fünf: Lyrik, Roman, Versroman, Fusion Fiction sehen wir, wie sie systematisch die Entwicklung ihrer Stärken betrieben hat, wie sie nach Scheitern immer weiterarbeitet, manches fünfmal umschrieb, bis es zu dem wurde, was sie vorhatte. „Wer Geschichten erzählt, muss alle inneren und äußeren Hürden überwinden und der Hingabe an Ehrgeiz, harte Arbeit, Handwerk, Originalität und Unaufhaltsamkeit immer den Vorrang geben.“

Besonders originell fand ich die Phase, als sie ihr lesbisches Zeitalter beenden wollte, und detailliert beschreibt, was sie am Outfit ändern musste, um auf Männer zu wirken. Es half: Seit einigen Jahren lebt sie mit David, dem Großen, zusammen, wie er in der Danksagung genannt wird.

Ein wichtiger Aspekt ist ihr der Platz, den wir in der Ahnenreihe einnehmen. So endet das Manifest mit folgenden Absätzen:

„Was wir wissen, müssen wir an die nächste Generation weitergeben und denen, die uns helfen, müssen wir unseren Dank aussprechen — kein Mensch kommt je allein ans Ziel.

Und hinter uns schwanken schweigend die Ahnen, die toten ‚Seelen der Verblichenen, die der Grund dafür sind, dass es uns gibt — an sie müssen wir immer denken.“

Sie tut es auch, in dem jedes Kapitel in allen Sprachen nummeriert wird, die von ihren Ahnen gesprochen worden waren. Ich habe das Buch auf Englisch gelesen. Die Übersetzung war stimmig. Leider hat die Übersetzerin in der deutschen Fassung die Nummerierungen in Deutsch weggelassen. Ob das im Sinne von Bernhardine ist?


Genre: Gesellschaft, Multikulti, Rassismus
Illustrated by Tropen Verlag

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