Berlin Gothic

Im Prolog seines Berlin-Thrillers setzt Jonas Winner mit drei Blitzlichtaufnahmen auf Horror, Gewalt und Sex: Till Anschütz erwacht in einer Folterkammer und erfährt, umoperiert worden zu sein; Kommissar Konstantin Butz inspiziert den Torso einer Frau, die mit einem Akkubohrer verstümmelt wurde aber noch letzte Lebenszeichen gibt; Fotografin Claire Bentheim lichtet einen blutigen Boxkampf ab und lässt sich danach mit dem Sieger ein.

Während der Autor offen lässt, welchen Torturen Till ausgesetzt ist, inspiziert Kommissar Butz den Fundort der verstümmelten Frau. Er entdeckt einen verborgenen Tunnel in eine unterirdische Welt und wird dabei fast verschüttet. Seine Lebensgefährtin Claire wird derweil von dem liebestollen Boxchampion Frederik bis in ihre Wohnung verfolgt.

Winners eigentliche Geschichte beginnt zwölf Jahre früher: Till flieht aus dem Kinderheim Brakenfelde. Nie wieder will der elternlose Junge dorthin zurück, nachdem sich sein Bruder Armin erhängt hat. Auf seiner Flucht wird er von einem Auto erfasst und begegnet auf diese Weise der Familie Julia und Xaver Bentheim. Deren Kinder Max, Lisa und Claire freunden sich mit dem Flüchtling an und wollen ihm helfen. Sie verstecken ihn im Schuppen des Anwesens ihrer Eltern.

Besonders der strenge Vater, der in einem Gartenhaus Bücher schreibt, reizt die Neugierde Tills. Die Kinder glauben, dass Xaver Bentheim Geschichten schreibt, die nicht nur ausgedacht sind, sondern tatsächlich stattgefunden haben oder sogar immer noch stattfinden. Till belauscht den Schriftsteller nachts bei einer Art Selbstgespräch, in dem dieser einen seltsam-rauschartigen Zustand beschreibt. Doch Bentheim erwischt den heimlichen Zuhörer …

Jonas Winner konstruiert seinen Thriller um Till, Max und Lisa, Xaver und Julia, Butz und Claire in steter Folge von Zeitsprüngen und Rückblenden. Mosaikartig entsteht vor dem geistigen Auge des Lesers das engmaschige Netz einer spannenden Geschichte, zu der ihm Winner scheinbar unabhängig voneinander baumelnde lose Fäden in die Hand gibt. Diverse Cliffhanger und bisweilen bewusst nebulöse Andeutungen dessen, was die Protagonisten erwartet, geben der Geschichte zusätzliche Würze.

„Berlin Gothic“ ist ein düsterer Krimi mit Lokalkolorit, der den Leser rasch in seinen Bann schlägt. Autor Jonas Winner fand für sein Werk, das er für 99 Cent als E-Book in Amazons Kindle-Shop anbietet, in wenigen Monaten zehntausende Leser. Der stürmische Zugriff der Leser katapultierte ihn auf Spitzenplätze in den Amazon-Bestsellercharts. Das Genre des untergegangen geglaubten Groschenromans feierte neue Triumphe.

Seinen Spitzenplatz wird Winner wohl noch eine ganze Weile halten, denn die Sache hat einen raffinierten Haken: Im spannendesten Augenblick bricht „Berlin Gothic“ ab, und es wird der Erwerb eines weiteren Bandes fällig. Der Autor hat seinen Krimi auf sieben Teile geplant, und das Suchtpotential der Serie ist erheblich. Er schreibt die Fortsetzung, während die Leser schon die ersten Teile lesen können und mit seinen Helden fiebern.

Wie in den guten alten Zeiten der Fortsetzungsromane liefert Winner seinen Thriller häppchenweise. Dabei ist bereits der erste Band derart effektvoll geschrieben, dass man unbedingt wissen will, wie es weiter geht und der Reihe atemlos treu bleibt. Den Leser von „Berlin Gothic“ erwartet indes keine ambitionierte Hochliteratur, es geht um spannende Unterhaltung mit kräftigen Knallern. Diese wird sprachlich durch einen aktiven Stakkato-Stil betont, der das Verständnis von „Gestern“ und „Heute“durch den Wechsel zwischen Präteritum und Präsenz unterstreicht.

Der Autor versteht es, das Kopfkino seiner Leser in Gang anzukurbeln und starke Bilder zu erzeugen. Sicherlich wird es deshalb auch dazu kommen, dass „Berlin Gothic“ verfilmt wird. Denn der Autor schrieb bereits Drehbücher für ARD, ZDF, Sat.1 und RTL und verfügt damit über Erfahrungen, die er in seine Schreibe einfließen ließ.

Zuvor jedoch wurde Jonas Winner von einer ganz anderen Seite unerwartete Anerkennung beschieden: Amazon-Chef Jeff Bezos schickte ihm einen Vertrag für die Übernahme der siebenteiligen Reihe ins Englische. Sein Konzern will den Thriller sowohl weltweit als Elektrobuch wie auch als Papierbuch vermarkten. Damit ist Winner der erste sich selbst verlegende deutschsprachige Autor, der über die E-Book-Schiene so bekannt wurde, dass selbst Amis auf ihn aufmerksam wurden. Bislang war der umgekehrte Weg üblich: US-Autoren werden – so sie sich gut verkauften – ins Deutsche übersetzt und den hiesigen Leservasallen vorgesetzt. Deutsche Autoren galten mehrheitlich als nicht weltmarktgängig …

Wer mehr über Jonas Winner erfahren möchte und seine Erfolgsrezeptur kennen lernen will, der liest mein E-Book „Wie man erfolgreich E-Books verkauft. Exklusivinterviews mit Top-Autoren“.


Genre: Thriller
Illustrated by Kindle Edition

Das geheime Prinzip der Liebe

40096_1_gremillion_bb_web1Ein ungewöhnlicher Brief erreicht die junge Verlegerin Camille in Paris. Ein langer Brief ohne Unterschrift, aber an sie persönlich adressiert. Sie findet ihn unter den Kondolenzschreiben zum Tode der geliebten Mutter. Der Brief drückt kein Beileid aus, er berichtet von den bittersüßen Anfängen einer Geschichte aus längst vergangenen Tagen. Camille glaubt zunächst an eine Verwechslung. Doch sie erhält weitere Briefe, immer pünktlich an einem Dienstag. Ihr Argwohn ist geweckt, möglicherweise hat sie es mit der besonders raffinierten Methode eines Autors zu tun, der ihr auf diese Weise sein Manuskript anbietet. Gegen ihren Willen ist sie von der Geschichte gefesselt. Sie beginnt zu verstehen, dass “Geheimnisse doch nicht mit denen sterben, die sie getragen haben”. Lange wehrt sie sich gegen den in ihr aufkeimenden Verdacht, sie selbst könne weit mehr mit der Geschichte zu tun haben, als ihr lieb ist. Nur zaghaft beginnt Camille, den verschlüsselten Hinweisen in den Briefen zu folgen.

Die Briefe schreibt ein geheimnisvoller Louis, er erzählt die Geschichte einer fatalen Frauenfreundschaft. Er erzählt von seiner Lebensliebe Annie, einer jungen, begabten Malerin, mit der er gemeinsam in einem kleinen Dorf unweit von Paris aufwächst. Annie freundet sich mit Elisabeth, auch Madame M. genannt, an. Eine weltgewandte Dame, die kurz vor Ausbruch des 2.Weltkrieges mit ihrem Ehemann das Herrenhaus im kleinen Dorf bezieht. Madame M. erkennt das Talent der jungen Annie. Sie wird ihre Mäzenin und stellt ihr im Herrenhaus ein “Zimmer ohne Wände” zur Verfügung. Die Gönnerin ist eine unglückliche Frau, ihr sehnlichster Wunsch – ein Kind – bleibt ihr verwehrt. Noch dazu treibt sie ihr gesellschaftliches Umfeld zur Verzweiflung. “Macht Kinder! Die Verluste von 1914 müssen ausgeglichen werden.” Es ist Annie, die der von ihr verehrten Madame M. einen Ausweg bietet und sich aus Dankbarkeit bereit erklärt, ein Kind für sie zu empfangen und auszutragen. Doch “Irrtümer beruhen oft auf Überzeugungen” und was als Freundschaftsdienst entstand, entwickelt sich bald nicht mehr zur geheimen Kraft der Liebe, sondern zu ihrer zerstörerischen. Vor dem Hintergrund des erbarmungslosen Weltkriegs beginnt eine ebenso erbarmungslos geführte private Schlacht, ausgetragen um ein infames Konstrukt aus Lüge, Hass, Rivalität und Manipulation, welches seine grausamen Kreise bis in Camilles Gegenwart zieht.

Das “geheime Prinzip der Liebe” ist ein Roman, der auch von unvorhersehbaren Wendungen und Erkenntnissen lebt, die dem Leser erst Schritt für Schritt klar werden. Die manchmal groteske, aber immer realistisch anmutende Geschichte wird von gleich vier Ich-Erzählern entschlüsselt. Erst ganz zum Schluss meint man, wirklich alle Zusammenhänge verstanden zu haben. Vorausgesetzt, die eigene Phantasie hat einem keinen Streich gespielt. Somit eins der Bücher, über die man vorab nicht mehr als oben getan verraten möchte, um seine sorgsam komponierte Wirkung nicht zu schmälern. Es ist ein beeindruckender, manchmal bedrückender, manchmal berückender Roman, den die Französin Hélène Grémillon als ihr Debüt vorlegt. In Frankreich ist das Buch bereits ein Bestseller, in Deutschland soeben erschienen schickt es sich an, in mehr als 20 Sprachen übersetzt zu werden und die geheime Kraft des Buches global zu entfalten. Der Roman beginnt vorsichtig, fast zart, um bis zu einem leichten Aufatmen am Schluss den Leser zunehmend in den düsteren Bann eines verhängnisvollen Dramas zu ziehen. Mit einer eleganten, aber nicht charmanten Sprache spielt die Autorin eindringlich mit dem Grundgedanken der Ambivalenz. Sie führt dem Leser erschreckend klar vor Augen, dass Schuld und Sühne, Opfer und Täter nur zwei Seiten einer Medaille sind. “Es sind nicht die anderen, die uns die schlimmsten Enttäuschungen bereiten, sondern der Zusammenprall der Wirklichkeit mit unserer überschwänglichen Phantasie.” Die Charaktere sind überzeugend gezeichnet, mit fortschreitender Handlung ändert sich das Bild, dass der Leser von ihnen hat. Alleine dadurch, dass sie ihr Handeln erklären, wandeln sich die empfundenen Sympathien und Antipathien fast mit jedem neuen Kapitel. Das andere, große Thema der Autorin ist die Lüge, genauer die Lebenslüge. Eine Lebenslüge, die sich fortsetzt und nie “zu einer unverrückbaren und über jeden Verdacht erhabenen, endgültigen Wahrheit” wurde. Eine Lüge, deren zerstörerische Kraft nur dann aufgehalten werden kann, wenn irgendwann der Erste den Mut aufbringt, sie zu beenden.

Fazit: Wer sich gerne überraschen lässt, wer gerne eigene Theorien –zur Geschichte und den Leitmotiven- immer wieder umstößt und neu überdenkt, ist mit diesem Buch bestens beraten. Zum Schluss eine Warnung: Es besteht große Suchtgefahr. Jedem, der dieses Buch zur Hand nimmt, sollte klar sein, dass es die geheime Kraft des Buches ist, es kaum mehr aus der Hand legen zu können. Die Autorin versteht es meisterlich, den Leser in den Bann ihrer Geschichte zu ziehen. Mit Sicherheit kann man schon jetzt sagen, dass mit dem “geheimen Prinzip der Liebe” eines der beachtlichsten Debüts des Jahres vorliegt.

Die Autorin: Die studierte Literaturwissenschaftlerin Hélène Grémillon hat sich in Frankreich bisher vor allem als Drehbuchautorin einen Namen gemacht, was der sorgsam komponierten Dramaturgie des Buches zugute gekommen sein dürfte. Im Poitou geboren, lebt sie heute mit dem Sänger Julien Clerc und ihrem Sohn in Paris. In Frankreich wurde sie für ihr Debüt mit dem Prix Robles ausgezeichnet

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Genre: Romane
Illustrated by Hoffmann und Campe

Das Depot des Teufels

Die Absurdität des Alltags, die skurrile Dialektik des menschlichen Tuns und Lassens, die normative Schwäche des Faktischen; niemand kleidet mehr oder weniger existenzielle Episoden aus dem Leben geistreicher und witziger in Worte als Ruprecht Frieling. Diesmal brilliert der Autor in den Disziplinen Sport und Fitness, Kindernamen, Süßigkeitensucht, Vergesslichkeit, Tankstellendisko, digitale Bohème und etlichen mehr.

In 15 Geschichten serviert er dem Leser einen Teller mit feinstem Konfekt (um eines der Themen zu bemühen), lauter kleine köstliche Preziosen, vor deren Verzehr allerdings kein Arzt oder Apotheker befragt werden muss, Genuss ohne Reue! Leider stellen sich nach der Lektüre weder Völle- noch Sättigungsgefühle ein, denn Frieling verzichtet auf derben Klamauk und platte Kalauer, zum Zuge kommen vielmehr der geistreiche Wortwitz und die distanzierte Selbstironie, für die man ihn schätzen gelernt hat. Bitte mehr davon, und zwar schnell!


Genre: Humor und Satire
Illustrated by Internet-Buchverlag Berlin

Wer reinkommt, ist drin

VerenaCarlMünchen in den 90er Jahren. WG-Küchen, Boots zum Mini-Rock, die erste E-Mail Adresse, Szene-Clubs und die berüchtigten
harten Türen – wer reinkam, war drin.
“Wer reinkommt, ist drin” war einst titelgebend für die allererste Folge der unvergessenen Fernsehserie Kir-Royal, nun ist es der Titel von Verena Carls neuem Roman. Passt prima, spiegelt auch ihr Buch das mitunter absurde Leben in der Münchner Lifestyle-Gesellschaft. Die Autorin nimmt uns mit auf eine Zeitreise in die 90er, dem möglicherweise letzten Jahrzehnt der Sorglosigkeit und wirtschaftlicher Unbekümmertheit. In eine Zeit, als ein schlichtes “Wir gehen bald online” auch harte Türen öffnen konnte. Verena Carl entwirft ihr Panorama der 90er mit Hilfe zweier ganz unterschiedlicher Frauen, beide Mitte Zwanzig und auf der Suche nach einem möglichst anspruchsvollem Platz im Leben, am liebsten in der medialen Avantgarde jener Tage.

Zuerst lernen wir Ulli kennen, Tochter aus gutem pfälzischen Gastronomen-Haus, eine Land-Pomeranze wie aus dem Bilderbuch. Sponsered by Daddy, inklusive Kleinwagen und erstem PC macht sie sich auf zum Studium in die Weltstadt München und findet sich aus purem Zufall in einer WG wieder mit Johanna, genannt Jo. Jo, die weiß, was und wie es geht, Scheidungskind, dafür mit hippen Eltern. Jo, die das Wort Generation Praktikum erfunden haben könnte, trotzdem aber unbeirrt an ihre große, glamouröse Medienkarriere glaubt. Die beiden Frauen haben zunächst wenig gemeinsam, verbindende Konstante, besser Nicht-Konstante ist Sascha. Sascha kommt aus dem Osten, was ihm aber allenfalls eine interessante exotische Note verleiht – mit der Politik haben es weder Ulli noch Jo so, auch wenn man sich gerne abgeklärt gibt. Ulli begehrt Sascha, dieser wiederum Jo, diese weiß nicht so recht. Eigentlich ist es ihr lieber, nicht nur von Praktikum zu Praktikum zu hüpfen, sondern auch von Mann zu Mann. Im Zuge der beginnenden New Economy stolpern dann allerdings erst Ulli und dann der eigentlich gar nicht ehrgeizige Sascha die Karriereleiter hoch, während Jo…… “München, diese Glücksversprechungsmaschine, dieser einarmige Bandit mit den bunten Knöpfen. Was hatten sie da alles hineingeworfen, Jo und sie. Aber nie war herausgefallen, was sie sich gewünscht hatten in diesem lang vergangenen Sommer.” Denn dann kommt alles anders und zweitens, als man denkt. Der Roman lebt von den unterschiedlichen Figuren, deren Geschichten sich nicht im Seichten verlieren, sondern durchaus auch Brüche durchleben und die sich überraschend und geschickt konträr, aber dennoch aufeinander zu entwickeln.

Verena Carl erzählt leicht und locker, ohne ins allzu Seichte oder Kitschige abzurutschen. Gerne erinnert man sich mit ihr an die vielen Attribute jener Epoche und schwelgt für eine kurze Zeit wieder im damaligen Gefühl der Leichtigkeit des Seins. Schnell erkennt man aber auch die Geschichten wieder, die klarmachen, wie zerbrechlich Lebensträume sind, und wie oft eine Chance nur durch den Zufall bestimmt wird. Der Buch ist sehr auf die persönliche Ebene seiner Figuren ausgerichtet, es ist ganz sicher kein politisch motiviertes. Und dennoch – ist es nicht gerade das Fehlen der politischen Diskussionen und Intentionen, die entlarvend sind für diese Zeit? Gerade heute kommt man bei der Lektüre nicht umhin, sich zu fragen, ob vieles von dem Chaos, der Nicht-Bereitschaft zu Verantwortung nicht auch in diesen schaumschlagenden 90er Jahren begründet liegt.
Fazit: Ungeachtet dieser Gedanken sei “Wer reinkommt, ist drin” denjenigen empfohlen, die sich gerne noch mal an die 90er erinnern mögen, die gerne gut erzählte Lebensgeschichten lesen und die ein längst vergangenes Lebensgefühl noch einmal aufleben lassen möchten.

Die Autorin: Für die entworfenen Lebensläufe von Ulli und Jo hat Verena Carl Anleihen bei sich selbst getätigt. Die gebürtige Freiburgerin ging fürs Studium nach München, über die in den damals ganz neu aufkommenden, bis heute beliebten Poetry Slams kam sie zum Schreiben und lebt heute als freie Autorin und Journalistin in Hamburg. Sie absolvierte die Berliner Script Akademie, was dem Buch im Übrigen auch durchaus anzumerken ist. Dürfte sich prima als Drehbuch-Vorlage eignen. Da die Geschichte gerade auch für Akteure jedweden Medienzirkus sentimentale Erinnerungen an verschwenderischere Zeiten birgt, ist die Prognose, Ulli und Jo demnächst wenigstens im Fernsehfilm der Woche agieren zu sehen, wohl nicht allzu gewagt.
Mehr über die Autorin auf ihrer Homepage der schönen Worte.

Kleine Anmerkung zum Schluss:
“Wer reinkommt, ist drin” ist eins der ersten Bücher, welches der Eichborn-Verlag in seinem neuen Zuhause unter dem Bastei Lübbe Dach herausgebracht hat. Bastei Lübbe hatte versprochen, den Stil des “frechen Verlages mit der Fliege” beizubehalten. Der Anfang ist gemacht, hier stelle ich erfreut fest, ein typisches Eichborn-Buch in den Händen zu halten. Wenn es was zu meckern gibt, dann allenfalls am ziemlich pinken Cover. Hätte ich es so in der Buchhandlung gesehen, ohne vorher etwas darüber zu wissen, ich wäre daran vorbei gegangen. Fälschlicherweise in die Sorte Frauenlektüre eingeordnet, die ich nicht lese. Das ursprüngliche geplante Cover, noch auf der Webseite des Eichborn Verlags zu sehen, gefällt mir schon alleine wegen des im Buch so oft erwähnten Tulpenvorhangs wesentlich besser. Aber wie gesagt – wenn mehr nicht zu meckern ist – ist das Buch gut.

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Genre: Romane
Illustrated by Eichborn Verlag

Das Geheimnis erfolgreicher Pressearbeit

Dieses Handbuch eines Praktikers spricht Unternehmen, Vereine und Persönlichkeiten an, die Positives über sich in der Zeitung lesen wollen. Der Verfasser, Redakteur mit einem Vierteljahrhundert Berufserfahrung, geht davon aus, dass sowohl der jeweilige Journalist oder Blattmacher wie der Porträtierte etwas voneinander wollen, nämlich eine gute Geschichte.

Gute Absichten bringen im Bemühungen um Veröffentlichungen wenig, es gilt die Regel „Contents counts“. Nur Inhalte zählen, lautet die Philosophie jeder erfolgreichen Veröffentlichung und der Autor erläutert in seinem E-Book, wie das funktionieren kann.

Klaus Krüger setzt in seinen Empfehlungen auf eine Mischform von klassischer Public Relations (PR) und journalistischer Arbeit. Er sieht darin das Geheimnis erfolgreicher Pressearbeit und schlägt vor, den Ansprechpartnern in den jeweiligen Redaktionen tolle Geschichten anzubieten. Diese könnten entweder als Thema vorgeschlagen oder gleich selbst geschrieben werden.

Um den Zauberweg in die Zeitung zu entdecken, schildert der Autor die Interessenlage der Höllenhunde, die vor den Pforten der Zeitungen wachten: Das sind Redakteur und Redakteurin. An ihnen führt kein Weg vorbei, doch es sei durchaus möglich, mit ihnen klarzukommen, wenn man weiß, wie sie ticken.

Klaus Krüger schildert, wie man den gewünschten „Höllenhund“ richtig anspricht, ohne ihn mit zusätzlicher Arbeit zu belasten. Er nennt die wesentlichen Schritte beim Aufbau eines Presseverteilers für die zielgerechte Pressearbeit und die richtige Form der Ansprache. Dabei lässt er auch das Thema kleiner Geschenke nicht aus und verrät, dass eine professionelle Zuarbeit die beste Form erfolgreicher „Bestechung“ ist.

Bei den zu vermittelnden Inhalten gehe es dann darum, Geschichten um Menschen zu servieren. Optimal geeignet seien dazu regional bekannte Menschen, denn diese sind das Salz in der Suppe des guten Lokaljournalismus. Aber auch anrührende Tiergeschichten gehen ans Herz und wühlen die Leser auf.

In seinem Buch geht der Autor schließlich ausführlich auf journalistische Stilformen ein und verrät allerlei Tricks und Techniken des täglichen journalistischen Handwerks. Im Ergebnis hat der Leser einen Schnellbesohlungs-Lehrgang im praktischen Journalismus absolviert, der ihm helfen kann, seine Öffentlichkeitsarbeit effektiver und zielgerichteter zu leisten.


Genre: Ratgeber
Illustrated by Testudo Schutterwald

Eine Weise von Liebe und Tod

Rainer Maria Rilkes lyrisch-expressionistische Erzählung „Die Weise von Liebe und Tod des Cornet Christoph Rilke“ aus dem Jahre 1899 diente dem Wortkünstler Horst A. Bruno, der im Netz auch als Brunopolik bekannt ist, als Vorlage für seine experimentelle Wort-Collage.

Brunopolik verdichtet Rilkes Erzählung, bei der es um ein kriegerisches Thema aus dem siebzehnten Jahrhundert (Soldaten marschieren gegen die nach Europa einfallenden Türken) zu einem Sprach-Objekt in Haiku-Metrik. Haiku gelten als die kürzeste Gedichtform der Welt. Horst A. Bruno sieht sich damit in Traditionsfolge von Dada-Künstler Kurt Schwitters bis hin zu Vertretern der mit Namen wie Allan Ginsberg („Howl“) verbundenen Beat Generation.

Interessant bei der vorliegenden Arbeit ist, dass Brunopolik sich dem klassischen japanischen Haiku verschrieben hat. Diese strenge Form besteht aus jeweils drei Wortgruppen von 5 – 7 – 5 Silben. Mit seiner Entscheidung für jeweils 17 Silben setzt sich der Haiku-Poet bewusst von modernistischen deutschsprachigen Poeten ab, die mit weniger als 17 Silben auskommen wollen, weil deutsche Silben mehr Informationsgehalt transportieren können als japanische Lauteinheiten.

Wer Freude an offenen Texten hat, die sich erst im Erleben und Fühlen des Lesers vervollständigen, findet mit dieser Wortcollage ein anschauliches Beispiel über die Möglichkeit, bewusst mit Sprache zu gestalten.


Genre: Lyrik
Illustrated by Kindle Edition

Sommerfest

Sommerfest/ GoosenDa steht er nun. Der Wahl-Münchner Stefan auf dem Sommerfest seines alten Bochumer Fußballclubs, die Tulpe mit frisch gezapftem “Pilsken” in der Hand, ein Lokalderby im Blickfeld, im Kreise alter Freunde und Wegbereiter. Stefan, gebürtiger Bochumer und leidlich begabter Schauspieler, hat sich vor 10 Jahren gegen Halden und für die Alpen entschieden. Dummerweise wurde sein Theater-Engagement nicht verlängert, man hat wohl gemerkt, dass seine Kunst mehr leidlich denn begabt ist. Seine Beziehung zu Schauspielkollegin Anka hat auch schon bessere Zeiten gesehen und der einzig greifbare Strohhalm ist ein Casting-Termin für eine neue Vorabendserie. Just in dieser Phase seines Lebens verabschiedet sich Onkel Hermann von der Welt. Onkel Hermann hat in Bochum die Stellung im alten Bergarbeiter-Reihenhäuschen von Stefans viel zu früh verstorbenen Eltern gehalten. Stefan bleibt nichts anderes übrig, er muss tief in den Westen, wenigstens für ein Wochenende, um den Verkauf seines Elternhauses in die Wege zu leiten. “Vor manchen Dingen kann man sich nicht drücken, das hat er gelernt, das hat ihm sein Vater klargemacht, da muss man einfach durch. Schnell rein, schnell raus, keine Gefangenen. Das war der Plan.” Nur einige wenige Leute, die es verdienen, will er treffen. Allen voran natürlich die geliebte Omma Luise, den alten Kumpel Frank und dessen noch immer verwirrend schöne Frau Karin, auch ein Besuch inne Bude vonne Tante Änne sollte drin sein. Zu allem Überfluss ist es das Wochenende der Sommerfeste. Nicht nur bei seiner alten Spielvereinigung wird gefeiert, es ist auch noch das Wochenende des größten Sommerfestes, dass der Pott je zelebriert hat. 60 km Tische und Aktionen auf der A 40, dem berüchtigten Ruhrschleichweg. Es ist das Wochenende vor der LoveParade, als das Ruhrgebiet noch trunken von seiner Kulturhauptstadtwichtigkeit war. Da Stefan jetzt schon mal da ist, muss er natürlich auch auf der Autobahn mitfeiern. Nicht, dass die alten Freunde denken, er hielte sich für was Besseres. Denn im Pott kann man “sich nämlich einiges zuschulden kommen lassen, aber sich für was Besseres halten, das ging nun gar nicht.” Und so wird dieses Heimatwochenende für Stefan zur Tour de Ruhr, zum Wiedersehen mit alten Freunden und Feinden und nicht zuletzt mit seiner unvergessenen Sandkastenliebe Charlie, der Tochter des “masurischen Hammers”, Kirmes-Preisboxer und lokale Berühmtheit. Charlie, die sich verändert hat und doch wieder nicht. Charlie, die immer schon wusste, was gut für ihn ist und die ihm auch heute noch seinen Weg zeigen könnte, wenn Stefan sie nur mal lassen würde.

Da sind wir nun. Der neue Goosen ist raus. Seit Wochen schon kloppen sich die Menschen im Ruhrgebiet um die letzten, vereinzelten Restkarten für seine Lesereise, in den lokalen Medien ist er omnipräsent, bei West-Art erleichtert der Autor höchstselbst die Recherche, indem er bestätigt, dass Sommerfest das erste Goosen Buch ist, in dem die Stadt Bochum explizit als Ort des Geschehens genannt wird. Und? Hält der Titel, was er verspricht? Von mir ein klares Ja. Der Titel ist das Programm. Sommerfest ist auch ein Fest für den Leser. Ein Fest, bei dem das Leben und die Freundschaft gefeiert werden, ein Fest, auf dem aber auch ernste und melancholische Gedanken ihren Platz haben. Heimat und der Platz, den man im Leben inne hat oder gerne hätte, die wiederkehrenden Themen des Frank Goosen. Ging es in seinen ersten Romanen noch ums Erwachsenwerden, sind es wie in “So viel Zeit” nun auch in “Sommerfest” die Weichenstellungen und Korrekturen, die der FortySomething noch vornehmen kann.”Einmal falsch abgebogen und dafür ewig und drei Tage auf die Fresse gekriegt” – das muss ja nicht unbedingt so bleiben. Was unbedingt so bleiben sollte und was zu bewahren Goosen ein erklärtes Anliegen ist, sind “die bedrohte, schützenswerte Sprache” und die Geschichten des Ruhrgebiets. “Man müsste all die schönen Geschichten mal aufschreiben, die Storys, die auf der Strasse liegen und die man nur aufheben muss”. So wünscht es sich Omma Luise im Buch. Genau das ist es, was Frank Goosen tut. Er schreibt nicht nur die Chronik der schönen Geschichten, er bewahrt uns Ruhrgebietlern auch all die schönen Wörter wie Killefit oder Klümpchen, “Wörter, die schon in Köln keiner mehr versteht.” Nebenbei haucht er den alten Sprüchen, die nicht nur er seiner Omma verdankt, neues Leben ein. Und sei es auf den Souvenirs zum A 40 Event, worüber er seine Hauptfigur Stefan selbstironisch den Kopf schütteln lässt, denn sowas sei ja eigentlich “der Gipfel der Albernheit”.

Fazit: Auch in Sommerfest bleibt Goosen sich selber treu, ohne auf der Stelle zu treten. Sein Stil ist unverwechselbar, er wird mit jedem Buch allerdings klarer, behält seine Ironie und verliert an Lakonie, was seiner Intention durchaus zugute kommt. Einen Extrapunkt dafür, wie geschickt Goosen seine Figur Stefan nutzt, um die im Ruhrgebiet beliebte Sitte, das Gestern zu verkommerzialisieren oder zu “vergotten”, durchaus differenziert zu beleuchten. Sommerfest ist aber beileibe kein Buch, welches sich nur für hartgesottene Ruhrgebietler empfiehlt. Goosens Blick auf die Welt ist zwar vom Pott geprägt, aber seine Sicht der Dinge ist über lokale Grenzen und nebenbei bemerkt auch über Altersgrenzen hinaus lesenswert.

Der Autor: Frank Goosen, Jahrgang 1966, lebt in seiner Heimatstadt Bochum, aus der es ihn nicht einmal fürs Studium fortzog. Beliebt und bekannt wurde er im Ruhrgebiet mit dem Kneipen Literaturkabarett “Tresenlesen”, seit 1995 ist Goosen Gründungsmitglied und Vorstand des PrinzRegent Theaters in Bochum. 2001 erschien mit “Liegen lernen” sein erstes Buch, welches ihn verdient über die Grenzen des Ruhrgebiets hinaus bekannt machte. Es folgten weitere Romane, Kurzgeschichten und natürlich Kolumnen in den einschlägigen Fußball-Magazinen, Herzenssache für den fußballverrückten stellvertetenden Aufsichtsrat des VFL Bochum. Mit Lesungen seiner Bücher, aber auch mit eigenen kabarettistischen Programmen tourt Frank Goosen regelmäßig. Wem es gelingt, eine Karte zu ergattern, seien seine Vorstellungen ans Herz gelegt. Der gelernte Tresenleser hat nichts verlernt, treffsichere Spitzen sowie seine Begabung für spontane Repliken machen solche Abende zuverlässig zum Erlebnis.

Diskussion dieser Rezension im Blog der Literaturzeitschrift


Genre: Romane
Illustrated by Kiepenheuer & Witsch Köln

Carte Blanche

In Serbien droht nach Zündung eines Sprengsatzes ein Zug mit Giftgas zu entgleisen und so trifft es sich gut, dass James Bond gerade noch rechtzeitig zur Stelle ist, um eine Katastrophe zu verhindern. Der britische Geheimdienst hatte das Fragment einer Nachricht abgefangen, nach der ein Anschlag mit Tausenden von Toten bevorsteht; nähere Umstände allerdings ungewiss. 007 macht sich also auf die Suche und eine Spur führt ihn bald zu dem undurchsichtigen Geschäftsmann Severan Hydt, Spezialist in Sachen Abfallbeseitigung mit morbid nekrophilen Neigungen. Doch damit nicht genug, nebenbei versucht der Super-Spion auch noch, den mysteriösen Tod seiner Eltern aufzuklären…

“Carte Blanche” bietet alles, was man von einem Bond-Roman (oder Film) erwarten darf: Schöne Frauen, exotische Schauplätze, trockene Drinks und ebensolcher Humor, böse Bösewichter, strahlende Helden, technische Wunderwerke und aufregende Verfolgungsjagden mit schnellen Autos. Mit Jeffery Deaver konnte ein erfahrener Genre-Autor gewonnen werden, der sein Handwerk versteht und es als Ehre und Verpflichtung empfindet, die berühmte Reihe fortzuführen, dabei aber auch willkommene neue Akzente setzt. Deaver ist ja berüchtigt dafür, stets mit unerwarteten Wendungen in seinen Geschichten den Leser zu überraschen und spielt diese Karte natürlich auch diesmal aus.

Fazit: Frischer Wind bei einem Klassiker der Agentenliteratur sorgt für spannendes Lesevergnügen auf hohem Niveau!


Genre: Thriller
Illustrated by Simon & Schuster

Wie man erfolgreich E-Books verkauft

Sie veröffentlichen Liebesromane, Klassiker, Krimis, Western, Fantasy-Schmöker, Thriller, Horror oder Ratgeber; verschiedene Charaktere, angetrieben von verschiedenen Motiven und Zielen und doch ist ihnen eines gemeinsam: Alle waren sie im Jahr 2011 mit ihren E-Books auf der deutschen Kindle-Hitliste der erfolgreichsten Bücher, ohne dabei von den großen etablierten Verlagen gepusht worden zu sein.

Ruprecht Frieling, seines Zeichens selbst erfahrener Verleger und Erfolgsautor, ist es gelungen, die Stars der Indie-Elektrobuchszene exklusiv zu interviewen und das Ergebnis ist nicht nur für Branchenkenner und Insider höchst interessant. Die Gespräche sind durchaus in lockerem Plauderton geführt, aber dennoch alles andere als oberflächlich und belanglos; bereitwillig berichten die Befragten über ihre Verkaufszahlen, Strategien und Pläne und animieren somit Ambitionierte zur Nachahmung.

Deutlich wird dabei immer wieder, dass Qualität zwar unabdingbar, aber alleine nicht ausreichend ist, die Werke wollen auch entsprechend beworben und kommuniziert werden. Natürliches bietet sich dafür das Internet mit seinen gut vernetzten social communities an, Facebook, Twitter, Google+, Blogs, etc. Und noch eine Lehre lässt sich aus der Lektüre von Frielings neuem Buch ziehen: Die „Holzbuch“-Verlage in Deutschland stehen dem nicht mehr ganz so neuem Phänomen immer noch erschreckend hilflos gegenüber und drohen – nicht zuletzt wegen ihrer bizarren Preispolitik – den Anschluss zu verlieren.

Im letzten Kapitel widmet sich der Verfasser – quasi als Zugabe – noch dem Konzept des amerikanischen Kindle-Königs John Locke, der seine E-Books zielgruppengerecht schreibt und damit millionenfachen Erfolg hat. Fazit: Dieses Buch ist nicht nur unverzichtbar für angehende Elektro-Autoren, sondern bietet auch allen anderen Interessierten beste Unterhaltung in der von Frieling gewohnten exzellenten Qualität!


Genre: Ratgeber
Illustrated by Internet-Buchverlag Berlin

Wie man erfolgreich E-Books verkauft


Kindle E-Book-Marketing Titel
In seinem neuen Werk veröffentlicht Wilhelm Ruprecht Frieling exclusive Interviews mit E-Book Autoren, die es geschafft haben. Es geschafft haben, sich abseits oft eingefahrener Verlagswege und aus eigener Kraft in die Kindle-Bestsellerlisten zu schreiben. Die Autoren plaudern aus ihrer Schatzkiste, geben Tipps und verraten Tricks, verhehlen aber auch nicht, wieviel eiserner Wille und Herzblut für diesen steinigen Weg nötig ist. Frieling -selbst einer der erfolgreichsten deutschen E-Book-Seller- weiß, wovon seine Interview-Partner sprechen. Er ist bei seiner stetig wachsenden Fangemeinde nicht nur als eloquenter Erzähler, sondern auch als begabter Zuhörer mit dem speziellem Talent des “zwischen den Zeilen lesen und hören” beliebt und berüchtigt. Frieling war sein Leben lang ein Pionier und so nimmt es nicht weiter Wunder, dass er sich binnen eines Dreivierteljahres auch einen exzellenten Ruf als Vorreiter der E-Book-Szene erarbeitet hat. In Summe nur folgerichtig, dass dieser in der Verlagsszene durchaus gefürchtete Querdenker nun das hier vorliegende Interview- und Ratgeber-Buch herausgegeben hat. Welches im Übrigen nicht als statisches Werk angelegt ist, sondern als Fortsetzungsgeschichte. Im Laufe der Entwicklung sollen weitere Autoren interviewt werden, um so eine umfassende Dokumentation der Erfolgsgeschichte deutschsprachiger Kindle-Autoren entstehen zu lassen. Frieling interviewt Autoren quer durch alle Genres. So erklärt Fantasy Autor Michael Erle seine Einschätzung und Nutzung sozialer Netzwerke, Dirk Bongardt, Verfasser der erfolgreichen Al Wolfson Chroniken, erklärt, warum zielgruppenorientiertes Schreiben zum Erfolg führt und Krimi Autorin Birgit Böckli gibt ehrlich zu, einen Teil ihres Erfolges auch an den im Kindle Segment möglichen Kampfpreisen auszumachen.  Nicht alle Interviewpartner sind so en Detail auskunfsfreudig. Manche plaudern freundlich, bleiben aber wie Matthias Matting, die Nr.1 unter den Kindle Autoren, in Sachen Tipps doch recht zugeknöpft und lassen allenfalls erahnen, warum auch in Sachen E-Book Marketing Apple als Vorbild taugt. Der “NullPapier”Verleger Jürgen Schulze, der sich auf die Aufbereitung und Herausgabe gemeinfreier Schriften (Grimms Märchen) spezialisiert hat, bringt es als Essenz pragmatisch auf den Punkt.”Pioniergewinne einstreichen, investieren, Rationalisierungspotenziale suchen und offen für Neues sein”. Wie ein roter Faden zieht sich aber auch die Erkenntnis von Emily Bold, Verfasserin historischer Liebesromane, durch die Interviews: Self-Publishing ist ein Vollzeitjob. Fast alle können ein Lied von nächtlicher Heimarbeit singen, fast alle verweisen auf die Knochenarbeit abseits ihrer eigentlichen Berufung, nicht wenige wünschen sich eine professionellere Betreuung. Es bleibt spannend, wieviel Bewegung diesbezüglich noch in die Verlagsszene kommen wird. Jedem designierten E-Book-Autor sei Frielings Interview Band ans Herz gelegt. Er findet dort wichtige Tipps, durchaus aber auch so manches, worüber sich nachzudenken lohnt. Denn vor den Erfolg hat der liebe Gott auch bei Kindle  Schweiß und Fleiß gesetzt.

Frieling ergänzt den Band mit einer ausführlichen Schilderung der Techniken des  US-Erfolgsschriftstellers John Locke, welcher mit zielgerichtetem Marketing 1.100.000 E-Books in fünf Monaten verkaufte und allen künftigen E-Book-Autoren den klugen Rat mit auf den Weg gab: Wer Dein Buch nicht mag, gehört nicht zu Deiner Zielgruppe.

Diskussion dieser Rezension im Blog der Literaturzeitschrift


Genre: Ratgeber
Illustrated by Internet-Buchverlag Berlin, Unbekannter Verlag

Toter geht’s nicht

Henning Bröhmann ist Kriminalhauptkommissar in der mittelhessischen Provinz und pflegt am liebsten sein Phlegma. Damit ist es jedoch schlagartig vorbei als ihn seine Frau verlässt, die eine Auszeit braucht und nach dem Faschingsumzug ein toter Tod entdeckt wird. Nun ist der Kommissar gefordert; er muss die Kinder und Hund Berlusconi versorgen und einen Mörder suchen, dessen Opfer zunächst keinerlei Anhaltspunkte liefert. Entsprechend schleppend gestalten sich die Ermittlungen, sie bescheren schaurige Schlagergalas und ungebetene väterliche Ratschläge, nichts was wirklich weiterhilft. Doch dann gibt es einen zweiten Toten…

Dietrich Faber, der bisher hauptsächlich kabarettistisch tätig war, hat mit “Toter geht’s nicht” ein durchaus respektables Romandebüt abgeliefert. Seine Herkunft kann (und will) er dabei freilich nicht verleugnen, denn trockener Humor und Satire mit bewusst bedienten Klischees überwiegen im Buch, der kriminalistische Teil mit der eher zufälligen Auflösung des Falles ist eher Beiwerk. Dennoch funktioniert der Roman als erster Teil einer Serie, die Figuren werden eingeführt und können deshalb entsprechend ausführlich in ihrem Lebensumfeld verankert werden.

Das Buch ist flüssig geschrieben und witzig, der Kommissar als plötzlich alleinerziehender Vater sympathisch und auch die anderen Charaktere kommen stilsicher daher, Leute eben, wie es sie nicht nur in der hessischen Provinz gibt. Mundart kommt kaum vor, die Leserschaft muss also nicht regional beschränkt werden.

Fazit: Macht richtig Spaß, Fortsetzung erbeten und beim nächsten Mal vielleicht etwas mehr Krimielemente.


Genre: Kriminalromane
Illustrated by Rowohlt Polaris

Shadowmarch 4 • Das Herz

Im vierten und letzten Band der Tetralogie »Shadowmarch« bringt Tad Williams sein Desaster-Epos vom Aufstieg, Fall und Untergang mächtiger Reiche zu voller Blüte. Die Geschichte gipfelt in einem gewaltigen Krieg, den keiner gewinnen kann und der selbst ärgste Feinde zu Verbündeten macht. Quar und Funderlinge schließen sich zusammen gegen den wahnsinnigen Autarchen Sulepis, Gottkönig des Großreiches Xis, der in der Mitsommernacht mit dem Blut von König Olin dunkle Götter erwecken will, die voller Zorn auf alles Lebende sind. Weiterlesen


Genre: Fantasy
Illustrated by Klett-Cotta Stuttgart

A Berlin Trilogy

Band 1: Rosa

Berlin 1919: Die Hauptstadt ist arg gebeutelt von den Irrungen der Nachkriegszeit und den Wirrungen der deutschen „Revolution“ und zu allem Überfluss hat es Kripo-Kommissar Hoffner auch noch mit einem Serienmörder zu tun, der seinen Opfern exzentrische Muster in den Rücken schneidet. Die Ermittlungen laufen auf Hochtouren, doch dann nimmt der Fall eine überraschende Wendung, als ein neues Opfer entdeckt wird: Rosa Luxemburg. Die Gründerin und Führerin der Kommunistischen Partei Deutschlands war seit dem gescheiterten Spartakus-Aufstand vermisst und Hoffner wird schnell klar, dass sich dadurch alles verändert. Nun muss er nicht nur einen Mörder suchen, sondern sich auch mit den verschiedenen politischen Strömungen dieser unruhigen Zeit befassen ohne zwischen deren Fronten zu geraten, denn die Polpo (Politische Polizei) wartet nur darauf, dass er einen Fehler macht…

Band 2: Shadow and Light

Berlin 1927: Kommissar Hoffner wird zu den Ufa-Filmstudios in Babelsberg zitiert um einen vermeintlichen Selbstmord zu untersuchen. Doch wie im Film sind die Dinge nicht so wie sie scheinen und Hoffner findet viel mehr Fragen als Antworten: Ist es wirklich möglich, Filme mit Ton zu produzieren? Wer könnte Interesse an Pornos haben? Was genau wollen die Amerikaner aus Hollywood? Und welche Rolle spielt eigentlich der egomanische Regisseur Fritz Lang? So beginnt eine lange Reise, die den Kommissar zu den dunklen Seiten Berlins führt, Drogen, Sex und Dekadenz als scharfer Kontrast zur Ufa-Scheinwelt. Aber er hat auch noch private Angelegenheiten zu regeln, seine Söhne drohen ihm zu entgleiten und besonders der Ältere unterhält ungesund engen Kontakt zu einer neuen politischen Gruppierung und einem kleinen hinkenden Mann namens Joseph Goebbels…

Band 3: The Second Son

Berlin 1936: Die Stadt wird herausgeputzt für die Nazi-Olympiade und Kommissar Hoffner muss den Dienst quittieren, seine Mutter war Jüdin. Er hat auch sogleich Verwendung für die neu gewonnene Zeit, denn er reist nach Barcelona, wo sein Sohn Georg vom Ausbruch des spanischen Bürgerkriegs überrascht wurde und seitdem als vermisst gilt. Dort angekommen gerät er schnell in einen Strudel aus Misstrauen und Verrat, finstere Machenschaften ausländischer Geheimdienste und natürlich zwischen die Fronten der verschiedenen einheimischen Kämpfer. Tatsächlich findet er Spuren seines Sohnes und er nimmt unter meist chaotischen Umständen die Verfolgung auf. Doch Eile ist geboten, denn die Zeit ist knapp und die faschistischen Franco-Rebellen rücken immer näher…

Jonathan Raabs Romantrilogie wäre mit der Bezeichnung Kriminalliteratur nur äußerst unzureichend etikettiert, bietet sie doch sehr viel mehr. Personen der Zeitgeschichte wie Albert Einstein oder Fritz Lang werden in einer Mischung aus Fakt und Fiktion in den historisch politischen Hintergrund eingebunden und verleihen dem Werk dadurch eine faszinierend dichte Atmosphäre. Kommissar Hoffner ist der tragische Anti-Held, ein einsamer Wolf, stets zum Scheitern verurteilt, vom Leben bestraft durch zahlreiche Nackenschläge, die im letzten Buch allerdings für meinen Geschmack ein wenig zu heftig ausfallen.

Aber zumindest die ersten beiden Romane haben noch eine zweite Hauptfigur und die heißt Berlin. Dem Autor gelingt es überzeugend, die Stimmungen einzufangen, mal melancholisch, mal morbide dekadent, auch düster und bedrohlich, wenn er den sich schon früh abzeichnenden Aufstieg der Nazis und ihrer Helfer beschreibt, Berlin noir in Reinkultur. Die Sprache ist dazu passend dicht und intensiv, beschränkt auf das Wesentliche, befreit von überflüssigem emotionalem Ballast. Wer sich auf diese Art von Literatur einlässt, dem sei die Berlin-Trilogie wärmstens ans Herz gelegt, ich jedenfalls hätte etwas versäumt, wenn ich auf die Lektüre verzichtet hätte.


Genre: Romane
Illustrated by Halban

Familienbande

Familienbande
“Dein Vater wird auch dann noch am Leben sein, wenn längst niemand mehr weiß, dass es Nachkommen von ihm gegeben hat.” *1 Diesen Satz sagt die Mutter nach dem Tod des Vaters zu ihrem jüngsten Sohn Michael. Sie meint das nicht böse, sie sagt es nicht im Streit. Das ist eben ihre Sicht der Dinge, ihre Sicht auf die Bande, die ihre Familie umschlingen. Die Mutter ist Katia Mann und der Vater, das ist Thomas Mann, der Zauberer. Kaum eine Familiengeschichte ist so umfassend dokumentiert wie die der Manns. Doch im Mittelpunkt öffentlicher Aufmerksamkeit stand stets der Zauberer selbst, allenfalls die Söhne Klaus und Golo und die Tochter Erika erfuhren relevantes Interesse.Über den jüngsten Sohn, Michael, liest man meist nur eine Randnotiz wie “Michael ist Musiker und hat ein Programm vorzubereiten.” *2
Michael Degen erzählt in seinem Roman Familienbande von Michaels Leben, seiner zerrissenen Persönlichkeit, seiner Sehnsucht nach Anerkennung und Liebe im kalten Umfeld einer intellektuellen Familie. Michael war von den sechs Kindern Thomas Manns das ungewollte, das ungeliebte Kind. Ein Kind, dem der große Schriftsteller mit Distanz, zeitweise mit Verachtung und Ekel begegnete. Die Mutter stellte ihren Gatten und sein Ausnahmetalent über alles, auch über ihre Kinder. Michael, Bibi genannt, ist als Kind schon schwierig, früh zeigt sich ein Hang zur jähzornigen Gewalttätigkeit. .Seine Frau Gret, Gefährtin seit Jugendtagen, wird die Einzige sein, der es gelingt, ihn halbwegs in der Spur des Lebens zu halten. In den Kriegsjahren, als die Familie in alle Winde zerstreut wird, erblüht Michael Manns Liebe und Talent zur Musik. Er wird zu einem der besten Bratschisten des letzten Jahrhunderts. Gemeinsam mit Yaltah Menuhin gibt er umjubelte Konzert auf ausgedehnten Tourneen. Doch es reicht nie. Der Vater verweigert die Anerkennung. Ein Musiker sei lediglich reproduzierender Künstler, keiner, der etwas erschaffe. Bis zum Lebensende Thomas Manns schaffen es Vater und Sohn gerade eben, ein Arbeitsverhältnis zu haben, als Thomas Mann Hilfestellung Michaels zum Dr. Faustus annimmt. Michaels ältester Sohn, Frido wird hingegen vom Großvater mit Liebe überschüttet, “für dieses junge Leben trägt er Segenswünsche im alten Herzen” *3
Auch dies löst in Michael Mann äußerst ambivalente Gefühle aus, welche seine eigene kleine Familie zu zerstören drohen. Nach dem Tode des Vaters bricht Michael jäh mit seiner bisherigen Karriere und beginnt eine zweite als Germanist. Auf Bitten der Mutter gibt er schliesslich die unveröffentlichten Tagebücher des Vaters heraus. Doch mit dem, was er darin über sich selbst lesen muss, wird er zeitlebens nicht fertig werden können. Wie Klaus hat auch Michael einen Hang zur Selbstzerstörung, schließlich stirbt auch er in einem Exzess aus Alkohol und Drogen.

Michael Degen ist ein großartiger Roman von bemerkenswerter Dichte gelungen. Man merkt an jeder Stelle des Romans, wie sehr dem Autor Sprache am Herzen liegt und wie virtuos er damit umzugehen versteht. Er beschönigt nichts, er wirbt auch nicht um Verständnis, er erklärt. Doch dem Leser sind die Charaktere stets nah. Darin liegt eine große Stärke dieses Buches. Ganz sicher ist es auch ein großer Verdienst des Autors, das Schicksal Michael Manns aus einer Ecke herausgeholt zu haben, in die es nicht gehörte und Dinge zu beleuchten, die bisher kein großes Interesse fanden. So war mir neu, dass Michael Mann gemeinsam mit Yaltah Menuhin konzertierte. Diese Tatsache alleine ist schon so interessant, dass ich mich ernsthaft frage, warum dies niemand bisher eines Romans für würdig befunden hat. Der Sohn eines berühmten Vaters, die Schwester eines berühmten Bruders – “wir haben beide unser Päckchen zu tragen”. So lässt es Michael Degen die schöne Geigerin sagen. Welch ein Thema. Zwei hochbegabte Künstler, gefeiert, aber nie aus dem übermächtigen Schatten der berühmten Verwandschaft heraustreten könnend. Sie werden bejubelt auf ihren Reisen, doch in den Behelfs-Schaufenstern der Nachkriegszeit hängen nur Plakate des Zauberers.

Dennoch – Familienbande ist ein Roman. Keine Biographie.Ich bin hinlänglich, aber nicht in allen Details mit der Geschichte der Familie Mann vertraut und bin mir nicht sicher, was in diesem Roman Fiktion und was wirklich so geschehen ist. Degen belegt zwar seine Zitate, verweist im Roman selbst auch auf verschiedene Quellen, aber ich hätte es schon gerne etwas genauer gehabt. Ich wüsste gerne, ob Katia Mann den eingangs erwähnten Satz wirklich so gesagt hat. Auch erschien mir die Person Gret Mosers zu verklärt. In Interviews mit Frido Mann liest sich das signifikant anders. Darüber hinaus hat mich irritiert, dass die Adoptivtochter von Gret und Michael, Raju, Degen nicht eine einzige Erwähnung wert war.

Nichtsdestotrotz oder gerade deswegen ist Familienbande ein tief berührender, aber auch verstörender Roman, der auch abseits der Thomas-Mann-Gemeinde sein Publikum finden sollte. Er zeigt eindrücklich, was Familienbande lebenslang unabänderlich anrichten können Man ist versucht, während der Lektüre zu seinen Kindern zu gehen und zu fragen: Ihr wisst schon, dass ich Euch lieb habe und stolz auf Euch bin?

Der Autor: Michael Degen ist einer der renommiertesten Schauspieler Deutschlands. Seit seiner Autobiographie “Nicht alle waren Mörder” ist er auch als Schriftsteller überaus anerkannt. Als Schauspieler ist er mir vor allem erinnerlich als Meister der leisen Töne und genau diese sind es auch, welche die Familienbande so lesenswert machen.

Diskussion dieser Rezension im Blog der Literaturzeitschrift.

Quellenangabe: 
*1 S.461, Familienbande
*2 aus Heinrich Breloer, die Manns
*3 aus Briefwechsel Thomas Mann/ Agnes Meyer


 


Genre: Romane
Illustrated by Rowohlt

Gegen alle Zeit

Gegen alle Zeit Henry Ingram verdient sein Brot im London unserer Tage mehr schlecht als recht mit der Schauspielerei. Nach langer Durststrecke bekommt er endlich ein ordentliches Engagement. Er gibt den Captain Macheath in der “Bettleroper”, zu der schon Brecht anmerkte, dass sie richtig “des Bettlers Oper” heißen müsse. Die Premiere ist umjubelt, doch dann verlässt ihn sein Glück. Am Tag nach der Premierenfeier wacht er reichlich verkatert im verlotterten Keller von “Mother Blake’s Gin Shop ” auf. An viel kann er sich nicht erinnern. Irgendetwas war da mit einer Eisenstange, mit Blut und mit leidenschaftlichen Küssen seiner Freundin, die nur dummerweise nicht ihm galten. Als er noch benommen auf die Straße tritt, ist seine Verwirrung komplett. Er steht nicht zwischen Wolkenkratzern, sondern zwischen windschiefen Häusern auf einer kopfsteingepflasterten Strasse, er hat zwar noch sein Smartphone, aber kein Netz. Und die ihn umgebenden Menschen sehen mit ihren Perücken, ihren Miedern und Kniebundhosen auch nicht so aus, als ob sie gerade die News of the World in den Orbit twittern würden. Dummerweise ist auch die Suche nach der versteckten Kamera gänzlich erfolglos, dafür darf Henry sogleich eine rühmliche Rolle bei der Befreiung von Londons berühmtesten Dieb Jack Sheppard spielen. Als Hirngespinst haben Zeitreisen sicher etwas unbestreitbar Reizvolles. Henry aber, plötzlich ins London des Jahres 1724 versetzt, hat mit Gefahren zu kämpfen, aus denen ihn mehr als einmal nur sein schauspielerisches Talent zu retten vermag. Plötzlich findet er sich inmitten von Macheath’ Umfeld wieder, er gehört zur Bande von Sheppard, arrangiert sich notgedrungen mit dem Gauner Blueskin, verliebt sich in die Hure Bess und wird ins berüchtigte Irrenhaus Bethlem Royal eingewiesen. Schließlich lernt er gar die Schöpfer der Bettleroper kennen, nicht ohne ihnen seinen Captain Macheath ans Herz zu legen, damit dessen Rolle auch ja eine bedeutende werden wird. Sein Schicksal verwebt sich immer mehr mit der Handlung der Bettleroper, ein Ausweg scheint ungewiss…..

“Gegen alle Zeit ” ist ein gewagter Genre Mix aus historischem Roman, Krimi, Fiktion und Milieustudie, gewürzt mit ein wenig Romantik und einem guten Sinn für Situationskomik, insbesondere wenn Henrys Verständnis der Welt und seine ungewohnte Situation kollidieren. Der Roman spielt in den heruntergekommenen Vierteln Londons, seine Helden sind die gewitzten Diebe und die durchtriebenen Huren jener Zeit. Die Geschichte entwickelt sich rasant, Atempausen sind dem Leser nur vergönnt, wenn die Erzählperspektive wechselt. Der Leser erlebt das Geschehen meist aus der Sicht Henrys, einige Kapitel sind jedoch aus der Sicht anderer Protagonisten erzählt, was einem besseren Verständnis durchaus dienlich ist. Der Roman ist nicht nur sorgfältig recherchiert und von Anfang bis Ende gut durchdacht konzipiert, sondern auch atmosphärisch überzeugend. Als Leser fühlt man sich zurückversetzt in ein dreckiges, lautes und verruchtes London des frühen 18. Jahrhunderts. Die grundlegenden Zusammenhänge sind schnell durchschaut, doch sich entwickelnde Widersprüche führen dazu, dass man selbst als mit dem Hintergrund der Bettleroper vertrauter Leser nicht immer weiß, wo die Historie aufhört und Fiktion anfängt. Die vorherrschende Sorgfalt wird unterstrichen durch die sehr ansprechende Gestaltung des Buches. Großartige, teils ganzseitige Illustrationen von Tina Dreher untermalen die Handlung trefflich, darüberhinaus finden sich in den Klappendeckeln Stadtschnitte und Pläne der britischen Hauptstadt des 18. Jahrhunderts.

Der Autor: Hinter dem Pseudonym Tom Finnek steht der im Westfälischen recht bekannte Autor Herbert “Mani” Beckmann, der sich mit münsterländischen Krimis und der historischen Moor Trilogie aus dem Book on Demand Bereich heraus bereits einen Bekanntheitsgrad erarbeitet hat. Sein Pseudonym setzt sich aus den Vornamen seiner Söhne zusammen und soll einen Leserkreis über lokale Verbindungen hinaus ansprechen. Gegen alle Zeit ist bereits der zweite historische Roman unter dem Namen Tom Finnek. Der erste “Unter der Asche” spielt ebenfalls im historischen London, im ausgehenden 17. Jahrhundert. Der dritte ist in Arbeit und soll die London-Trilogie abschließen. Für die große Fangemeinde historischer Romane dürfte Tom Finnek dank seiner detailgetreuen, aber rasanten Erzählweise eine echte Bereicherung sein.

Diskussion dieser Rezension im Blog der Literaturzeitschrift


Genre: Historischer Roman
Illustrated by Ehrenwirth München