5150 Das Haus des Wahnsinns

51aGm5yI08L._SX314_BO1,204,203,200_Nach einem Sturz mit dem Fahrrad will der Student Yannick im Haus 5150 eigentlich nur um Hilfe bitten. Doch als er Schreie aus dem ersten Stock hört, wird er von dem Sadisten Jacques Beaulieu und dessen Familie gefangengenommen, damit er ihr Geheimnis nicht verrät.
Gequält und gefoltert ist Yannick jetzt dem Wahnsinn der ganzen Familie ausgeliefert. Weil er kein »Böser« ist, dürfen sie Yannick nicht einfach so töten, also muss er sich mit dem Vater in einer Partie Schach messen. Der Einsatz: Yannicks Leben.
Der erste Zug ist gemacht, doch welche Pläne sein Peiniger wirklich verfolgt, erkennt der Junge im Verlauf seines Martyriums erst nach und nach…

Yannick ist Anfang 20 und Student in einer neuen Stadt! An einem Sonntag will er mit dem Fahrrad seine neue Umgebung erkunden, stürzt aber und geht zu dem Haus mit der Nummer 5150 um zu fragen ob er sich über deren Telefon ein Taxi bestellen darf! Bevor es jedoch dazu kommt, geht Yannick ins Badezimmer um sich die aufgeschürften, blutigen Hände zu waschen und hört aus einem der Zimmer ein jämmerliches Stöhnen! Yannick öffnet die Tür, findet einen blutüberströmten Mann der ihn um Hilfe anfleht, wird in diesem Moment aber bereits von Hausbesitzer Jacques dabei ertappt und kurzerhand selbst eingesperrt!

Jetzt steht Jacques vor einem großen Dilemma denn er sieht sich selbst als die personifizierte Gerechtigkeit und tötet nur böse Menschen die den Tod auch verdient haben aber Yannick hat ja nichts Böses angestellt…! Freilassen kann er Yannick aber auch nicht denn dieser würde bestimmt direkt zur Polizei gehen und somit hält er Yannick letztendlich mehrere Monate in seinem Haus gefangen…! Yannick bittet irgendwann vor Langweile um einen Stapel Papier und fängt an seine Geschichte und alles was ihm während seiner Gefangenschaft wiederfährt aufzuschreiben…!

Die Geschichte wird also aus Yannicks Sicht erzählt, spielt im Jahr 1991 und der Leser liest quasi Yannicks Niederschriften, was ich eine gute Idee finde! Nach und nach erfährt man somit viel über Jacques Taten und darüber wie besessen dieser von angeblicher Gerechtigkeit ist!

Jacques ist mit der extrem gottesfürchtigen bzw fanatisch religiösen Maude verheiratet und hat eine 16 jährige Tochter namens Michelle und eine 10 jährige (autistische?) Tochter namens Anne!

Das Buch besteht aber nicht nur aus Yannicks Aufzeichnungen, sondern auch aus Maudes Tagebucheinträgen die im Jahr 1978 beginnen und davon berichten wie die junge, gottesfürchtige Maude den Gerechtigkeitsfanatiker Jacques kennenlernt und wie er sich im Laufe der Jahre immer mehr verändert! Auch die Tagebucheinträge haben mir gut gefallen, auch diese Idee fand ich sehr gelungen, nur braucht man für diese Einträge starke Nerven da Maude wirklich fanatisch religiös ist…!

Durch Yannicks Aufzeichnungen wird deutlich, wie auch er sich im Laufe der Zeit verändert und seine ganz eigene Form von Besessenheit entwickelt…! Das Schachspielen nimmt im Laufe der Geschichte eine immer größere Rolle ein und verkörpert quasi den Kampf „Gut gegen Böse“!

Die Geschichte beginnt und bleibt recht lange unspektakulär (aber interessant) wird dann zum Ende hin aber schön krank, bleibt aber durchweg erstaunlich unblutig und auch relativ unbrutal! Generell habe ich mit wesentlich mehr Blut und Gemetzel gerechnet aber das ist kaum der Fall…! Der Klappentext ist meiner Meinung nach nicht sehr gelungen weil er einen falschen Eindruck der Geschichte vermittelt denn „gequält und gefoltert“ so wie man sich das vorstellt, wird Yannick während seiner Gefangenschaft nicht! Die Geschichte ist schon recht krank, ist aber absolut keine blutige Metzelei und auch das Cover ist völlig unpassend gewählt und soll scheinbar etwas vermitteln was das Buch aber einfach nicht ist!

Eine coole Geschichte über Fanatismus, Besessenheit und verschiedene Auffassungen von Gerechtigkeit!

Patrick Senécal wurde am 20. Oktober 1967 in Drummondville, Kanada geboren ist einer der erfolgreichsten französischsprachigen Horror- und Thrillerautoren. Nach dem Literaturstudium lehrte er einige Jahre Literatur, Film und Theater. Bisher sind etwa zehn Thriller von Patrick Senécal erschienen, die in seiner Heimat eine Millionenauflage überschritten haben. Sein Buch Sieben Tage der Rache (Les Sept Jours du talion, 2002), wurde als 7 Days erfolgreich verfilmt.

 


Genre: Thriller
Illustrated by Festa

Marionetten

51XJKMEY8WL„Marionetten“ von John le Carré erschien 2008 in deutscher Sprache. Man darf annehmen, dass le Carré den Roman unter dem Eindruck der furchtbaren Ereignisse in New York etwa 2003, also heute vor über 10 Jahren geschrieben hat.

Im Januar 2002 entstand als Folge des 11. September 2001 das berüchtigte Gefangenenlager Guantanamo Bay auf Kuba. Von diesem Zeitpunkt an sind alle Männer verdächtig, die ein arabisches Aussehen haben oder einen schwarzen Bart tragen, schlimmstenfalls beides. Die echten Terroristen rasieren sich und verschwinden unsichtbar in der Menge.

Issa Karpow, die Leidensfigur im Buch, ist jung. Er kommt aus Tschetschenien und einen Bart trägt er auch. Zumindest anfangs, bis ihn Annabel Richter, eine junge Rechtsanwältin der Organisation Fluchthafen in Hamburg, dazu überreden kann, sich wenigstens den Bart abzurasieren.

Issa hat zwei Probleme – er sieht aus wie Terroristen eben aussehen, und er ist so naiv, wie man nicht sein darf, will man sich nicht verdächtig machen.

Issa ist illegal von Tschetschenien über Russland, die Türkei, Schweden und Dänemark nach Hamburg gekommen. Auf der langen Reise ist er immer wieder im Gefängnis gelandet, weil er sich allein durch seine Naivität verdächtig machte. Sein verstorbener Vater war zu Lebzeiten Oberst der Roten Armee, der es durch allerlei undurchsichtige Geschäfte zu einem stolzen Vermögen gebracht hat. Issa hält seinen Vater für einen Verbrecher und Mörder (er glaubt auch, dass er Issas tschetschenische Mutter auf dem Gewissen hat) und deshalb will er das Erbe seines Vaters Hilfsorganisationen zukommen lassen, die sich dem Wohl der Menschheit verschrieben haben. Wenn es noch eines zusätzlichen Verdachtsmomentes bedurfte, Issa endgültig in die Ecke eines hochgradig gefährlichen Terroristen zu rücken, dann ist es sein Wunsch, das Erbe zu verschenken.

Das Geld liegt auf einer Bank in Hamburg und nur deshalb ist Issa in die Hansestadt gekommen. Er ist auch fest davon überzeugt, dass deutsche Behörden jedem Asylsuchenden freundlich gegenübertreten, wie es in einem Rechtsstaat üblich ist, und er glaubt auch, dass er in Hamburg Medizin studieren wird. Vielleicht auch Jura oder beides. Naiv, wie er ist, hat er sich noch nicht entschieden. Und ein ehrbares Leben wird er in Deutschland führen, anders als sein Vater, den er so abgrundtief hasst, dass er den Vatersnamen, den –witsch zwischen Issa und Karpow, nicht führt. Die Parallelen zu dem, was wir aktuell in Deutschland erleben (das Jahr 2015 wird als das Jahr der Flüchtlingskatastrophe in die Geschichte eingehen!), sind unverkennbar, was nur den zwingenden Schluss zulässt, dass John le Carré über hellseherische Eingebungen verfügt haben muss, als er das Buch schrieb. Wie er auch gewusst haben muss, dass demnächst Träger längerer schwarzer Bärte automatisch als Terroristen eingestuft werden und arabische Frauen mit stärkerem Leibesumfang sofort in Verdacht geraten, einen Sprengstoffgürtel zu tragen.

Die Verantwortlichen für den 11. September, zumindest nach allem, was man bis heute weiß, haben längere Zeit in Hamburg gelebt, weshalb man laut le Carré in der Hansestadt glaubt, eine besondere Verantwortung bei der Bekämpfung des Terrorismus leisten zu müssen. Folgerichtig gibt es eine Antiterroreinheit, die – unabhängig von den offiziellen deutschen Sicherheitsbehörden – undercover ermittelt. Dazu kommen die üblichen Geheimdienste und auch die CIA darf nicht fehlen.

Die Behörden stehen unter Erfolgszwang und dieser Druck führt dazu, dass man Erfolge vorzeigen muss, koste es, was es wolle. Man darf vermuten, dass in jenen Jahren das Wort Kollateralschaden erfunden wurde.

Issa gerät sehr schnell ins Visier der Ermittler. Wegen seines Bartes, den er anfangs trägt, wegen seiner tschetschenischen Herkunft, der illegalen Einreise in Deutschland und seiner Naivität, sehr viel Geld verschenken zu wollen, ist er prädestiniert, den Terroristen zu geben.

An dieser Stelle muss ich die Schilderung der von le Carré erfundenen Figuren beenden, es würde dem Leser zu viel der Spannung nehmen. Nur so viel sei gesagt – der Autor schafft es auf unnachahmliche Weise, den Nervenkitzel von Kapitel zu Kapitel zu steigern und man ist geneigt, laut zu rufen: „Merkt ihr nicht – wollt ihr nicht merken, dass ihr den Falschen jagt?“

Das ist die Kernaussage dieses Romans, wie beinahe aller seiner Romane – die Geheimdienste erschaffen Feinde, wo keine sind und verlieren dabei die tatsächlichen Feinde aus den Augen. Und – das kommt noch hinzu – gleichgültig ob fiktiv oder real, die Dienste bekommen von jeder Regierung so ziemlich jedes Budget zur Pseudobekämpfung genehmigt, und jedes durch das Grundgesetz garantierte Persönlichkeitsrecht wird abgeschafft. Auch das ist eine Entwicklung, die wir gerade in mehreren westlichen Ländern erleben.

Ein Wort zu John le Carré. Wer seine Biografie kennt, weiß, dass er selbst nach dem Krieg beim britischen Geheimdienst war. Einem Interview, das er einem Journalisten gegeben hat, kann man entnehmen, dass er seine damaligen Arbeitgeber (übrigens eine Außenstelle Londons in Bonn) nicht ganz ernst genommen hat. Wie er auch einmal angedeutet hat, keinen Geheimdienst richtig ernst zu nehmen. Wenigstens zwei Altbundeskanzler haben eine sehr ähnliche Einstellung geäußert – Helmut Schmidt und Helmut Kohl.

Von besonderem Reiz ist die Sprache des Autors. Es ist dieser in beinahe jedem Satz anklingende, so typisch britische Zynismus, mit dem le Carré die diversen Akteure der deutschen Geheimdienstszene bloßstellt. Le Carrés Schilderungen werden nur noch von der Realität übertroffen, die wir seit Edward Snowden über in- und ausländische Geheimdienste erfahren haben oder vorher bereits wussten.

An dieser Stelle sei ein Abstecher in die reale Welt erlaubt. Murat Kurnaz, Sohn türkischer Eltern, in Deutschland geboren und aufgewachsen, mit deutschem Pass, hat von 2002 bis 2006 in Guantanamo eingesessen. Wie wir inzwischen wissen, gab es keinen ausreichenden Anfangsverdacht, darüber hinaus wurde ihm jegliche konsularische Betreuung seitens der deutschen Behörden verweigert. Kurnaz hat trotz der in Guantanamo praktizierten Folter wie Waterboarding nie ein Geständnis abgelegt, denn es gab nicht zu gestehen. Er hat für seine unrechtmäßige Inhaftierung nie eine Entschädigung erhalten, nicht einmal eine Entschuldigung wurde ihm zuteil. Die deutschen Behörden gingen sogar soweit, ihm nach seiner Entlassung aus Guantanamo die Einreise nach Deutschland zu verweigern, und man wollte ihm die deutsche Staatsbürgerschaft aberkennen. Das ließ sich letztendlich dann doch nicht durchsetzen. Soweit bekannt, war seine Festnahme letztendlich auf eine Verwechselung zurückzuführen.

Es gibt mehrere Parallelen zwischen der fiktiven Person Issa Karpow in John le Carrés Roman Marionetten und den Erlebnissen des realen Murat Kurnaz. Beide waren zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort. Beide sind naive Zeitgenossen, die rein zufällig ins Räderwerk der Ermittler geraten. Und beide haben sich schon deshalb extrem verdächtig gemacht, weil sie kein Geständnis ablegten, weil sie nichts zu gestehen haben.

Die Geschichte des Murat Kurnaz ist unter dem Titel „5 Jahre Leben“ verfilmt worden, ein ungemein spannendes 2-Personen-Kammerspiel – Murat Kurnaz und der ihn verhörende Offizier. Marionetten ist unter dem Titel „A Most Wanted Man“ verfilmt worden. Den Chef der Undercover-Abteilung in Hamburg, Günter Bachmann, spielt der erst kürzlich verstorbenen Philip Seymour Hoffman. Es ist seine letzte großartige Rolle.

Noch ein Wort zum Tag des 9/11. Ich erinnere mich, als sei es gestern gewesen. Ich saß vor meinem Rechner, schrieb irgendetwas, rechts neben dem Editor hatte ich wie immer die Nachrichten aufgeklappt. Ich sah die Zwillingstürme des World Trade Centers, dann die schwarzen Wolken – und wollte es nicht glauben. Erst bei den Spätnachrichten abends begriff ich, was ich gesehen hatte. Der Tag hatte die Welt verändert.


Genre: Agentenroman, Belletristik, Spionage, Thriller
Illustrated by Ullstein Berlin

Wilder Fluss

515It+rl-dL._SX330_BO1,204,203,200_Der South Nahanni River in den kanadischen Northwest Territories ist bekannt für seine Geschichten um mysteriöse Todesfälle, kopflose Leichen und Entführungen, aber er kann auch der Schlüssel zum Überleben der Menschheit sein oder ihrer Zerstörung. Del dachte, dass ihr Vater schon lange tot war. Doch jemand aus ihrer Vergangenheit behauptet etwas anderes. Jetzt ist sie mit einer Gruppe ihr nahezu fremder Menschen auf einer lebensgefährlichen Mission. Vor sieben Jahren verschwanden Del Hawthornes Vater und drei seiner Freunde in der Nähe des Nahanni River und wurden für tot erklärt. Del ist schockiert, als ihr einer der vermissten Männer an der Universität begegnet; gealtert zwar und kaum wiederzuerkennen, aber äußerst lebendig. Was der Mann ihr sagt, scheint undenkbar: Auch ihr Vater ist noch am Leben! Mit einer Gruppe von Freiwilligen fährt Del zum Nahanni River, um ihren Vater zu retten. Was sie vorfindet, ist ein geheimnisvoller Fluss, der sie in eine technologisch fortgeschrittene Welt voller Nanobots und schmerzhafter Seren führt. Del deckt eine Verschwörung unvorstellbaren Grauens auf, die uns alle zu vernichten droht. Wird die Menschheit für die Suche nach dem ewigen Leben geopfert werden? Ab welchem Punkt werden wir zu… Gott?

Delila ist Mitte 30 und hat den (angeblichen) Tod Ihres geliebten Vaters, eines angesehenen Genetikers, nie überwunden. Jetzt taucht einer seiner Kollegen plötzlich auf und behauptet, dass Ihr Vater noch am Leben sei. Er liegt im Sterben, kämpft gegen eine unbekannte Variante von Progeria, die den Körper im Zeitraffer altern lässt, kann Del aber noch sein Notizbuch mit rätselhaften Codes übergeben, bevor er das Bewusstsein verliert! Für Del steht nun fest dass Sie Ihren Vater finden und nach Hause bringen muss. Gemeinsam mit Ihrem Exfreund stellt sie ein Expeditionsteam zusammen, um am Nahanni River mitten in der kanadischen Einöde nach Ihrem Vater zu suchen, denn dorthin brach er vor 7 Jahren zu Forschungszwecken auf.

Das Buch beginnt als spannender Abenteuerroman, mit dem Überleben in der Wildnis, Spurensuche in den Wäldern, Kanufahrten auf dem reißenden Fluss und hat mir bis dahin äußerst gut gefallen, was auch an den verschiedenen Persönlichkeiten liegt, die miteinander auf die Suche gehen und dort aufeinanderprallen.

Nach der Hälfte kippt die Geschichte aber (leider) und driftet mir zu sehr in ScienceFiction ab und das hat mir gar nicht gefallen. Damit hätte ich ja noch leben können, denn jetzt wollte ich auch wissen, wie die Geschichte endet. Ich hatte mich mit ScienceFiction abgefunden, aber auch die Handlungen und die Gespräche der Figuren ändern sich stark. Die Geschichte wird sehr unglaubwürdig, ich habe an manchen Stellen mit dem Kopf geschüttelt, weil sich kein normaler Mensch so verhalten würde. Vieles ist meiner Meinung nach einfach unlogisch und unglaubwürdig (und ich rede nur vom Verhalten der Figuren, nicht von ScienceFiction Aspekten)! Die Geschichte wird nach und nach leider immer blöder, obwohl sie mir zu Anfang so gut gefallen hat und das Ende fand ich auch sehr enttäuschend…! Na ja, zumindest war es kein „Friede-Freude-Bratkartoffel-Ende“ das ich schon befürchtet hatte.

Eine Geschichte aus deren Grundidee (illegale Stammzellenforschung, der Besessenheit von ewiger Jugend und Macht) man wirklich viel hätte machen können, aber irgendwie hat das nicht so ganz geklappt! Die ScienceFiction Elemente waren auch einfach zu viel des Guten und hätten nicht sein müssen. Oft ist weniger halt einfach mehr.

Cheryl Kaye Tardif ist eine preisgekrönte, kanadische Bestsellerautorin. Ihr bekanntestes Werk ist der übernatürliche Thriller „Des Nebels Kinder“, der sich über 60.000 Mal verkaufte. Sie wird mit Michael Crichton, James Patterson und J.D. Robb verglichen.

 


Genre: Romane, Thriller
Illustrated by Luzifer Verlag

Sag nicht, dass du Angst hast

»Samia Yusu91MRpPsRdgL._SL1500_f Omar, Leichtathletin.
Geboren am 25. März 1991, Mogadischu, Somalia; gestorben am 19. August 2012, im Mittelmeer
Größe 1,63 m, Gewicht 54 kg«

Hinter diesen kurzen Anmerkungen bei Wikipedia verbirgt sich ein Drama, das wie ein Spiegelbild zur aktuellen Diskussion um die Flüchtlinge passt. Aber ich will nicht politisch werden, mir geht es um das Buch.
Der Titel des Buches ‘Sag nicht, dass du Angst hast’ drückt eindrucksvoll aus, was für ein Mensch Samia war, von welch unglaublichem Durchhaltewillen geprägt.

Samia wollte ihre Heimat bei den Olympischen Spielen vertreten und das erreichte sie auch. Bei der Olympiade 2008 in Peking trug sie die Flagge Somalias beim Einmarsch der Teilnehmer. Beim 200-Meter Lauf ging sie weit abgeschlagen als letzte Läuferin durch das Ziel. Trotzdem: Wenn jemals der Spruch “dabei sein ist alles” eine Berechtigung hatte, dann war es Samias Lauf.

Dafür muss man wissen, wie sie trainierte, wie sie sich auf Wettkämpfe vorbereitete. Nachts am Strand, trotz Ausgangssperre und der permanenten Gefahr, marodierenden Soldaten in die Hände zu fallen, denn Somalia ist seit Jahrzehnten von Bürgerkriegen geschüttelt. In einem islamisch geprägten Land treibt eine Frau Sport? Das geht nur im Verborgenen, höchstens bei Mondlicht.

Die Mutter ist Gemüsehändlerin, Straßenverkäuferin, womit hinreichend beschrieben ist, wie die Familie lebt – von Gemüse und der Hand im Mund. Der Vater ist tot, umgekommen bei einem der vielen Straßenkämpfe.

Die Behörden stellen ihr keine korrekten Reisepapiere aus, sie wollen ihre Teilnahme an den Olympischen Spielen 2012 in London verhindern. Samia fasst einen folgenschweren Entschluss. Sie will illegal nach Europa, wenn es anders nicht möglich ist. Sie macht sich auf den Weg – wie viele Afrikaner heute.

Der Autor Guiseppe Catozzella schafft es meisterhaft, das Leben der notleidenden Bevölkerung Somalias zu beschreiben. Wobei er – vielleicht unabsichtlich – die aktuelle Not vieler Afrikaner beschreibt. Er erzählt, wie man in einem über Jahrzehnte von Bürgerkriegen geschüttelten Land lebt, wie man zusammengepfercht wie auf einem Viehtransport auf der Ladefläche eines Lkws durch die Sahelzone und dann durch die Libysche Wüste an die Mittelmeerküste gelangt. Menschen fallen entkräftet von der Ladefläche, bleiben dem Tod überlassen am Wegrand liegen. Auf dem langen Weg sind Zwischenstationen eingerichtet, Mautstellen, wo die Schlepper zusätzliches Reisegeld kassieren, dass von den Angehörigen auf verschlungenen Wegen geschickt wird. Erst wenn gezahlt wird, geht die Reise weiter. Kommt kein Geld, ist der Hungertod gewiss.

An der libyschen Küste warten ausrangierte Fischerkähne und löchrige Schlauchboote, die ruhige See, keinesfalls Wind und höheren Wellengang überstehen. Gezahlt wird vorher und schaffen es die Boote wegen schlechter Wetterbedingungen gerade aus der Drei-Meilen-Zone und müssen umkehren, muss für den nächsten Versuch neue Passage bezahlt werden.

Das Buch geht wahrlich unter die Haut. Ich habe es an einem langen Abend gelesen, konnte es nicht aus der Hand legen. Es ist wohltuend unpolitisch, keine Anklage, die eindrucksvolle Beschreibung des kurzen Lebens einer tapferen jungen Frau.

Wer verstehen will – und jetzt werde ich doch etwas politisch – was die Afrikaner auf die lange Reise nach Europa treibt, wer erleben will, wie sich Flucht durch die Wüste anfühlt, der sollte dieses Buch lesen. Man begreift auch, dass wir nur einen verschwindend geringen Teil der Toten sehen, wenn in den Zeitungen steht, man habe gerade wieder fünfzig oder mehr Ertrunkene aus dem Mittelmeer gefischt. Das sind nur die Leichen, die bei uns angeschwemmt werden. Die vielen Toten über tausende Kilometer in den Wüsten und Halbwüsten Afrikas sehen wir nicht.

Samia Yusuf Omar hat es durch die Wüste geschafft, sie hat das Mittelmeer überquert, um dann eine Rettungsleine um eine Handbreit zu verpassen und im Mittelmeer zu ertrinken. Sie wurde 21 Jahre alt.


Genre: Biographien, Tatsachenroman, Thriller
Illustrated by Albrecht Knaus Verlag

Juliana Cass – Der Killer in mir

51v-AtSwHnL._BO2,204,203,200_PIsitb-sticker-v3-big,TopRight,0,-55_SX324_SY324_PIkin4,BottomRight,1,22_AA346_SH20_OU03_Juliana Cass, eine total kaputte Scharfschützin, Alkoholikerin, schizophren und mit  Wahnvorstellungen kämpfend, wird in die  Abteilung “Verhaltensanalyse” versetzt, weil ein grausamer Psychopath Morde begeht, die an sie adressiert sind. Mit ihrer Hilfe erhofft sich ihr neues Team die Klärung des Falls.
Sie ist zum ersten Mal, seit sie beim FBI arbeitet, mit echten Opfern konfrontiert. Der Mörder begeht diese Morde auf so grausame Weise, dass mit jeder Tat ein Stück ihrer Psyche zerfällt. Selbst vor Kindern schreckt er nicht zurück und lässt sie tagelang sterbend an einer Wand zurück. Schritt für Schritt nähert sich Cass der Psyche des Killers, doch jedes Mal, wenn die Ermittler glauben, einen Schritt weiter zu sein, ereignet sich ein neuer brutaler Mord.
Als auch Cass’ Familie ins Visier dieses abnormen Psychopathen gerät, bricht ihre Psyche komplett zusammen und sie kann Halluzinationen und Wirklichkeit nicht mehr auseinanderhalten. Sie wird suspendiert und erkennt mit dem letzten Zipfel ihres Verstandes, das nur sie den Mörder entlarven kann.
Dass ihr dabei ihre Schizophrenie zu Hilfe kommen könnte, überzeugt nach langen Diskussionen auch ihr Team und sie darf unter verschärften Bedingungen weiter ermitteln.
Als sie und ihre Kollegin in die Gewalt des Killers geraten, scheint es keinen Ausweg mehr zu geben.

Boris Maggioni versteht es meisterhaft, ab der ersten Seite eine Spannung aufzubauen, die den Leser sofort ins Geschehen stürzt und gleichzeitig ungeduldig und neugierig macht. Er zwingt den Leser, weiterzulesen, damit dieser erfährt, was denn nun in der Vergangenheit von Agent Cass passiert ist. Erstaunlicherweise erzählt der Autor die Geschichte aus der Sicht einer Frau in der Ich-Form. Man mag kaum glauben, dass diese präzise Schilderung der Emotionen und Psyche dieser Frau von einem Mann gestaltet wurde. Hervorragend. So hat der Leser die Möglichkeit, mehr zu wissen, als ihre Kollegen und mitzuerleben, wie sie den Alkoholismus verneint, mit ihren aus den Wahnvorstellungen hervorgegangenen Begleitern redet und sich diese letztendlich zu Verbündeten macht, um nicht komplett den Verstand zu verlieren. Boris Maggioni hat präzise recherchiert. Die Schilderungen der Waffen, die Erläuterungen, was ein Scharfschütze zu berücksichtigen hat und die Vorgehensweise der FBI-Ermittler kommen sehr genau und korrekt beim Leser an. Man hat den Eindruck, nicht nur einen spannenden Thriller zu lesen, sondern nebenbei auch noch etwas zu lernen. Die grausam zugerichteten Opfer werden allerdings genauso präzise dargestellt und der Leser hat kaum die Chance, Luft zu holen. An diesen Stellen musste ich eine Lesepause machen, weil es in meinen Kopf zu viele Bilder gab. Trotzdem genial gemacht. Dass ich fast am Ende glaubte, den Täter zu kennen und enttäuscht darüber war, nichts über dessen Beweggründe zu erfahren, hat der Autor bewusst für alle Leser eingeplant. Nur, um dann ein Ende zu erschaffen, mit dem niemand gerechnet hat. Wer brutale Morde und detailreiche Schilderungen derselben verkraften kann, wer keine Angst hat vor weiblichen Scharfschützen und wer sachlich genug ist, zu erkennen, dass Schizophrenie und Alkoholismus keine Hinderungsgründe sind, einen wirklich psychopathischen Killer zu stellen, dem sei dieser hervorragend konstruierte Thriller von Boris Maggioni unbedingt empfohlen.

Fesselnd.


Genre: Thriller
Illustrated by Kindle Edition

A Head Full Of Ghosts

51ddxgGqRDL._BO2,204,203,200_PIsitb-sticker-v3-big,TopRight,0,-55_SX324_SY324_PIkin4,BottomRight,1,22_AA346_SH20_OU03_

Die Barretts sind eine amerikanische Vorzeigefamilie: Mom, Dad und zwei Töchter, Marjorie (14) und Merry (8). Doch die Idylle ist trügerisch, denn Marjorie beginnt, sich merkwürdig zu benehmen; ihr Verhalten ist trotz Teenager-Bonus nicht mehr erklärbar. Spontanes Erbrechen, Sprechen mit verschiedenen Stimmen und allgemeine Bösartigkeit, das ganze Programm halt. Ärztliche Behandlung zeitigt keine Erfolge, die Kosten wachsen den Barretts über den Kopf (Dad hat seinen Job verloren, dafür aber die katholische Kirche gefunden; Mom sucht derweil Trost im Wein) und so trifft es sich gut, dass sich ein TV-Sender für die Geschichte interessiert, eine Reality-Show wird aus dem Boden gestampft, mit einem leibhaftigen Exorzismus als Höhepunkt.

15 Jahre später erzählt die kleine Schwester Merry einer Autorin die damaligen Geschehnisse aus ihrer Sicht, ein Buch soll verfasst werden. Schnell wird deutlich, dass die Dinge nicht immer so sind, wie sie auf den ersten Blick scheinen, ständig tauchen neue Aspekte auf, die ein anderes Licht auf die Ereignisse werfen und über allem schwebt die Frage: War Marjorie krank, von einem Dämon besessen oder einfach nur eine verdammt gute Schauspielerin?

»A Head Full of Ghosts« wurde mir von keinem Geringeren als Stephen King (via Twitter) empfohlen und auf den Meister ist Verlass. Der Roman ist beileibe kein konventioneller 0815-Horrorschocker, sondern ein Thriller durchaus abseits des Mainstreams. Paul Tremblay zeichnet darin das Psychogramm des Zerfalls einer Familie und das tut er äußerst gekonnt. Die dichte Atmosphäre fesselt den Leser, der stringente Plot sorgt für atemberaubende Spannung; es fällt schwer, das Buch aus der Hand zu legen. Auch die kritische Betrachtung des Religions- und Medienbetriebs überzeugt, die Protagonisten handeln nachvollziehbar und sind vielschichtig angelegt, ein ungetrübtes Lesevergnügen!

P.S.: Eine deutsche Ausgabe ist (noch) nicht erhältlich, vielleicht ändert sich das ja bald, wünschenswert ist es allemal.


Genre: Horror, Thriller
Illustrated by William Morrow

Totenhaus

Bestatterin Blum ist zurück, und wieder ist nichts so, wie es scheint.Totenhaus, Bernhard Aichner

Bestatterin Blum führt zwei Jahre nach dem Tod ihres Mannes und einiger tragischer Erlebnisse endlich wieder ein entspanntes Leben. Sie hat sich mit ihren beiden Kindern, Schwiegervater Karl und Freund Reza die verlorene Normalität zurückerobert und genießt diese. Jedenfalls solange, bis sie auf einen Zeitungsartikel stößt.
Sie entdeckt, dass eine tote Frau genauso aussieht wie sie, dass bei weitem nicht alles so ist, wie es scheint und dass ihr Leben noch lange nicht in geordneten Bahnen verläuft. Im Gegenteil, die Lage spitzt sich bedrohlich zu, als von ihr bestattete Leichen exhumiert werden sollen: Ein düsteres Geheimnis läuft in Gefahr entdeckt zu werden, so dass Blum fürs erste nur die Möglichkeit der Flucht bleibt. Dabei gerät sie an Menschen, die sie verwirren, verstören und bedrohen oder aber auch hilfreich an ihrer Seite stehen, manchmal alles in einer Person. Es werden Menschen sterben und auch auf andere Weise ist der Tod ein ständiger Begleiter der ganzen Geschichte. Wirkliche Schockmomente gibt es zwar nicht viele, dafür haben es die wenigen aber in sich.

Dies ist der zweite Band über die Bestatterin Brünhild Blum, jedem potentiellen Leser sei angeraten, Band eins, „Totenfrau“, zuerst zu lesen. Einige Dinge werden sonst unverständlich bleiben, beide Geschichten bauen aufeinander auf und nicht alles wird noch einmal erklärt.
Wie schon im ersten Teil besticht der Autor durch einen ungewöhnlichen Schreibstil, kurze, knappe Sätze wechseln sich ab mit längeren Gedankengängen und spiegeln so das Gefühlsleben Blums deutlich wider. Auch die spezielle Art der Dialogschreibung wurde hier wieder verwendet, keine Anführungszeichen sondern Spiegelstriche und keinerlei Beschreibungen zu Taten oder Emotionen während der Gesprächssituation. Aichner vertraut voll darauf, dass sich alles Wichtige aus den Worten der Protagonisten erlesen lässt und dies völlig zu Recht.
Wieder sind die handelnden Figuren zwiespältig zu sehen, mal handeln sie so, dass sie absolut in mein Wertesystem passen, dann wiederum passieren durch sie Dinge, die mich als Leser schockieren. Bei keiner Figur könnte ich sagen, dass sie mir sympathisch ist, genauso wenig wie ich behaupten könnte, ich würde sie nicht mögen. Dies unterscheidet den ersten vom zweiten Teil, bei der Totenfrau war Blum ein bisschen meine Heldin, eine Art moderner Robin Hood. In vorliegendem Buch dagegen hat sie mich nicht uneingeschränkt auf ihre Seite ziehen können.
Der Geschichte tut dies keinen Abbruch, im Gegenteil, gerade dies brachte mich noch näher an das Buch, die reale Welt ist schließlich auch nicht ausschließlich schwarz und weiß.

Die Handlung ist spannend und freiwillig wird dieses Buch wohl niemand aus der Hand legen. Ständig gibt es neue Umwege, Kurven und sogar neue Ziele, selbst am Ende des Buches scheint nur ein Teilziel erreicht zu sein, was schlüssig ist, da das Ganze als Trilogie angelegt ist, es wird also interessant bleiben.
Wenn ich „Totenhaus“ gelesen hätte, ohne „Totenfrau“ zu kennen, wäre ich in Begeisterungsstürme ausgebrochen, wenn ich Punkte vergeben würde, hätte es auch immer noch die volle Punktzahl.
Der erste Band ist jedoch so unschlagbar gut und vor allem so anders geschrieben, dass das vorliegende nicht ganz mithalten kann. Ich könnte dies nicht mal sinnvoll begründen, vielleicht ist es auch einfach nur ein Gewöhnungseffekt.
In Schulnoten würde ich es so ausdrücken: Der erste Teil war eine Eins mit Sternchen, der zweite Teil eine glatte Eins, was natürlich immer noch eine sehr gute Leseempfehlung ist.


Genre: Romane, Thriller
Illustrated by btb München

Totenfrau

Gut und Böse werden kurzerhand durcheinander gewürfelt.

Ich muss zugeben, der erste Eindruck nach dem Lesen des 9783442749263_CoverKlappentextes reizte mich nicht mehr, als jeder andere ungelesene Thriller auch. Nachdem mir das Buch in den sozialen Netzwerken jedoch mehrfach über den Weg lief und sehr empfohlen wurde, konnte ich nicht widerstehen. Glücklicherweise, denn hätte ich es nicht gelesen, wäre mir einer der besten Thriller entgangen.

Protagonistin Brünhild Blum ist Bestatterin, nicht ganz freiwillig, hat sie doch einen Weg gefunden, sich ihr Leben einzurichten. Vielleicht nicht den Weg, den andere genommen hätten, aber immerhin einen nachvollziehbaren. Zum Startpunkt der Geschichte scheint ihr Leben in glücklichen Bahnen zu verlaufen, ihr Mann ist Polizist, sie haben zwei Kinder und Blum versorgt, zusammen mit dem Angestellten und Freund Reza, ihre Leichen. Bis ihr Mann stirbt. Ohne Vorwarnung und ohne sie darauf vorzubereiten, was danach passiert. Wer ist die geheimnisvolle Frau, die ihr Mann so oft getroffen hat und deren gemeinsame Gespräche auf seinem Handy gespeichert sind? Sie hört abscheuliche Geschichten und begibt sich daran, die Wahrheit herauszufinden.

Als Leserin war ich schon zu diesem frühen Zeitpunkt emotional mitten in der Geschichte. Ebenfalls ohne Vorwarnung und Vorbereitung.

Wie so oft bei Thriller-Rezensionen würde ich so gerne mehr erzählen, gerade weil ich dieses Buch für ziemlich spektakulär halte. Da ich aber anderen Lesern die Freude auf das Buch nicht zerstören will, belasse ich es dabei.
Ich mag es sehr, wenn nicht ganz klar ist, wer oder was denn nun eigentlich gut oder böse ist. Wenn mit moralischen und ethischen Vorstellungen gespielt wird und ich als Leser immer wieder darüber nachdenken muss, ob das alles nun irgendwie richtig ist, oder nicht. Nur ganz wenige Autoren haben dies so erreicht wie Bernhard Aichner, mir fallen nur zwei weitere Bücher ein, die hier mithalten können: „Still“ von Thomas Raab und „Das Parfum“ von Patrick Süßkind, damit ist Aichner quasi von Null auf Hundert in meinen persönlichen Thrillerautoren-Himmel aufgestiegen.

Sein Schreibstil ist anders als gewohnt, gefällt mir aber sehr. Viele kurze, abgehakte Sätze spiegeln das Gefühlsleben Blums wider, man ist mittendrin im Geschehen, zeitweise so dicht, dass man tatsächlich ins Grübeln kommt, ob es nicht doch besser wäre, in dieser Nacht das Licht brennen zu lassen.
Sehr schön sind die Dialoge in dem Buch, nicht in klassischen Anführungszeichen, sondern mit Spiegelstrichen voneinander getrennt und ohne „Regieanweisungen“. Auch dies führt dazu, dass man unmittelbar dabei ist, scheinbar wirklich den Gesprächen zuhört.
Blum als Protagonistin wird so authentisch, so echt beschrieben, dass ich jeden ihrer Beweggründe verstehen konnte. Was durchaus verwirrend ist, wenn sie anders handelt, als ich es tun würde. Vielleicht.
Nebenbei habe ich einige Dinge über den Bestatterberuf gelernt, die ich eigentlich gar nicht so genau wissen wollte, dem Buch aber natürlich weit nach vorne helfen. Alles was der Autor beschreibt, scheint bestens recherchiert zu sein, sonst hätte er kaum so genau und detailreich erzählen können. Nicht unbedingt etwas für zart besaitete Gemüter, aber wenn vorne „Thriller“ draufsteht, sollte auch ein Thriller drin sein.
Jedem Fan des Genres sei dieses Werk unbedingt ans Herz gelegt.


Genre: Romane, Thriller
Illustrated by btb München

Im Auge des Mörders

51LJRkR4WxL._BO2,204,203,200_PIsitb-sticker-v3-big,TopRight,0,-55_SX324_SY324_PIkin4,BottomRight,1,22_AA346_SH20_OU03_Ein Vergewaltiger lässt nach vollendeter Tat seine Opfer traumatisiert zurück, um sie einige Wochen später brutal zu ermorden. Sein letztes Opfer, Eva Haller setzt sich gegen ihn zur Wehr und er muss schnellstens aus ihrer Wohnung flüchten. Trotzdem lässt er nicht von ihr ab und sie engagiert  Stefan Trapp, einen technikverliebten Bodyguard, weil die Polizei ihr nicht glaubt.  Der brutale und psychopathische Mörder trickst jedoch Polizei und Bodyguard immer wieder aus und es findet sich kein Hinweis auf ihn. Als es ihm ein zweites Mal gelingt, Eva in seine Gewalt zu bringen, beginnt ein Wettlauf mit dem Tod, denn am Ende kann nur Evas Ermordung stehen.

Dieser Thriller von Marcus Hünnebeck hat alles, was ein gut gemachter Thriller haben muss. Verfolgungsjagden, einen psychopathischen Mörder, Protagonisten, die auftauchen und wieder verschwinden, Ermittler, die im Dunkeln tappen, ein Opfer, das sich wehrt und wild entschlossen ist, nicht zu sterben und zuletzt für die weiblichen Thrillerfans einen extrem attraktiven Bodyguard.

Der Autor stellt Eva Haller in den Mittelpunkt seiner von Hochspannung getriebenen Geschichte. Sie ist freiberufliche Journalistin und hat die Aufmerksamkeit des Täters erregt, obwohl sie optisch nicht in sein Beuteschema passt.

Im Laufe der Entwicklungen trifft sie auf einige Menschen, die ihr helfend zur Seite stehen und gerade, als man sich entspannt zurücklehnen möchte, um Luft zu holen, entpuppen sich genau diese Helfer als Verdächtige, nur um einige Seiten später wieder entlastet zu werden. Marcus Hünnebeck versteht es meisterhaft, die Fäden in der Hand zu halten und den Leser an sein Buch zu fesseln. Kontinuierlich steigert er die Spannung und man sollte sich für den Tag, an dem man beginnt, in diesen Thriller einzusteigen, nichts anderes mehr vornehmen, denn man wird scheitern. Der Leser darf Anteil haben an Kompetenzgerangel bei der Kripo, an Fehlentscheidungen und Irreführung der Bevölkerung, die es dem Täter ermöglichen, sein Netz um Eva zusammenzuziehen.

Während des Lesens habe ich ständig auf einer zweiten Ebene nach dem Täter gesucht und ihn nicht gefunden, weil ich immer wieder den falsch und sehr intelligent gelegten Fährten von Marcus Hünnebeck gefolgt bin. Ziemlich zum Ende, als ich schon seit geraumer Zeit vergessen hatte, zu atmen, steigt ein leiser Verdacht auf und ich war äußerst erleichtert, es doch noch herausgefunden zu haben.

Das eingefügte Lokalkolorit macht den Thriller umso lesenswerter, wenn man die Örtlichkeiten kennt.
Marcus Hünnebeck hat sich mit diesem Thriller in die Riege der Dan Browns, Stieg Larssons, Simon Becketts und Sebastian Fitzeks geschrieben.

Herausragend


Genre: Thriller
Illustrated by Egmont LYX.digital

Das Doktorspiel

41+vFTJ1iqL._BO2,204,203,200_PIsitb-sticker-v3-big,TopRight,0,-55_SX324_SY324_PIkin4,BottomRight,1,22_AA346_SH20_OU03_Im neuen Thriller von Béla Bolten werden Alexander Thal und sein Team auf eine harte Probe gestellt. Im Schmetterlingshaus auf der Mainau wird die schrecklich zugerichtete Leiche eines renommierten Kinderarztes aus Konstanz gefunden. Der Tote stammt aus einer der einflussreichsten Familien und die Ermittler müssen mit äußerster Vorsicht an die Tätersuche herangehen. Sie haben kaum eine Spur und die wenigen, die sie finden, führen sie nicht weiter. Im Laufe der anstrengenden Suche nach dem Täter wird ein zweite Leiche im Bodensee gefunden. Stück für Stück tasten sich die Polizisten unter Einsatz ihres Lebens an die möglichen Täter heran. Sie geraten in einen Strudel aus verzweifelten Eltern, militanten Impfgegnern und einer fanatischen Sekte.

Béla Bolten beschreibt ausnahmslos menschliche Charaktere, denen der Fall zusehends auf’s Gemüt schlägt. Wie Alexander Thal, akribisch eine Kaffeetasse spülend, über den Fall nachdenkt oder Bettina Berg versucht, trotz vorangeschrittener Schwangerschaft, ein vollwertiges Mitglied des Teams zu sein, führt geradewegs in das Herz des Lesers. Gerade das macht es aber so spannend. Es sind lauter Menschen mit all ihren verschiedenen Eigenheiten unterwegs, die sich zusammenraufen müssen, um einem perfiden Killer auf die Spur zu kommen. Immer wieder verstrickt man sich in den Hinweisen und Spuren, die im Laufe der Geschichte auftauchen. Béla Bolten hält keine Informationen zurück und lässt den Leser immer auf dem Stand der Ermittlungen sein. Eigentlich möchte man lieber einen Schritt voraus eilen, aber man wird wegen dieses Erzählstils zu einem vollwertigen Mitglied des Teams.

Atemlos steht man in der Rechtsmedizin dabei, wenn Gerhard Restle seine Ergebnisse bekannt gibt und als Madlaina in Lebensgefahr gerät, lebt man ihre Verzweiflung mit und möchte sofort erste Hilfe leisten. Der Weihrauchgeruch in der Sektenunterkunft nimmt einem den Atem und man sucht unweigerlich nach einem geöffneten Fenster. Dass der Leser bis zum Schluss darüber im Dunkeln tappt, wer für die Morde verantwortlich ist, hält ihn davon ab, diesen spannenden Thriller vorzeitig aus der Hand zu legen.

Für mich ist dieser Thriller von Béla Bolten einer der besten, die ich bisher von ihm gelesen habe.

Nervenaufreibend.


Genre: Thriller
Illustrated by Kindle Edition

Kokon

61IBq+xxySL._BO2,204,203,200_PIsitb-sticker-v3-big,TopRight,0,-55_SX324_SY324_PIkin4,BottomRight,1,22_AA346_SH20_OU03_Auf der Seite der Guten steht Mike, ein Polizist, wie man ihn sich vorstellt: Geschieden, mit halbwüchsigem Sohn und Frauengeschichten, seine Exfrau immer noch liebend. Etwas chaotisch, sodass man am Anfang denkt, dass dieser Mensch sicher keinen brutalen Killer stellt.
Auf der Seite der Bösen agiert ein Serientäter, der eiskalt, analytisch und zutiefst verstörende Morde an Frauen begeht. So verstörend, dass das gesamte Team der Polizei erschüttert ist. Mike und sein pedantischer Kollege Jürgen machen sich auf die Jagd und versuchen, das Puzzle zusammenzusetzen.                                                                                   

Ich habe in der Gluthitze angefangen, diesen Thriller zu lesen und hatte Schwierigkeiten, mich von der Geschichte loszureißen.

Noah Fitz versteht es sensationell gut, den Leser ständig auf falsche Fährten zu führen. Man meint, der Polizei voraus zu sein und den Täter zu kennen, als sich dann plötzlich wieder andere Einzelheiten finden, denen man nun wieder bereitwillig folgt.
Er bildet zuerst viele Nebenstränge und Zweitschauplätze, die er hinterher so virtuos zusammenführt, dass man sich vor die Stirn schlagen möchte, weil man nicht selber dahinter gekommen ist.
Ich habe um ein Kind gebangt, mir Sorgen um einen Erwachsenen gemacht, der die Welt aus Kinderaugen sieht, mitgelitten mit einer jungen Frau, die Liebe suchte, aber nur Sex bekam und mit dem Herzen bin ich Mike und seiner Frau gefolgt und habe glühend gehofft, dass sie wieder zueinander finden.
Dass letztendlich jemand der Täter war, mit dem ich überhaupt nicht gerechnet hatte, hat diesem Thriller die Krone aufgesetzt.

Mitreißend.


Genre: Thriller
Illustrated by Kindle Edition

Deathbook

Erschreckend realitätsnah geschrieben, Herzklopfen beim Lesen wird kaum ausbleiben.

DeathBookDer Protagonist ist in diesem Thriller der Autor selbst, was von Anfang an eine persönliche Beziehung zu ihm entstehen lässt.
Andreas Winkelmann, erfolgreicher Autor im Bereich der blutrünstigen Romane, verliert seine geliebte Nichte Kathi durch einen Selbstmord.
Damit will er sich jedoch nicht abfinden und beginnt, auf eigene Faust zu ermitteln. An der Todesart seiner Nichte besteht kein Zweifel, sie lag auf abgelegenen Bahngleisen und wurde von einem Zug überfahren. Aber geschah dies wirklich aus freien Stücken?
Als im Internet ein Video auftaucht, welches ihren Tod in allen Einzelheiten aufzeigt, wird klar, dass mehr dahinter stecken muss. Mit Hilfe von Michaela Sperling, einer Freundin Winkelmanns und Polizeianwärterin, und Jan Krutschig, einem Computerspezialisten, erfährt Andreas Einzelheiten über eine ominöse Internetseite namens „Deathbook“.
Immer mehr Menschen sterben auf mysteriöse Art und Weise, und jedes Mal tauchen Videos ihrer letzten Minuten im Internet auf.
Andreas begreift, dass sich das Leben seiner Nichte und vieler anderer Jugendliche zu einem großen Teil im Netz abspielt, vor allem auf Facebook pflegen sie Freundschaften wie im realen Leben, ohne zu bedenken, dass die scheinbare Intimität ihrer Gespräche dort nur allzu leicht zu durchbrechen ist.
Zum Ende des Buches verstrickt sich der Protagonist immer weiter in das Geschehen und macht sich selbst zum Hauptverdächtigen.
Eines sei versprochen: Am Ende werden alle losen Fäden schlüssig verknüpft und es kommt zu einem passenden Abschluss.

Dieses Buch ist der vierte von mir gelesene Thriller Winkelmanns, und bis jetzt konnte er mich nie hundertprozentig überzeugen. In diesem Fall ist es ihm gelungen: Ich finde das Buch wirklich großartig. Wie von Winkelmann gewohnt, beschreibt er besonders die Todesszenen sehr direkt und detailreich, aber dieses Mal ist es ihm auch geglückt, bei mir ein absolutes Spannungsgefühl zu erzeugen. Zugegeben, ganz kurz zwischendurch habe ich mich schon gefragt, woher ein normaler Mensch den Mut nimmt, sich so offensichtlich in Gefahr zu begeben, wie es der Protagonist mehrmals tut. Ein paarmal erschien es doch ein klein wenig überzogen.
Aber alles andere wirkte so überzeugend auf mich, dass ich das Buch in kürzester Zeit verschlungen habe. Ich konnte von Anfang an mit (dem fiktiven) Andreas Winkelmann fühlen, seine Gedankengänge und Emotionen nachvollziehen und verstehen – endlich genau das, was mir in seinen vorherigen Werken gefehlt hat.
Die Idee, sich selbst zur Hauptfigur zu machen, gefällt mir sehr und auch die Beschreibungen der Schauplätze sind sehr bildreich dargestellt.
Das Internet mitsamt seiner Gefahren zum Thema zu machen hat einen aktuellen, realistischen Bezug und manch ein Facebooknutzer mag sich vielleicht ein bisschen wiedererkennen.

Zuerst hat der Autor dieses Buch als interaktive Ebook-Reihe herausgebracht, auf deren Einteilung auch die Kapitel in dem Gesamtbuch aufbauen.
Diese Rezension bezieht sich auf das zusammengefasste Buch, welches im Vergleich zu den Einzelwerken überarbeitet wurde.


Genre: Thriller
Illustrated by Wunderlich

Still – Chronik eines Mörders

Ein leises, märchenhaftes Buch über ein zu lautes Leben

stillGleich vorweg: dieses Buch einem bestimmten Genre zuzuordnen fällt mir schwer. Ein bisschen Thriller, ein bisschen Krimi, ganz viel Familiengeschichte aber hauptsächlich ein Drama, so sehe ich diese anrührende Geschichte.
Wer einen Roman ohne Tod und Unheil erwartet ist hier falsch, wer einen blutrünstigen Thriller möchte, ebenfalls.
Blut fließt trotzdem, reichlich sogar, aber der Reihe nach.

Der Protagonist Karl wird in einem kleinen, verschlafenen Nest geboren und hält von Anfang an seine Eltern in Atem. Nicht, weil sich hier schon seine Bösartigkeit zeigen würde, sondern weil er schreit. Laut. Immer. Ohne Pause, so dass ein ganzes Dorf in Mitleidenschaft gezogen wird.
Als alle Beteiligten schon fast mit ihren Nerven am Ende sind, findet sein Vater den Grund für das Gebrüll heraus: Der kleine Karl hat ein hypersensibles Gehör, besser als jeder andere Mensch hört er selbst die leisesten Töne, entferntesten Gespräche und Lebensgeräusche. Eine für Andere normale Lautstärke bereitet ihm körperliche und seelische Schmerzen, weswegen ihm seine Eltern schließlich ein isoliertes Zimmer im Keller einrichten. Hier lebt er vor sich hin, findet schnell Freude an Büchern und zeigt eine hohe Intelligenz. Einen Zugang zu seiner Mutter findet er jedoch nicht, ebenso wenig, wie sie zu ihm. Sie ist mit einer derartig hohen, quakigen Stimme gesegnet, dass er sie schon im Mutterleib nicht ertragen konnte.
Die Jahre gehen ins Land, Karl im Keller, das restliche Leben oberhalb. Was niemand bedenkt: Karl kann selbst geflüsterte Gespräche hören, immer mehr erkennt er, wie anders er ist, wie er abgelehnt wird. Er beginnt zu fühlen, was Unrecht ist, als seine Mutter ein Verhältnis mit dem Dorfarzt beginnt. Nach einem tragischen Ereignis erkennt er schließlich, dass das einzig Schöne, Stille der Tod ist. Nur hierin erkennt er Liebe, versteht nicht, warum die Menschen am Leben festhalten, wenn der Tod doch so viel besser ist. Er beschließt, den Menschen zu helfen, in der Annahme, wirklich Gutes zu tun und ab hier beginnt die blutige Spur, die auf dem Klappentext des Buches vermerkt ist.
Karls Leben nimmt viele Wendungen, nur wenig Schönes passiert ihm, mit einer Ausnahme: Er begegnet einem ganz besonderen Menschen, der ihn bis zu seinem Lebensende nicht mehr loslassen wird. Das Ende ist konsequent und emotional, nicht wirklich unerwartet, aber richtig.

Wie so oft, wird einen kurze Inhaltsangabe dem eigentlichen Text nicht gerecht, das Buch ist so unglaublich großartig geschrieben, so märchenhaft und zeitlos, dass mir nur ein passender Vergleich eingefallen ist: „Das Parfum“ von Patrick Süßkind. Dieser Roman gehört für mich zu den ganz Großen und Thomas Raabs „Still“ kann hier meiner Meinung nach problemlos mithalten.
Im Anfangssatz hatte ich geschrieben, dass dies ein leises Buch sei. Das meine ich absolut positiv. Der Autor hat es verstanden, das Leben Karls aufzuzeigen und mich daran teilhaben zu lassen, ohne „laute“ Worte zu verlieren. Es sterben so viele Menschen, und trotzdem wirkt der Tod immer leise und friedlich, wie von Karl beabsichtigt. Immer wieder überzog mich ein leises Gruseln, insbesondere im Mittelteil, weil Karl wahrscheinlich als größter Massenmörder in die Geschichte eingehen könnte, wäre er nicht fiktiv. Trotzdem artet das ganze niemals in ein in ein Splatter-Gemetzel-Buch aus.
Alle Figuren sind sehr anschaulich beschrieben, keine klischeehaft oder langweilig. Die Hauptfiguren sind etwas Besonderes. Keine ist eindeutig gut oder böse, die ganze Geschichte an keiner Stelle einfach schwarz-weiß. Offensichtlich ist hier natürlich Karl, der nach den Maßstäben unserer Gesellschaft Böses tut, aber in der Annahme, den Menschen zu helfen.
Auch einige der anderen Figuren sind durchaus ambivalent zu sehen und diese Geschichte wird mir noch sehr lange im Kopf bleiben.

Der Sprachstil ist unheimlich bildreich, metaphorisch und einfühlsam, nicht nur inhaltlich ist dieses Buch lesenwert, sondern auch, weil Thomas Raab sich hier als wunderbarer Sprachkünstler präsentiert.

Für mich ist dies eines der bemerkenswertesten Bücher dieses Jahres, ich werde es sicher noch ein zweites Mal lesen.


Genre: Romane, Thriller
Illustrated by Droemer Knaur München

World Gone By

518+X7qqFfL._SX323_BO1,204,203,200_Tampa, Florida 1943: Der Gangster Joe Coughlin hat sich aus dem aktiven Kriminalgeschäft zurückgezogen und ist (fast) nur noch als Berater für die Mafia-Familie Bartolo tätig. Gemeinsam mit Sohn Tomas pendelt er zwischen Florida und Kuba, der Heimat seiner verstorbenen Frau. Die Geschäfte florieren nicht zuletzt dank des Bedarfs an Rohstoffen im Krieg und Joe genießt höchstes Ansehen, verkehrt nicht nur in der Unterwelt von Havanna und Tampa, sondern dort auch in den besten Kreisen.

Doch die Vergangenheit fordert ihren Tribut und als er einen Hinweis bekommt, dass auf seinen Kopf ein Preis ausgesetzt wurde ist es vorbei mit dem Ruhestand. Außerdem fügen die Gesetzeshüter dem Imperium empfindliche Verluste zu, denn sie scheinen Hinweise aus dem inneren Kreis der Familie zu bekommen. Joe ist gezwungen, in sein altes Leben zurückzukehren und zieht noch einmal in die Schlacht…

Im dritten Teil der Coughlin-Trilogie (Teil eins »The Given Day«, Teil zwei »Live By Night«) zieht Dennis Lehane erneut alle Register seines Könnens und begeistert den Leser mit faszinierenden Figuren (erinnern z.T. an die der TV-Serie »Sopranos«) und spannenden Geschichten von Freundschaft, Liebe und Verrat. Wie im richtigen Leben gibt es nicht nur schwarz oder weiß, sondern alle Schattierungen und Farben dazwischen und die Protagonisten handeln in dem stringenten Plot stets nachvollziehbar, wenn auch nicht immer fehlerlos.

Bei »World Gone By« handelt es sich zwar im Gegensatz zu den Vorgängern »nur« um einen Kriminalroman oder Thriller, aber der ist hochklassig geschrieben und die historischen Hintergründe sind dabei das Salz in der Suppe. Wir treffen in dem Buch u.a. die Mafia-Größen Lucky Luciano und Meyer-Lansky, sowie den korrupten kubanischen Präsidenten Batista; allerdings sind sie gekonnt eingebettet in die Handlung und nicht nur Staffage. Dennis Lehane liefert mit »World Gone By« einen krönenden Abschluss der Trilogie, schade, dass es vorbei ist.

P.S.: Das Buch ist noch nicht in deutscher Fassung erschienen.

 


Genre: Kriminalromane, Thriller
Illustrated by William Morrow

Finders Keepers

Morris Bellamy ist zwar ein Gangster, aber kein gewöhnlicher. Er ist belesen und seine Begeisterung respektive Obsession für einen seit Jahrzehnten zurückgezogen lebenden Schriftsteller treibt ihn 1978 dazu, in dessen Haus einzubrechen, da dort angeblich unveröffentlichte Manuskripte lagern, die für ihn wesentlich wichtiger sind als das Bargeld des Greises. Er findet beides, tötet den Autor und versteckt die Beute in der Nähe seines Eigenheimes. Bevor Bellamy Gelegenheit hat, die heißersehnten Texte zu lesen wird er wegen eines anderen Verbrechens festgenommen und zu lebenslänglich verurteilt.

Mehr als 30 Jahre später lebt in dem ehemaligen Gangsterhaus Familie Saubers, die – inmitten der Rezession – gerade so eben über die Runden kommt. Als jedoch der Vater bei dem Anschlag des verrückten Mercedes-Killers schwer verletzt wird drohen sämtliche Dämme zu brechen; die beiden Kinder sehen bereits eine drohende Scheidung der geliebten Eltern heraufziehen. Da trifft es sich nur allzu gut, dass Teenager Peter eines Tages eine vergrabene Truhe mit Geld und Manuskripten findet. Auch Peter ist ein glühender Verehrer des ermordeten Schriftstellers und erkennt sofort, was da vor ihm liegt: Zwei unveröffentlichte Romane seines Lieblingshelden, die er begeistert liest. Mit dem Geld hilft Peter seiner Familie über das Gröbste hinweg, doch als das immer noch nicht reicht, entschließt er sich schweren Herzens, die Texte zu verkaufen. Ein schwerer Fehler, denn der Mörder ist inzwischen auf Bewährung draußen und really not amused, als er das Versteck leer vorfindet…

Als King-Fan der ersten Stunde (seine Werke waren in Deutschland noch gar nicht erhältlich) fällt mir Objektivität zugegebenermaßen schwer, aber ich werde wenigstens versuchen, meine Begeisterung zu begründen. In »Finders Keepers« schreibt Stephen King über etwas, von dem er definitiv eine ganze Menge versteht, nämlich von Literatur und wie sie das Leben nicht nur der Schreiber, sondern auch der Leser determiniert, im Guten wie im Bösen. Es ist nicht sein erstes Buch zu diesem Thema, wir erinnern uns an »The Dark Half« und »Misery«, aber wohl sein intensivstes; die Figur des Morris Bellamy verlangt auch hartgesottenen Horror-Konsumenten so einiges ab. Überhaupt sind die Charaktere wieder mit einer beeindruckenden Tiefe gezeichnet, auch und besonders die jugendlichen; King beherrscht das meisterhaft, wie schon so oft bewiesen. Sein Schreibstil ist gewohnt packend und faszinierend und der stringente Plot weist keine Längen auf.

»Finders Keepers« ist keine direkte Fortsetzung zu »Mr. Mercedes«, aber ein weiteres Buch in dieser Reihe mit den bekannten Protagonisten Bill Hodges, Holly Gibney und Jerome Robinson, die allerdings erst vergleichsweise spät in den Ring steigen. Auch sie haben sich weiterentwickelt, die Kenner von »Mr. Mercedes« werden das zu schätzen wissen. Der Roman ist höchst spannend, ein exzellenter Thriller und ein formidables Lesevergnügen. Angekündigt in dieser Reihe sind drei Bände, man darf sich schon auf den nächsten freuen und hofft, dass der Meister damit nicht zu lange auf sich warten lässt.


Genre: Thriller
Illustrated by Hodder & Stoughton