Das Schlupfloch

Bei vielen Aufenthalten an diversesten Orten dieser Welt hat es sich für mich als netten Einstieg ins Lokalkolorit erwiesen, ein Buch eines Schriftstellers aus der Region zu lesen. Man erfährt viel über die Kultur, die Denke, den sprachlichen Slang und bekommt nebenher manchmal auch Tipps für angesagte Cafés, gute Restaurants und aktuelle In-Locations. Besonders eignen sich Krimis mit ihren meist rasch wechselnden Schauplätzen. So auch die Intention bei Mike Nicols Roman „Das Schlupfloch“. Nicol lebt in Kapstadt und gilt sogar international als zunehmend beachteter Autor im Genre Kriminalromane.

In der Tat reihen sich im Handlungsverlauf eine Vielzahl angesagter Lokalisationen wie eine Perlenkette aneinander (Surfers Corner in Muizenberg, Lilly`s in der Beach Road, die Lounge Bar im One & Only, der Leuchtturm am Sea Point und ganz viele mehr), jedoch ist das Aufwand/Nutzen-Verhältnis bei diesem Buch so miserabel, dass jeder Marco-Polo-Reiseführer über Kapstadt nicht nur strukturierter, sondern auch spannender ist. Eine unüberschaubare Anzahl an Akteuren quält sich durch die Handlung, die alle irgendwie zum südafrikanischen Geheimdienst oder zur CIA gehören. Oder vielleicht doch nicht. Jeder hört jeden ab und/oder fühlt sich verfolgt. Durchgehend völlig unübersichtlich und weit über das an Geheimniskrämerei und Nebelkerzen hinausgehend, was ein guter Krimi ein Stück weit braucht. Hätte es einen nicht schon skeptisch machen müssen, dass im Vorspann eine Übersichtsliste der handelnden Personen eingefügt wurde? Möglicherweise eine Notmaßnahme eines völlig überforderten und verzweifelten Lektors.

Als wahrscheinlich auch Autor Mike Nicol am Ende die Übersicht verloren hat, inszeniert er als Notausgang aus der Handlung ein echtes Finale furioso, ein Schlupfloch, um das Ding irgendwie zu Ende zu bringen. Jeder erschießt jeden. Von der Liste der Akteure am Anfang sind dann am Ende folgerichtig mehr als die Hälfte tot. Wer sinnloses, wildes Abschlachten in Krimis mag (und vielleicht auch Kettensägen-Horrorfilme), ist in diesem Buch richtig, aber Tipp: um dieser Leidenschaft zu frönen, genügen die letzten 40 der über 400 Seiten.

Alle anderen seien gewarnt – bitte keinen Bogen um das wunderschöne Kapstadt machen, nur um dieses Buch.


Genre: Kriminalliteratur, Kriminalromane
Illustrated by btb Verlag

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