Stefan Ripplingers Essay “Kunst im Krieg: Kulturpolitik als Militarisierung” ist ein ambitioniertes und differenziertes Werk, das die Verflechtungen von Kunst, Kulturpolitik und den Mechanismen der Macht in Zeiten von Krise und Krieg analysiert. Das Buch ist ein Appell für die Unabhängigkeit der Kunst und eine kritische Auseinandersetzung mit ihrer Instrumentalisierung durch Politik und Gesellschaft.
Inhalt
Ripplinger gliedert sein Werk in mehrere thematische Abschnitte, die jeweils unterschiedliche Facetten der Militarisierung der Kultur beleuchten. Er beginnt mit einem Vorwort, in dem er die Brisanz des Themas skizziert und erklärt, wie die gesellschaftlichen Krisen der letzten Jahre, insbesondere die Corona-Pandemie und der Ukraine-Krieg, Kunst und Kulturpolitik tiefgreifend verändert haben. Diese Einleitung dient als Auftakt für eine kritische Auseinandersetzung mit der Frage, ob und wie Kunst in Zeiten politischer Polarisierung und gesellschaftlicher Umbrüche ihre autonome Rolle bewahren kann.
- Historische Wurzeln der Militarisierung
Im ersten Kapitel beschreibt Ripplinger, wie antimilitaristische Kunst in der Vergangenheit verfolgt wurde. Er erinnert an die repressiven Maßnahmen der Weimarer Republik, die nationalsozialistische Gleichschaltung und die restriktiven Kulturpolitiken der Nachkriegszeit. Diese historische Perspektive verdeutlicht, wie Kunst und politische Macht seit jeher in einem Spannungsverhältnis standen.
- Kunst in der Pandemie
Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Corona-Pandemie, die Kunst und Kultur radikal veränderte. Ripplinger analysiert, wie Kunst zunächst als „systemirrelevant“ abgewertet wurde, um später als Mittel der sozialen Kohäsion und Propaganda instrumentalisiert zu werden. Diese Phase sieht der Autor als Vorbote einer umfassenden Transformation, die die Beziehung zwischen Kunst und Staat grundlegend veränderte.
- Der Ukraine-Krieg und die Instrumentalisierung der Kunst
Im Kapitel „Male mir Blau und Gelb“ widmet sich Ripplinger der Instrumentalisierung der Kunst während des Ukraine-Kriegs. Er zeigt auf, wie kulturelle Institutionen und Künstler durch politische Narrative vereinnahmt wurden. Künstler, die sich nicht klar auf die Seite des westlichen Konsenses stellten, wurden ausgeladen, diffamiert oder zensiert. Besonders eindringlich beschreibt er, wie die Trennung von Kunst und Politik zunehmend aufgehoben wurde, indem Kunst zur Unterstützung militärischer und geopolitischer Interessen instrumentalisiert wurde.
- Die Rolle der Medien
Ein zentrales Kapitel ist der Medienlandschaft gewidmet. Ripplinger analysiert, wie sich Medien in Krisenzeiten freiwillig oder unfreiwillig mit staatlichen Interessen verbündeten. Er beschreibt, wie die Berichterstattung während der Corona-Pandemie und des Ukraine-Kriegs einer strikten Polarisierung folgte und kritische Stimmen systematisch marginalisiert wurden.
- Documenta und die Zensur von Kunst
Besonders aufschlussreich ist Ripplingers Analyse der Documenta fifteen. Hier untersucht er, wie die Debatte um Antisemitismusvorwürfe dazu genutzt wurde, unliebsame Positionen und Künstler auszugrenzen. Die Documenta wird zu einem Sinnbild für die gegenwärtigen Konflikte zwischen Kunstfreiheit, politischer Korrektheit und den Interessen der Machteliten.
Stil und Sprache
Ripplingers Stil ist klar und analytisch, jedoch immer wieder durchzogen von einer leidenschaftlichen Polemik, die das Werk lebendig macht. Seine Argumentation ist umfassend recherchiert und stützt sich auf eine Vielzahl von Quellen, von historischen Dokumenten bis hin zu aktuellen Fallbeispielen. Dabei gelingt es ihm, komplexe Zusammenhänge anschaulich darzustellen und seine Thesen scharf zu formulieren.
Fazit
„Kunst im Krieg“ ist ein eindrucksvolles, intellektuell anspruchsvolles Buch, das die Leserinnen und Leser dazu einlädt, über die Rolle der Kunst in Zeiten politischer und gesellschaftlicher Umbrüche nachzudenken. Ripplinger gelingt es, sowohl historische als auch zeitgenössische Entwicklungen zu analysieren und in einen größeren Kontext zu stellen. Sein Werk ist gleichermaßen ein Mahnruf vor der Instrumentalisierung der Kunst wie ein leidenschaftliches Plädoyer für ihre Freiheit.
Dieses Buch ist nicht nur für Kunstschaffende und Kulturpolitiker relevant, sondern für alle, die sich mit den Wechselwirkungen von Kunst, Macht und Gesellschaft auseinandersetzen wollen. Es ist eine ebenso aufrüttelnde wie inspirierende Lektüre, die lange nachwirkt.