Die Moral der römischen Truppe ist auf dem Tiefpunkt – anstatt Eroberungen wollen die Römer lieber Friede, Freude, Eierkuchen. Cäsar ist erbost, dämpft das doch seine Eroberungsgelüste. Visusversus, der oberste Medicus von Cäsars Armeen, bietet als Lösung seine Methode der „Weißen Iris“ an: gesunde Ernährung statt Einheitsbrei und positives Denken soll glückliche und damit kampflustige Legionäre erzeugen. Außerdem erhält er von Cäsar den Auftrag, die Gallier zu unterwerfen.
Visusversus benutzt seine Methode, um den Galliern Sanftmut einzuhauchen. Die erreicht er durch Euphemismen und Lobhudelei, aber auch durch regionale und gesunde Küche. Allerdings ist das nicht allen Gallier*innen recht und Visusversus verfolgt mit seiner Methode immer noch nichts Geringeres als die Unterwerfung des gallischen Dorfes. Unmerklich arbeitet er sich zu einem unverzichtbaren Ratgeber hoch und manipuliert die Gallier*innen zu seinen Gunsten.
Althergebrachtes = positiv <=> grünes, umweltbewusstes, soziales Denken = negativ => Die konservative Keule schlägt zu!
Der neueste Asterix-Band erinnert an einen Vorgänger: Auch in „Der Seher“ versucht Cäsar die Gallier durch einen Meinungsmacher unter Kontrolle zu bekommen. Waren es in jenem Band noch scharlatanerische Weissagungen, werden hier eigentlich gute Ideen dazu missbraucht, um sich darüber lustig zu machen. Wie schon beim Thema Feminismus in „Asterix und Maestria“ schlägt die konservative Keule zu und untergräbt nach gut patriarchalischer Manier mit dem Mittel des Lächerlichmachens fortschrittliches Denken.
Natürlich sind reiner Positivismus und positives Denken ohne Realitätsbezug kritisch zu hinterfragen, ebenso wie Euphemismen, die die Realität verschleiern, anstatt Probleme beim Namen zu nennen und sie zu lösen. Ebenso ist Scharlatanerie kritisch zu hinterfragen und neue Ideen, die als alleiniges Allheilmittel hingestellt werden. Visusversus verkörpert all das, was an guten Ideen pervertiert werden kann. Es ist gut und richtig, dass der Comic das anspricht.
Allerdings ist wirklich auffällig, wie konservativ und rückschrittlich die Asterix-Bände (auch in Bezug auf Konkurrenz wie Manga, s. „Gallien in Gefahr“) bei dringendst nötigen Verbesserungen der Lebensqualität, der Gesundheit, der Abschaffung von Diskriminierung und damit der Gleichberechtigung, gesunden Ernährung und für ein friedliches, soziales Miteinander sind. Das patriarchale Denken ist in Asterix tief verwurzelt und wird nicht kritisch hinterfragt. Stattdessen wird gegen alles, was nach Veränderung des Altgewohnten (aber nicht unbedingt des Besten) riecht, gewettert, es verteufelt und abgewertet.
In diesem Band bedeutet das wie in den anderen Bänden, dass man fortschrittliches Denken, das die Welt tatsächlich ein Stück weit besser machen könnte, als Feindbild sieht, indem man diese Ideen z.B. den Römern (dem Feind) unterschiebt und damit böse Absichten verbindet und unterstellt. Damit werden gute Ideen schon von vorneherein als „schlecht“ stigmatisiert. Stattdessen wird das Altgewohnte wie der übermäßige Konsum von Fleisch (der allerdings wenigstens einmal in „Der Avernerschild“ halbwegs kritisch beleuchtet wird, wobei aber auch da nur der medizinische Ansatz der Kur wirklich kritisiert wird, Majestix aber trotz Krankheit wieder zu alten (Fr-)Essgewohnheiten zurückkehrt) , das Einhalten der Rollenklischees, das Lächerlichmachen der Kunst/Musik in Form von Troubadix (sehr bezeichnend, weil die Kunst eine kritische Begleiterin und Reflektorin des jeweiligen Zeitalters/Zeitgeistes ist), das Abwerten von unabhängigen, starken Frauen und destruktives Verhalten wie Aggressionen in Form von Streit bis hin zum Krieg propagiert. Alles das ist klassisch patriarchalisch und in seinen Auswirkungen sehr destruktiv wie z.B. das Buch „Was Männer kosten: Der hohe Preis des Patriarchats“ oder „Die Wahrheit über Eva“ anschaulich beschreiben.
Wertschätzendes Denken, dass man im jeweiligen Gegenüber auch die guten Seiten sieht, die umfassend guten Auswirkungen gesunden Essens auf Körper und Umwelt – all das wird hier pervertiert und negiert, indem man es dem Feind unterschiebt und damit feindselig betrachtet. Das ist nicht nur sehr schade, sondern auch schädigend für unkritische Leser*innen, die unbewusst ein solches Gedankengut übernehmen und als gut befinden, v.a. weil Asterix ein beliebter Comic und damit sehr einflussreich ist.
Natürlich könnte man entgegnen, dass auch die Gallier selbst ironisiert werden, aber für meinen Geschmack ist das zum einen nicht deutlich genug (es geht eher in die Richtung des liebevollen Konterkarierens) und zum anderen kommen andere Ideen tatsächlich deutlich schlechter weg.
Althergebrachtes ist nicht immer schlecht, aber auch nicht immer gut; besonders schädigende Traditionen und Gewohnheiten müssen auf den Prüfstand und durch bessere ersetzt werden. „Asterix“ könnte all das fortschrittlicher gestalten, bleibt aber stattdessen in der Vergangenheit stecken und wehrt sich buchstäblich mit Händen und Füßen gegen jedwede Art von Verbesserung.
Diverses
Der Band ist gewohnt humorvoll gestaltet, aber wegen all dem, was letztlich dahintersteckt, kann einem wirklich das ein oder andere Mal das Lachen im Hals steckenbleiben.
Anspielungen: u.a. Hamlet, Star Wars, Die Prinzen: Das alles ist Deutschland, griechisches Schönheitsideal, Warten auf Godot, positivistisches Denken, Die letzte Generation, Vertreter konventioneller Ideen, gesundes Essen.
Fazit
Der Band vertritt sehr entschieden Althergebrachtes, ohne es tatsächlich kritisch zu hinterfragen. Stattdessen werden Fortschritt und neue Ideen, die die Welt besser machen würden – wie Frieden, Wertschätzung, gesundes Essen – erbittert bekämpft und der Lächerlichkeit preisgegeben. Das schadet langfristig der beliebten Serie!
Sehr schön zusammengefasst – bin froh, dass ich nicht der einzige bin, dem beim Lesen diese Gedanken gekommen sind. Teilweise ist es natürlich nachvollziehbar, dass die Gallier wie immer Schiss haben, dass ihnen der Himmel auf den Kopf fällt. Andererseits erschienen mir manche Stellen schon beinahe rechtspopulistisch angehaucht – etwa das Asterix Visusversus “durchschaut” und ihn aus dem Dorf schmeißt. Hier hätte vielleicht noch ein Hinweis hineingemusst, WIE er ihn durchschaut hat, denn so wie ich es gelesen habe war die Metabotschaft: es ist okay Fremde trotz ihrer Freundlichkeit aufgrund von persönlichen Vorurteilen auszugrenzen. Leider bedenklich. Aber bestimmt haben die Macher nur vergessen, den Teil einzuzeichnen, bei dem Asterix einen eindeutigen Beweis für die widerlichen Machenschaften des Visusversus erhält. 😉