Ich muss nicht wohin, ich bin schon da

Gerhard Polt»Als seriös gilt der Bayer nicht. Er hat seinen Platz, wo Politik als Theater verstanden wird«. Das sagt ein bayerisches Urvieh namens Gerhard Polt. Der einzigartige Kabarettist mit dem unverwechselbaren Dialekt und Habitus wird am 7. Mai achtzig Jahre jung. Zu seinem 80. Geburtstag sind zwei Bücher erschienen.

»Ich muss nicht wohin, ich bin schon da« versammelt einige der vortrefflichsten Interviews, die Polt gegeben hat. Wie wohl kein anderer ist der Schauspieler, Komiker und Philosoph in der Lage, über Schnitzel und Schweinsbraten zu sprechen und dabei gleichzeitig Kulturkritik zu betreiben. Er würde, müsste er einen Wahlkampf führen, Spitzenpolitiker einen Schweinsbraten essen lassen, drei Minuten lang, und dann beobachten, wie sie den Schweinsbraten verzehren. Dann würde er wissen, welcher der beste Politiker ist. Die Überzeugungskraft, wie sie ihn zu sich nehmen, sei entscheidend.

Interessant wäre in dem Zusammenhang zu erfahren, wie er seine Lieblingsfeinde, die Politiker der CSU, beim Schweinsbratenessen beurteilen würde. Doch die reden lieber, »da können sie sich leichter rausreden«. Müsste er einem alten Römer die CSU beschreiben dann würde er ihm raten, die Partei zu wählen, weil die Chance, dass wieder Sklaven gekauft werden können, dann größer wird. »Nicht direkt als Besitz, aber er kriegt dann einen Menschen für fünf Mark die Stunde. Das wäre ein Bonbon für den Römer, den Römern lag viel daran, günstig Sklaven zu kriegen.«

Polt ist niemand, den es zu den Malediven drängt oder zu Traumzielen, die von den sogenannten Influencern auf Instagram & Co angeboten werden: »Ich fahre lieber nach Agathried oder geh ins Wirtshaus da drüben. Ich gehe dahin, wo ich Freunde habe, eine Gaudi, Menschen, die ich kenne. Ich fahre doch nicht einfach weg, um zehn Grad mehr Wärme zu haben.« Er leitet Heimat wie Herbert Achternbusch von »hemad«, hochdeutsch: »Hemd«, ab und weiß, dass das isländische »heimadör« eigentlich ein altgermanisches Wort ist und »Welt« bedeutet.

Gerhard Polt bevorzugt Kopfreisen

 

So nimmt der Reisende auch immer einen Teil seiner eigenen Welt mit. Gerhard Polt erzählt über den Schriftsteller Oskar Maria Graf. Der hat es in den dreißiger Jahren bis nach New York geschafft und es abgelehnt, Englisch zu lernen. Er trug Lederhosen und richtete einen bayerischen Stammtisch ein, mit Maßkrug und allem Drum und Dran. Derartiges Verhalten gefällt dem Urvieh vom Schliersee, der am liebsten Kopfreisen macht.

Polt hat seine eigenen Vorstellungen von Glück und Zufriedenheit. Er isst und trinkt gern in Gesellschaft, interessiert sich für Menschen und trifft diese am liebsten im Wirtshaus. Dabei genießt er die Langsamkeit, in der sich Gedanken entfalten können. Ihn begeistert auch das Eisstockschießen, weil es dabei vor allem darum geht, den Gegner zu schmähen und mit Verbalinjurien zu überschütten.

Auf der Bühne fühlt er sich dann wie ein Lippizaner, der das Publikum braucht für seine Sketche wie aus dem richtigen Leben. »Komik ist unter anderem die Merkwürdigkeit der Begegnungen von Menschen, die zufällig aufeinander treffen und miteinander was anfangen müssen und darauf nicht vorbereitet sind«, sagt Polt. Dieses »Nicht-vorbereitet-sein« reizt ihn.

Er sieht dabei die latente Gefahr in Deutschland, mit Humor Schluss zu machen. »Spaß beiseite« gilt ihm als ein unerträglicher Satz. Es werde zwar immer von der Spaßgesellschaft geredet, aber er habe nie erlebt, dass etwa die Schulerziehung darauf hin vorbereitet, dass die Menschen humorig werden, sich Witze erzählen und sich freuen. Sie sollen immer ernst bleiben. »Also: Spaß beiseite. Deutschland ist eine Spaß-beiseite-Gesellschaft«.

Dabei bereitet Gerhard Polt auch durch die Langsamkeit, mit der er auf der Bühne seine Sketche vorträgt, besondere Freude. Ich kenne keinen Komiker, der bereits schallendes Gelächter erzeugt, indem er langsam auf die Bühne schleicht, scheinbar verlegen die Hände reibt, ein paar ungelenke Bewegungen macht, um dann irgendwann mit irgendeinem bayerischen Urlaut zu beginnen.

Gerhard Polt: Anarchist und Zivilisationskritiker

 

Gerhard PoltFür manche ist er Zyniker, für manche Moralist, dann wieder eleganter Anarchist und Zivilisationskritiker, insgesamt ein Gesamtkunstwerk, das sich besonders auf der Bühne erleben lässt. Entsprechend einzigartig und lesenswert sind seine Bücher.

Mit seiner neuesten Veröffentlichung »Dr. Arnulf Schmitz-Zcelsczyk« fügt der Autor seinem subversiven Panorama der Gegenwart den Charakter eines beschäftigten Privatiers hinzu, der einen Zweitwohnsitz am Tegernsee unterhält.

Während der Preuße zwischen New York, Südafrika und München umherjettet, schafft er es, mit Hilfe von vier Anwälten, seinem bäuerlichen Nachbarn am Tegernsee die stinkenden Ziegen und Schafe sowie »das Geblöke und das Gebimmel von den Kühen« zu verbieten.

Gleichzeitig zeigt er Besuchern aus Gelsenkirchen gern das »urige Bayern« und erwartet ein »bisschen Freundlichkeit und Sympathie« statt Feindseligkeit, wenn er schon so viel Geld investiert. Mit seinen literarischen Kleinodien zeigt Polt sehr schön, wie Neureich auf Tradition prallt und sich zu einer eigenen Gegengesellschaft formiert.

Polt lesen und hören ist ein Hochgenuss!

 


Genre: Humor und Satire, Kabarett
Illustrated by Kein & Aber Zürich

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert