Ray Bradbury: Fahrenheit 451. 1953 entstanden zählt auch der hier vorliegende Roman zu den radikalsten dystopischen Zukunftsvisionen, gleich neben „1984“ von George Orwell oder „Brave New World“ von Aldous Huxley. In nur neun Tagen soll ihn der damals 33-jährige frischgebackene Vater, Ray Bradbury, geschrieben haben, wie Peter Torberg in seinen Anmerkungen am Ende des Romans schreibt.
Bradury’s feuerlegende Feuer(-wehr-)männer
In seiner editorischen Notiz erklärt er auch manche Widersprüche, Unklarheiten oder nicht ganz aufgelöste Stellen im Text durch die Übersetzung. Als Beispiel nennt er etwa auch das englische „fireman“, dem die Doppeldeutigkeit der deutschen Übersetzung mit „Feuerwehrmann“ gänzlich abgeht. Deswegen wählte Peter Torberg für Guy Montag, den Protagonisten des Romans auch „Feuermann“: „In der Welt die Ray Bradbury für seine Leserinnen erschaffen hat, in der Lesen geächtet und Wissen nicht erwünscht ist, in der auf Buchbesitz Strafe steht und die Menschen mit Entertainment und Dauerberieselung unmündig gehalten werden, dort ist die Bedeutung einer Feuerwehr durch das Umschreiben der Menschheitsgeschichte schlicht unbekannt.“ Die Feuermänner in „Fahrenheit 451“ löschen nämlich kein Brände, sondern sie legen sie, sie sind gleichsam dazu da, zu vernichten und zu strafen, Bücher zu verbrennen oder manchmal auch ganze Häuser, notfalls auch zusammen mit den Bewohnern.
Fahrenheit 451: Zeitalter des Papiertaschentuchs
Wie Parfüm wirkt das verwendete Kerosin der Feuerbrigade auf ihn, schwärmt Montag seiner Angebeteten Clarisse vor. Ebenso schwärmerisch antwortet sie ihm: „Ich rieche gerne an Dingen und schaue sie mir an, und manchmal bleibe ich die ganze Nacht auf, gehe spazieren und schaue zu, wie die Sonne aufgeht“. Die beiden leben nicht umsonst im „Zeitalter des Papiertaschentuchs“: „Man schneuzt sich mit einer Person, zerknüllt sie, spült sie hinunter, greift nach der nächsten, schneuzt sich, zerknüllt, spült hinunter“. Aber Clarisse ist jedenfalls anders als seine Frau Mildred. Diese bevorzugt es zu Fernsehen und das Bücherlesen ist ihr ein Grauen. Sie steht auch für die Mehrheit der Bevölkerung in Bradburys Roman die Bücherlesen per se ablehnen, da es sie in eine schlechte Stimmung bringe und zu nachdenklich mache. Ray Bradbury hat in späteren Interviews betont, dass der Roman in einer Zeit entstanden sei (50er Jahre) in der das Fernsehen die Schrift ablöste, als Bücher und Zeitungen immer weniger konsumiert wurden. Genau davor sollte sein Roman warnen.
Fahrenheit 451 und die korrekten Zahlen
Bei der Titelwahl hatte er allerdings schlicht Celsius mit Fahrenheit verwechselt, denn Papier entzündet sich erst bei 451 Grad Celsius, nicht Fahrenheit (451 Grad Fahrenheit wären nur 232,7 Grad Celsius), so Gary Dexter, der in seinem Blog den alternativen Titel „Fahrenheit 843“ vorschlägt, der tatsächliche Temperatur Celsius also bei der sich Papier selbst entflammt. Dass das Internet-Zeitalter Ray Bradburys Schreckensvision von 1953 längst überflügelt hat, mag den Autor vielleicht noch erreicht haben. Er starb am 5. Juni 2012 in Los Angeles und meinte über Michael Moore, der einen seiner Filme Fahrenheit 9/11 (2004) nannte, einen „dämlichen Drecksack“, weiter zitiert ihn die deutsche FAZ: „So denke ich über ihn. Er hat meinen Titel geklaut und die Zahlen ausgewechselt, ohne mich jemals um Erlaubnis zu fragen.“ Gary Dexter hätte hier wohl das letzte Wort, wenn er Ray Bradbury einen „dämlichen Drecksack“ nennen würde. Tut er aber nicht.
Ray Bradbury
Fahrenheit 451
Aus dem Amerikanischen von Peter Torberg
2020, Hardcover Leinen
272 Seiten
ISBN: 978-3-257-07140-5
€ (D) 24.00 / sFr 32.00* / € (A) 24.70