Die Doppelte Frau und das Rätsel Betty Steinhart

Die Doppelte Frau und das Rätsel Betty Steinhart. “Ach, das ist so lange her. Ich weiß es nicht mehr.” Das Foto-Atelier Carl Ellinger hat die harten Zeiten des Ersten Weltkriegs überlebt und reüssiert zum Porträtstudio der neu erstehenden Salzburger Festspiele. Seit den 20er Jahren der Inbegriff österreichischer Wesensart und Kultur sind die Festspiele mit ihren Stars zahlkräftige Kundschaft im Atelier. Aber wer machte eigentlich die Fotoporträts? Beate Thalberg weiß es!

Roman mit realer Vorlage

Regisseurin Beate Thalberg hatte sich schon im österreichischen Rundfunk ORF mit Betty Steinhart, der „Geschäftsfrau in Männertarnung“, erzählt von ihrer Enkelin und als Doku-Fiction-Serie beschäftigt. Die berühmten Fotografien seit dem Beginn der Salzburger Festspiele, die mit dem Namen Carl Ellinger signiert sind, wurden aber vielleicht von einer Frau gemacht: Betty Steinhart. Max Reinhardt, Sigmund Freud, Marlene Dietrich, alle will Ellinger vor der Linse gehabt haben, aber es war Steinhart. Viele der historischen Fotoaufnahmen von den Anfangszeiten der Salzburger Festspiele zu Beginn des 20. Jahrhunderts sind signiert mit dem Namen Carl Ellinger. In der Schwarzstraße hatte der Fotograf sein Atelier. Doch Ellinger war bereits seit 1916 – im Ersten Weltkrieg – verschwunden. Betty Steinhart führte mit gerade einmal 24 Jahren das Geschäft unter seinem Namen weiter, während Ellinger im Krieg war. Als Frau hätte sie in dieser Branche wahrscheinlich keine Chance gehabt und so musste sie so tun, als ob alles so wäre wie gehabt.

Ein Noir aus der Festspielstadt Salzburg

Betty Steinhart führte das Geschäft 59 Jahre lang, später auch gemeinsam mit ihrer Tochter Ruth. Stets arbeiteten sie unter dem Namen Ellinger. Die vorliegende Noir Geschichte als Roman baut auf den tatsächlichen Ereignissen um Betty Steinhart auf und machte die Festspielstadt zu einem Schauplatz à la Der Dritte Mann. Die Szenerie und Atmosphäre und das Setting halten sich streng an die Formalien des Crime Noir oder auch Film Noir, einem besonders geglückten Genre in der Krimiwelt, die sich vor allem durch verzweifelte Männer und starke Frauen (Femmes fatales) charakterisieren lässt. Die Aussichtslosigkeit allen menschlichen Strebens nach dem Ende zweier Weltenbrände, die Ohnmacht gegenüber den Institutionen des Staates und die Verlorenheit in einer zerstörten Welt machten das Genre berühmt. Aber nun kommt eine weibliche Version, die von Beate Thalberg erzählt und von Lily Ammann illustriert wurde. Ein viel hoffnungsvollere Interpretation einer Epoche, die zwar das Leben der Männer für immer erschütterte, das Leben der Frauen aber durchaus bereicherte und in ihrer Rolle bestärkte.

Gelüftet: Ein jahrzehntelanges Geheimnis

Eine mysteriöse, verdächtig selbstbewusste Frau, ein Detektiv mit Vergangenheit und ein Zug voller Nazi-Gold stehen im Mittelpunkt der Romanadaption der Mini-Serie und Doku. Der vorliegende Krimi-Noir entfaltet vor der Kulisse der Festspielstadt eine rasante Story, die eine dunkle Welt zeigt, allerdings mit Licht am Ende des Tunnels. Geschickt wird Fiktion und Realität zu einer Geschichte verwoben, die die Salzburger Festspiele einmal von einer ganz anderen Seite zeigen. Betty Steinharts Geschichte blieb lange unbekannt, sie war auch von den Nazis inhaftiert worden. Das Geheimnis um ihre Fotografien stellt Beate Thalberg nun in den Mittelpunkt dieses reich illustrierten Krimi-Noirs im Stil des „Dritten Manns“. Im Anhang befinden sich neben dem üblichen Bild- und Quellenregister, einem Zitatenschatz auch Fotografien von Betty Steinhart. Die Illustration im Graphic Novel Stil von Lily Ammann sind ebenso bemerkenswert wie die Geschichte und Person der Betty Steinhart selbst.

Raus der Enge des Ateliers!

Dass das Werk und die Urheberschaft viele Fotografien des Ateliers Ellinger nach so vielen Jahren endlich ans Licht kommen ist ein großes Verdienst der Regisseurin Thalberg. Das eingangs erwähnte Zitat wird auch im Buch verwendet und stammt aus “Casablanca“, so wie einige andere Zitate, deren Quelle im Anhang erläutert wird. Zudem ergänzt auch ein Lebenslauf der Betty Steinhart aka Steinhardt aka Hvizdalek aka Platter das Leben der Pionierin, die auch vielen nachfolgenden Generationen von Frauen zeigte, dass sie es nicht nur genauso sondern sogar besser als die Männer können. Denn ihre Fotografien zeigen einen neuen, unmittelbaren Stil, künstlerischen Mut, das Spiel mit Licht und Bewegung sowie ein “Raus aus der formalen Enge des Ateliers“, so die Autorin treffend. Raus aus der formalen Enge des Ateliers und hin zum Menschen.

Beate Thalberg
Die Doppelte Frau und das Rätsel Betty Steinhart
2024, Hardcover mit SU, 13,5 x 19 cm; 192 Seiten
ISBN 978-3-222-15121-7
Molden Verlag
€ 26,00


Genre: Crime noir, Film Noir, Frauenbild, Geschichte, Krimi, Noir, Weltkrieg
Illustrated by Molden

„Der Kolumbusfalter“ und andere Abenteuer (LTB 1)

Cover Jubiläums-Produkte 100 Jahre Disney.

Vorab

Zum 100-jährigen Jubiläum von „Walt Disney Company“ hat Ehapa u.a. das erste Lustige Taschenbuch (LTB) neu aufgelegt. „Der Kolumbusfalter“ von 1967 ist dabei laut Verlag der „Auftakt zu Tausenden Geschichten, die noch folgen werden“.

Beim Lesen dieser ersten LTB-Geschichten ist mir eins sofort ins Auge gesprungen: Die einzelnen Geschichten werden durch eine Überleitung miteinander verbunden. Das kenne ich von den neueren LTBs nicht mehr, würde es mir aber für sie zurückwünschen, da man so besser von einer Geschichte in die nächste hinübergleiten kann. Ich empfinde das als sehr angenehm.

Inhalt

„Der Kolumbusfalter“: Gitta Gans hat wegen der ständigen Absagen Onkel Dagoberts zu einem Geschäftseinstieg ein eigenes Geschäft aufgemacht, das mittlerweile so gut läuft, dass es dem alten Geizkragen Konkurrenz macht: Bunte, handbemalte Stoffe nach originellen Mustern finden bei den Kund*innen reißenden Absatz. Onkel Dagobert schickt deshalb Donald und dessen Neffen los, um herauszufinden, warum Gitta so viel Erfolg hat. Was er nicht weiß: Seine Neffen spielen bei Gittas Erfolg eine Schlüsselrolle. Außerdem ist noch ein Schatz im Spiel, zu dem wiederum ein Schmetterling der Schlüssel sein soll.

„Die Zebra-Muschel“: Neuerdings interessiert sich Donald für seine Bildung. Deshalb besucht er eine Vortagsreihe über die Weichtiere des Meeres. Aber Onkel Dagobert hat anderes mit ihm im Sinn: Donald soll herausfinden, warum Dagoberts Kokosnuss-Plantagen vor dem Aus stehen. Donald und seine Neffen finden tatsächlich den Übeltäter und außerdem entdecken sie den wahren Wert der Zebra-Muschel.

„Der Gespenster-Schatz“: Donald als barmherziger Charakter bietet im Gegensatz zu seinem hartherzigen Onkel Dagobert einem heimatlosen Geist Zuflucht. Der Geist erzählt ihm aus Dankbarkeit von einem Schatz – allerdings wird dieser Schatz von anderen, nicht so freundlich gesonnenen Geistern bewacht.

„Donald im Jahre 2001“: Onkel Dagobert merkt, dass er alt wird und will deshalb prüfen, wer von seinen Neffen am besten dafür geeignet ist, seine Nachfolge und sein Erbe anzutreten. Deshalb schickt er Donald in das Jahr 2001 um zu sehen, was Donald mit seinem Erbe macht: verprassen, auf der faulen Haut liegen? Nein, noch schlimmer. So schlimm, dass Donald eine folgenschwere Entscheidung trifft.

Der gewisse Mehrwehrt, das Frauenbild und kapitalistisches Denken

Was ich mir von dieser Neuauflage gewünscht hätte: Nicht nur eine Wiederauflage der Storys selbst, sondern Hintergrundwissen z.B. zur Entstehung der Geschichten. Je eine Seite dazu wäre schön gewesen, um den Leser*innen einen gewissen Mehrwert zu bieten.

Außerdem hätte ich mir – wie immer – mehr weibliche Beteiligung gewünscht. Wobei es mich gefreut hat, dass Gitta Gans in der Rolle als unabhängige und erfolgreiche Geschäftsfrau dargestellt wird, die zudem einem alteingesessenen Mann ernsthafte Konkurrenz macht – zumal Dagobert (wie leider ebenfalls immer) verächtlich von Gitta spricht, sie abwertet und somit überhaupt nicht mit ihrem Erfolg rechnet. Bei ihm greift das hochpatriarchale Bild der Frau, die dumm ist und nichts kann. Das wird hier wohltuend auseinandergenommen. Allerdings spielt Gitta trotzdem nur am Rande eine Rolle; sie taucht nicht als Hauptfigur im Abenteuer auf. Ansonsten hat man als Leser*in den Eindruck, dass Frauen bis auf (äußerst) kurze Nebenauftritte im Duck’schen Universum keinerlei Rolle spielen. Entenhausen und alle Orte, die Abenteuer bieten, sind männlich: alle Haupt- und Nebencharas, alle Gesprächspartner, alle Ganoven, Gespenster usw. – männlich. Sehr unangenehm bis störend für die weibliche Leserschaft…

Was hier ebenfalls sehr gut zu sehen ist, v.a. bei Onkel Dagobert und Donald: Was richtet purer Kapitalismus ohne ethisches Handeln an? Auf die Spitze getrieben wird das in der letzten Geschichte, als Donald merkt, was aus ihm im Jahr 2001 geworden ist – er entscheidet sich deshalb lieber für seine Menschlichkeit als für den vermeintlichen Geldsegen und gegen das pure Wirtschaftsdenken, das umfassend alles, was Humanität ausmacht, vernichten würde. Ein klares Statement für vernünftiges Denken mit Gewissen! Das hat auch und gerade heute Aktualität, wenn man bedenkt, was Kapitalismus den Menschen und der Natur antut – Klimakatastrophe, konventionelle Landwirtschaft mit Pestiziden und Massentierhaltung inklusive Methan und CO2-Freisetzung in rauen Mengen, sowie Ausbeutung von Arbeiter*innen (hallo, Donald) und umfassender Umweltverschmutzung lassen grüßen, ebenso die Verhinderung der längst notwendigen Verkehrswende!

Fazit

Das erste LTB har sowohl Gutes als auch Schlechtes. Das Gute sind die Verbindung der einzelnen Geschichten und kurzweilige Abenteuer. Außerdem sagt Donald in einer der Geschichten dem kapitalistischen Denken ohne Ethik den Kampf an. Das Schlechte: Das Duck’sche Universum ist zu 99% männlich. Nur hin und wieder ist eine Frau in Sicht, dann aber auch nur kurz bis äußerst kurz.


Genre: Comic, Frauenbild, Kapitalismus
Illustrated by Egmont Ehapa