Der Welten-Express: Erster Teil der großen Trilogie

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Magisch, gefährlich, heimelig – der Welten-Express

“Nacht für Nacht sitzt Flinn Nachtigall an einem stillgelegten Bahnhof: dem Ort, wo zwei Jahre zuvor ihr Bruder verschwand. Bis eines Abends ein Zug einfährt, gezogen von einer gewaltigen, rauchspukenden Lokomotive. Und Flinn…

…stürzt als blinde Passagierin in das Abenteuer ihres Lebens! Denn der Zug ist der Welten-Express, ein fahrendes Internat voller außergewöhnlicher Jugendlicher, angetrieben mit magischer Technologie. Ein Ort, an dem Flinn Freunde findet – und Feinde. Ein Ort voller Geheimnisse. Doch das größte Geheimnis verbirgt Flinn in sich selbst…” (Verlagstext der Inhaltsangabe)

Das Cover

… bildet eigentlich schon alles Wesentliche des Buches ab, ohne von der Geschichte zu viel zu verraten – gerade genug, um die potentiellen LeserInnen neugierig zu machen: Die meisten der Hauptfiguren, die relevanten magischen Tiere, den Welten-Express selbst, ein paar der vorherrschenden magischen Utensilien und den Sternenhimmel. Schön gestaltet in zentralen Farben und glänzendem Reliefdruck lädt das Hardcoverbuch zum Reinschmökern ein.

Der Prolog

… klärt, worum es dem Gründer des Welten-Expresses geht: armen Kindern und Jugendlichen die Chance geben, ihr Potential zu entfalten, um in der Welt eine außergewöhnliche Rolle zu spielen. Die rollende Schule mit eigenen, von den Schulen der Welt unabhängigen Regeln soll nicht nur Bildung vermitteln, sondern auch eine sichere Heimat werden für die sozial benachteiligten, vernachlässigten und/oder verwaisten Kinder. Diese schon im Prolog herausgestellte wichtige soziale Komponente der Ausbildung könnte durchaus eine kritische Anspielung auf das deutsche Schulsystem sein, in dem sozial schwächer gestellte Familien oft bildungsfern und deren Kinder in der Schule nicht die gleichen Chancen haben wie in sozial besser gestellten Familien.

Eine sichere Heimat

… ist allerdings ein angestrebtes Ideal, wie Flinn schon eine erste Ahnung nächtens im Zug überkommt und die sich im Laufe der Zeit zur Gewissheit verdichtet: Die Magietechnologie entpuppt sich als gefährlich. Die Verbindung von (Dampf-)Technologie und Magie spielt in der Geschichte eine wichtige Rolle und erinnert an Steampunk Fantasy. Auch Kasims Frisur und Pegs’ außergewöhnlicher Kleidungsstil passt zu diesem Fantasy-Genre, ebenso der “Kohlenjunge” Fedor und die Schutzbrille von Mme Florett.

Ein Hauch von Harry Potter

… umweht die LeserInnen permanent beim Lesen. Nicht nur die Benutzung von Schuluniformen und ein Zug, der ein wenig an den Hogwarts-Express erinnert, sondern auch die Konstruktion einer  eigenen, magischen und gefährlichen (Schul-)Welt, die neben der realen existiert, sowie der vordergründig bösen Lehrperson und deren jungendlichen Gehilfen lässt einen vermuten, dass die Autorin “Harry Potter” zumindest gekannt, daraus Anregungen geschöpft und mit eigenen Ideen vermischt hat. Diese Kombination ist definitiv gelungen, denn der Welten-Express liest sich spannend.

Weiblich und männlich

… eine Frage des Rollenklischees. Die Autorin lehnt sich an Gender-Theorien an, indem sie ihrer Hauptperson Flinn absichtlich nicht nur einen geschlechtsunabhängigen Namen gibt, sondern auch immer mal wieder einfließen lässt, dass sich Flinn so kleidet und benimmt, dass man sie auch für einen Jungen halten könnte bzw. sich ihres Geschlechts nicht sicher sein kann. Biologisch ist die 13-jährige Flinn noch nicht so weit, dass man ihr den weiblichen Aspekt ansieht. Flinn hat sich automatisch von Rollenklischees befreit, weil sie ihr ureigenes Wesen lebt. Und das hängt bei ihr nicht von einer gesellschaftlichen Rolle ab. Somit ist sie ein Vorbild, das zeigt, wie man sich von diskriminierenden Rollenklischees befreien könnte – einfach, indem man nichts auf sie gibt. Das gilt nicht nur für Frauen, sondern auch für Männer.

Trotzdem bestreitet auch sie eine Queste, zu der immer die Charakterentwicklung gehört. Das passt zur Pubertät, in der die Kinder zu Erwachsenen heranreifen und sich selbst finden lernen. Flinn, die sich ihres Wertes nicht bewusst ist, soll lernen, diesen zu finden und zu schätzen. Deswegen ist sie anfangs ein sogenannter Pfog, der sich zum Pfau entwickelt und wie dieser in all ihren Facetten schillern darf.

Schillernd

… ist auch die Sprache, die im Buch verwendet wird. Die Autorin arbeitet gern z.B. mit Personifikationen, Vergleichen, schmückenden Adjektiven und abwechslungsreichen Verben, die schon in der Sprachgestaltung die magische Welt widerspiegeln, die sie Stück für Stück der Leserschaft preisgibt.

Fazit

Ein durch und durch gelungenes Buch, das Lust macht auf die Fortsetzungen.


Genre: Jugendbuch
Illustrated by Carlsen Verlag Hamburg

Die Adler Roms, Buch 2-3

Die Adler Roms, Buch 2-3: Wirklich eindrucksvolle und einprägsame Bilder bietet die fünfteilige Serie von Enrico Marini, die beim Carlsen Verlag in Hardcover und als Epublikation erschienen sind. Die Geschichte von Hermann dem Cherusker wird als Geschichte einer Freundschaft erzählt. Denn „Arminius“ – so der lateinische Name – wuchs in einer römischen Familie mit dem gleichaltrigen Titus Valerius Falco auf. Doch das Schicksal machte die beiden Freunde zu Feinden.

Die Adler Roms: Römer gegen Teutonen

Der zweite Band beginnt bereits 9 Jahre später als der erste, im Jahre 762 ab urbe condita, also fast 800 Jahre nach Gründung der „urbs“. Der lateinische Ausdruck für Stadt, urbs, bezieht sich natürlich auf die ewige Stadt, Rom, die Hauptstadt des Imperiums. Viele der im Comic verwendten Ausdrücke werden in einem Glossar am Ende des Bandes eigens erklärt. So lernt man spielerisch auch etwas über die römische Kultur und Sprache, aber auch Geschichte. „Trapejischer Fels“ zum Beispiel bezeichnet die Stelle an der südöstlichen Spitze des Kapitol-Hügels von wo die Todesstrafe vollstreckt wurde, indem die vermeintlichen Verbrecher den Felsen hinabgestürzt wurden. Weitere Glanzlichter des vorliegenden Comics sind aber auch die Milieuschilderung und das kulturelle Leben. So begegnen sich die beiden Rivalen bezüglich der Liebe zu Priscilla, Titus und Lucius Aelius Seianus, bei einem Wagenrennen im Circus Maximus oder ist es gar das Colloseum oder das Hippodrom? Eine Feindschaft, die ein Leben lang dauern wird, bis zur Varusschlacht im Teutoburger Wald.

Die Adler Roms: Furor Teutonicus

Aber nicht nur die Zirkusspiele und Schlachten werden authentisch gezeichnet und geschildert, sondern auch die Liebesszene zwischen Priscilla und Falco am Rande des Tiber. Man fühlt sich geradezu in eine Märchenwelt entführt. Sprachlicher Witz („die vier letzten Buchstaben deines Namens, Seianus“) und üppige dekadente Sexszenen machen „Die Adler Roms“ zu einem Lesevergnügen der ganz besonderen Art. Denn diese Bilder wird man so schnell nicht mehr aus dem Kopf kriegen, so einprägsam und eindrucksvoll sind sie gezeichnet. Etwa wenn nach einem Dialog zwischen Arminius und Falco zwei Gefangene so nebenbei abgekragelt werden und die beiden Freunde im Hintergrund entschwinden. Enrico Marini zeigt aber auch die Kultur der Germanen, ihren Thing und die Bedrohung, die ihnen durch die Römer erwächst. Zudem wird auch die Vielfalt der germanischen Kultur durch die unterschiedlichen Gebräuche der einzelnen Stämme dargestellt. Besonders gruselig und authentisch wirken die Bilder im Wald, der alsbald die römischen Legionen verschlingt.

 

Enrico Marini

Die Adler Roms (Hardcover) 2: Buch II (Hardcover)

übersetzt von Marcel Le Comte

2020, Hardcover, Größe 24,00 x 32,00 cm, 64 Seiten

Alter: ab 14 Jahren

ISBN   978-3-551-79197-9

16,00 €

Die Adler Roms (Hardcover) 3: Buch III (Hardcover)

von Enrico Marini

übersetzt von Marcel Le Comte

Arminius in Gallien

Hardcover, Größe 24,00 x 32,00 cm, 64 Seiten

Alter: ab 12 Jahren

ISBN: 978-3-551-79198-6

16,00 €

Carlsen Verlag


Genre: Antike, Comic
Illustrated by Carlsen Verlag Hamburg

Die Adler Roms, Buch 1-5

Die Adler Roms Buch 1-5: „Fortan werden eure Feinde auch die Feinde Roms sein.“ Pax Romana nannte man diese Formel, die Besiegte zu Verbündeten gegen neue Feinde machte. Es war eine Art Siedlungspolitik, die wesentlich zur Ausbreitung der römischen Kultur beitrug. Es bedeutet auch die Zeit der größten Ausdehnung des römischen Reiches unter Augustus.

Die Adler Roms: Freundschaft wider Willen

Die von Enrico Marini auf gleich fünf Bände angelegte Graphic Novel „Die Adler Roms Buch 1-5“ spielt in der Zeit 753 ab urbe condita, also 753 Jahre seit der Gründung Roms im Jahre 1 v. Chr. Drusus, der einige Stämme Germaniens unterworfen hat, schickt als Pfand für diesen Frieden den Sohn des Häuptlings Sigmar nach Rom. „Arminius“ soll eine römische Erziehung bekommen und wächst unter der strengen Hand des Titus Valerius Falco auf. Er teilt mit dessen Sohn Marcus Freud und Leid und schmiedet so ihre Freundschaft immer mehr aneinander. Schließlich treten sie beide in die römische Legion ein und die eigentliche Erzählung beginnt. „Mein Name ist Herrmann. Mein Vater ist Fürst Sigmar von der Stirps Regia der Cherusker, der die Legionen ruhmreich bekämpft hat… und wenn du mich noch einmal „Sklave“ nennst, werfe ich dich über diese Brüstung.“ Mit diesen harschen Worten und einem Zweikampf lernen sich Gaius Julius Arminius und Marcus Valerius Falco kennen und lieben. Denn eine Freundschaft beginnt oft genau so.

Die Adler Roms: Loyalität des Blutes oder der Erziehung

Im Rom der Zeitenwende begegnen die beiden jungen Männer sowohl dem Wirken des Bacchus wie dem des Pluto. Sie trinken alsbald Bärenblut, um sich auf ewig zu verbinden und ihre Freundschaft für immer zu besiegeln. Das bedeutet, dass sie sich auch Morphea, die thessalische Hexe mit der Maske, teilen und die Illustrationen dazu sind alles andere als jugendfrei. Im Anhang befindet sich ein Glossar aus dem man gebräuchliche römisch-lateinische Begriffe lernen kann. Die weitere Handlung wird noch bis zur berühmten Varusschlacht im Teutoburger Wald nachgezeichnet und bald wird sich für Herrmann die eigentliche Kernfrage stellen: Sind die Verpflichtungen seines Blutes wichtiger oder ist seine Erziehung ausschlaggebend für die Entscheidung, auf welcher Seite er steht. Die Abenteuer-Serie für Erwachsene ist in edler Ausstattung im großformatigen Hardcover erschienen und wird in insgesamt fünf Bänden fortgesetzt.

Enrico Marini

Die Adler Roms, Buch I

2019, Hardcover, 64 Seiten

Alter: ab 14 Jahren

Größe 24,00 x 32,00 cm

ISBN: 978-3-551-79196-2

Carlsen Verlag


Genre: Comic, Geschichte, Graphic Novel
Illustrated by Carlsen Verlag Hamburg

Die Schrift des Windes – Yagyu Jubei

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“Japan 1649. Nach zwei Jahrhunderten kriegerischer Auseinandersetzungen herrscht die Tokugawa-Dynastie streng aber friedlich über das Land Japan – unter Festsetzung des Kaisers innerhalb der Palastmauern in Kyoto. Der Diebstahl geheimer Dokumente schürt die Konflikte und führt an die Grenze eines neuerlichen Bürgerkrieges. Um einen solchen zu verhindern, beauftragt das Shogunat den Samurai Jubei mit der Suche nach den Schriften.” (Inhaltsangabe der Graphic Novel)

 

 

 

Katsu Kaishu (Quelle: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/1/1f/Katsu_Yasuyoshi.jpg/220px-Katsu_Yasuyoshi.jpg)Quellbild anzeigen

Winter 1898. Etliche hochrangige Regierungsbeamte besuchen ihren ehemaligen Feind, den alten Mann, den sie im Scherz “Der Aufschneider vom Hikawa-Viertel” nennen. Der Mann namens Katsu Kaishu war es, der die friedliche Übergabe der Burg Edo veranlasst hat. Die Beamten wollen unbekannte Episoden aus der Zeit des Shogunats erfahren. Und werden nicht enttäuscht, denn der alte Mann hält den Schlüssel zum Aufbruch in die Moderne in den Händen. Er erzählt: “Am Wendepunkt des Schicksals der Tokugawa sollten diese Dokumente dem Bevollmächtigten des Shogunats überreicht werden… Das war die persönliche Anweisung des göttlichen Ieyasu. Ihr Inhalt hat mich aber wirklich überrascht.” Denn dieser ist so wegweisend wie einfach. “Die Geheimdokumente der Yagyu waren tatsächlich für die Meiji-Restauration notwendig… Aber ich frage mich, wie sie zukünftig auf Japan einwirken werden…”

Dass sich der 2017 verstorbene Mangaka Jiro Taniguchi nicht  mit seichten Storylines zufrieden gibt, ist seinen Fans bestens bekannt. Auch dieses Werk macht da keine Ausnahme. Wie schon bei “Ihr Name war Tomoji” hat sich der Mangaka ein historisches Sujet ausgesucht, um es aus seiner Sicht vor den Augen der Leser/innen lebendig werden zu lassen. Dabei wird deutlich, dass er kein Schwarz-Weiß-Bild der Geschichte zeichnet, sondern auch die “Gegner” jeweils ihre eigene nachvollziehbare Motivation haben, um zu handeln, wie sie handeln. Auch Jubei hegt keinen persönlichen Groll gegen seinen Hauptwidersacher Yashamaro, den er dazu bewegen will, den Konflikt friedlich zu lösen. Er setzt dabei auf Argumente, die allerdings gegen Yashamaros Motivation keine Chance haben. Letztlich gewinnt niemand, denn die Menschen, auch Jubei, opfern sich für ein höheres Ziel. Es geht also nicht um Gewinnen oder Verlieren, sondern um humanes Verhalten, das letztlich den Menschen (und nicht den Mächtigen) dienen soll. Damit wird Jubei (und indirekt Shogun Ieyasu als vernunftbegabter Herrscher) als Vorbild in Szene gesetzt.

Unabhängig davon, ob dieses positive Bild des Ieyasu der Wirklichkeit entspricht oder nicht, ist die Bedeutung klar – v.a. in der jetzigen Zeit, in der es (zu) viele unfähige Menschen an der Macht gibt: An erster Stelle hat nicht das Wohl der Mächtigen zu stehen, sondern das der gesamten Menschheit.

Mit gewohnter Detailtreue muten die Panels an wie kleine Gemälde, wobei aber auch die mangatypische Dynamik der Action-Szenen nicht zu kurz kommt. Diese Detailtreue gilt allerdings auch für die Darstellung der Kämpfe und damit der Gewalt, die ungeschönt und scheinbar emotionslos in Szene gesetzt wird. Automatisch stellt sich hier die Frage, ob der Weg zum Frieden tatsächlich erst einmal über Leichen führen muss. Dies versucht auch Jubei zu verhindern, indem er eine neue Kampftechnik erfindet, die den Gegner wie beim Schachmatt wirkungsvoll ohne Blutvergießen ausschalten soll. Aber auch hier und v.a. im Entscheidungskampf wird deutlich, dass es der freie Wille des Menschen (hier des Gegners) ist, wie er sich letztlich entscheidet.

Die Geschichte Jubeis wird umrahmt von der Geschichte Kaishus, die wiederum einen prägnanten Ausblick auf die Welt des 20. Jahrhunderts gibt. Die Folgen des II. Weltkrieges sind den Japanern immer noch gut im Gedächtnis.

Insgesamt wieder ein vielschichtiges Werk sowohl im Innen (Story) als auch im Außen (Gestaltung), das es verdient, gelesen und angeschaut zu werden.

 


Genre: Graphic Novel, Manga
Illustrated by Carlsen Verlag Hamburg

Busengewunder – Meine feministischen Kolumnen

BH, Körperbehaarung, Menstruation, magische Wirkung der Plazenta, gezeichnete (Box-)Brüste, Genitalnamen, Stöckelschuhe, Strafgesetzbuch und echte Gleichberechtigung, Objektifizierung des weiblichen Geschlechts, männliche Fantasien, Pinkeln in der Natur – Lisa Frühbeis verarbeitet in ihren Comicstrips ihre Gedanken rund um Emanzipation. Und das macht sie tiefsinnig, witzig, provokant, aber immer im Sinne der echten Gleichberechtigung von Frau und Mann.

Sie will zum Nachdenken anregen, erzeugt bei mitdenkenden Leser/innen aber auch immer wieder ein Gefühl des “Darüber habe ich auch schon nachgedacht, aber nicht darüber zu sprechen gewagt.” Denn schließlich ist es wirklich unfair, wenn Männer, z.T. sehr offensichtlich, in der Öffentlichkeit pinkeln, während die Frauen große Anstregungen unternehmen müssen, um bei diesem Geschäft nicht beobachtet zu werden. Da wird auch der einzige Vorteil des Rockes (ohne Unterhose) deutlich, denn so geht es auch im Laufen. Und wo dominiert noch die männliche Sicht? Nicht nur bei den gezeichneten unnatürlichen Brüsten, sondern auch im Strafgesetzbuch, das männlichen und weiblichen Exhibitionismus unterschiedlich hart bestraft.

Süffisant und offensichtlich subtil ist auch die weibliche und männliche Methode zu kommunizieren – da hilft bei einem älteren, korpulenteren, selbstverliebten, arroganten Gockel noch nicht einmal die Ich-Botschaft. Auch sonst erdrückt die schiere physische und psychische Masse das weibliche Gegenüber, sodass frau sich unwillkürlich fragt: Woher kommt so ein ungerechtfertigtes männliches Selbstbewusstsein? Oder “The bloody Circle of Life”, mit dem sich nur die Frauen quälen müssen – was offensichtlich niemanden interessiert. Im Berufsleben schon gar nicht.

Um den Blick zu weiten für die Geschlechterungerechtigkeit (auch heutzutage) helfen die Strips “Quote im Tomatenbeet” und “Der Tausch”: Man(n) stelle sich vor, er habe präspermales Syndrom, innenliegende Hoden, jeden Monat nur ein einziges Spermium, nicht monogamiefähige Frauen aufgrund der hohen Eierproduktion, die Pille für den Mann, eine mit 28 Jahren nachlassende Fruchtbarkeit des Spermiums und mit 50 Jahren beginnende Hormonstörungen. Selbstredend mit allen Nebenwirkungen. “Ist es wirklich so schlimm?”, fragt nach diesem Gedankenkonstrukt der männliche Gesprächspartner, was die Frau mit der ihr eigenen weiblichen Kommunikationsfähigkeit und Bescheidenheit so beantwortet: “Ein bisschen mehr Anerkennung wäre schon angebracht.”

Aber warum  nur ein bisschen? Warum nicht ein bisschen mehr? Auch finanziell? Das fragen die gelben die etablierten roten Tomaten in “Quote im Tomatenbeet”. Und wenn Tomate schon dabei ist: Was ist mit den dunklen und grünen Tomaten? “Und was meint der Gärtner dazu? ‘Puh… Da müsste ich ja tatsächlich was ändern… Wie anstrengend!'” Tja. Mit einer solchen Einstellung kann’s ja nix werden.

In “Busengewunder” geht Frühbeis der Frage nach, warum Frauen sich eigentlich mit BH und überhaupt verhüllen sollen, wenn es doch am Mann wäre, seine Hormone zu zügeln. Zu Recht. Denn man(n) trägt ja auch keinen PH. Und warum dürfen Männerhaare überall, auch an unmöglichen Stellen, sprießen, wenn frau schon einen auf den Deckel kriegt bei bloßer Beinbehaarung? “Angriff der Killerhaare” geht humorvoll und informativ dieser spannenden Frage nach. Und gibt preis: “Scheini-Beini kamen ab den 40-er Jahren in Mode, zusammen mit kürzer werdenden Röcken.” Und warum? “Um die teuren Nylonstrümpfe zu imitieren.” Aha.

Womit schon Sinn und Unsinn von Frauenmode in “Über Oberflächen” über die Jahrhunderte hinweg kritisch beleuchtet wird – bis hin zu gesundheitlichen Schäden nicht nur durch das Korsett, sondern auch durch die Stöckelschuhe in “Pomp my Feet”, deren Absätze übrigens früher Männern vorbehalten waren. Und zwar als Zeichen für Pferdebesitz und damit Wohlstand. Außerdem heben sie, geschichtlich gesehen sogar geschlechtsneutral, den Po hübsch an. Was bei Affen Paarunsbereitschaft signalisiert. Moral von der Geschicht’ beim XX: “Ich geh barfuß.” XY: “Ist eh viel gesünder… Bereit zur Paarung?”

Dass der weibliche Körper sowieso immer an erster Stelle steht als Objekt der (nicht nur) männlichen Betrachtung zeigt “Die Macht über Körper”. Denn auch Frauen tragen ungefragt und unreflektiert zur Objektifizierung ihres eigenen Geschlechts bei. Da sollte frau sich ruhig fest an die eigene Nase fassen, um Kommentare wie “Hast ganz schön zugelegt hinten. So findest du nie einen Mann!” zu vermeiden.

Und um es auf die Spitze zu treiben, gibt es den Geschlechterwahnsinn auch noch teuer zu kaufen – als rosa Hammer im Baumarkt zum Beispiel.

Wertvoller Comic über emanzipatorische Gedanken. Davon gibt es leider viel zu wenig, also gerne mehr davon!


Genre: Comics
Illustrated by Carlsen Verlag Hamburg

Arte

Arte 1 Manga

“Weil du eine Frau bist. Deswegen.”

Florenz, Anfang des 16. Jahrhunderts: Die junge Adlige Arte will Lehrling in einer Kunsthandwerkstatt werden. Das bunte Florenz, in dem Kunst und Kultur blühen, scheint genau der richtige Ort dafür zu sein. Mit einer Einschränkung: Nur Männer dürfen ein selbstständiges Leben führen. So stößt Arte nicht nur auf das Unverständnis ihrer Mutter, sondern auch auf das der Lehrmeister, die nicht gewillt sind, eine Frau als Lehrling anzunehmen. Deshalb schneidet sich Arte ihre langen Haare ab und will auch ihre Brüste amputieren. Lehrmeister Leo kann sie von dieser drastischen Maßnahme gerade noch abhalten und nimmt sie bei sich auf. Arte beginnt bei ihm ein einfaches, arbeits- und entbehrungsreiches Leben, ist aber fest entschlossen, Meisterin ihres Faches zu werden.

“Weil du eine Frau bist. Deswegen.”

Der 1. Band der Reihe nimmt sich eines Themas an, das nach wie vor aktuell ist: Emanzipation. Und obwohl es hier v.a. um die Emanzipation der Frau geht, ist aber immer auch die Emanziaption des Mannes und der gesamten Gesellschaft mitgedacht, denn Emanzipation bedeutet in erster Linie sich frei machen von überkommenen, veralteten Mustern, Rollenklischees (die nicht nur die Frau, sondern auch den Mann einschränken!), diskiminierenden “Traditionen”. Sie bedeutet, über den Tellerrand hinauszuschauen und neue Ideen zuzulassen, über 500 Ecken zu denken und gerecht(er)e Gedanken zuzulassen und umzusetzen. Das zeigt sowohl die Geschichte als auch die zwar frei erfundene, aber schön dargestellte Story von Arte ( = Kunst; der Name ist Programm), die als Frau besondere Anstrengungen unternehmen muss, um sich in einem (Männer-)Beruf zu etablieren.

“Weil du eine Frau bist. Deswegen.”

Dieser Satz gilt nicht nur in der Geschichte oder in der Literatur, die das Thema Emanzipation aufgreift, sondern auch (leider immer noch) in der westlichen Welt. Dieser Satz wird einer Frau hierzulande zwar nicht mehr so offensichtlich ins Gesicht geschleudert, aber er gilt subtil: Die Frau verdient unter fadenscheinigen Ausreden der Wirtschaft immer noch weniger als der Mann bei gleicher Arbeit, ist deshalb gezwungen, zuhause zu bleiben, wenn sich Kinder ankündigen, kann danach oft nur noch teilzeit arbeiten gehen und rutscht somit unweigerlich in die (Alters-)Armut ab. Besonders dann, wenn sie alleinerziehend ist, der Mann viel zu oft nicht (genügend) Unterhalt bezahlt, sie aber steuerlich als Single behandelt wird. Oder sie letztlich ganz zuhause bleibt, um sich um die Familie zu kümmern. Wer mit Kindern regelmäßig zu tun hat, privat oder beruflich, weiß, dass Erziehungsarbeit tatsächlich ARBEIT ist – die im Fall der Mutter (und Großmutter; man denke an den Wegfall der Großeltern in den jetzigen Corona-Zeiten…) überhaupt nicht vergütet wird und im Fall z.B. der Erzieherin unterbezahlt ist, wie die, ebenfalls vorwiegend von Frauen ausgeübten, Pflegeberufe. Sogar der Beruf des Lehrers, der eigentlich in Deutschland gut bezahlt wird, muss in der Bezahlung langsam aber stetig zurückstecken, da immer mehr Frauen diesen Beruf ausüben.

Zurück zur Hausfrau und Mutter, die ein eher schlechtes Prestige genießt, weil sie nicht “arbeitet”. Auch wenn Männer sich jetzt mehr um die Kindererziehung kümmern, schultert nach wie vor die Hauptlast der Erziehung die Frau. Und die der Hausarbeit. Selbst dann, wenn es anders abgesprochen war. Das gilt auch für die Frauen, die ins Berufsleben zurückkehren. Auch dann, wenn besagte Frauen Vollzeit arbeiten. Wer geneigt ist, dauergestressten Frauen zuzuhören, der hört öfter Sätze wie: “Weil ich früher zuhause bin, bleibt alles an mir kleben!” Oder: “Ich habe ihm schon so oft gesagt, er soll das oder das im Haushalt tun, aber er macht nix!” Oder: “Wenn ICH mal 3 Stunden ohne Kind sein will, ruft er nach spätestens 2 Stunden an und fragt, wann ich wieder nach Hause komme!” Oder: “Als er mir im Wochenbett helfen sollte, hat er v.a. am PC gesessen, während ich es noch nicht mal unter die Dusche geschafft habe!” Brisantes Thema auch das öffentliche Stillen. Etcetc., man könnte da noch viele weitere Beispiele aufführen, die alle zu Lasten der Frau gehen.

“Weil du eine Frau bist. Deswegen.”

Deswegen will Arte keine Frau mehr sein. Sie kürzt sich die Haare – man denke an die Frauen der 20er des letzten Jahrhunderts, die sich buchstäblich “die alten Zöpfe” abschnitten – und kleidet sich z.T. männlich, um sich Schwierigkeiten zu ersparen. Auch hier denke man an das Prestige der Hose, dass sich die Frau hart erkämpft hat, während es der Rock als männliches Kleidungsstück trotz z.B. (nicht nur schottischer) Tradition und der Männerrockbewegung, die es immerhin schon seit den 1990ern gibt, immer noch schwer hat.

Als “Beruf” für die Frau gibt es damals allenfalls den der Kurtisane. Eine solche kommt auch im Manga vor, aber sie durchbricht das automatisch anspringende Kopfkino insofern, als dass sie eine reiche, gebildete Frau mit angenehmen Wesen und äußerlich vom Adel nicht zu unterscheiden ist. Veronica setzt noch eins drauf und gibt sich als Kunstmäzenin. Arte honoriert das: “Ich glaube schon zu wissen, was das für ein Beruf ist. Aber wenn ich diese Büchermassen sehe, muss ich einfach Respekt haben. Ich bewundere Sie nicht wegen Ihres Berufes. Ich bewundere Ihre Anstrengungen und Mühen.” Auch zum Beruf der Prostituierten ließe sich noch einiges im Sinne der Emanzipation sagen, was hier aber ein zu weites Feld wäre.

Arte hat eine Vorbildfunktion: Egal wie schwer es wird, sie kämpft für ihr Ziel. Und als Frau muss sie für ihr Ziel doppelt und dreifach kämpfen, sogar buchstäblich schuften. Der Manga zeigt auch, dass es eine zähe, schmerzhafte und frustierende Sache ist, Diskiminierung auszuhalten und v.a. loszuwerden. Arte hat(te) zwar einen sie unterstützenden Vater (!), aber ihre Mutter (!) ist völlig verhaftet in Rollenklischees und traut Frauen nichts zu. Auch die komplett männlich bestimmte Kunstwelt ist gegen sie. Die Meister schauen sich noch nicht einmal ihre Bilder an. Warum? “Ist doch klar. Muss ich das noch sagen? Weil du eine Frau bist. Deswegen.” Dieser Satz zeigt, wie tief Diskriminierung (egal welche) gehen kann und geht. So tief, dass noch nicht einmal mehr eine Rechtfertigung für angebracht gehalten und sie als selbstverständlich hingenommen wird.

Insgesamt also ein guter, wertvoller Manga, der ein schwieriges, immer noch aktuelles Thema aufgreift. Die wunderschönen, z.T. sehr detaillierten Zeichnungen unterstützen die Geschichte gekonnt. Einzig die japanischen Anwandlungen Artes und der anderen Figuren wollen nicht so recht in das Florenz des 16. Jahrhunderts passen.

 


Genre: Manga
Illustrated by Carlsen Verlag Hamburg

Prinz Eisenherz: Der Schatz

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Prinz Eisenherz Werkausgabe 91

 

„…und Deine Verbündeten vor der Küste müssen abziehen, sobald sie kein Trinkwasser mehr haben“, grinst der Widersacher von Prinz Eisenherz ihm hämisch ins Gesicht. Der Pirat Strakonus bringt Eisenherz gleich zu Beginn dieses Abenteuers in eine ordentliche Bredouille, denn der Prinz muss sich zwischen der Befreiung seines Sohnes Nathan und der Befreiung von Aleta und ihren Töchtern entscheiden. Doch dann bekommt Prinz Eisenherz unverhofft Schützenhilfe von einer Inselbewohnerin. Die Wahnsinnige Thanaa, die stets von einem schwarzen Panther und einem Leoparden begleitet wird, hasst die Piraten, vor allem aber wegen ihrem Sklavenhandel, den sie als Freie abgrundtief verurteilt.

Aletas besänftigende Umarmung

Ein Zweikampf zwischen Strakonus und Eisenherz endet mit der Gnade des letzteren, denn Thanaa hält ihn davor zurück, noch mehr Rache an Strakonus zu nehmen, es hat ja schon genug Tote gegeben. Aber „Wenn es etwas gibt, das Eisenherz’ Kampfeslust besänftigen kann, dann ist es Aletas Umarmung. Ihre Ankunft hat Strakonus gerettet.“, eigentlich. Die überlebenden Piraten werden mit einem harten aber gerechten Urteilsspruch konfrontiert: entweder auf der Insel zu bleiben oder zu helfen die Schiffswracks zu reparieren und zu den Nebelinseln aufzubrechen, um dort ihr eigentliches Urteil zu erwarten. Wer sich erinnert wie dort mit Piraten umgegangen wurde, als Aleta und Eisenherz noch nicht verheiratet waren, dem wird bange um das Schicksal der Verurteilten. Aber haben sie denn ein anderes Schicksal verdient, nachdem was sie Eisenherz’ Familie alles angetan haben? Natürlich beugen sich alle, nur Strakonus schmiedet weiterhin Rachepläne für seine erneute Meuterei auf den Schiffen Skjalddis und Calypso.

Prinz Eisenherz’ Tochter auf der Flucht

yeates2Aber auch in dieser Folge der Abenteuer des unsterblichen Helden von Hal Foster muss Eisenherz wieder eine Menge familiäre Probleme bewältigen oder zumindest zu ihrer Lösung beitragen. Als Valeta, seine Tochter, sich bei ihm über Karen, seine andere Tochter, beschwert, greift der Vater beherzt in die Liebesabenteuer seiner Zwillinge ein und spielt dabei den Amor mit dem Liebespfeil. Auch Bukota ist bei diesem Abenteuer wieder mit dabei und als sich auf dem Marktplatz die Händler über seine alte Heimat Ab’Saba und seine Königin Makeda unterhalten wird er hellhörig und die alte Sehnsucht flammt wieder auf. Doch dann schlittert sein Sohn Nathan unversehens in ein anderes Abenteuer, das mit dem seltsamen Artefakt etwas zu tun hat, das Guryan Sur umklammert wie einen Schatz. Ein fremder einäugiger Zauberer taucht auf und behauptet etwas über den verschwundenen Ehemann Karens, Prester John, zu wissen und prompt wird die Familie Eisenherz wieder durch eine anderes Abenteuer auseinander gerissen, ganz so, wie es ihm einst in jungen Jahren die Hexe Hobbit prophezeit hatte: „Du wirst aller Herren Länder sehen, Reiche untergehen und auferstehen sehen, aber Zufriedenheit, das wirst du nie erreichen.“ Wird Eisenherz seine verschollene Tochter und das Artefakt wiederfinden? Wird Karen wirklich zu ihrem Ehemann geleitet? Band 92 ist bereits in Vorbereitung!

Thomas Yeates
Prinz Eisenherz Band 91: Der Schatz
Originalseiten 4053 bis 4098
Aus dem Amerikanischen von Wolfgang J. Fuchs
2017, Carlsen Comics, 48 Seiten
ISBN: 978-3-551-71604-0
12,40.-

 


Genre: Comics, Fantasy, Kulturgeschichte
Illustrated by Carlsen Verlag Hamburg

Venedig

venedig

Als seine Mutter stirbt, findet ein Mann in ihrem Nachlass eine hübsch lackierte Briefschatulle, in der handgemalte Postkarten und alte Fotos mit Motiven aus Venedig aufbewahrt worden sind. „Ein Foto vom Markusplatz hat es mir besonders angetan“ – weswegen die Hauptfigur beschließt, auf den Pfaden seiner Mutter und seinen Großeltern durch Venedig zu reisen.

„Der Aufbruch ist nichts anderes als der Beginn einer Reise nach Hause.“ Dieser in Italienisch an eine Hauswand gepinselte Spruch ist der Schlüsselsatz des neuesten Mangas von Jiro Taniguchi, der einen japanischen Mann auf der (Spuren-)Suche nach den eigenen Wurzeln zeigt. So heißt es denn auch: „Ich folge den Spuren meiner Großeltern“, genauer denen seines Großvaters, denn über seine Großeltern und die Jugend seiner Mutter weiß die Hauptfigur nichts. Die Suche nach den Wurzeln ist gleichzeitig eine Selbstfindungsreise, wie sie Taniguchi z.B. auch in „Der spazierende Mann“ thematisiert hat: „Ich […] schlendere ziellos durch die Gegend“. Aber genau deshalb fügen sich die Puzzleteile seiner Vergangenheit und damit seines Selbst zusammen, denn gerade dieses Schlendern ermöglicht ihm neben überraschenden Momenten Schlüsselerlebnisse, um tiefer in das Leben seines Großvaters einzutauchen. Die Hauptfigur macht einen zufriedenen, ja glücklichen Eindruck, in Venedig zu sein: „Es hat eine gewisse Magie für mich, hier zu sein.“ Immer wieder mischen sich die alten Bilder und Postkarten mit den neuen Eindrücken, die ebenfalls wie Postkartenmotive, Gemälde oder Schnappschüsse anmuten und das Leben des neuen Venedig neben das des alten stellen. Es werden Impressionen gezeigt, Augenblicke, keine zusammenhängende Geschichte, die noch viele Fragen offenlassen, aber dennoch Einblicke in die Familiengeschichte der Hauptfigur geben. Wasserspiegelungen als Spiegel der Realität, aber auch des Selbst. Möwen, die ein Panel füllen und aus dem gegenüberliegenden herauszufliegen scheinen. Eine Szene, die eine Erinnerung auslöst. Essensszenen, die an „Der Gourmet“ erinnern. Das Gemalte unterstreicht wie immer die Geschichte vorzüglich. „Du bist hier, drum bin ich auch hier, das weiß ich nun.“, heißt es gegen Ende des Mangas, der die Suche mit einem emotionalen Brief seines Großvaters an seine Frau abschließt.

Eingestimmt werden die LeserInnen mit großformatigen Venedig-Gemälden. Sind das Bilder des Großvaters? Man erfährt es nicht, zumal diese Bilder zeitlos wirken. Entlassen wird man mit Erklärungen, welches Panel welchen Ort in Venedig zeigt und mit einem Nachwort Taniguchis, in dem er die Entstehungsgeschichte seines neuesten Werks nachzeichnet. Einziger Wermutstropfen gerade für weibliche Leser: Taniguchi erzählt aus der Sicht des Mannes; Frauen haben, wie meist in seinen Werken, leider nur eine nachrangige Bedeutung. Man erfährt kaum etwas über die Ehefrau der Hauptfigur, man erfährt nicht, warum er sie nicht nach Venedig mitgenommen hat, ob sie diese Reise billigt oder ob sie (wie in „Der Spazierende Mann“) keine Gelegenheit hat, aus Rollenklischees und Alltag auszubrechen. Das macht fast nur der Mann. Schade.

Insgesamt aber empfehlenswert, denn der Manga bietet wie immer Tiefgründigkeit im Alltag und lässt Spielraum für die eigene Fantasie der Leser/innen.


Illustrated by Carlsen Verlag Hamburg

Orange 2

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Naho stellt fest, dass sich ihre Gegenwart immer mehr von der des Briefes, den ihr zukünftiges Ich ihr geschrieben hat, unterscheidet. Aber manche zentrale „Fehler“, die sie dennoch begangen hat, zeigen schon ihre Wirkung. So erfährt sie, dass Kakerus Mutter nicht gestorben wäre, hätte sie ihn damals nicht eingeladen, zusammen mit ihrer Gruppe etwas zu unternehmen. Der Brief weist außerdem auf eine interessante Unterrichtsstunde hin: In ihr erfährt Naho, dass es theoretisch mehrere Stränge gibt, in die die Zukunft verlaufen kann. Und dass sich die Zukunft des einen Strangs nicht unbedingt ändert, wenn man die Vergangenheit ändert.

Der 2. Band der Reihe malt weiterhin detailliert das Szenario aus, wie es wäre, wenn man seine Vergangenheit ändern könnte – und wenn nicht. Naho macht sich dazu viele Gedanken, die interessant zu lesen sind. Die theoretischen Erklärungen des Lehrers tragen ebenfalls dazu bei, dass auch bei der Leserin /dem Leser die Gedanken auf Trab kommen. Außerdem fühlt man sich an diverse Sf-Romane und Dokus/Bücher über das Phänomen der Zeitreise, das ein beliebtes physikalisches Gedankenspiel ist, erinnert. Das alles wird wunderbar eingebunden in eine romantische Dreiecksbeziehung, die mit so einigen Schwierigkeiten nicht nur pubertärer Art zu kämpfen hat. Ein weiterer Pluspunkt: Die Spannung bleibt immer erhalten, man möchte wissen; wie es mit den Protagonisten weitergeht. Insgesamt empfohlen!


Illustrated by Carlsen Verlag Hamburg

Kitchen Princess 5

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Sora unterstützt Najika weiterhin, und sie ist sehr froh und dankbar dafür. Deswegen und mit dem Wissen, dass Sora ihr Puddingprinz ist, entschließt sie sich dazu, ihm ihre Liebe zu gestehen. Allerdings vertröstet Sora sie mit einer Antwort auf das Finale des Backwettbewerbs. Dann aber erfährt Najika durch Zufall, dass Sora eigentlich nur der Handlanger seines Vaters ist, der die Tochter zweier berühmter Patissiers als Aushängeschild für seine neue Schule benutzen will. Najika ist sehr enttäuscht und Taichi wirft Sora wieder einmal vor, dass sich Sora von ihrem Vater nur benutzen lässt. Da Sora Najika tatsächlich mag, stellt er sich nach diesem Vorwurf gegen seinen Vater und entscheidet sich dafür, Najika aus eigenem Willen heraus zu unterstützen. Aber dann passiert eine Katastrophe.

Der 5. Band der Reihe verbindet wieder das Kochen und Backen mit Gefühlen, diesmal nicht nur mit denen der Liebe, sondern auch mit denen des Verrats und der Versöhnung. Der Cliff-Hanger am Schluss des Bandes sorgt für weitere Spannung. Als Extra bietet die Autorin einen weiteren in sich abgeschlossenen Manga aus dem „Kitchen Princess“-Universum, in dem sie das Thema Versöhnung erneut aufgreift. Am Ende des Mangas gibt es wie gewohnt die Rezepte aus den einzelnen Kapiteln. Insgesamt wieder einmal ein kulinarischer und lesetechnischer Genuss!


Illustrated by Carlsen Verlag Hamburg

Becoming a Girl one Day 1

becoming a girl

Kyosuke Miyoshi und Nao Mamiya sind Sandkastenfreunde und Konkurrenten. Nao ist immer schneller, intelligenter und gelassener als sein Freund. Aber dann wird Nao krank. Als er das Krankenhaus wieder verlässt, bekommt Kyosuke einen Schock: Nao ist zum Mädchen mutiert! Mit allem, was ein Mädchen so ausmacht: Hormone, Busen, Periode. Kyusuke weiß nicht mehr, wie er sich seinem jetzt weiblichen Freund gegenüber verhalten soll, und Nao kämpft mit seiner neuen Rolle. Hinzu kommen für beide völlig neue Gefühle, die sie zusätzlich verwirren. Dann muss Nao wieder ins Krankenhaus – und fängt an, zurück zum Mann zu mutieren. Aber das könnte tödlich enden.

Der 1. Band der Serie lässt sich gut an. Er geht zwar nicht so sehr in die Tiefe wie ich mir das gewünscht hätte, aber der Geschlechterwechsel und dessen Probleme werden zumindest oberflächlich dargestellt, sodass man eine Ahnung bekommt, wie es in den Figuren aussieht. V.a. Kysukes Innenwelt wird gut herausgearbeitet. Naos Innenwelt allerdings wird nur sekundär behandelt, dabei wäre gerade seine Psyche sehr interessant gewesen, denn er ist derjenige, der den Geschlechtertausch (das auch noch unabsichtlich) durchmachen muss. Vielleicht wäre es gut gewesen, wenn Ogura diesbezüglich mit Transgendern oder Hermaphroditen gesprochen hätte, um der Figur Nao mehr Tiefe zu verleihen. Und als Leserin wäre es interessant gewesen, wie sich ein Mann in der Rolle einer Frau fühlt. Aus dem Thema hätte man also mehr rausholen können als „nur“ eine Liebesgeschichte. Die aber ist schön gestaltet, sodass der Manga für Romantic-Fans gut zu lesen ist. Insgesamt in Ordnung.


Illustrated by Carlsen Verlag Hamburg

Orange 1

orange

„Liebe Naho“. So beginnt ein Brief an die 16-jährige Naho Takamiya. Soweit nichts Ungewöhnliches – aber der Brief hat es in sich! Denn die Absenderin kennt die Zukunft und gibt Naho Anweisungen, wie sie sich verhalten soll, um eine Katastrophe zu verhindern. Und das Ungewöhnlichste: Die Absenderin behauptet, die zukünftige Naho zu sein. Zuerst hält Naho das alles für einen schlechten Scherz. Dann aber treten die Ereignisse, die der Brief beschreibt, tatsächlich ein. Leider hat Naho schon den wichtigsten Tipp ignoriert: Sie soll sich nicht mit dem neuen Mitschüler Kakeru Naruse einlassen. Genau das macht sie aber und verliebt sich in ihn. Als sie merkt, dass alle Ereignisse des Briefes wahr werden, beschließt sie, die weiteren Tipps nicht mehr zu ignorieren. Und tatsächlich ändert sich ihr Leben und weicht allmählich von den Aussagen des Briefes ab.

Wer kennt sie nicht, die Frage „Was wäre, wenn…?“ Eigentlich gibt es immer Situationen im Leben, die man bereut und bei denen man sich fragt, wie sie verlaufen wären, hätte man im entscheidenden Augenblick anders gehandelt. Diese Frage wird in „Orange“ aufgegriffen und trifft damit den Nerv der Leserin /des Lesers. Man könnte diesen Manga schon fast als Mischung einer fiktiven autobiographischen Alternative History und eines Paralleluniversums sehen, denn man kann als LeserIn beide Entwicklungsstränge, die sich langsam entfalten, parallel verfolgen: den der 16-jährigen und den der 26-jährigen Naho. Der älteren Naho sieht man an, dass sie traumatisiert und mit ihrem Leben nicht wirklich zufrieden ist. Die jüngere dagegen nimmt mithilfe des Briefes ihr Schicksal selbst in die Hand und versucht zu ändern, was sie ändern kann. Und da sieht man im Manga die Liebe zum Detail, denn Takano verschweigt nicht, dass Naho nicht in der Lage ist, alles zu ändern, obwohl sie weiß, was auf sie zukommt, wenn sie es nicht tut. Der Manga ist gut durchdacht und man kann als LeserIn die Reaktionen Nahos gut nachvollziehen und sich mit ihr identifizieren. Und natürlich stellt man sich bei der Lektüre auch für sich selbst die Frage „Was wäre, wenn ich mir einen ebensolchen Brief an mein jüngeres Ich hätte schreiben können?“.

Die Zeichnungen selbst schmiegen sich an das Thema an. Da es vorwiegend um psychologische Vorgänge geht, gibt es kaum Hintergründe. Wenn, dann werden sie akzentuiert eingesetzt. Die Hauptrolle spielen die Mimik und die Gestik, die das Nicht-Gesagte hervorheben und damit das Zwischen-den-Zeilen-Lesen unterstützen.

Als Extra erwartet die Leserin /den Leser eine Karte mit Nahos Konterfei.

Fazit: Der Manga ist definitiv empfehlenswert und ich freue mich auf die Fortsetzung!


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Battle Angel Alita: Mars Chronicle 1

battle angel alita mars

Der Mars in ferner Zukunft: Um eine Atmosphäre wie auf der Erde zu schaffen, ist der Mars mit einem riesigen Baldachin versehen worden, der auf ebenso riesigen Stützen steht. Der Bereich unter dem Baldachin ist in verschiedene Zonen unterteilt. Allerdings erschüttert gerade ein Krieg den Mars, in welchem sich die Warlords zerfleischen. Darunter leidet besonders die Bevölkerung, denn das Militär der gegnerischen Parteien nimmt keinerlei Rücksicht auf Zivilisten. Das Mädchen Erika ist eine Kriegswaise, die von einem mobilen Arzt aufgelesen und zusammen mit dem Cyborg-Mädchen Yoko in ein Waisenheim gebracht worden ist. Yoko, nur zu 20 % Mensch, muss erst lernen, mit ihrem derzeitigen Maschinenkörper zurecht zu kommen. Da ist es auch nicht gerade hilfreich, dass die anderen Mädchen des Waisenhauses Yoko mobben. Erika hält zu ihr. Die Anführerin Ninon will Erika als ihre Dienerin, aber nur unter der Bedingung, dass Erika sich von Yoko lossagt. Um Erika für sich zu gewinnen, lädt Ninon die beiden Mädchen in ihr geheimes Versteck ein. Dort werden sie vom Militär überrascht, das kaltblütig nacheinander alle Mädchen bis auf Erika und Yoko tötet. Erika und Yoko können fliehen und werden wieder vom mobilen Arzt aufgenommen. Allerdings bricht durch die Rücksichtslosigkeit der Militärs der Baldachin an einer Stelle und die tödliche Atmosphäre bringt alle Flüchtlinge um – außer die drei, die in ihrem Bus überleben. Aber wie lange noch?

„Battle Angel Alita“ (Science Fiction, Cyberpunk) ist einer der Manga-Klassiker, der es in Deutschland schon Ende der 90er in die Comic-Läden geschafft hat. Damals noch in aufgeblasener, überteuerter Ausgabe mit nur ca. 40 Seiten – aber was tut (und kauft) man nicht alles als Fan, um in dem damals noch manga-unterentwickelten Land an seinen Lesestoff zu kommen. Bisher sind „Battle Angel Alita“ und „Battle Angel Alita: Last Order“ (quasi ein Alternativende zur ersten Serie) erschienen. „Battle Angel Alita: Mars Chronicle“ knüpft an „Last Order“ an. Die Serie ist nicht umsonst erst ab 16 Jahren freigegeben, denn die Grausamkeiten des Krieges und der apokalyptischen Welt, in der Alita lebt, werden nicht ausgespart. Und man wird als LeserIn an die aktuelle Flüchtlingslage erinnert, wenn man die Kapitel über die Kriegsverheerungen und Flüchtlingsströme liest. Gerade die gefühllose Tötung der Kinder (obwohl auch diese durch den Krieg anfangen zu verrohen), gehen einem nahe. Die Zeichnungen unterstreichen die Geschichte sehr gut, haben detaillierte Hintergründe oder auch nicht, je nach Situation, die herausgestellt werden soll, und zeigen die Dynamik, für die gerade Action-Mangas berühmt sind. Einziges Manko: Dass sich Ninon plötzlich zu einem netten Mädchen wandelt, nimmt man ihr nicht ab. Der Chara wirkt in der Kürze der Zeit, in der er vorgestellt worden ist, sehr unausgegoren. Da stellt sich der LeserIn die Frage, ob Ninon, wenn sie überlebt und tatsächlich später als Mensch adliger Herkunft eine Königin geworden wäre, eine gute Anführerin hätte werden können oder ob ihr Tod einiges an zusätzlichem Leid erspart hat.

Insgesamt eine spannende Geschichte für SF-Fans, die starke Frauen in lebensfeindlicher Umgebung zeigt. Nicht umsonst ein Klassiker. Wer solche Mangas mit starken Frauen in feindlicher Welt mag, dem sei noch „Sarah“ von Katsuhiro Otomo und Takumi Nagayasu ans Herz gelegt. Leider gibt es Letzteren nur noch gebraucht und unabgeschlossen.


Illustrated by Carlsen Verlag Hamburg

Kitchen Princess 4

kitchen princess 4

Taichi ist wütend und eifersüchtig, weil Najika seine Uhr nicht trägt – dafür aber die seines Bruders Sora. Najika dagegen ahnt nicht, dass Taichi ihr eine Uhr geschenkt hat, denn Akane hat diese vorher heimlich entwendet. Taichi lässt seine Wut an Najika aus und verletzt sie. Wenig später gesteht Sora ihr, dass er ihr Puddingprinz ist. Najika ist überglücklich, aber der Streit mit Taichi geht ihr nahe. Sora verspricht ihr, mit Taichi zu reden. Er kann aufklären, dass Akane hinter der Sache mit der Uhr steckt. Taichi versöhnt sich daraufhin mit Najika und bemerkt, dass er sich in sie verliebt hat. Ein paar Tage später redet Sora Najika gut zu, bei einem Süßspeisenwettbewerb mitzumachen. Nach anfänglichen Zweifeln entscheidet sie sich für die Teilnahme. Nachdem sich Najika mit Akane ausgesprochen hat, vertragen sich die beiden Mädchen wieder und Najika beschließt, Sora ihre Gefühle nach dem Wettbewerb zu gestehen.

Der 4. Band geht spannend weiter mit dem Liebesviereck Najika-Taichi-Sora-Akane. Jetzt ist zwar das Rätsel um den Pudding-Prinzen gelöst, aber Najika tut sich schwer damit, Sora ihre Liebe zu gestehen. Auch die anderen Liebes- und Freundschaftswirren erhalten die Spannung. Natürlich wird auch wieder viel gekocht und gebacken, nach dem Motto „Liebe (und Freundschaft) geht durch den Magen“. Die Rezepte finden sich wie immer im Anhang und machen Lust, sie nachzubacken oder -kochen. Bereichert wird der Manga durch einen in sich abgeschlossenen Special-Manga und durch kleine Strips, die die Charaktere aus einer völlig neuen Perspektive zeigen.

Fazit: Wie immer eine gelungene Mischung aus Herzschmerz und Kulinarischem. So darf es weitergehen!

Ab 12 Jahren


Illustrated by Carlsen Verlag Hamburg

Ihr Name war Tomoji

ihr name war tomoji

Beginn des 20. Jahrhunderts: Die kleine Tomoji Uchida wächst in einfachen, aber liebevollen Verhältnissen auf. Sie arbeitet schon als Kind im Laden der Familie mit und hilft, wo sie kann. Aber Tomoji erlebt auch Schicksalsschläge: Ihr Vater stirbt, als sie vier Jahre alt ist, ihre Mutter verlässt einige Zeit später die Familie und ihre kleine Schwester stirbt aus Kummer darüber, dass die Mutter sie im Stich gelassen hat. Tomoji, ihr Halbbruder und ihre Großmutter stemmen trotz aller Schicksalsschläge weiterhin ihr Leben. Eines Tages besucht Fotograf Fumiaki Ito Tomojis Großmutter, seine Tante, und fotografiert sie. Dabei verpasst er knapp das junge Mädchen. Jahre später heiraten die beiden, bekommen Kinder – und Tomoji wird Gründerin eines Tempels.

Das neue Werk Jiro Taniguchis, eine Graphic Novel, überzeugt wie seine anderen Werke (Vertraute Fremde, Der spazierende Mann, Die Sicht der Dinge, Der Gourmet, Der Wanderer im Eis, Die Stadt und das Mädchen, Der Himmel ist blau, die Erde ist weiß u.a.) durch die Tiefe und Eindringlichkeit der Figuren, die dennoch oberflächlich sehr verhalten reagieren – nach dem Motto: „Stille Wasser sind tief“ – und den ebenso detaillierten Zeichnungen, die die Detailliertheit der Geschichte und der Figuren unterstützt. Man merkt auch diesem Werk an, wieviel Gedanken und Mühe sich der Autor gemacht hat, um die kleinen Besonderheiten im Alltag und den Alltag im Allgemeinen lesenswert rüberzubringen. Diese tiefe Stille und Besonnenheit in den Geschichten bringt die LeserInnen dazu, auch nach der Lektüre über das Werk, seine Figuren und seine Story nachzusinnen und trotz aller Schicksalsschläge der Figuren eine Stärke und Zufriedenheit mit ihrem Leben zu spüren, die uns in unserer hektischen Zeit nur allzu oft abhandenkommt. Diese Verwurzelung im Alltag, egal, ob dieser gegenwärtig oder längst Vergangenheit ist, zeichnet auch diesen Manga aus – Taniguchi wählt bewusst die Vorgeschichte seiner weiblichen Hauptfigur und eben nicht den Lebensabschnitt, in dem sie und ihr Mann in ihrer Gegend berühmt geworden sind. Er will lieber aufzeigen, wie Tomoji zu der Frau herangereift ist, die gerade wegen ihres einfachen Lebens den spirituellen Weg eingeschlagen hat. „Auch großartige Menschen wurzeln im Alltag“: Das will dieser Manga vermitteln. Wie bei Taniguchi üblich arbeitet er mit Symbolen. So folgen sowohl Tomoji als auch Fumiaki der Flugbahn eines Milans, als sie sich knapp verpassen. Der gemeinsame Blick in den Himmel steht für ihre gemeinsame Zukunft und ihre Flügel, die ihnen spirituell wachsen und mit denen sie weite Kreise ziehen werden.

Extras: Ein recht ausführliches Interview mit Jiro Taniguchi, das die Hintergründe zu diesem Werk, Vergleiche zu seinen anderen Werken und seine Arbeitsweise aufzeigt, sowie eine Kurzbiografie des Autors.

Fazit: Wie immer sehr gelungen, still tiefsinnig und wirklich lesenswert! Taniguchi gehört zu den ganz Großen seiner Zunft, was er auch in seinem neuesten Werk unter Beweis gestellt hat.

Zur Person Tomojis und der Gründung des Tempels: https://de.wikipedia.org/wiki/Shinnyo-En


Genre: Manga
Illustrated by Carlsen Verlag Hamburg