Buenos Aires. Eine literarische Einladung: Timo Berger hat für den vorliegenden literarischen Spaziergang Autorinnen und Autoren ausgewählt, die sämtlich in Buonos Aires geboren oder beheimatet sind. Für Wagenbach hat Timo Berger auch Anthologien zu argentinischer und brasilianischer Literatur herausgegeben. Die vorliegenden Ausschnitte aus längeren Texten stammen aber natürlich von jeweils anderen Übersetzern.
Die Stadt der Gegensätze
Buenos Aires das ist Tango, Fußball, die höchste Psychoanalytiker-Dichte der Welt und: …Cartoneros. Die Müllsammler von Buonos Aires fingen nach der Krise von 2001 damit an, Kartons und Papier zu sammeln und wurden bald zum bleibenden Symbol der krisengeschüttelten argentinischen Hauptstadt. Drei Millionen leben in ihr und 12 Millionen um sie herum. Denn die Viertel der Mittelschicht werden von den Marginalisierten in ihren Villas Miserias quasi umzingelt, wie Martín Caparrós in seinem Beitrag, „Die bedrückte Stadt“, schreibt. Auch der Himmel habe sich verdunkelt, denn eine Menge Kabel, durch die gestohlener Strom fließt, hängen über den Gassen der Elendsviertel. Die nach Fett riechende Luft, das Geschrei der Verkäufer und der Lärm der Cumbias und anderer in den Villas populärer Lieder erfreut aber alle „porteños“ – ob arm oder reich. Aber vielleicht gibt es ja bald Roboter. Nur wohin dann mit den Armen, frägt der Autor provokant?
Die Farben der Avenida Corrientes
Robert Arlt beschreibt eine lebendige Straße, die Corrientes, bei Nacht, „die Straße des Tangos, der Schwärmerei; Straße, an die sich bei Tagesanbruch bläulich färbt und dunkel wird, weil ihr Leben nur im künstlichen Methylenblau, Kupfersulfatgrün und Pikrinsäurengelb möglich ist“. Auch Gabriela Cabezón Cámara schwärmt von ihrem Viertel, kämpft sie als Hausbesetzerin doch für den Erhalt der alten Bausubstanz und die Schönheit des ursprünglichen Buenos Aires, das nicht umsonst übersetzt „gute Luft“ bedeutet. Ob es ein Fehler war, frägt sich wiederum Martín Kohan in seinem Beitrag mit dem Titel „Der Fehler“. Seine Geliebte verlässt ihn Richtung Uruguay mit einem Schiff, das in einer knappen Stunde Fahrzeit das andere Ufer erreicht. Der Protagonist leidet so sehr unter seiner Sehnsucht, dass er sich den Nordwind herbeisehnt, der selbst den Río de la Plata (den Fluss aus Silber) trocken legt. Aber was tun, wenn man mit den Füßen mitten im Schlamm des Flussbettes feststeckt und die Flut wieder zurückkommt?
Europa in Lateinamerika
Buenos Aires hat für alle etwas zu bieten. Europa und Lateinamerika treffen sich hier wie nirgends anders: Das Spanische klingt hier italienisch; englische, polnische oder deutsche Namen sind so häufig wie Empanada-Stände neben eleganten Kaffeehäusern und Art-déco-Gebäuden nach Wiener oder Pariser Vorbild. Wer die vorliegende „literarische Einladung annimmt“, erlebt eine lebhafte linke Protestkultur und frenetische Fußballfans, die bildschönen Buchhandlungen auf der Avenida Corrientes oder den Schelmenroman eines Hausmeisters und das intime Tagebuch eines Flaneurs.
Mit zahlreichen erstmals ins Deutsche übersetzten Texten von César Aira, Roberto Arlt, Jorge Luis Borges, Martín Caparrós, Julio Cortázar, Gabriela Cabezón Cámara, Leila Guerriero, Pola Oloixarac, Alan Pauls, Ricardo Piglia, Samanta Schweblin, Tamara Tenenbaum u.v.a.m.
Timo Berger (Hg.)
Buenos Aires
Eine literarische Einladung
SALTO [245]. 2019
144 Seiten. Rotes Leinen. Fadengeheftet. Gebunden mit Schildchen und Prägung
18,– €
ISBN 978-3-8031-1344-3
Wagenbach Verlag