Auf eigene Gefahr!
Schon der Buchtitel weckt Neugier. Man stelle sich nur mal «Walser» vor als Romantitel bei Martin Walser, da reibt sich doch jeder Bücherfreund verdutzt die Augen. Originalität also schon auf dem Cover, – und die Geschichte? Ebenfalls originell, soviel sei vorab schon gesagt. Irritierend dürfte es jedenfalls nicht sein für den Leser, dass die Autorin über eine gewisse Felicitas Hoppe schreibt in ihrem Roman, den man ebenso als fiktionale Autobiografie bezeichnen könnte. Auch wenn Denis Scheck «vor Freude einen Flickflack» schlägt bei diesem Roman, wozu ihn sprachlich die Pose des Titelfotos animiert haben mag, erweist sich das Feuilleton doch als ziemlich gespalten, zwischen Jubel und Verriss, und nicht anders auch die Leserkritiker. Das macht einen doch neugierig, mich jedenfalls!
Nahezu schrankenlos wird fabuliert in diesem unkonventionellen Roman der Postmoderne, der gegen so ziemlich alle Konventionen verstößt als grandiose Parodie der literarischen Gattung Autobiografie, deren Prinzip hier total auf den Kopf gestellt wird. Eigentlich ist diese Eulenspiegelei nichts anderes als eine amüsante Suche nach der Identität der Protagonistin. Treffend hat die Jury des Büchnerpreises dazu bemerkt: «In einer Zeit, in der das Reden in eigener Sache die Literatur immer mehr dominiert, umkreist Felicitas Hoppes sensible und bei allem Sinn für Komik melancholische Erzählkunst das Geheimnis der Identität.» Sie lügt wie gedruckt in diesem Schelmenstück, das in vielem an Don Quijote erinnert, ein frecher Parforceritt dieser überaus kreativen Autorin durch ihre imaginierte Lebensgeschichte. «Ihre Phantasie vertextete erbarmungslos alles» schreibt sie über Hoppe, die «in die eigenen Zweifel verliebt» ist, aber auch ironisch anmerkt: «Kröne dich selbst, sonst krönt dich keiner».
In einem virtuosen Spiel mit Identitäten erlebt der Leser diese literarische Wunderwelt jenseits der Realität, folgt Hoppe als begnadeter Hockeyspielerin, Musikerin, Erfinderin, Komponistin und Schriftstellerin von Hameln nach Kanada, Australien und bis hin nach Las Vegas, in «die schönste und prächtigste Stadt der Welt». Dabei begegnet er unter anderem Glenn Gould, Franz Kafka, Pippi Langstrumpf, Pinocchio, und dem Zauberer von Oz, erfährt von Hoppes genialen Erfindungen wie dem «leuchtenden Puck» für Hockeyspieler oder dem «Lakenwender», mit dem sich ein uraltes Menschheitsproblem sehr einfach lösen lässt. All das wird erzählt in einem verblüffenden Mix aus eigener Erzählung, Tagebucheinträgen, Interviews und Gesprächsnotizen, ergänzt durch häufige Anmerkungen (der Autorin /fh) und fiktiven Zitaten kritischer Rezensenten, denen sie auf diese Weise elegant den Wind aus den Segeln nimmt. Was prompt einige der echten Rezensenten, wie man überall nachlesen kann, denn auch gehörig verärgert zu haben scheint, man kann also auch literarisch ein Eigentor schießen.
Authentizität, soviel dürfte klar sein, ist kein Thema in Hoppes ebenso intelligentem wie amüsantem Roman voller origineller sprachlicher Finessen, sie hat sich ironisch eine turbulente Lebensgeschichte zusammen fantasiert, die den Leser förmlich mitreißt, sofern er nicht zur Gattung der mit roter Tinte schreibenden Kritikaster gehört. Den aufnahmefähigen und sprachsensiblen Leser hingegen erwarten einige beflügelnde Stunden mit «Hoppe», die mancher sogar spontan mit einem echten Flickflack krönen dürfte (auf eigene Gefahr /bo).
Fazit: erstklassig
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