Lichtspiel

Wenig nachhaltiges Biopic

Mit seinem neuesten Roman «Lichtspiel» hat Daniel Kehlmann dem in der Weimarer Zeit äußerst erfolgreichen, österreichischen Filmregisseur Georg Wilhelm Pabst literarisch ein Denkmal gesetzt. Nach der auch in anderen seiner Romane bewährten Methode erzählt der Autor eine fiktive Geschichte, die sich um die reale Figur seines heute kaum noch bekannten Protagonisten rankt, wobei die Problematik künstlerischen Schaffens in einer unmenschlichen Diktatur den thematischen Schwerpunkt bildet.

Der dreiteilige Roman beginnt unter dem Titel «Draußen» in der Emigration des Regisseurs, der als «Roter Regisseur» wegen seiner politischen Überzeugungen in Nazi-Deutschland keine Zukunft mehr für sich gesehen hat und nach Hollywood gegangen ist, obwohl er von der «Filmkunst» dort wenig hält. Eines Tages bekommt er überraschend Besuch von einem Abgesandten des Propaganda-Ministers Goebbels, der ihn nach Deutschland zurückholen will und ihm künstlerische Freiheit und beste Arbeitsbedingungen verspricht. Trotz verlockendem Angebot lehnt Pabst empört ab. Als ihn ein Telegramm zu seiner kranken Mutter zurückruft, reist er mit Frau und Sohn für drei Tage nach Österreich, das inzwischen Ostmark heißt, um sie in einem Pflegeheim nahe Wiens unterzubringen. Am Tag nach ihrer Ankunft bricht der lange erwartete Krieg tatsächlich aus, die Grenzen werden geschlossen, er kann nicht mehr zurück in die USA. Bald darauf wird er zu Goebbels gerufen, der ihm unmissverständlich klarmacht, dass seine Verweigerungs-Haltung böse Konsequenzen für ihn haben würde in Anbetracht seiner kommunistischen Gesinnung. Pabst steigt also notgedrungen wieder ein ins Filmgeschäft und dreht einige erfolgreiche Filme. Sein letztes Werk unter dem Titel «Der Fall Molander» über einen virtuosen Geiger wird wegen der ständigen Luftangriffe in Prag gedreht, wobei der Produzent für eine Massen-Szene im Konzertsaal als Publikum auf KZ-Häftlinge zurückgreifen muss, weil fast alle Männer im Krieg sind. Im Publikum meint er, seinen früheren Arzt als abgemergelte Gestalt wieder zu erkennen, verdrängt dies aber entsetzt sofort wieder. In «Danach», dem kurzen dritten Teil des Romans, wird die Nachkriegszeit beleuchtet mit ihren trivialen Produktionen, die das Volk von den Traumata des Krieges erlösen sollen.

Der Recherchefleiß von Daniel Kehlmann ist auch in diesem Roman beachtlich, sehr anschaulich führt er seine Leser in die Problematik des Filmgeschäfts ein, schildert die verschiedenen Aufgaben der Beteiligten, vom Produzenten über Drehbuchautor, Regisseur, Kameramann, Beleuchter, Maskenbildner und all den anderen dienstbaren Geistern, die da tätig sind. Auch die täglichen Pannen, Rückschläge und erforderlich werdenden Improvisationen sind anschaulich beschrieben, alles steht unter Zeit- und Gelddruck, das Chaos ist der Normalzustand. Natürlich trifft man bei der Lektüre des Romans auf die Filmgrößen der damaligen Zeit, so hat Pabst Leni Riefenstahl bei deren Monumentalwerk «Tiefland» unterstützt, hat mit Greta Garbo gedreht und ist unter anderen mit Heinz Rühmann auch privat gut befreundet. Er ist immer noch wer in der Szene und tauscht sich regelmäßig mit Kollegen wie Fritz Lang oder Helmut Käutner aus.

Von den Feuilletons zum Teil euphorisch hochgejubelt, ist dieser Roman des Erfolgsautors über moralisches Versagen – nach «Tyll» vergleichsweise – ziemlich enttäuschend. Slapstickartige Szenen wie die in Goebbels Büro oder der dilettantische Lesekreis der Nazifrauen, an dem Trude Pabst teilnimmt, irritieren eher, als dass sie zum Lesegenuss beitragen. Stilistisch enttäuschend bieder, mit ständig wechselnder Erzählperspektive den Plot regelrecht zerstückelnd, ohne psychologische Tiefenschärfe an der Oberfläche bleibend, ist die Lektüre zwar durchaus interessant, aber alles andere als meisterlich! Sie hinterlässt beim Lesen keine nachhaltigen Spuren, woran auch die schwache Figurenzeichnung Schuld trägt, man hat das Roman-Personal schon vergessen, wenn man das Buch zuschlägt.

Fazit:   mäßig

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Genre: Roman
Illustrated by Rowohlt

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