Träume gehen nie in Rente

Aufgrund seiner liebevollen gestalteten Aufmachung springt dieses im Espresso-Table-Format produzierte Büchlein dem Leser sofort ins Auge. Dazu tragen vor allem die farbenfohen Collagen der DaDa-Künstlerin Ursula Bachmann bei, die der Publikation ein unverwechselbares Gesicht geben und sie zum Augenschmaus machen. Sie umspielen die Kurzprosa von KarlHeinz Karius, der sich mal als Aphoristiker, mal als Verseschmied präsentiert

Auf einem dem Buch beigefügten – ebenfalls grafisch perfekt gestalteten – Lesezeichen erfährt der geneigte Leser mehr über das vom Autoren ersonnene »Karius-Rating«. Damit sollen die einzelnen Aussagen des Buches hinsichtlich ihres Nutzens bewertet werden. Lege ich diese Latte an, dann bewegt sich der Band insgesamt zwischen »3 K« = »Olala! Schaun wir mal, dann sehn wir schon: prüfenswert!« und »Mega K« = »Hallelujah! PremiumErkenntnis! Kaum zu toppen!«


Genre: Kurzprosa
Illustrated by WortHupferl Leonberg

Mama, jetzt nicht!

Dass ein Autor wie Daniel Glattauer, der in der Hochliteratur mit »Gut gegen Nordwind« brilliert, in den Niederungen des Tagesjournalismus alles andere als erstklassig auftritt, beweist die vorliegende Veröffentlichung, die seine Glossen aus der österreichischen Tageszeitung »Der Standard« sammelt.

Angesprochen werden Leser zwischen Wien, Salzburg und St. Pölten, die des österreichischen Idioms mächtig sind, denn viele der Texte enthalten Begriffe, die dem hochdeutschen Leser kaum geläufig sein dürften. Wer sich indes als deutscher Leser dafür interessiert, was »Gackersackerl« oder »Grantprofis« sind, wer wissen will, ob man sich in Österreich mit »Grüß Gott« oder »Mahlzeit« begegnet, ob die SPÖ Musil liest, was ein »Röster« oder ein »Pantscherl« ist, der erfährt in den 165 ultrakurzen Texten Neues und Wissenswertes.

Wie Glattauers Verlag den eher unverschämten Preis von € 8,99 für die E-Book-Ausgabe des Buches rechtfertigt, hat sich mir während der Lektüre des Werke nicht erschlossen.


Genre: Kolumnen
Illustrated by Goldmann München

Das Leben ist ein Baumarkt

Wer hat nicht schon mal in einem Baumarkt nach der Lösung eines kleinen Problems im eigenen Heim gesucht, für das ein entsprechendes Utensil, eine Schraube, ein Verschluss, ein Werkzeug oder was auch immer fehlte. Den Nicht-Handwerker stellt bereits die Suche nach dem richtigen Regal auf eine harte Probe und just aus dem Grund begibt der Hilflose sich gern in die Hände eines fachkundigen Beraters. Dieser ist indes oft noch schwieriger zu finden als der gesuchte Gegenstand selbst, er befindet sich scheinbar ständig auf der Flucht oder wird bereits von anderen Ratsuchenden umlagert, die auf weise Worte warten wie die Gläubigen am Petersplatz in Rom.

Das vorliegende Buch verschafft nun der anderen Seite Gehör. Der Autor, nach eigenem Bekunden Abteilungsleiter eines Baumarktes, durchbricht das Klischee des Fachberaters. Er tritt sachkundig, intelligent und serviceorientiert auf, kennt die Schwächen seiner Kollegen ebenso gut wie die seiner Chefs. Vor allem kennt er aber seine wichtigsten Pappenheimer, die Kunden, denen der überwiegende Teil seiner oft sarkastischen Betrachtungen gewidmet ist. Dabei ärgert er sich besonders über die »Vollpfosten« in Internetforen, die irgendwelche Produkte empfehlen, »die es einfach nicht gibt« und damit den Kunden desinformieren.

Trompetter schildert seine Klientel in allen denkbaren Schattierungen. Er typisiert die Menschen, die sich in seinem Fachgebiet »Fliese« einfinden und teilweise zu bescheuert sind, die erforderliche Menge Steingut für eine vorgegebene Raumgröße zu berechnen. Er rächt sich dann damit, dem Kunden die teuerste Fliese zu empfehlen und freut sich diebisch, wenn dieser darauf hereinfällt. Schadenfreude ist dem Fachberater alles andere als fremd, es wäre für Psychologen ein interessantes Unterfangen, den Charakter des Autors anhand seines Buches eingehend zu analysieren.

Gleichwohl vermag sich der Leser mit dem Fachberater zu solidarisieren, wenn der erraten soll, was König Kunde meint, wenn er »Beton für untendrunter« (Fliesenkleber) oder »Was Rotes, wenn einem mal was raushängt« (rote Fahne zum Markieren überstehender Ladung) sucht. Clever und geschäftstüchtig geht er mit Leuten um, die reklamieren wollen. Kommt ein Kunde mit einer unbrauchbaren Silikonkartusche aus einem anderen Baumarkt, macht er ihn nicht etwa auf seinen Fehler aufmerksam, sondern lässt ihn geduldig Regalreihen durchstreifen und nach dem Produkt suchen, bis dieser selbst seinen Irrtum erkennt und entnervt Silikon samt Kartuschenpresse bei ihm kauft. Hätte er ihm gleich gesagt, wo die Kartuschen her sind, wäre er straks dorthin gegangen, um sich zu beschweren. So hat er wenigstens bei ihm gekauft.

Die Lektüre dieser Veröffentlichung schenkt Spaß, denn sie birgt die Gefahr, sich selbst zu erkennen.


Genre: Humor und Satire
Illustrated by Riva Verlag München

Der andere Frühling

Ein hochwertig gearbeitetes Hardcover, das mir der glückliche Zufall in die Hände spielte, kündigt einen lyrisch-musikalischen Spaziergang durch Riddagshausen an. – Riddagshausen? – Wikipedia, ohne dessen Hilfestellung ich verloren wäre, weiß, dass es sich um ein historisch gewachsenes Naturschutzgebiet im Osten von Braunschweig handelt, dessen Kern ein altes Teichgebiet bildet.
Hier spaziert der Autor also offensichtlich gern; hier fotografiert und verdichtet er im wahrsten Wortsinn seine Eindrücke in Gedichte nach klassischem Versmaß. Zwölf Lieder sind auf diese Weise entstanden. 43 vollfarbige Fotos illustrieren großzügig die Texte und verstärken sie damit in ihrer Wirkung.
Thematisch geht es um die Erwartung des Menschen nach dem Licht, das auf die kalte Zeit folgt. Der Autor spiegelt die Hoffnung auf die Befreiung von eisigen Fesseln wie die Sehnsucht nach Ablösung von winterlichem Trübsinn und Schwermut durch des Frühlings farbenversprühenden Frohsinn. Er beschreibt den Aufbruch der Natur in neues Leben als Aufforderung an den Menschen, sich aufzurichten und neue Wege einzuschlagen.
Die Sammlung beginnt mit dem Klanggedicht »Winterüberdruss«, einem klassisch gearbeiteten Sonett mit 14 metrisch gesetzten Zeilen. Diese Gedichtform beherrscht Eberhard Kleinschmidt formvollendet, wie er bereits mit seinem Band »Stationen – Sonette um Freundschaft und Liebe – Ein Zyklus« bewiesen hat.
Kleinschmidts lyrischer Bilderbogen ist insgesamt klangbetont gearbeitet und in unterschiedliche Reimschemata gefasst. Der Dichter verwendet als Versilbungsprinzip konsequent Endreime, die mal männlich stumpf, mal weiblich klingend, mal dreisilbrig reich auftreten.
Einen Höhepunkt des Buches bildet die Ballade »Der neue Pygmalion«. Hier schildert der Autor die Kraftlosigkeit des sagenhaften Bildhauers, der verzweifelt am Boden liegt, als sich ein Fenster öffnet und der hereinströmende Frühling ihn und seine Leidenschaft neu erweckt. Pygmalion schafft aus einem Marmorblock eine Traumgestalt, die ihm den knospenden Frühling verkörpert und die durch die Macht der Götter schließlich zum Leben erweckt wird.
Dieser ursprüngliche auf Ovid basierende Stoff wurde von George Bernard Shaw zu einer Komödie verarbeitet, die wiederum Grundlage für das Broadway-Musical »My Fair Lady« war. Damit schließt sich der Bogen zum Lied »Es grünt so grün …« und Klavierimprovisationen, mit denen Peer Kleinschmidt auf einer beiliegenden CD die Texte rahmt und klangmalerisch nachzeichnet. Auf der CD werden die zwölf Gedichttexte vom Autor selbst vorgetragen, der sich in der gelungenen Vater-Sohn-Präsentation auch nach als Rezitator profiliert.
So entstand im Ergebnis ein kleines Gesamtkunstwerk, das Freunden klassischer Dichtkunst Anregung und Freude beschert.


Genre: Lyrik
Illustrated by Unbekannter Verlag

Hurenehre

zack_hurenehreTreibt in Zürich eine Organmafia ihr Unwesen? Die Mädels, die im Kreis 4 auf den Strich gehen, bangen um ihr Leben. Aus der Perspektive eines ehemaligen sizilianischen »Vollstreckers«, der als Barmann arbeitet, wird aus dem Leben der Bordsteinschwalben berichtet.

Luigi, der Ich-Erzähler, erzählt seine Story: Seine erste Station in Zürich ist das »Rialto« an der Rosentalbrücke. Dort ist er tätig, bis an einem Abend drei PKW langsam am Lokal vorbeifuhren, in denen jeweils vier Männer sitzen. Er entkommt durch einen Hinterausgang. In der Zeitung steht später, die Polizei habe einen Drogenring zerschlagen.

Im nächsten Club, in dem er tätig ist, kümmert er sich um die Prostituierten, die von ihren Freiern teilweise böse misshandelt werden. Doch er entwickelt auch eigene Bedürfnisse und kuschelt mit Chantal aus Brasov, in die er sich schließlich verliebt …

Eine Hure sei wie ein Schmetterling, dem das Leben die Flügel gebrochen hat, meint der Verfasser dieses Romans. Eddy Zack, das Alter Ego von Autor Detlef Crusius, erzählt seine Geschichte unprätentiös und dicht. Da ist nichts Überflüssiges, Crusius beschränkt auf das Wesentliche ohne hypotaktischen Verschraubungen. Es dominiert die Parataxe. Der Leser wird klar und leicht von einem Ereignis zum nächsten geführt.

Eddy Zack ist ein Lesevergnügen!


Genre: Kriminalliteratur
Illustrated by Kindle Edition

Montags sind die Eichhörnchen traurig

Eichhörnchen Montag Happy End. Die Guten haben ein verdient gutes, die Bösen ein verdient böses Ende bekommen. Alle sind glücklich.
Bis auf die Eichhörnchen und den Leser.

Nachdem wir 2011 die Welt mit den gelben Augen der Krokodile sahen und 2012 den langsamen Walzer der Schildkröten tanzten, ist der Leser in diesem Jahr nun mit den Eichhörnchen traurig. Traurig aus nur einem einzigen Grund: Weil er sich mit dem dritten Band der Josephine-Trilogie, mit der sich die französische Überraschungs-Erfolgsautorin Katherine Pancol in die Herzen von Millionen Lesern geschrieben hat, von liebgewonnenen Charakteren und wundersamen Geschichten verabschieden muss.

Aber vor die Trauer hat die Autorin das Lesen gestellt. Und zum dritten Mal in Folge enttäuscht sie nicht, wird den mittlerweile hoch geschraubten Erwartungen gerecht. Die ersten Rezensionen des dritten Teils, die im letzten Jahr aus Frankreich rüberschwappten, waren nicht eindeutig positiv. Keine Ahnung warum, vielleicht ist auch einfach mein Französisch zu schlecht. Ich für meinen Teil habe auf jeden Fall wiederum keine 20 Seiten Lektüre gebraucht, um vollends in den Bann der Geschichte gezogen zu sein und am liebsten die ganzen 823 Seiten in einem einzigen Rutsch zu lesen. Eichhörnchen sind zwar keine Schildkröten, aber Walzer tanzen können sie auch.

Einmal noch dürfen wir ein Wiedersehen mit der ganzen verrückten Sippschaft feiern. Diesmal steht kein einzelner Protagonist im Vordergrund, allen Charakteren wird gleichberechtigt Raum gegeben, alle Handlungsstränge werden zusammengeführt – schließlich ist es ja auch eine erkleckliche Menge an Geschichten, die zu Ende erzählt werden wollen, auf deren Inhaltsangabe hier aber aus Gründen des Lesevergnügens weitestgehend verzichtet wird.

Zu Beginn des dritten Teils spürt man die Nachbeben der schrecklichen Ereignisse, mit denen Band zwei endete. Die Wogen sind noch lange nicht geglättet, aber sie sind dabei, abzuebben. Josephine durchquert noch einmal ein Tal der Tränen, bevor sie zu sich selbst und ihren Bedürfnissen findet, als Vorbild dient dabei durchaus ihre ehrgeizige Tochter Hortense, der der Erfolg Recht gibt. Shirley muss sich von ihrem Sohn Gary abnabeln und umgekehrt, ihre verrückte Geschichte und das, was diese Geschichte mit ihr gemacht hat, bekommt breiten Raum. Nicht fehlen darf natürlich auch der naseweise Junior, seine knuddeligen Eltern und schon mal gar nicht die abgrundtief böse Mutter Josephines.

Es bleibt beim Charakter eines modernen Märchens. Ausgiebig wird wieder Stellvertreter-Gerechtigkeit geübt, die böse Hexe wird zwar nicht auf den Scheiterhaufen, aber immerhin aus ihrer Wohnung gezerrt. Einige wenige neue Figuren werden sparsam eingeführt, gerade diese tragen aber zur Katharsis bei. So wie Josephines ehrgeizige Tochter Hortense unermüdlich auf der Suche nach dem gewissen Etwas ist, so ist es auch die Autorin. “Manche Menschen leben wie hinter einem Nebelschleier und dieser Schleier muss sich erst heben. Aber alle haben – auch ohne es zu wissen – einen Platz hinter dem Nebel.”

Katherine Pancol hat ihren ganz eigenen, sehr besonderen Stil. Sie liebt Sprache und behandelt diese genauso sorgfältig wie ihre Charaktere und Geschichten. Man merkt, dass die Autorin sich viel Arbeit mit ihren Büchern macht. Bei aller Phantasie sind ihre Bücher immer sorgfältig recherchiert, die Geschichten an keiner Stelle hingeschludert. Wohlgemerkt, viel Arbeit! Keine Mühe. An den Worten, die sie Josephine über das Schreiben in den Mund legt, merkt man deutlich, wie viel Freude die Autorin an ihren Figuren und ihrer Erzählung hat. Genau dieses Fehler jeglicher Last zeichnet Pancols Schreibstil aus. Die Bücher – insgesamt fast zweieinhalbtausend Seiten – wirken an keiner Stelle bemüht, ihre Sätze sind mit leichter, froher Feder geschrieben. An keiner Stelle gibt sie dem heute üblichen Drang, alles zu verdichten, nach und gibt ihrer Geschichte Raum und Zeit. Ich bleibe dabei: eine Scheherazade im besten Sinne.

Fazit: Alle drei Bände dieser außergewöhnlichen Trilogie sind ein seltener Glücksfall für alle, die Schmöker lieben. Selten noch hat man so mitreißend über Erfolg, Demut, Lügen, Verrat, Familien, die Liebe und das Leben gelesen.

Kleine Bemerkung am Rande: Meiner Meinung nach eignen sich alle drei Bände außerordentlich gut für Lesekreise. Ich habe alle Bände zeitgleich mit einer Freundin gelesen und sich über die verschiedenen Charaktere und ihre Entwicklung auszutauschen, war noch einmal ein Extra-Vergnügen für sich.

Diskussion dieser Rezension im Blog der Literaturzeitschrift


Genre: Romane
Illustrated by Bertelsmann München

Abaton – Im Bann der Freiheit

Abaton Teil drei

Der Kreis ist geschlossen, das Gute hat gesiegt. Allerdings nur um Haaresbreite. Der finale Band der Abaton-Trilogie des Autorenduos Christian Jeltsch/Olaf Kraemer ist erschienen und zieht den Leser tief in den Bann der Freiheit. Nach dem spannungsgeladenen ersten beiden Teilen muss sich im dritten Teil der Jugendbuch-Trilogie nun das Rätsel um Abaton klären.

Rückblick: Edda, Simon und Linus sind drei ganz unterschiedliche Jugendliche. Sie lernen sich in einem Feriencamp kennen, entdecken seltsame Gemeinsamkeiten und bilden gemeinsam eine “kritische Masse”, die Erstaunliches bewirken kann. Vom im zweiten Weltkrieg kaltgestellen Wissenschaftler, der eine erstaunliche, die Welt zu ändern vermögende Entdeckung machte bis hin zu Fragen von brennender Aktualität – Stichwort Prism – spannt sich der Bogen der Abaton-Trilogie. Im Bann der Freiheit nun müssen die Autoren beweisen, dass sie die vielen gesponnenen Fäden wieder zusammen und die Welt in eine wie auch immer geartete Balance zurück führen können. Es gelingt ihnen, wenn auch teils unter Zuhilfenahme sehr “lostiger” Erzählstränge und Ideen. An manchen Stellen sieht man Damon Lindelof (Drehbuchautor der Serie Lost) förmlich freundlich winken.

Edda und Simon, die im Cliffhanger von Band zwei mit Kurs auf ein unbekanntes Ziel verschwanden, finden sich auf einer Plattform mitten im Meer wieder. Dort haben sich auf Hochtechnologie spezialisierte Rebellen versammelt, die den ultimativen Schlag gegen GENE-SYS und die Macht des Geldes planen. Edda, Simon und Linus sind mit ihrer Fähigkeiten der wichtigste Teil des Planes. Doch Linus bleibt verschwunden und so mißlingt der erste Versuch eines großen Showdowns. Die Rebellen werden bis auf wenige vernichtet, das Böse droht unaufhaltsam seinen Lauf zu nehmen. Die Chance, Linus und mit ihm Abaton noch zu retten, ist erschreckend gering.

Dieser erste Teil auf der Plattform ist spannend, rasant und teilweise atemberaubend. Danach jedoch droht die Geschichte zu kippen, nur mühsam fängt sie sich wieder. Alle Protagonisten tauchen noch einmal auf, alle Geschichten werden geklärt. Das Gute siegt. Allerdings nicht, ohne dafür einen hohen Preis zu bezahlen. Damit bleiben die Autoren ihrer bewusst ehrlichen Erzählweise treu. Wie immer verkneifen sie sie sich auch Anbiederung und Oberlehrer-Gehabe. Das Buch bewirkt sicher eine Sensibilisierung für die Gefahren des Internet, eine moralische Instanz hingegen will es dankenswerterweise nicht sein. Edda, Simon und Linus dürfen Fehler machen, die Autoren gestehen ihnen sogar Aggressivität zu. Dabei werten sie das Verhalten ihrer Protagonisten nie oder versuchen, diese in Schutz zu nehmen. In Band zwei war der Unterton sehr düster, auch Band drei nimmt diesen ernsten Ton auf, allerdings schimmert Hoffnung durch. Vielleicht auch, weil Band drei stärker noch als die beiden anderen in der Erlebniswelt jugendlicher Leser verankert ist.

Wie alle Teile ist auch der dritte wieder aufwändig gestaltet, hochwertige typographische Illustrationen ergänzen das Lesevergnügen. Anders aber als in den ersten beiden Teilen haben die Autoren das Stilmittel Drehbuch weitestgehend verlassen und begeben sich mehr in die traditionelle Romanform. Die offizielle Altersangabe lautet ” für Jugendliche ab 14, aber wie jedes gute Jugendbuch auch für Erwachsene”. Dazu bleibt zu sagen, dass der Ton der Erzählung gleich dem Älterwerden seiner Protagonisten erwachsener wird. So ist es sicher gut, wenn man mit der Trilogie im gleichen Alter wie Edda, Linus und Simon (14) anfängt und dann mit ihnen Jahr für Jahr erwachsener wird. So wie Malte, der Abaton von Anfang an begleitet hat. So auch diesmal, gute Tradition in der Literaturzeitschrift: Das Wort hat der Vertreter der Zielgruppe 

Malte, 16 Jahre

Wie bereits erwähnt, habe ich die beiden vorangehenden Teile gelesen und rezensiert. Während der erste Teil mich beeindruckte, kränkelte der zweite Teil an zähen Passagen, besonders im ersten Teil des Buches.

Doch wie hat sich der dritte Teil geschlagen? Es fängt mit vielen Erzählsträngen an, die am Anfang noch etwas zusammenhangslos dastehen, sich mit der Zeit aber immer mehr verdichten und am Ende hat man eine Vereinigung dieser verschiedenen Handlungen zu einer. Die Art und Weise, wie die Autoren dies bewerkstelligt haben, hat mich sehr beeindruckt und an das Buch gefesselt, ebenso wie die grundsätzlich spannende Handlung, die aus dem Erscheinen neuer Figuren und dem Wiederauftauchen von alten Bekannten besteht.

Das Buch nimmt ein bißchen Abstand vom “Wir machen die Welt perfekt”, gibt diese Thematik jedoch nicht ganz auf und schafft es so, dieses in vorher schon zwei Büchern behandelte Thema aufzufrischen und in eine neue Art zu verwandeln. Dass das Buch ein bisschen “lostig” wirkt, kann ich nicht bestätigen, was vielleicht daran liegen mag, dass ich mir Lost noch nie angetan habe, aber andererseits daran, dass wenn man das Buch aufmerksam verfolgt und sich an die beiden vorhergehenden Bücher erinnert, die Thematik klar und kein Stück verworren wirkt. (Vielleicht lässt bei der erwachsenen Rezensentin da schon partielle Amnesie grüßen……..)

Genug gescherzt, ich möchte mich zum Abschluss mit einem ganz anderen Thema beschäftigen. Seit ich die erste Rezension verfasst habe, hat auch mich das Schicksal des Alterns ereilt und so möchte ich mich damit beschäftigen, ob das Buch auch noch für einen 16-jährigen lesenswert ist und ob die Autoren es geschafft haben, in Ausdrucksweise und Schreibstil mit ihrer Zielgruppe zu gehen. Edda, Linus und Simon werden in diesem dritten Teil durchaus als junge Erwachsene dargestellt, die zum einen wie Erwachsene handeln, in anderen Situationen aber wie der typische pubertierende Jugendliche wirken.

Die Ausdrucksweise der Charaktere ist zwar noch nicht perfekt, aber im Gegensatz zum ersten Teil, wo man sich als Jugendlicher teilweise dachte “So würde ich niemals reden”, schafft das Buch es, die Charaktere wirklich als Jugendliche von heute darzustellen, zumindest in der Ausdrucksweise. Jetzt aber genug des Applauses an die beiden Schreiberlinge, man muss halt auch leider sagen, dass man den dritten Teil nicht unbedingt einem 12-jährigen geben würde. Nicht aufgrund der Ausdrucksweise und sexuellen Handlungen, die Jugend ist ja aufgeklärt, aber das Buch ist in seiner Thematik eben auch sehr komplex und so eher für ältere Jugendliche zu empfehlen. Für ein Jugendbuch ist es keine leichte Kost und ich kann mir vorstellen, dass jüngere Leser Schwierigkeiten haben, allem zu folgen.

Mein persönliches Fazit: Die Abaton Reihe hat mich gefesselt, sie hat mich gefordert und sie war eine Abwechslung zu anderen Jugendbüchern, die teilweise so simpel waren, dass ich Jugendbüchern eigentlich schon den Rücken zugewandt hatte. Doch Abaton zeigt, dass man auch für Jugendliche ein spannendes, gut geschriebenes und anspruchsvolles Buch schreiben kann. Um nicht weiter auszuschweifen, zitiere ich mich einfach selbst
“Bevor ich vor lauter Schwärmerei noch einen Roman über den Roman verfasse, komme ich zu meinem persönlichen Fazit, welches,[…],kaum noch überraschend, sehr positiv ausfällt. Eine grandios inszenierte Geschichte”

Dem ist nichts mehr hinzuzufügen. Unser Beider Fazit: Die Abaton-Trilogie ist ein außergewöhnliches Buchprojekt, nicht nur für Jugendliche spannend, dazu professionell virtuell begleitet. Wir waren über alle drei Bände hinweg prima unterhalten und von der Handlung gefesselt. Und das ist doch immer noch das Beste, was man über ein Buch sagen kann, oder?

(Nach der Lektüre dieses kryptischen Gesamtkunstwerkes sei mir als Bloggerin, der man gerne das Etikett “Queen of Kryptik” anheftet, eine persönliche, kryptische Mitteilung an die Autoren gestattet: Das Easter Egg im Epilog, Absatz 7: Ganz grosses Kino! Sehr gelungen. Chapeau.Mein persönliches Highlight aus Band Drei. )

Diskussion dieser Rezension im Blog der Literaturzeitschrift 

Rezension Teil eins: Abaton – Vom Ende der Angst 
Rezension Teil zwei: Abaton – Die Verlockung des Bösen 


Genre: Kinder- und Jugendbuch
Illustrated by Mixtvision München

Doctor Sleep

Ich falle mit der Tür ins Haus und nehme schon mal das Wichtigste vorweg: Es war ein rundum gelungener Abend mit dem erfolgreichsten Schriftsteller der Welt, der auch ein richtig netter Kerl ist; überhaupt nicht abgehoben, sondern entspannt humorvoll und einfach muy simpatico. Bei seinem allerersten Besuch in Deutschland traf er im (selbstverständlich ausverkauften) Circus Krone-Bau in München auf 2.500 Gäste, die ihm nach eigenen Bekunden eine „Scheißangst einjagten“ (Autoren bevorzugen das Schreiben statt Auftritte in der Öffentlichkeit), die er sich jedoch nie anmerken ließ. Durch den Abend führte als Moderator Denis Scheck, der interviewte und auch übersetzte und seine Sache sehr gut machte.

Es begann mit einem Gespräch über die (ebenfalls schreibende) Königs-Familie und erste Eindrücke in Deutschland; natürlich verteilte der Meister die obligatorischen Komplimente. Für alle Videos entschuldige ich mich für die grenzwertige Bildqualität, die den Lichtverhältnissen und der Entfernung geschuldet ist; dafür ist wenigstens der Ton verständlich und der ist ja wichtiger:

Danach trug King ein Kapitel aus dem neuen Roman Doctor Sleep vor (die Präsentation desselben ist der eigentliche Anlass seiner Europareise), und weiter ging es mit dem Interview, diesmal war die Entstehung von Shining das Thema:

Nun wurden auch heiklere Dinge angesprochen, nämlich die Kubrick-Verfilmung und der Alkoholismus, sowohl der Familie Torrance aus den Romanen als auch des Autors selbst. Steve zollte zunächst dem Regisseur Respekt, bezeichnete Kubrick als Genie, lediglich die Umsetzung seines Buchs mag er nicht besonders:

Für einen weiteren Höhepunkt sorgte nun David Nathan (der deutsche Hörbuchsprecher) mit einem weiteren Kapitel aus dem neuen Roman, sein Vortrag war sogar besser als der des Meisters, aber er ist ja auch Vorleseprofi.

Im letzten Teil des Abends beantwortete King dann Fragen aus sozialen Netzwerken und gab auch dem Publikum Gelegenheit, Fragen zu stellen. Erneut bewies er seine Vorliebe für diverse F-Wörter, sichtlich angetan von der entspannten Atmosphäre, die er in den prüderen USA wohl so nicht vorfindet. Bemerkenswert, als er (gefragt nach autobiographischen Bezügen) meinte, dass jeder Autor lüge, wenn er den Mund aufmacht…

Noch eine klasse Nachricht für alle Fans: Roland und der Dark Tower lassen King nicht los, er denkt intensiv über neue Geschichten nach:

Dann war ein wunderbarer Abend (auch wenn es kein meet and greet mit dem Rezensenten gab) leider viel zu schnell zu Ende und Steve genoss die verdienten stehenden Ovationen der Fans aus aller Welt (auf dem Heimweg hörte man die verschiedensten Sprachen). Es war nicht nur für mich einfach ein tolles Erlebnis, diesen großartigen Autor und feinen Menschen einmal live und in Farbe erlebt zu haben!


Genre: Horror
Illustrated by Heyne München

Zehntausend Fallen

Auch nachdem sie den Dienst quittiert und ein kleines Unternehmen am Stadtrand von Berlin etabliert hat, findet Ellen Faber keine Ruhe. Die ehemalige Hauptkommissarin rettet einem Landmann, der sich erschießen will, das Leben (leider wird diese Figur zwar in die Geschichte eingeführt, taucht dann aber nicht mehr auf). Faber will die Hintergründe des schief gelaufenen Selbstmordes klären und gerät darauf ins Blickfeld einer weltweit ihr Unwesen treibenden Gen-Mafia.

Hintergrund der Story ist das Bemühungen der Genmanipulateure, eigene Pflanzen auf ganz bestimmte Pflanzenschutzmittel abzustimmen, die aus eigener Produktion stammen. Dieses System wird unter dem Deckmantel verkauft, dadurch die Menge der Pestizide zu reduzieren. Hauptsächlich dient es aber zur Gewinnmaximierung. Es entsteht eine nahezu zwanghafte Kundenbindung, denn der Landwirt, der von einem bestimmten Unternehmen Saatgut bezieht, hat kaum eine Chance, zu wechseln. Ist das Saatgut auch noch so manipuliert, dass es keine Erträge bringt, dann ist der Bauer bald pleite und erledigt.

Der hinter allem stehende skrupellose Weltkonzern erfährt sehr rasch von den Nachforschungen der neugierigen Dame und will sie ausschalten. Dazu werden Unterlagen gefälscht, Analysen verändert, Wissenschaftler unter Druck gesetzt und Polizisten gekauft. Aufgrund von Falschinformationen wird Ellen Faber bald auch von ehemaligen Kollegen gejagt, und sie hat kaum eine Chance, bis zum Ende der Story durchzuhalten …

Vor diesem Hintergrund spielt der zweite Ellen-Faber-Krimi, den Klaus Seibel vorlegt. Außergewöhnlich an seinem Plot ist, dass sich die Ex-Kommissarin mit ihrem schlimmen Widersacher aus Band Eins, »Zehntausend Augen«, einem technologisch äußerst fitten Erpresser, zusammen tut, um ihre Haut zu retten und den Fall aufzuklären. An dieser ungewöhnlichen Wendung wird die individuelle Handschrift des Erzählers spürbar.

Seibel erzählt seine Geschichte geradlinig und schnell. Es gibt weder plötzliche Brüche noch verschlungene Pfade, die erst nach vielen hundert Seiten ineinander fließen. Gut und Böse sind deutlich gezeichnet, es fällt leicht, dem Lauf der Handlung zu folgen, es handelt sich um Literatur, die entspannt und unterhält.

Stilistisch bedient sich der Autor der Schilderung, wobei die Figuren relativ farblos bleiben. Er erklärt gern und wiederholt manches, was dem flüchtigen Leser hilfreich ist. Seibel schreibt in der Diktion der Sixties. Seine Wortwahl ist nicht jung, frech oder überraschend, sie entspricht dem Stil des Romans, der im Ergebnis als flüssig geschriebener, klassischer Krimi mit hohem Aktualitätsbezug bezeichnet werden darf.


Genre: Kriminalliteratur
Illustrated by Kindle Edition

Wirklich wichtig sind die Schuhe

Bevor sie sich zum zweiten Mal in die Babypause verabschiedet, legt Star-Mezzosopranistin Elina Garanca ihr erstes Buch vor. Unter dem Titel »Wirklich wichtig sind die Schuhe« erzählt sie ihren rastlosen Lebensweg aus dem lettischen Kuhstall auf die großen Bühnen dieser Welt.

Die erst 37-jährige Opernsängerin startet ihre Erinnerungen mit dem Hinweis auf den Zwiespalt, mit dem viele gefeierte Künstler umgehen müssen, und das macht sie sympathisch. Auf der Bühne sind Sänger umjubelte Rollenstars in einer Welt des Zaubers, der Fantasie und der Emotionen. Schlüpfen sie aber in der Garderobe aus ihren Kostümen, dann sind sie nackt und allein.

»Der Erfolg schützt den Künstler nicht vor der Einsamkeit«, weiß Garanča. Dabei wirkt das einstige »Bauernmädchen«, das in Riga mit der Crème de la Crème der Intellektuellen aufwuchs, alles andere als einsam. Die Mutter war ebenfalls Mezzo, die Großeltern hingegen Bauern, die sie an jedem Wochenende besuchte – unter anderem, um den Kühen auf den Wiesen kleine Dialoge oder Lieder aus dem Theater vorzutragen.

Wie für viele andere Künstler aus osteuropäischen Staaten war auch für Elina Garanča ein Vorteil, aus der Welt des Mangels und der sozialistischen Selbstorganisation zu kommen. Für sie bedeutet es kein Problem, aus wenigen Zutaten ein schmackhaftes Mahl zu bereiten, und auch der Aufbau von IKEA-Möbeln stellt keine Hürde dar. Dafür waren Honorare in Westgeld die Erfüllung eines Märchentraums. Ihr erstes Honorar, ein Scheck über DM 9.000,- vom Staatstheater Meiningen begeisterte sie übrigens so sehr, dass sie ihn einrahmte und an die Wand hing – bis die Intendanz nachfragen ließ, ob sie denn den Betrag nicht gelegentlich einlösen wollte, man würde gern die Buchhaltung abschließen.

Ihren Weg nach oben beschreibt Garanča als Hindernislauf, der ihr alles abverlangte. Nur durch eiserne Disziplin und das Ergreifen jeder sich bietenden Gelegenheit schaffte sie es, ihre Stimme über anfänglich anderthalb Oktaven hinaus zu erweitern und sich auch schauspielerisch für die Hosenrollen zu qualifizieren, in denen sie debütierte. Sie sieht ihren Erfolg als Frucht harter Arbeit, als »eine Art Perlenkette, bei der ich jede Perle mit Sorgsamkeit und viel Ehrgeiz aufgefädelt habe«. Auf diese Weise schaffte sie es scheinbar mühelos über Wien nach Salzburg, Zürich, Aix-en-Provence, London, Paris bis nach New York.

Rangiert üblicherweise im Opernbetrieb die Sopranistin als Primadonna, ist die Mezzospranistin »Seconda Donna«. Elina Garanča stieg jedoch selbst zu einer der Primadonnen auf, ohne bislang in den Geruch einer Diva zu kommen. Den Weg ihrer steilen Karriere beschreibt sie anschaulich und schlicht. Dazu zählen ihre Heirat mit Karel Mark, ihr Vertrag mit der Deutschen Grammophon, die erste Solo-CD, aber auch die Bekanntschaft mit anderen Stars der Opernwelt wie der Sopranistin Anna Netrebko, mit der sie in Bellinis »I Capuletti e i Montecchi« in einer der berühmtesten Liebhaber-Rollen der Weltliteratur brillierte.

Garanča macht der Bühnenzauber, also die Stimmung, das Singen, der Applaus, süchtig. »Er kommt ohne Vorwarnung und vergeht, ohne dass man ihn greifen könnte.« Für sie spielt die Familie eine wesentliche Rolle aus Ausgleich, um eines Tages nicht in Leere und Einsamkeit alt werden zu müssen. Ihr Buch, das die für eine Biografie eigentlich viel zu junge Künstlerin Ida Metzger und Peter Dusek diktierte, beschreibt diesen Balanceakt anschaulich und wird dadurch zu einer interessanten und spannenden Lektüre.


Genre: Oper
Illustrated by Ecowin Salzburg

LINNEN – Das Grabtuch Mysterium

Auf geschickte Weise verknüpft Norman Nekro die umstrittene Geschichte einer der wertvollsten und zugleich umstrittensten Ikonen der katholischen Kirche mit einer ultraspannenden Handlung. Es geht um das Leinentuch, in dem angeblich Jesus von Nazareth nach der Kreuzigung begraben wurde. Dieses Linnen fiel vermutlich im Jahre 1204 bei der Eroberung Konstantinopels in die Hände christlicher Kreuzritter und wurde auf Anordnung des Großmeisters des Tempelordens nachgebildet. Das mysteriöse »Turiner Grabtuch« wird aktuell in einer Seitenkapelle des Turiner Doms aufbewahrt.

In eben diese Kathedrale bricht nun plötzlich ein Trupp Bewaffneter ein und raubt den Schatz. Im Geheimen operierende Nachfahren der Tempelritter versuchen im Wettlauf mit der vatikanischen Geheimpolizei, die Reliquie wieder in die Hände zu bekommen, da sie darauf einen historisch begründeten Rechtsanspruch erheben. In einer wilden Jagd durch halb Europa verfolgen sich die konkurrierenden Parteien, wobei beide auch vor Mord, Raub und Erpressung im Namen Christi nicht zurückschrecken.

Sowohl von der Erzählweise wie auch vom Sujet erinnert der vorliegende Roman an die Werke von Dan Brown. Vor dem geistigen Auge des Lesers läuft sofort ein Kinofilm ab, der diesem Werk quasi auf den Leib geschrieben ist. Anders als bei Brown ist Nekros Protagonist allerdings ein kreuzgefährlicher einzelgängerischer Mörder. Ihm stellt der Autor keine bildhübsche Partnerin zur Seite, die schlanke Blonde mit dem langen Zopf agiert vielmehr auf der anderen Seite und zählt zu seinen zu allem entschlossenen Widersachern.

Der vorliegende Roman ist Nekros bislang umfangreichste Arbeit. Der Autor hat damit einen Quantensprung in der literarischen Entwicklung vollzogen, indem er einen atemlosen Thriller verfasste, der sich tatsächlich genau so ereignet haben könnte und schon deshalb Öl ins Feuer aller Verschwörungstheoretiker gießt. Denn wer weiß schon so genau, welches geheimnisvolle Linnen in Turin ausgestellt wird …


Genre: Thriller
Illustrated by Kindle Edition

Ziemlich bester Schurke

Auch Rezensenten sind mitunter neugierig. So folge ich der persönlichen Einladung einer Schweizer »Medienstelle« und lasse mir ein Exemplar der Geschichte des ehemaligen Finanzjongleurs Josef Müller samt aufwändiger Hochglanz-Information zusenden.

Offen gestanden: Von diesem Josef Müller hatte ich zuvor weder gehört noch gelesen. Aber der Klappentext macht neugierig, in die Unterwelt der Betrogenen und Betrüger zu steigen. Außerdem kann ich Müllers zentrale Erkenntnis aus eigener unternehmerischer Erfahrung bestätigen: »Wenn ich mich auf etwas verlassen konnte, dann auf die Gier der Menschen«.

Josef Müller wurde 1955 in Fürstenfeldbruck bei München als Sohn eines Kriminalbeamten und einer OP-Schwester geboren. Mit 16 Jahren konnte er mit einer Sondergenehmigung den PKW-Führerschein erwerben und hatte kurz vor seinem 18. Geburtstag einen schweren Verkehrsunfall. Seitdem ist er auf die Benutzung eines Rollstuhls angewiesen.

Als der querschnittsgelähmte junge Mann eines Tages einen knallroten Mercedes 300 SL Cabrio Gullwing sieht, aus dessen elegant nach oben geöffnetem Türflügel ein Falt-Rolli herausfliegt und ein körperbehinderter Mann aussteigt, schwört er sich, trotz seines Handicaps ein Vorstadtcasanova zu werden. In seinem Buch beschreibt er nun, wie er zum erfolgreichen Anlage- und Steuerberater der Münchener Schickeria wurde, der schließlich als »11-Millionen-Euro-Betrüger« Eingang in die Schlagzeilen der Boulevardpresse fand. Denn das Interesse seiner Klientel, möglichst viel in die eigenen Taschen zu raffen, begünstigte seine Neigung, gnadenlos mit der Kundenkohle zu zocken, sie zu verprassen und dabei den Löwenanteil eiskalt für sich selbst zu kassieren.

Letztlich aber war der »ziemlich beste Schurke« nicht clever genug. Er ging, im Unterschied zu den zahllosen Schurken aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung, die uns auf der Nase herumtanzen, Polizei und Staatsanwaltschaft ins Netz. Und als sei er einem Lehrbuch für Resozialisation entstiegen, läuterten ihn fünfeinhalb Jährchen im Knast angeblich und ließen ihn das vorliegende Buch ersinnen.

Müller möchte dem Leser eine Saulus-Paulus-Verwandlung verkaufen. Danach hat er im Gefängnis eine »starke Umwertung meiner Werte« erfahren. Er will erkannt haben, »dass der Dienst am Geld eine zu anspruchsvolle Religion« sei und plädiert für »Liebe«, die mehr bedeute als Gerechtigkeit.

Auf 320 Seiten schildert das Buch, das offensichtlich von einem Profiautor begleitet wurde, warum Müller nach der Knasterfahrung sein Leben ändern wollte und was ihm weiterhin »für wundersame und aufregende Dinge widerfahren sind«. Der Text arbeitet mit ständigen Wiederholungen, so wird in nahezu jedem Kapitel die Müllersche Bio kurz zusammengefasst und gebetsmühlenartig wiederholt. So fällt dann auch nicht weiter auf, wenn der Autor in einem Kapitel auf drei Millionen Schulden sitzt, um im nächsten Kapitel wieder in Rolls und Bentley durch die bayerischen Lande zu kutschieren.

Josef Müller versucht mit dem Buch, sein Leben als bunten Märchenfilm zu vermarkten und dabei die Geschädigten, Geprellten und Betrogenen zu unfreiwilligen Komparsen seiner »geilen Story« zu machen. Dazu passen Fotos, die ihn mit Heiligenschein auf einer Kirchenbank zeigen, während er sich im Alltagsleben – vollkommen uneitel – gern im rosafarbigen Leinenanzug mit Einstecktuch und gelber Krawatte präsentiert.

Ob nun geprellte Ex-Kunden das Buch in die Hand nehmen und ob des Talents ihres einstigen Beraters schmunzeln? Vielleicht murmeln sie »Passt schon«, denn im Bazi-Land Bayern ist manches denkbar …


Genre: Biographien, Memoiren
Illustrated by Brunnen Verlag Basel

Sturm und Tang

55 Reisegedichte liefern zwei Autoren, die unterschiedlicher nicht sein können und dennoch freundschaftlich verbunden sind. Elsemarie Maletzke ist Journalistin und ausgesprochen reisefreudig. Christian Golusda hingegen bleibt lieber auf dem Boden seiner angestammten Heimat und schaut sich dort um.

Im lyrischen Wechselgesang der beiden Dichter werden verschiedene Gedichtformen angewandt. Vom Haiku über den Limerick bis hin zum Sonett ist alles dabei.

Keine große Literatur, aber ein unterhaltsamer Spaß für jeden, der sich an Gereimtem und Ungereimtem erfreuen kann.


Genre: Lyrik
Illustrated by Weissbooks Frankfurt am Main

Der Roboter Archimedes und die Rasselbande

Der Roboter Archimedes ist ein begabter Gartenexperte mit viel Hingabe und Freude an seiner Tätigkeit. Da er aber in die Jahre gekommen und technisch nicht mehr auf dem neuesten Stand ist, soll er verschrottet werden. Der Roboter beschließt jedoch, dass er noch nicht zum alten Eisen gehört und nimmt kurzerhand Reißaus.

Nach einer Episode im Wald gelangt er im Dorf Irgendwo an, wo er von den Eingeborenen zunächst misstrauisch beäugt, ob seines freundlichen und arbeitsamen Wesens jedoch bald freudig aufgenommen wird. Schnell freundet er sich mit der Rasselbande an, vier Kinder, die es faustdick hinter den Ohren haben. Gemeinsam baut man trotz Intrigen weniger bösewichtiger Dörfler einen Erlebnispark; Archimedes hat ein neues Zuhause gefunden.

Multitalent Frieling zeigt sich auch als Kinderbuchautor äußerst versiert; die Erlebnisse der liebenswerten Hauptfigur sorgen für viel Freude, auch bei reiferen Lesern. Die Sprache ist zwar kindgerecht, aber niemals belehrend oder herablassend; ungetrübtes (Vor)lesevergnügen ist somit garantiert. Auch die gelungenen Illustrationen fügen sich perfekt in das Gesamtwerk ein und runden das Bild ab.

Weitere Abenteuer werden in der Fortsetzung \”Der Roboter Archimedes und der Kanonenkönig\” serviert, nicht verpassen!


Genre: Kinder- und Jugendbuch
Illustrated by Internet-Buchverlag Berlin

Der Roboter Archimedes und der Kanonenkönig

In Eisenstadt herrscht der finstere Kanonenkönig Kalli Kass, dessen Plan, die ganze Welt zu beherrschen zu scheitern droht, da die Eisenvorräte erschöpft sind. Somit kommt es ihm äußerst gelegen, als er hört, dass es im Dorf Irgendwo jede Menge davon gibt und dort sogar ein Roboter lebt. Er sammelt also seine Soldaten und macht sich auf den Weg.

Archimedes (inzwischen liebevoll Archi genannt) hat sich in seiner neuen Heimat Irgendwo bestens eingelebt und führt ein sorgenfrei glückliches Leben. Doch das ändert sich, als Kalli Kass mit seinen Invasionsstreitkräften anrückt. Nun obliegt es dem Roboter und seinen Freunden, das Städtchen mit List und Schlauheit vor der feindlichen Übermacht zu retten.

Im Gegensatz zum ersten Buch “Der Roboter Archimedes und die Rasselbande” steht diesmal mit dem Kanonenkönig ein Bösewicht im Mittelpunkt, was natürlich für zusätzliche Spannung sorgt. Autor Frieling versteht es wiederum meisterhaft, seinen Protagonisten Leben einzuhauchen; gerade Kinder werden daran ihre helle Freude haben und sie lernen nebenbei spielerisch ohne erhobenen Zeigefinger, dass Krieg und Gewalt keine tauglichen Mittel sind.

Man darf sich schon auf weitere Abenteuer mit Archi freuen.


Genre: Kinder- und Jugendbuch
Illustrated by Internet-Buchverlag Berlin