Leg Curl für die Beine, Lat Pulldown für den Rücken, Cable Crossover für die Brust, Triceps Extension für die Arme und schließlich noch ein paar Übungen mit den Kettlebells. Hauptsache, Sie haben bei all dem Ihre Range of Motion im Blick und treiben es mit Ihrem Progressive Overload nicht zu weit.
Sie können mit all diesen Begriffen etwas anfangen? Schön für Sie und ein Lob, allerdings mit Vorbehalten. Es könnte darauf hindeuten, dass Sie regelmäßig etwas für Ihren Körper tun, bevorzugt in einem dafür eingerichteten geschlossenen Raum, den man heutzutage landläufig Fitness-Studio oder lässig und cool „Gym“ nennt. Hoffen wir mal nicht, dass Sie diese Tempel (mehr oder weniger) schöner Körper nur deshalb aufsuchen, um Ihren unterversorgten Kommunikationsbedarf zu befriedigen, während Sie neben dem Laufband, dem Crosstrainer oder dem Spinning-Bike stehen. Oder um nur mit den topgestylten Vertretern/Vertreterinnen des anderen Geschlechts zu flirten. Oder um einzig und allein und direkt den SPA-Bereich anzusteuern. Oder nur um Ihrem Hausarzt beteuern zu können, dass Sie jetzt so richtig angreifen.
Nein, mit all dem müssen Sie absolut nichts am Hut haben, um Verena Kesslers Roman zu verstehen und zu genießen. Trotz des Titels sind Grundkenntnisse in Sachen Body-Shaping allenfalls am Rande hilfreich. Wer sich auskennt, amüsiert sich an Wiedererkennungseffekten.
Verena Kessler hat eine ganz herausragend konstruierte Geschichte erschaffen. Ach so, sie ist Studentin am deutschen Literaturinstitut in Leipzig? Dann kann man solch eine Fleißarbeit doch erwarten, oder? Nein, absolut nicht. Wie die Autorin diesen Plot entwickelt, geht weit über das hinaus, was man als studentische Fleißarbeit im Rahmen des Semester-Curriculums bezeichnen könnte. Da schimmert ganz viel Talent durch die wohlgesetzten Worte und Zeilen.
Dabei fängt alles ganz harmlos an. Eine Frau bewirbt sich in einem Studio um einen Job und bekommt ihn, nicht zuletzt wegen einer spontanen Notlügen-Idee. Gerade wenn man sich danach als Leser in die Story eingelesen hat und dem Fluss der Handlung folgt, blitzen erste inhaltliche Störsignale auf. Ganz kurze Einblicke in eine offensichtlich nicht ganz unproblematische Vergangenheit der Protagonistin. Zunächst ist sie nur für die Theke im Studio zuständig, mixt Fitnessgetränke und dient dem Publikum als Punchingball für Gespräche mit eher unterdurchschnittlichem intellektuellem Anspruch. Inspiriert vom täglichen Umfeld fängt sie irgendwann selbst an, ein leichtes Anfänger-Fitness-Programm zu absolvieren. Zunächst nur aus rationalen Pflichtgefühlen heraus, dann allmählich intensiver, weil ihr im Spiegel die neuen Formen ihres Körpers mehr und mehr gefallen. Als danach auch noch eine professionelle Bodybuilderin im Studio erscheint, ist eine neue Norm im Körperkult gesetzt, der diese Räume eh permanent genauso durchzieht wie der Schweißgeruch der Fitness-Jünger. Sie wird zur Gym Rat, deren Zuhause mehr und mehr das Studio ist. Bis …
Extrem raffiniert nimmt einen die Autorin kontinuierlich mit in eine zunächst nur erahnbare, dann immer realistischere Eskalation – in der Gegenwart, ebenso in der Vergangenheit. Ein dazu passendes Stilmittel ist die durchgehende Ich-Form und der Verzicht darauf, der Protagonistin einen Namen zu geben. Als Leser sieht man die Ereignisse deshalb immer auch ein wenig durch die Augen der Hauptfigur.
Es ist fast unmöglich, auf die Essenz dieses Romans einzugehen, ohne den weiteren Verlauf der Handlung zumindest in Andeutungen zu skizzieren. Aber versuchen wir es einmal ganz abstrakt, indem wir ein paar Fragen auflisten, denen man sich beim Lesen einfach stellen muss.
Wie lange ist ein Hobby eine Leidenschaft und wann geht vielleicht das „gesunde Maß“ verloren (was immer das ist)? Wann wird aus einem Engagement in Freizeit und Beruf ein suspektes Verhalten, eine Fixierung, eine Obsession, wann ist die Grenze zum Wahn überschritten? Warum überschreitet jemand diese Grenze? Ist es immer und überall das von Gesellschaftskritikern viel gescholtene Konkurrenzdenken in Beruf und Freizeit, das früher oder später zu Burnout oder Schlimmerem führen muss? Oder forciert der tägliche Vergleich mit den noch Besseren, mit den Besten, fast zwangsläufig die Dekompensation? Erst recht bei einer vielleicht bis dahin unerkannten, latenten Persönlichkeitsstörung?
An dieser Stelle vielleicht eine „Trigger Warnung“. Das ist kein Buch für eingefleischte Vegetarier/Veganer. Aber auch Karnivoren werden möglicherweise neu eingenordet.
Absolut gekonnt auch das Ende des Buches. Ok, kein Drama, kein Happy-End, aber wir sind ja auch nicht in Hollywood. Man lehnt sich gerade entspannt zurück, da katapultieren einen die letzten Zeilen in die Erkenntnis – Oh nein, es geht schon wieder los.
Was der Rezensent sonst noch mitgenommen hat? Die Planks auf Unterarmen und Zehenspitzen gehören nun zum täglichen Pensum dazu und werden schon 70 Sekunden gehalten.

Feministisches Märchen
Die Punks in der Wiener Gassergasse. “GAGA”, das stand in Achtziger Jahren in Wien weder für Lady noch für Radio, sondern für das erste selbstverwaltete Punk-Projekt in der Gassergasse im 5. Wiener Gemeindebezirk. Aber gerade als der Autor mit seiner Feldstudie begann wurde es auch schon wieder beendet. Die Räumung der GAGA jährte sich 2023 zum 40. mal.
Dr. Katze. Eigentlich waren Katzen gar nicht als Therapietiere im Kinderhospiz Lichtblickhof geplant. Aber eigenwillig wie Katzen nun einmal sind, haben sie sich einfach selbst bemerkbar gemacht, wie sie mit den jungen Patient:innen interagieren möchten. Erst nach und nach hat sich daraus eine Therapiekatzen-Ausbildung entwickelt, die hier, in “Dr. Katze” vorgestellt wird.
„Ich bin Schriftsteller, ich schreibe nur Geschichten“, sagt Ferdinand von Schirach mit einer subtil gesetzten Note eines süffizienten Understatements. Mehr als 10 Millionen verkaufte Bücher zeigen, dass seine Geschichten ankommen. Sie haben ihn reich und zur Cashcow seiner drei Verlage gemacht (Luchterhand, btb, Penguin). Übersetzt in mehr als 30 Sprachen ist er zu einem globalen Erfolgsautor geworden. Verdientermassen? Das kann man wohl guten Gewissens bejahen. 
Fiasko der Selbstüberforderung
2019 gewann der scheue, österreichische Dichter und Schriftsteller de Literaturnobelpreis. Einige Berichte zeigten den sprachlosen verstörten Dichter in seinem neuen Heim in Chaville bei Paris, wo er mehr oder weniger seit den 1990er Jahren lebt.
Italienische Paläste. Der 1953 in Florenz geborene Fotograf Massimo Listri weiß, was Schönheit heißt. Er hat bereits über (!) 70 Fotobände veröffentlicht und stellt seine Werke weltweit aus. In “Palazzi italiani”, das in einer mehrsprachigen Ausgabe bei TASCHEN erschienen ist entführt er die Kulturbegeisterten in die schönsten Bibliotheken der Welt. Und das in XXL.
Der Geschäftsmann Cosimo de Medici (1389-1446), dessen Familie die Geschicke Florenzs für 300 Jahre lenkte, versammelte eine Künstlergruppe, die die Idee der “Rinascità”, der Wiedergeburt der Antike, propagierte. Als Humanist wollte Cosimo die Kunst in all ihren Erscheinungsformen – auch Architektur – fördern. Neben Venedig war auch Genua eine der vier mächtigsten Seerepubliken, die vor allem durch die 1407 gegründete Banca di San Giorgio den anderen drei den Rang ablief. Wie Niccolò Macchiavelli (1469-1527) es ausdrückte sah er in der Bank die dominierende politische Institution Genuas, mit der die Stadt “sogar Venedig überlegen sei”, so Roberto Stalla in seiner Einführung.
Eigene Exkurse zu einzelnen Palazzi in Venedig oder Mantova et al ergänzen die Ausführungen Stallas im Vorwort und gehen auf weitere Details des jeweiligen Bauwerks ein. So erfahren wir etwa über den Palazzo Ducale, den Dogenpalast, dass er auf einer Grundfläche von 75×100 Metern steht und an San Marco angrenzt und somit das politische und das religiöse Zentrum der Stadt eine Einheit bildeten. Beim Brand 1577 gingen sämtliche Gemälde von Giovanni Bellini, Vittore Carpaccio und Tizian verloren und Tintoretto und Veronese ersetzten die vorangegangenen Meisterwerke. Massimo Listri hat bei TASCHEN auch “The World’s Most Beautiful Libraries” publiziert. Listris Fotografien in “Palazzi” zeigen die schönsten architektonischen Details und vermitteln die einzigartige Atmosphäre der italienischen Paläste.
Coming-of-Age-Geschichte voller Rätsel
Weder bereichernd noch unterhaltend
Eine Dystopie mit Wumms
Kafkaeske, ich-bezogene Unbehaustheit
Auf der Suche nach Identität
Hier erscheint die deutsche Übersetzung einer Neuauflage, die 2021 erschien. Geschrieben hatte die Autorin das Buch 1953, mit siebzehn Jahren. Sie legte die Handlung in die letzten Jahre des 2. Weltkrieges. Es erschien dann 1962 und wurde ein Erfolg. Im Vorwort von 1998 schreibt die dann über Fünfzigjährige, dass sie es nun wie ein Jugend Foto betrachte.