Geek Girls forever! Handbuch für Nerds, Geeks & Fangirls

Selbstbewusstsein stärken

Das vorliegende Buch ist als kleiner Kompass für  weibliche Geeks gedacht. Die sind in der Nerd-Szene egal welchen Couleurs meist immer noch unterrepräsentiert und damit selbst dort, wo man es eigentlich nicht erwarten würde, Repressalien durch Jungen und Männer ausgesetzt. Es stellt Themen wie Nerd-Partys, Challenges, Conventions, Autorendasein und die Selbstbestimmung als Frau in einer immer noch als männlich angesehenen Domäne in den Vordergrund. Der weiblichen Selbstbestimmung widmet die Autorin demnach ein ganzes Kapitel. In diesem Kapitel geht es hauptsächlich um die Verteidigung in brenzligen Situationen wie Mobbing, Sexismus, sexueller Belästigung und die Abwertung weiblicher Fans durch männliche Nerds. Denn auch unter Nerds und Geeks steht leider immer noch der Sexismus hoch im Kurs. Die Autorin stellt Maßnahmen gegen solche “Trolle, Dementoren, Daleks” vor und spricht Frauen und Mädchen Mut zu, sich nichts, aber auch gar nichts gefallen zu lassen. Sie gibt praktische Tipps im Umgang mit den leider allzu alltäglichen negativen Situationen. Allein damit ist dieses Buch den Kauf für Fangirls wert.

Außerdem stellt es das Fandasein in positiver Art und Weise dar, sodass die Fangirls mehr Selbstbewusstsein tanken können. Dazu passend ist die Sprache insgesamt sehr energetisch und pusht damit das Geekgirl auf. (Ich habe mir automatisch eine Frau vorgestellt, die mich wie ein Cheerleader enthusiastisch anfeuert, das Fangirldasein so richtig zu genießen.) Ein Beispiel: Sie nennt Fangirls “GLOW” (Glorious Ladys of Weirdness). Glow hat u.a. die Bedeutung “glänzen, schimmern, leuchten, glühen” – eine sehr positive Bezeichnung und zudem sehr treffend! “Wir sind glow” heißt es dementsprechend. Selbstbewusst darf das Fangirl seltsam und verrückt sein! Wo sonst, wenn nicht hier kann frau ihre Träume ausleben und  mit ihren Talenten glänzen? Dementsprechend neutral sind die Definitionen für die Begriffe: “Geek = Eine Person, die in großes Interesse für ein oder mehrere bestimmte Themen hat. Nerd = Eine Person mit speziellem Interesse und Wissen zu einem oder mehreren Themen. Fangirl = Eine Person (übrigens egal, welchen Geschlechts), die sich für ein oder mehrere Themen begeistert.” (Aufgefallen? Wenn das Weibliche für beide Geschlechter gelten soll, muss frau das extra erwähnen…) Diese neutrale Definition trifft somit auf egal wen zu. Denn jede*r hat so ihre/seine speziellen Interessen.

Die Autorin hat das Buch für alle Fangirls egal welchen Alters geschrieben. (Ich musste bei der Lektüre auch an Mangas wie “BL-Metamorphosen – Geheimnis einer Freundschaft” und “Akihabara Shojo” denken.) Allerdings merkt frau doch, dass es v.a. auf die Jugend zugeschnitten ist. Viele der Tipps zielen auf jüngere Fangirls ab. Die älteren wissen das meiste schon. Oder: Die älteren wissen manches, wie für sie neue Begriffe, nicht. Bezeichnungen wie “NOTP”, “Twihard”, “Con-Hon”, “BSOD”, “SUB” oder “Binge-Watching” sind an mir vorbei gegangen. Das Mutterdasein vereinnahmt einen doch (viel zu) sehr. Wie gut, dass es einen Glossar im Anschluss an den Haupttext gibt, wo solch rätselhafte Abkürzungen ihre Auflösung finden.

Um noch weiter positive Stimmung zu verbreiten, sind die einzelnen Kapitel farbig gehalten. Da braucht frau an einem schlechten Tag einfach nur das Buch aufzuschlagen, um bessere Laune zu bekommen.

Außerdem gibt es Tipps, wo frau Gleichgesinnte finden kann. Wobei sich das durch das Internet doch deutlich einfacher gestaltet als zu meiner Zeit, als noch stapelweise Briefe, Faxe, Videokassetten, Kopierer und die Kontaktanzeigen der AnimaniA herhalten mussten, um die hiesige Fangemeinschaft kennenzulernen und sich gegenseitig mit Futter der Manga- und Anime-Art in sämtlichen damals zur Verfügung stehenden Sprachen zu versorgen.  Immerhin hat frau so ihr Englisch, Französisch und Italienisch aufgebessert. Die älteren Fans wissen, wovon ich spreche… Deutschland ist halt in Bezug auf Comics und Mangas Entwicklungsland, wobei es seit “Dragonball” und “Sailor Moon” deutlich einfacher geworden ist, an das begehrte Material heranzukommen.

Fazit

Kunterbuntes, fröhliches, Mut machendes, die wichtigsten Bereiche umfassendes Handbuch über das weibliche Fansein! Inklusive Tipps gegen männliche Trolle, Dementoren und Daleks! Definitiv empfohlen!


Genre: Handbuch
Illustrated by Carlsen Verlag Hamburg

LTB Enten-Edition 66: Immer im Einsatz

DGD und KGD – eine unseelige, aber humorige Kombination

DGD – wenn der von Onkel Dagobert zu seinem finanziellen Wohle gegründete Duck’sche Geheimdienst ruft, müssen Donald und Dussel springen. Denn die beiden sind die (günstige, weil unbezahlte) Geheimwaffe des DGD. Sie sollen im Auftrag Dagoberts die für ihn ungünstig verlaufenden Geldgeschäfte aufklären. Natürlich mit minimalem finanziellem Ausrüstungsaufwand. Das scheint sie beim KGD (Klever’schen Geheimdienst) ins Hintertreffen zu bringen, denn dieser gibt deutlich mehr Geld für (professionelle) Agenten und Ausrüstung aus. Erstaunlicherweise trotzen Donalds Pech in Kombination mit Dussels Dummheit jedweder Turbulenz und dem KGD. Die Aufträge befördern die beiden in die abenteuerlichsten Situationen: Ein raubgieriger Reicher, der extra ein Gerät erfunden hat, um Dagoberts Geldspeicher aus der Ferne zu leeren. Ein Abenteuerpark, der außer Rand und Band gerät. Ein Konkurrent, dessen Glück verlangt, dass auch Gustav eingesetzt werden muss. Ein berühmter Restaurantkritiker, der  nicht merken darf, dass Dagoberts Lokal sabotiert wird. Der KGD, der aus Versehen zusammen mit dem DGD einen Fall löst. Ein Dagobert Duck, der nicht mehr Herr seiner selbst ist. Und so manövrieren sich Donald und Dussel unter Beanspruchung der Lachmuskeln der holden Leser*innenschaft munter von einer Katastrophe in die nächste.

Katastrophenteam

Der vorliegende Band enthält ausschließlich Geheimagentencomics rund um den DGD. Diese bieten sowohl eine Hommage an die Geheimagentenfilme aus dem Fernsehen als auch eine Parodie derselben, sodass Humor ein Grundbestandteil jeder Geschichte ist. Da wird durch die Kombination Dussel und Donald das Maximum an Situationskomik herausgeholt. Die Stories sind für Kinder, aber auch für erwachsene Fans kurzweilig zu lesen.

Der Band bietet insgesamt 14 Agentengeschichten, von denen die Hälfte deutsche Erstveröffentlichungen sind.

Kritik aus Kindermund: Mein Sohn merkt allerdings an, dass er es nicht gut findet, dass Dagobert seine Agenten “immer so robust in die Zentrale ruft und ihnen dabei so wehtut”. Außerdem merkt er an, dass er den beiden Agenten ein Lob des Onkels wünscht – um das kommen sie unglücklicherweise immer herum. Für empathische Kinder wie meines ist die Gewalt und die Ungerechtigkeit, denen v.a. Donald permanent ausgesetzt ist, ein Greuel. Das finden sie nicht witzig. Meiner Meinung nach hat er Recht, denn Schadenfreude ist tatsächlich eine negative Freude, die sich am Unglück anderer ergötzt. Eine solche Freude sollte man nicht noch weiter befördern in einer Welt, die sowieso auf dem Ellenbogenprinzip und der Willkür von anderen über andere beruht.

Gut findet mein Sohn, dass Dagobert wenigstens ab und zu seine Agenten ordentlich ausrüstet. Aber er könne sie “wenigstens bezahlen und besser behandeln. Aber an sich sind es spannende Abenteuer.”


Genre: Comic
Illustrated by Egmont Ehapa

Die Weisheit der Mütter – Heilsame Impulse aus dem Matriarchat

Ganzheitliches, soziales, naturverbundenes Denken

Theologe Lothar Beck untersucht im vorliegenden Buch Symbole des Matriarchats, die Mythologie und die Überfrachtung des Matriarchats durch das Patriarchat und durch das Christentum kirchlicher Ausprägung. Er beruft sich dabei auf schon vorhandene Literatur, z.B. auf die Basiswerke von Marija Gambutas und Heide Göttner-Abendroth. Er beschreibt im Prinzip, was die Autoren von “Die Wahrheit über Eva” als die “Religion von unten” bezeichnen.

Außerdem benutzt er durchgehend die weibliche Sprachform: “So möchte ich die Selbstverständlichkeit der männlichen Prägung unserer Sprache bewusst machen.” Für mich als weibliche Leserin hat sich das als sehr erholsam und heilsam erwiesen: Ich als Frau werde endlich sichtbar! Ich habe schon vorher eine gendergerechte Sprache befürwortet, jetzt bin ich erst recht dafür, dass diese forciert wird: Sprache ist Ausdruck von Wirklichkeit, Sprache schafft aber auch Wirklichkeit. Beides kommt im Patriarchat zum Tragen, wenn die männliche Sprachform vordergründig für alle gilt, aber trotzdem hintergründig mindestens ein Geschlecht ausschließt und unsichbar macht. Wenn eine gendergerechte Sprache eingeführt wird, mag das vordergründig zwar etwas mühsamer zu lesen und zu schreiben sein, aber sie holt ans Licht, was schon lange da, aber (gewollt) unsichtbar war. Damit kommt Frauen und anderen Geschlechtern mehr Sichtbarkeit und damit mehr Präsenz und Wertschätzung zu. Diese wirkt sich (das ist meine tiefste Überzeugung), konsequent angewandt, auch auf andere Bereiche des Lebens aus.

Theologe Lothar Beck kommt, kurz zusammengefasst, zu folgenden Erkenntnissen:

  • Die symbolische Vaterordnung ist auf allen Ebenen eng mit männlichem Domminanzverhalten und männlicher Gewalt verknüpft. “Die Symbolordnung zwingt das andere Geschlecht zu einer stärkeren Anpassung an die jeweilige Sichtweise und ihren Wertekanon.”
  • arche, griechisch = Ursprung, Herrschaft => matri-arche = mütterliche Ursprungsbezogenheit allen Lebens; patri-arche = väterlich-männliche Vorherrschaft
  • männliche Gewalt zielt in 3 Richtungen: gegen männliche Konkurrenten, gegen Frauen und Mütter, gegen Mutter Natur
  • Politik der Gleichberechtigung: Frauen werden verstärkt dazu eingeladen, sich an patriarchalen kapitalistischen bzw. sozialistischen Unterdrückungs- und Ausbeutersystemen aktiv zu beteiligen
  • Die Umwandlung vom matriarchalen zum patriarchalen System erfolgte nicht von innen, sondern von außen durch frühpatriarchale Eroberer, dann auch immer hierarchisch von oben nach unten gegen massiven jahrtausendelangen Widerstand (vgl. auch das Buch “Die Wahrheit über Eva”).
  • Matriarchale Religiosität erklärt sich von selbst und bindet Natur und Alltag sinnstiftend ein (s. “Wahrheit über Eva”: Religion von unten), während patriarchale Religion von oben kommt: “Eine abstrakte theologische Idee wird sekundär mit natürlichen Abläufen verknüpft, um ihren künstlich-theoretischen Sinngehalt glaubwürdiger und verständlicher zu machen.” Sie dienen dabei ausschließlich männlicher Machtinteressen. (s. “Wahrheit über Eva” Religion von oben bzw. Herrschaftsreligion) => derzeitige Weltreligionen wie monotheistische Religionen, Buddhismus… sind zutiefst patriarchal
  • Frauen gelten in Vaterreligionen als zweitrangige Menschen, werden von Priesterämtern ausgeschlossen, gelten zur Zeit der Menstruation und Geburt als unrein (bei der Geburt von Mädchen doppelt so lange wie bei der Geburt von Jungen); Sexualität gilt als Sünde, wobei die Frau angeblich den Mann zur Sünde verführt; der gesamte Bereich der Monatsblutung, der Frauwerdung, des Frauseins nach der Menopause wird bis heute negativ erlebt und tabuisiert (s. das Jugendbuch “Alles ganz normal”) und seine große Würde und Bedeutung wurde und wird ihm genommen
  • “Frauen werden im Grunde bis heute als Menschen zweiter Klasse behandelt. Sie werden unterbezahlt und stehen noch immer ziemlich alleine da: im unlösbaren Konflikt zwischen Kindererziehung und Karriere. Dies bedeutet, dass sich jede Frau in der vaterländischen Volkswirtschaft selbst ihren Weg zwischen Kindern und Beruf suchen muss, also zwischen einer randständigen weiblichen und einer außenwirksamen männlichen Lebensgestaltung. Obwohl sie statistisch gesehen dabei sind, die Männer sowohl in kommunikativ-emotionaler als auch in mathematisch-technischer Intelligenz zu überholen, werden sie belächelt und weniger ernst genommen, wenn sie in der Ehe oder in einem Team von Männern ihre Werte und ihre weibliche Art, an eine Sache heranzugehen, zu äußern oder zu begründen versuchen.”
  • Die “weibliche Art” beschreibt Beck als ganzheitliche Herangehensweise, die z.B. in einem Konfliktfall nicht auf eine schnelle, dominante Lösung aus ist, sondern auf eine langfristige, ganzheitliche und alle Parteien aus sich heraus befriedende Lösung. Der Lösungsprozess ist dabei oft schmerzlich, aber heilsam.
  • Das geht einher mit dem weiblichen Symbol des Knotens und des Lösens desselben: Früher war es die Aufgabe des Mannes als Eignungstest für Führungsaufgaben, den Knoten geduldig zu lösen und dabei zu wertvollen Erkenntnissen zu gelangen, während die patiarchal-gewaltsame Lösung eines Alexanders des Großen so aussieht, dass er den gordischen Knoten einfach durchschlägt – das Gegenteil einer ganzheitlichen Lösung.
  • “Die symbolische Ordnung der Mutter und die Hochachtung der Mutter Natur könnten einen existentiellen Rahmen für eine Kurskorrektur und eine lebensbewahrende, nachhaltige Entwicklung darstellen […]”
  • “Der Sinn von Intelligenz ist vornehmlich ein sozialer […] Ungebundenes Mannsein steht in Gefahr, die Ehrfurcht vor dem Leben zu verlieren.”
  • Im alten Europa, aber auch weltweit verkörperte das Weibliche das Ursprüngliche. Alles Weibliche war schöpferisch: Jedes Tier entsteht aus dem Eierstock, jede Pflanze aus dem Fruchtknoten. Das Weibliche war deshalb das Abbild des Göttlichen und ihm wurde eine besondere schöpferische Kraft zugeschrieben. In jedem Muttertier, in jeder samentragenden Pflanze, in jedem fruchttragenden Baum zeigt sich die Göttin als schöpferisch Gebärende, als Große Mutter. Der Todesaspekt war in die ganzheitliche Muttersymbolik integriert. Die Göttin trat deshalb auch meist in der Dreiheit auf: als Mädchen (Farbe weiß), als Menstruierende/Mutter (Farbe Rot), als Frau in der Menopause (Farbe Schwarz). Diese Dreiheit der weiblichen Gottheit hat das kirchliche Christentum übernommen und versucht, sie auf das Männliche umzudeuten, wobei der weibliche Aspekt zurückgedrängt und bekämpft worden ist. Die Dreiheit des Weiblichen (Göttinnen bzw. Aspekte der Großen Göttin erscheinen gern in Dreierformation, aber auch Feen) gilt auch für die Mondphasen (mit dem Mond ist die Frau besonders eng verbunden, weil der Mond wie die Periode zyklisch ist und Frauen oft im Mondzyklus menstruieren), den Lebenszykkus und den Jahreszyklus. Die zyklische Frau ist mit dem Zyklus der Natur verbunden und lebt mit, nicht gegen die Natur. (In diesen Zusammenhang fällt auch die Wiedergeburt, an die die meisten Religionen glauben. Die Hauptströmungen des Monotheismus haben den Wiedergeburtsglauben verbannt und verfolgt. Er ist aber in den mystischen und den Nebenströmungen des Monotheismus immer noch vorhanden. Die Göttin birgt die Seelen der Verstorbenen in ihrem Bauch (s. Höhlengräber und runde Gräbererhebungen), bis sie wiedergeboren werden (s. z.B. Frau Holle im Buch “Unsere heimischen Göttinnen neu entdecken” von der Archäologin Joanne Foucher).)
  • Die Religion von unten erklärt sich (wie oben angedeutet) von selbst: Runde Formen in der Natur wurden dem Weiblichen zugeschrieben (Schwangerschaftsbauch, Brüste), Fels- und sonstige Spalten der Vagina (die besondere schöpferische Kraft besaß und deshalb verehrt wurde). Wasser wurde ebenfalls mit dem Weiblichen und Göttlichen in Verbindung gebracht (Fruchtwasser, Wasser, das aus Felsspalten dringt, Flüsse => Flüsse schlängeln sich: Schlangen und Drachen => im Christentum verteufelt und bekämpft, s. z.B. Garten Eden und Georg und der Drache). Die erblühende Natur im Frühling wurde u.a. der Göttin Ostara (Ostern) zugeschrieben. Eier (s. Weltenei), meist rot gefärbt (Menstruationsblut), Hennen, Kaninchen/Hasen (weil sichtbar fruchtbar), Lämmer gelten bis heute als Symbole für Ostern! Wo solche Göttinnensymbole nicht verbannt werden konnten, wurden sie entweder christianisiert oder dämonisiert bzw. als Aberglaube abgewertet. (s. auch “Unsere heimischen Göttinnen neu entdecken”)
  • Als Abbild der Göttin trug die Frau die Bezeichnung “geweihter Mensch” (Wei(h)b) bzw. englisch “wo-man”. Die ältesten Figuren, die man gefunden hat, sind Frauenfigurinen. Die Frau ist die Schöpferin (s.o.), der Mann das Geschöpf. In diesen Zusammenhang fällt auch die weltweite Mythologie des Sohn-Geliebten. Die Göttin gebiert alle(s) und damit auch den männlichen Gott. Als Geschöpf stirbt der Gott, von der Göttin beweint, entweder in der Trockenphase heißer Länder oder im Herbst und feiert im Frühling Wiederauferstehung. Mit der Göttin vermählt er sich, um Fruchtbarkeit zu garantieren. Er ist als Gott und als Mann in das Geschöpfliche, geboren aus der Göttin, eingebunden. Als solcher ist er guter Hirte (s. Christentum) und vorausschauender, ganzheitlicher Gärtner. Das Patriarchat hat diese weibliche Schöpferkraft schrittweise zurückgedrängt und dem männlichen Gott zugeschrieben, wobei diese Zuschreibung künstlich konstruiert wird, sich aber nicht aus natürlichen Begebenheiten erklärt. Die Götter Odin und Thor z.B. waren ursprünglich ebenfalls gute Hirten und Gärtner, bevor der destruktive Herschafts- und Gewaltanteil überwog und verherrlicht wurde. Jesus ist auch im Christentum der gute Hirte und war ursprünglich der Religion von unten zugetan (s. auch “Die Wahrheit über Eva”) und hat sie verkörpert (was Beck mit verschiedenen Bibelpassagen belegt).
  • Göttinnensymbole sind der oben schon beschriebene Knoten als Symbol der Weisheit und Wandlungskraft. Die Kröte verkörpert die gebärende Stellung der Göttin/Frau und damit die Geburtskraft. Weitere Göttinnensymbole sind neben dem Ei und der Vulva das Schamdreieck als Symbole des Entstehens und des Ursprungs. Das kosmische Kreuz (!) und das Rad sind Symbole der kreisenden (zyklischen) Bewegung. Das Rautennetz verkörpert den Zusammenhang und die die Koevolution. Mondsichel, Horn und Raupe stehen für das Werden und den Übergang. Biene (die Göttin wird gern als Biene dargestellt) und Schmetterling verkörpern die Transformation und die Wandlungskraft. Bärin und Hirschkuh sind Sinnbilder der Mütterlichkeit. Hügel, Quellen, Höhlen und Bäume sind Grundelemente des heiligen Ortes.
  • “In der Ehtnologie ist die große Friedfertigkeit matriarchaler Gesellschaften allgemein belegt.” Sie stärkt das Ich-Bewusstsein im egalitär-akzeptierenden Sinn und erweitert es auf die Gemeinschaft. Wenn eine Mutter Unterstützung bei der Kindererziehung von ihrer Mutter erhält, leben die Enkel länger. Unter dem Vorsitz der Sippenmutter wird Konsenz angestrebt. “Es herrscht niemand. Was zählt, ist die Klugheit, die Kompetenz und die Erfahrung des einzelnen.” Freiwillige Akzeptanz, Prinzip des Ausgleichs, des freiwillig angenommenen Ratschlags und Stammesbündnisse von Gleichen sind weitere Merkmale eines Matriarchats. Der Herd gilt als heiliger Ort für die Ahn*innenverehrung. Feste bestreiten und Hilfsbereitschaft bringen hohe Anerkennung. Die Anhäufung von Gütern stellen keinen Wert dar (s. auch “Wahrheit über Eva”). Nachhaltiges Umgehen mit natürlichen Ressourcen, Geburtenregelung allein durch die Frau, umfassende Solidarität, heiliges Gastrecht, hoher Wert der selbstbestimmten Sexualität, freie Liebesbeziehungen, innige Beziehung und Fürsorglichkeit der Muttersippe sind weitere Merkmale.
  • Zusammengefasst gesagt: Vom Matriarchat in seinen verschiedenen Ausprägungen kann man viel lernen für einen gesunden, heilsamen und konstruktiven Umgang mit der Welt und miteinander.

Sinnstiftung und wohlwollender Umgang miteinander, nicht gegeneinander

In der Zuammenfassung oben konnte ich nicht alle Aspekte beleuchten, dafür ist die Lektüre dieses Buches da. Lothar Beck gibt wie auch Joanne Foucher und die Autoren von “Die Wehrheit über Eva” wichtige Erkenntnisse und Impulse für ein sinnstiftendes, ganzheitliches, nachhaltiges, soziales Leben mit und nicht gegeneinander, mit und nicht gegen die Natur. Er verbindet in seinem Buch die Göttinnensymbolik und Erkennntnisse aus dem Matriarchat mit dem kirchlichen Christentum und zeigt auf, wo die alte Religion vom Christentum überformt und defamiert wurde. In seinen Exkursen stellt er weitere Verbindungen her und gibt tiefere Einblicke in eine Welt, die aus ihrem System heraus um so vieles besser ist als die jetzige. Er zeigt sehr deutlich auf, wie tiefst patriarchalisiert wir heutzutage sind, stellt die einzelnen Phasen des Patriarchats dar (Früh-, Hoch- und Spätpatriarchat) und zeigt auf, wo sie heute noch zu finden und wie weit wir in ihnen verstrickt sind. Er gibt aufgrund der Erkenntnisse über das Matriarchat Tipps für ein in allen Belangen gesünderes, ganzheitliches und befreiteres Leben – für Frauen und Männer! Er zeigt also auch auf, wo Männer sich in einem solchen ganzheitlichen System verorten können und welche Vorteile es nicht nur für die Frau, sondern auch für den Mann hat.

Fazit: Definitiv lesens- und überdenkenswert!


Illustrated by Neue Erde

Alles ganz normal

Alles ganz normal?

Camillas Leben gefällt ihr gerade gar nicht: Ihr Vater hat eine neue reiche Freundin, zu der die Familie ziehen muss. Camilla findet ihre neue Stiefmutter zu oberflächlich und beziehungsunfähig. Ihre Stiefschwester ist ein echter Stinkstiefel. Der Vater kümmert sich nicht mehr um seine eigenen Kinder, hält dafür aber zu seiner neuen Familie. Überhaupt wirkt er sehr überfordert: Es kümmert ihn nicht, dass sein Sohn die Schule dauerhaft schwänzt oder seine Tochter in der neuen Schickimicki-Klasse gemobbt wird. Camillas alte Freundinnen wenden sich von ihr ab.

Dagegen scheint es bei Luna alias Lunatika viel besser zu laufen: Die beliebte Tiktokerin fährt immer neue Follower-Rekorde ein, bekommt Angebote für Verträge. Sie scheint immer auf alles eine Antwort zu wissen und ihren Follower*innen Trost spenden zu können. Aber auch hier ist nicht alles so, wie es scheint. Lunas Vater glänzt seit Jahren aufgrund seines Forschungsprojektes durch Abwesenheit. Die Mutter ist praktisch alleinerziehend und musste daher auf die Verwirklichung ihrer Träume verzichten. Sie versucht es dennoch, nachdem ihre Tochter aus dem Gröbsten heraus ist, aber mit wenig Erfolg. Das Mutter-Tochter-Verhältnis ist angespannt.

In all der Misere startet Camilla einen letzten Versuch, die Freundschaft zu ihren alten Freundinnen zu retten: Sie nimmt ein Video auf, in dem sie über ihre erste Periode spricht. Was eigentlich nur für ihre Freundinnen gedacht war, gerät in die falschen Hände – auf einmal ist Camillas Video für alle zugänglich. Das beschert ihr übles Mobbing, aber auch eine langsam wachsende Solidarität zwischen den Mädchen.

Mobbing, Tabuthemen, Feminismus, Social Media, Familienmodelle, Politik

Das rote Tuch verbindet die verschiedenen Themen des Buches: Es steht zum einen für die Periode, die von der Gesellschaft anstatt gefeiert tabuisiert wird. So sind Frauen und Mädchen gezwungen, so zu tun, als gäbe es die Periode  und alles, was damit zusammenhängt, nicht. Sie müssen sie verstecken, verheimlichen, dass sie sie haben. Sie erdulden still die allmonatlichen Schmerzen und das Unwohlsein und müssen so tun, als wäre alles ganz normal. Bis vor kurzem waren Hygieneartikel für die Periode sogar mit einer Luxussteuer (!) belastet. Das führt dazu, dass sie sich für ihre Regelblutung schämen und nicht wissen, wie sie mit dem Natürlichsten der Welt umgehen sollen. Sie haben keinerlei Kenntnisse über sie und werden von ihr überrascht, wenn sie kommt. Und das führt wiederum zu peinlichen Situationen.

Die Periode ist ein rotes Tuch für eine Gesellschaft, die patriarchal geprägt ist. Sie steht für das Frausein, für die Fruchtbarkeit der Frau. Denn nur die Frau ist in der Lage, Leben zu schenken. Die Frau und alles, was mit dem Frausein zusammenhängt, wird durch das Patriarchat negiert, angefeindet, ins Lächerliche gezogen, ignoriert, tabuisiert, dämonisiert. Im Buch wird das durch das üble Mobbing Camillas verdeutlicht. Sie muss jeden Tag in der Schule eine wahren Spießrutenlauf absolvieren durch Häme, Tuschelei, Stichelei und Angriffe in Form von Tampons, die feucht rot bemalt sind, oder überlebensgroße Graffiti am Schulgebäude, die sie und ihr Bedürfnis, über die Periode zu reden, in den Dreck ziehen. Nutznießer sind in dem Buch die notgeilen, frauenfeindlichen Politiker, gegen die sich Widerstand auch in der Schule regt.

Das Buch verschweigt nicht, dass auch Frauen bewusst oder unbewusst den patriarchalen Interessen dienen. Dafür steht die Lehrerin, die von den Kindern verlangt, einen Aufsatz über eine normale Familie zu schreiben. In der Klasse – alles privilegierte Jugendliche – herrscht Ratlosigkeit darüber, was als normal gilt. Denn die Familienmodelle sind völlig unterschiedlich: Allereinerziehende Eltern, Patchworkfamilien, abwesende Väter usw. Das gutbürgerliche Modell der Kleinfamilie mit Vater, Mutter, Kind(ern) wird von kaum einer Familie erfüllt. Das bringt die Lehrerin aus dem Tritt, was sie aber mit Ignoranz und Strenge überspielt. Der Besuch des frauenfeindlichen Senators löst nur bei ihr Begeisterung aus, in der Klasse aber nicht. Der Senator ist lebensfremd, sodass er die Kids und deren Lebenswirklichkeit weder interessiert noch berührt.

Das rote Tuch steht weiterhin für Solidarität und das Kämpfen für eine bessere Welt – die wiederum für den Senator/ die Herrschenden, der/die sich in Privilegien und Frauenfeindlichkeit eingerichtet hat/haben, ein rotes Tuch ist. Die Mädchen und ein paar der Jungen tragen das rote Tuch in der Schule und während des Besuchs des Senators. Vor der Schule demonstrieren Feministinnen, unter anderem Lunas Mutter, für mehr Gerechtigkeit. Lunas Mutter ist leidenschaftliche Comiczeichnerin, die in ihren Comics feministische Themen aufgreift, auch weil sie selbst die Erfahrung gemacht hat, in einer patriarchalen Welt zu kurz zu kommen und benachteiligt zu werden. Sie hat für den Traum ihres Mannes ihren eigenen aufgegeben und das gemeinsame Kind großgezogen – nur um festzustellen, dass er sie wahrscheinlich betrügt.

Luna und Camilla, die am Anfang alles andere als Freundinnen sind, entdecken, dass es sehr wohl Gemeinsamkeiten gibt und sie voneinander lernen können. Sie entwickeln während des Besuchs des Senators aus dem Stehgreif eine neue Rede, die live gestreamt wird und das alte, feindliche System bloßstellt – so wie Camilla bloßgestellt worden ist.

Die Männer kommen in dem Roman meist nicht gut weg. Sie sind entweder überforderte Väter, vor der Familie geflüchtete und egoistische Väter oder Jungen, die sich dem Mainstream anpassen. Der Senator steht für Machtmissbrauch und Frauenfeindlichkeit. Einzig ein Lehrer an der Schule besitzt Empathie und das Geschick, Mobbing und Tabuthemen für die Schüler*innen so aufzubereiten, dass daraus fruchtbare Einsichten entstehen. Auch Außenseiter Valerio entpuppt sich als tiefsinnig und fortschrittlich und steht so im Widerspruch zu den angesagten, aber empathielosen Jungen seiner Klasse, bei denen das tumbe Ramboverhalten und rücksichtslose Machtstreben als Ideal gilt.

Das rote Tuch als roter Faden schlingt sich auch um Social Media. Am Beispiel Lunas und Camillas werden die Gefahren aufgezeigt, die Social Media mit sich bringen kann. Die junge Tiktokerin versteht diese Gefahren noch nicht und ist überfordert mit ihrer Beliebtheit und deren Konsequenzen. Camilla spürt die Gefahr am eigenen Leib (s.o.). Aber Social Media bietet auch die Chance, sich zu wehren. Luna nutzt ihre Beliebtheit, um positive Änderungen in Gang zu setzen und auf Missstände aufmerksam zu machen.

By the way: Luna ist lateinisch und bedeutet “Mond”. Der Mond steht für die Mondzyklen und ist eng mit dem Weiblichen und der Periode der Frau verbunden. Frauen menstuieren oft im Mondzyklus. Der Mond in diesem Zusammenhang steht auch für weibliche, mächtige Gottheiten. Lunatica dagegen bedeutet “launisch, sprunghaft…” und ist negativ konnotiert. Das passt ins Bild, wie ursprünglich positive Weiblichkeit vom Patriarchat ins Negative verkehrt wird. Der Autorin, selbst Feministin, dürften diese Zusammenhänge bekannt sein. Sie setzt sie wohl sehr bewusst ein und verkehrt z.B. den negativ besetzten Begriff Lunatika wiederum ins Positive durch eine ihrer Protagonistinnen.

Camilla kommt ebenfalls aus dem Lateinischen und bedeutet “die Ehrbare”. Die Kamille wird oft als Zeichen der Hoffnung gedeutet. Muss man dazu noch mehr sagen?

Das Cover

Das Cover ist gut gewählt. Es weist, ohne zu viel zu verraten, auf den Inhalt des Buches hin. Die vorherrschenden Farben sind Rot und Rosa. Rot, das rote Symbol der Weiblichkeit und die Blutstropfen deuten auf die Periode, die kein Tabuthema sein sollte, sondern etwas ganz Natürliches ist, für das sich Mädchen nicht zu schämen brauchen. Sie sollten im Gegenteil stolz auf dieses ureigenste Merkmal der Frau sein dürfen. Rosa ist die kleine Schwester von Rot. Sie war früher Farbe der Männer, die mit Rot den Kriegsgott Mars verbunden haben. Rosa galt als das kleine (kriegerische) Rot, bevor es für Mädchen verharmlost und verniedlicht wurde. Rote Wangen, rote Lippen, rote Tücher, rote Blutstropfen, roter Pulli… Frau pur! Und durchaus kämpferische Frau, denn die Mädchen und Frauen auch im Buch kämpfen für sich und ihre Bedürfnisse. Und Schwarz ist nicht nur die Farbe der Trauer (der Trauer darüber, wie die Verhältnisse für Frauen und Mädchen immer noch sind), sondern auch für die fruchtbare, schwarze Mutter Erde, aus der Leben und Neues erwächst. In diesem Fall positive Veränderungen.

Fazit

Das Buch ist extrem lesenswert, weil es auf mehreren Ebenen in die Tiefe geht. Es spricht nicht nur ein, sondern gleich mehrere kritische Themen an, verbindet sie, reflektiert sie und bietet Lösungsvorschläge an. Diskriminierung ist meist auch nicht ein- sondern mehrdimensional. Die verschiedenen Schichten müssen erst einmal durchschaut und konstruktiv aufgearbeitet werden. Das bietet das Buch ebenfalls. Die Schreibe ist verständlich und spannend. Damit ist “Alles ganz normal” auch als Schullektüre mehr als geeignet.


Genre: Jugendbuch
Illustrated by Carlsen Verlag Hamburg

I hear the sunspot – limit 1

Hören versus Schwerhörigkeit

Taichi fällt dem schwerhörigen Studenten Kohei bei ihrer ersten Begegnung quasi auf den Kopf. Nach einer etwas turbultenten Anlaufphase übernimmt der quirlige Student für seinen ruhigen Mitstudenten Kohei die Mitschriften von Vorlesungen, dafür erhält Taichi Mahlzeiten von ihm. So freunden sich die beiden an, und Taichi gewinnt immer mehr Kenntnisse über die Welt von Schwerhörigen und Gehörlosen. Als er ein Arbeitsangebot von einer Firma erhält, die auf die Bedürfnisse von Gehörlosen spezialisiert ist, schmeißt er sein Studium und nimmt die Arbeit an. Kohei dagegen studiert weiter. Das führt dazu, dass sich die beiden immer weniger sehen. Beide bauen sich ihre Welten jenseits des anderen auf. Kohei trifft mehr Gehörlose. Einer der neuen Bekannten geht davon aus, dass die Welt der Gehörlosen und die der normal Hörenden nicht zueinander passen. Dazu kommt, dass sich Kohei in Taichi verliebt hat, Taichi aber noch mit seinen Gefühlen für Kohei kämpft. Als Kohei Fotos von einem Workshop sieht, den Taichi wegen seiner Arbeit besuchen muss, reagiert er eifersüchtig auf Taichics Chef Chiei, der sehr vertraut mit Taichi scheint.

BL und Menschen mit Handicap

Die Folgeserie der BL-Reihe (BL = boys love) “I hear the sunspot” baut ein retardierendes Moment ein, indem sich die beiden Protagonisten kaum sehen, weil sie jetzt in unterschiedlichen Welten leben. Kohei zweifelt immer mehr, ob seine Gefühle für Taichi bei dem energiegeladenen Tollpatsch auf Gegenliebe stoßen. Taichi dagegen wird sich durch seine Arbeit und die damit verbundene räumliche Trennung von Kohei immer mehr bewusst, dass er Kohei liebt.

Zentral in dieser Serie sind 2 Themen: das der homosexuellen Liebe und das der Menschen mit Handicap, die sich in einer Welt zurechtfinden müssen, die für ihre Bedürfnisse nicht ausgelegt ist. Es ist ungewöhnlich, dass diese beiden Themen kombiniert werden bzw. dass Menschen mit Handicap Manga-Protagonisten werden. Solche Manga dürfte es ruhig öfter geben.

Kohei und Taichi machen einen Prozess durch, in dem sie sich ihrer Gefühle bewusst werden. Kohei ist schließlich der erste, der sich ein Herz fasst und Taichi seine Gefühle gesteht. Ein Outing anderen gegenüber findet aber (noch) nicht statt. Taichi braucht noch länger, um sich über seine Gefühle klar zu werden. Der Prozess wird im Manga recht glaubhaft dargestellt. Die Probleme, die Homosexuelle innerhalb der Gesellschaft haben, werden hier also im Gegensatz zu vielen anderen Manga deutlicher angesprochen.

Der mit gutem Aussehen gesegnete ruhige Riese Kohei kommt bei Mädchen sehr gut an, empfindet aber die Kommunikation mit ihnen und anderen normal Hörenden als sehr anstrengend. Er und andere Schwerhörige und Gehörlose kämpfen außerdem mit Vorurteilen: Da sie nichts oder nur wenig hören, gelten sie für andere als arrogant, weil sie sie angeblich ignorieren. Da die meisten “Normalos” keine Gebärdensprache sprechen, sind die Gehörlosen auf Lippenlesen und langsames Sprechen angewiesen. Das erschwert eine Teihabe an ansonsten ganz normalen Dingen wie z.B. einer Vorlesung – Taichi muss mitschreiben, weil der Dozent zu weit weg ist, damit Kohei ihn verstehen bzw. von dessen Lippen lesen kann.

Das stellt der Manga gut heraus: Er spricht an, wie Leute mit Handicap von der Gesellschaft behindert werden, und wie sich Missverständnisse und Vorurteile bilden. Taichi ist Vorbild: Er geht ganz unvereingenommen mit Kohei und anderen Gehörlosen um. Außerdem gelingt es ihm, sich in sie hineinzuversetzen. Kohei kommt Taichis laute und extrovertiert-übertriebene Art zugute: So kann er Taichi hören und seine Gesten besser verstehen. Indirekt wird damit angedeutet, dass jede*r gut ist, so wie sie/er ist. Taichi nervt zwar andere Hörende mit seiner extrovertierten Art, aber bei den Gehörlosen kommt er genau deswegen gut an.

Fazit

Gefühlvolle Manga-Reihe, die die romantische homosexuelle Liebe Schritt für Schritt entfaltet und das Leben mit Handicap gut beschreibt.


Genre: Manga
Illustrated by Carlsen Manga!

Arthrose: Die besten Heilmethoden

Arthrose

Arthrose – chronische Krankheit, deren Verlauf gemildert werden kann

“In Deutschland leiden etwa fünf bis sechs Millionen Menschen an Arthrose, mit steigender Tendenz.”Arthrose ist ein Verschleiß der Gelenke. Er tritt auf, wenn sich der schützende Knorpel mit der Zeit abnutzt. Die Knochenenden werden nicht mehr gepolstert und die Knochen reiben aneinander, was Schmerzen verursacht. Ab dem 60. Lebensjahr sind rund 50% der Frauen und 30% der Männer betroffen. Arthrose ist eine chronische Erkrankung, die nicht geheilt, aber gelindert werden kann. Das Buch gibt einige Tipps, wie das gelingen kann. Des Weiteren erklärt es Aufbau und Funktion der Gelenke, weitere Bestandteile des Bewegungsapparats, wie es zum Verschleiß kommt und welche weiteren Krankheiten der Gelenke es gibt.

Tipps:

–  Arthrose vorbeugen: gute Körperhaltung für eine gleichmäßige Belastung der Gelenke, regelmäßige Bewegung

– Arthrose mildern:

  • körperliche Aktivitäten im Alltag
  • Entlastung der Gelenke (Gelenke gezielt warm halten, Vermeidung schwerer Lasten und einseitiger Belastung, richtige Arbeitshöhen, nicht zu lange bewegungslos bleiben, gleichmäßige Belastung)
  • Physiotherapie
  • medikamentöse Behandlung mit schmerzstillenden Tabletten, Salben, Cremes, Gels
  • Operationen
  • Naturheilmittel und Pflanzen (Ingwer, Kurkuma, Weidenrinde, Brennessel, Teufelskralle, Pfefferminzöl, Kraut- und Kohlwickel…)
  • regelmäßige Bewegung mit Bewegungsarten, die einem guttun (geeignete Sportarten: Radfahren, Nordic Walking, Wandern, Schwimmen, Aqua-Jogging, sanfte Gymnastik, Tai Chi, Yoga)
  • Gewichtsreduktion auf ein gesundes Maß durch möglichst kohlenhydrat- und fettarme Ernährung
  • richtige Ernährung: ausreichend Vitamine, Mineralstoffe, Ballaststoffe; Omega-3-Fettsäuren; viel frisches Obst und Gemüse; gesunde, pflanzliche Fette und Öle; Antioxidatien in Kräutern und Gewürzen; Eier und Milch nur in Maßen; Fleisch nur in Maßen, kein Schweinefleisch; möglichst viele entzündungshemmende Lebensmittel essen

Informations- und Rezepteteil

Auch dieses Buch vertritt den Ansatz, dass Ernährung nicht nur schaden, sondern auch heilen oder zumindest helfen kann. Nach einem gut verständlichen und übersichtlich gegliederten Informationsteil folgt ein gut bebilderter Rezepteteil. Der Informationsteil gliedert sich in: Unsere Gelenke, Krankheiten der Gelenke, Arthrose genau erklärt, Mit Arthrose leben, Die richtige Bewegung bei Arthrose, Die richtige Ernährung bei Arthrose. Das Buch fängt also mit dem Wichtigsten – nämlich der Erklärung, was Arthrose ist und wie sie sich von anderen Gelenkkrankheiten unterscheidet – an, um dann Tipps zur Vorbeugung und zum Leben mit Arthrose zu geben.

Der Rezeptteil gibt unter dem jeweiligen Rezept Infos und Tipps zu den verwendeten Nahrungsmitteln. Nährwertangaben und die Zubereitungszeit, die etwas optimistisch bemessen ist, vervollständigen das Bild. Am Ende des Buches bilden Fotos der Gerichte und die dazugehörige Seitenzahl eine Art Register, um ein bestimmtes Rezept schnell finden zu können. Das alles trägt zur Übersichtlichkeit bei, sowie die Unterteilung der Rezepte in Suppen, Salate, Gemüsegerichte, leichte Fleischgerichte, Fisch und Meeresfrüchte, Brote, Belag und Öle, Snacks, Desserts und Smoothies. Die Rezepte sind vielfältig, aber trotzdem Geschmackssache. Ich suche mir die für mich in Frage kommenden Gerichte aus, die mir auch meist schmecken. Aber gerade meinem Kind schmecken viele der Rezepte nicht. Familienfreundliche Gerichte wären also auch hier gut. Auf der anderen Seite: Da Arthrose vorwiegend Senior*innen zu betreffen scheint, passt es ja wieder.

Fazit

Übersichtliches, gut verständliches Buch über Arthrose und den Umgang mit der Krankheit. Auch der Rezepteteil ist übersichtlich gehalten. Die Rezepte selbst sind, wie meist, Geschmackssache. Offenheit lohnt sich der Gesundheit zuliebe trotzdem, zumal die Gerichte vielfältig sind.


Illustrated by Weltbild

LTB Classic Edition! 11: Die Comics von Carl Barks

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Entenhausens größter Pechvogel

In Entenhausen rumpelt es bedenklich. Als Die Duck-Familie dem für Onkel Dagoberts Geldspeicher gefährlichen Rumpeln nachgehen will, entdeckt sie im Erdinnern die Kullern. Und die will bald ihre Meisterschaft “Kuller-Cup” austragen – auf dass die Erde mächtig bebe!

Onkel Donald will beweisen, dass auch er olympiatauglich ist. Deshalb bewirbt er sich bei den Ausscheidungswettkämpfen in Entenhausen. Tatsächlich gewinnt er einige Disziplinen – aber nicht wegen seiner Sportlichkeit.

Als Onkel Dagobert von einem Hypnotiseur die Miete eintreiben will, bietet der ihm eine Rückführung in ein früheres Leben an. Onkel Dagobert lehnt ab – bis er erfährt, dass andere Entenhausener mit Erinnerungen an vergrabene Schätze reich geworden sind.

Als Donald eine Walschule sieht, kommt ihm die Idee, mit einem gefangenen Wal Geld zu verdienen. Eine Bucht scheint ihm für diesen Zweck wie geschaffen. Also treiben er und seine Neffen einen Wal in die Bucht. Aber damit ist es nicht getan und die Probleme fangen erst richtig an.

Daniel Düsentrieb will Urlaub von seinem Erfindergeist machen. Um nur ja nicht in Versuchung zu geraten, geht er für eine Weile zu Oma Duck auf’s Land, da das Landleben beschaulich und geruhsam sein soll. Aber selbst dort kommt der umtriebige Erfindergeist nicht zur Ruhe.

Um mit wenig Aufwand Geld zu verdienen, meldet sich Onkel Dagobert bei einer Quizsendung für Dumme an. Aber er hat nicht mit dem Finanzamt gerechnet, das bei einer gewissen Geldsumme Strafen verhängt.

Auf einem Kostümfest will Donald als Ritter erscheinen, weil er die ritterlichen Ideale schätzt. Aber Ritter sind momentan in Entenhausen alles andere als angesagt. So erntet er für sein Kostüm v.a. Hohn und Spott – bis Löwen ausbrechen.

Als Onkel Dagobert erfährt, dass er nur der zweitreichste Mann der Welt sein soll, will er das nicht auf sich sitzen lassen. Also macht er sich auf den Weg zu seinem Gegner Mac Moneysac, um zu beweisen, dass er der reichste Mann der Welt ist.

Donald will seine schwimmbegeisterten Neffen Kultur beibringen, indem sie Klavier spielen lernen sollen. Die drei Jungen sind davon aber alles andere als begeistert. Deshalb beschließt Donald, sie zum Schwimmwettkampf herauszufordern. Aber entgegen seines Versprechens sind seine Schwimmmethoden alles andere als fair play.

“120 Jahre Carl Barks – Der Mann, der Entenhausen schuf” (Verlag)

318 Seiten vollgepackt mit 10- und 1-Seitern des Erfinders des Duck’schen Universums Carl Barks: Einfach gehaltene Comics, die auch heute noch mit Witz, Humor, Ideenreichtum und Charme begeistern. Die vorliegenden Geschichten stammen aus den Jahren 1955 und 1956. Der Verlag veröffentlicht Carl Barks Werk chronologisch. Ungewohnt ist evtl. die Kürze der Comics, da in den meisten anderen Bänden die Storys meist deutlich über 10 Seiten lang sind.

Für weibliche Fans fällt die Abwesenheit der Frauen auf: Noch erscheinen sie höchstens als Rand- oder Nebenfiguren, und dann – dem Rollenklischee der 50er getreulich folgend – in den entsprechenden “Frauen”-rollen. Daran hat sich in Entenhausen bis heute bedauerlicherweise wenig geändert.

Anbei noch ein paar Infos des Verlags zu Carl Barks, dem wir den Entenhausener Kosmos verdanken: “Carl Barks wurde 1901 in Oregon, USA geboren. Als junger Mann arbeitete er als Farmer und Drucker. Sein Traum war aber ein anderer: Er wollte Cartoonist werden und 1935 ging dieser Traum in Erfüllung. Disney engagiert ihn anfangs als Zeichner in der Trickfilmabteilung. Dort wurden seine Qualitäten als Gaglieferant und und Story-Board-Schreiber schnell erkannt. Donald Duck hatte zwar bereits ein Jahr zuvor als “Wise Little Hen” sein Filmdebüt gegeben, doch Barks entwickelte die Figur weiter, gab Donald den berühmten Matrosenanug, kürzte seinen Schnabel und ließ ihn menschlicher aussehen. Von April bis 1943 bis September 1965 schrieb und zeichnete er fast alle 10-seitigen Duck-Geschichten in “Walt Disney’s Comics und Stories”. Carl Barks schuf rund 6400 amerikanische Disney-Comicseiten, die meisten davon handelten von der Duck-Familie. So entwickelte Barks schrittweise den gesamten Entenhausener Kosmos. 1947 gelang es Barks eine ganz besondere weltberühmte Ente zu erschaffen. Für eine Weihnachtsgeschichte brauchte er einen griesgrämigen Erbonkel: Dagobert Duck, die reichste Ente der Welt, die gern im Geldbad schwimmt, war geboren. Nach den Kurzgeschichten folgten lange Abenteuer der Entenfamlie. Barks schickte Donald, die drei Neffen und Dagobert um die ganze Welt. Sogar auf anderen Planeten und auf dem Meeresgrund sind sie unterwegs gewesen. Oft bediente sich Barks der griechischen Mythologie und Legenden vergessener Kulturen. So hatten die waghalsigen Enten oft verrückte Abenteuer zu bestehen, in denen sie “Das goldene Vlies” suchten oder El Dorado und Atlantis entdeckten. Am 25. August 2000 starb die Legende Carl Barks.”

Im vorliegenden Band gibt es Infos zu Carl Barks und Übersetzerin Dr. Erika Fuchs, die den Inflektiv und heute gebräuchliche Sprüche wie “Dem Ingeniör ist nichts zu schwör” erfand.

Ich persönlich hätte mir mehr Hintergrundinfos zur Entstehung der Comics gewünscht und zum Betriebsklima innerhalb des Disney-Imperiums. Das soll ja entgegen der fortschrittlichen Animationskunst nicht besonders arbeiterfreundlich (v.a. gegenüber Frauen) und hierarchisch dominiert gewesen sein.

 

Fazit

Die frühen Comics des Entenhausener Erfinders Carl Barks sind einfach, aber abwechslungsreich und humorvoll gehalten, dabei aber männlich dominiert. Frauen kommen nur am Rand und nur in den 1950er-typischen Geschlechterrollen vor. Daran hat sich bis heute bedauerlicherweise (zu) wenig geändert.


Genre: Comic
Illustrated by Egmont Ehapa Media

My Roommate is a Cat 1-4

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Bild 1 - My Roommate is a Cat Band 2 (Deutsche Ausgabe) Carlsen MangaArtikelbild-0My Roommate is a Cat 4 als Taschenbuch

Haustiere als Therapie und Schlüssel zur Welt

Schriftsteller Subaru ist alles andere als ein Gesellschaftsmensch. Er lebt nur für sein Schreiben und vergisst darüber gern mal zu essen und zu schlafen. Das ändert sich, als ihm Straßenkatze Haru zuläuft. Auf einmal steht Subarus Leben Kopf: Nicht nur, dass er sich jetzt umgehend über die Bedürfnisse einer Katze informieren muss, wenn er kein verwüstetes Heim riskieren will.

Auch das gesellschaftliche Leben Subarus ändert sich nach und nach. Subarus Verleger ist fast jeden Tag bei ihm, weil er Haru so niedlich findet. Außerdem zieht ein Freund bei ihm ein und veranstaltet Chaos. Davon nicht genug muss sich Subaru mit dem weiblichen Geschlecht auseinandersetzen, wenn Haru etwas zu fressen haben soll: Nana, die nette Verkäuferin aus der Tierhandlung, ist selbst Katzenbesitzerin und versorgt ihn nicht nur mit Katzennahrung, sondern auch mit vielen hilfreichen Tipps rund um die neue Mitbewohnerin. Außerdem ist sie ein großer Fan des Mystery-Schriftstellers, ahnt aber nicht, dass ihr Idol der neue Kunde ist.

Das ändert sich, als Subarus Verleger ihn endlich zu einer Signierstunde überreden kann. Dort treffen sich die beiden und es kommt zu einem peinlichen, aber auch niedlichen Moment der Zweisamkeit. Als Subaru sich danach für sein Verhalten bei Nana entschuldigen und ihr ihren verlorenen Schlüssel wiedergeben will, trifft Haru auf ihr Brüderchen, das inzwischen bei Nana eine neue Bleibe gefunden hat. Haru trifft aber auch die Tochter einer netten Famulie wieder, die sie als Straßenkatze durchgefüttert hatte. Das kleine Mädchen und ihre Freundin sind ab jetzt öfter zu Besuch bei Subaru, auch weil sie ihm zeigen soll, wie man Katzenfutter selbst kocht.

Zwei Perspektiven

Die vorliegende Reihe wird aus zwei Perspektiven erzählt: Aus der Perspektive des Schriftstellers Subaru und der der Katze Haru. Dabei wird dieselbe Szene zweimal beleuchtet. Die Geschichte Harus fließt auf diese Art und Weise ins Geschehen mit ein: Sie hat als Straßenkatze gelernt, misstrauisch zu sein, sich durchzuschlagen und sich um ihre beiden Geschwister zu kümmern. Die seelische Verletzung, dass eines ihrer Geschwister trotzdem gestorben und das andere verschwunden ist, prägt sie. Ihr Drang, sich um andere zu kümmern, lebt sie an Subaru aus, von dem sie befürchtet, dass er wie ihre Gewschwister nicht genug isst und stirbt. Das führt zu einer Reihe von Missverständnissen zwischen Mensch und Katze, die als hintersinnige Situationskomik verwertet wird.

Allerdings wird Haru sehr vermenschlicht. Sie handelt und denkt wie ein Mensch in Katzengetalt. Katzenbesitzer*innen könnten diese Vermenschlichung durchaus kritisch sehen.

Die Idee, eine Situation aus mehreren Perspektiven zu erzählen, ist nicht neu, aber gut. Sie veranschaulicht, dass ein und diesselbe Situation immer mehrdeutig sein kann. Eine solche Erzählweise öffnet und erweitert den Horizont.

Soziales Miteinander

Diese Reihe macht deutlich, dass Menschen Herdentiere sind und andere brauchen, um sich wohlzufühlen. Allerdings macht sie auch deutlich, dass man, wenn man länger allein gelebt hat, sich erst einmal an den Trubel mit anderen gewöhnen muss. Auszeiten sind auch nötig, um sich zu erholen. Subaru scheint hochsensibel zu sein, denn er ist kreativ, tiefsinnig, empfindsam und braucht viel Ruhe, um Erlebnisse zu verdauen. Diese und seine Gedanken verarbeitet er in Büchern, die andere berühren und ihnen Lebensmut geben. Damit wird ein weiterer Aspekt angesprochen: Um sozial zu sein, muss man nicht unbedingt face to face mit anderen kommunizieren. Subaru ist ein von Grund auf guter Charakter, kann keiner Fliege etwas zuleide tun und versucht sich in andere (auch in seine Katze) einzufühlen. Dass er allein lebt, heißt also nicht, dass er nicht sozial ist. Soziales Denken und Fühlen ist eine Sache des Charakters und nicht der tatsächlichen sozialen Kontakte. Denn es kann genauso gut sein, dass jemand, der vordergründig mit aller Welt befreundet ist, diese Kontakte in hinterhältiger Weise ausnutzt.

Subaru hat sich nach dem Tod seiner Eltern, den er anscheinend nicht richtig verarbeitet hat, in ein Schneckenhaus zurückgezogen, wohl, um nicht wieder verletzt zu werden. Dabei ist er innerlich eingeforen. Haru holt ihn allein durch ihre Anwesenheit nach und nach aus seinem Schneckenhaus heraus. Jetzt muss Subaru nicht nur für sich, sondern auch für andere Verantwortung übernehmen. Durch die Katze nehmen seine sozialen Kontakte allmählich zu, sodass er lernt, nicht nur sozial zu denken, sondern sich auch im realen Kontakt zu anderen sozial zu verhalten. Das reduziert seine Einsamkeit und er erhält neue Anregungen für seine Bücher. Außerdem erhält er so die Chance, eine Freundin zu finden.

Ein wenig erinnert die Geschichte an heutiges soziales Verhalten, das oft per Handy oder Internet stattfindet, also in einer distanzierten und reduzierten Form, weil so Körper- und andere wichtige gestische und mimische Signale nicht oder nur schwer wahrgenommen in die Kommunikation einbezogen werden können. Kontakt über ein Medium wie Telefon, Handy, Internet ist nicht so (bedeutungs-)reich wie ein direkter Kontakt mit anderen Menschen.

Subaru bekommt durch den direkten Kontakt (positive) Rückmeldung, die vorher in der Art nicht möglich waren. Er bekommt Rückmeldung von seiner Katze und den Menschen seiner Umgebung, die ihm verdeutlichen, dass sie ihn nett finden oder seine Werke sehr schätzen. Das vermittelt Selbstbewusstsein und ermöglicht eine weitere Öffnung nach außen.

Fazit

Die Reihe ist ein Plädoyer für positive Mensch-Tier und Mensch-Mensch-Beziehungen. Jede*r darf so sein, wie sie oder er ist. Außerdem vermitteln positive Beziehungen Selbstbewusstsein, Verantwortungsbewusstsein und eine generelle Öffnung zur Welt hin. Wichtig ist dabei der unmittelbare Kontakt zu anderen (nichrt bloß der mittelbare), auch um neuen Input zu erhalten – alles Nahrung für die Seele. Ruhige, aber trotzdem spannende Manga-Reihe, die aus der Sicht des Menschen und aus der Sicht der Katze erzählt wird: Mehrere Perspektiven derselben Situation ermöglichen einen erweiterten Horizont und vertiefen das Verständnis für sich und andere.


Genre: Manga
Illustrated by Carlsen Manga!

Kimi ni Nare – Finde dich selbst

 

https://www.carlsen.de/sites/default/files/produkt/cover/kimi-ni-nare---finde-dich-selbst_0.jpgFinde dich selbst

Oberschüler Taiyo spielt mehr schlecht als recht Gitarre – diese aber mit Leib und Seele. Als sich der Musikclub der Schule aufzulösen droht, will er seinen verschlossenen Klassenkameraden Hikari mit ins Boot holen. Hikari wurde früher eine große Karriere als Pianist bescheinigt, da er als Wunderkind galt. Aber aus einem Grund, den er niemanden wissen lassen will, hat er plötzlich mit dem Klavierspielen aufgehört. Auch für Taiyo will er keine Ausnahme machen. Dieser aber bleibt hartnäckig. Deshalb konfrontiert Hikari Tayio schließlich mit seiner Vergangenheit.

 

“Und egal wie schmerzhaft, qualvoll und frustrierend es auch sein mag … eines Tages kannst du zu deinem wahren Selbst werden.” (Taiyo)

Der Einzelband behandelt das Thema der Selbstfindung in der Phase der Pubertät. Er geht auch auf die seelischen Verletzungen ein, die die Jugendlichen bis zu diesem Zeitpunkt erlitten haben. Wie so viele will Taiyo seine seelischen Verletzungen, die schon traumatische Ausmaße erreichen, unter einer fröhlichen Fassade und unter dem Slogan “Schau nach vorne!” verstecken und verdrängen. Aber durch Ausweichen heilt man keine Traumata, man muss sich ihnen stellen. Das geschieht (wenn auch nicht unbedingt in sensibler Form) durch seinen Klassenkameraden Hikari. Er konfrontiert Taiyo mit seiner Vergangenheit. Durch diese Konfrontation kommt ein Denkprozess in Gang, in dem sich Taiyo immer mehr darüber klar wird, was er wirklich will. Der Manga gehört also, obwohl kein Roman, in die Kategorie des Entwicklungsromans. Taiyo macht sich (wenn auch nicht örtlich wie bei solchen) auf den Weg, und zwar auf den Weg in sein Inneres. Dieser Weg ist hart, schmerz-und leidvoll, gibt ihm aber letztlich den Mut, zu sich selbst zu finden und zu stehen.

Auch Hikari wird, wenn auch eher indirekt, durch Taiyo dazu gebracht, sich seiner Vergangenheit zu stellen, die ebenso schmerzhaft ist. Er bewundert Taiyos Eifer, Durchhaltevermögen und dessen Mut auch unangenehme Situationen bewusst in Kauf zu nehmen, um Menschen mit dem, was er tut, zu berühren. Die beiden sind sich gegenseitig Vorbilder und beide trauen sich – was Männer im Allgemeinen nicht gerne tun – in die Tiefen ihrer Seele abzutauchen, sich den Ungeheuern, die dort lauern, zu stellen und die Schatzkiste, die ebenfalls dort unten versteckt ist, zu heben. Damit sind sie Vorbilder! Dabei wird aber auch immer wieder deutlich, dass beide keineswegs vollkommen, sondern ganz normale Menschen sind, die gerne mal wegen mancher ihrer Eigenschaften bei anderen anecken.

Durch den Mut, seine Psyche zu ergründen, kommt es u.a. für Taiyo zu solchen Augenblicken der Erkenntnis wie diesen: “Es wäre schön, wenn traurige Dinge einfach aus der Welt verschwinden würden. Aber ohne traurige Momente würde man die schönen Augenblicke vielleicht gar nicht bemerken.” Wäre Taiyo in seinem oben beschriebenen Fluchtschema erstarrt, käme keine positive Entwicklung in Gang.

 

Fazit

Der Manga behandelt Selbstfindungsprozesse, die (wie im wahren Leben) schmerzhaft, aber letztlich lohnend sind. Beide männlichen Hauptfiguren stellen sich – im wahren Leben gerade von Männern gern verdrängt – ihren psychischen Verletzungen und lernen sich dadurch besser selbst kennen und annehmen, sodass eine positivere Zukunft möglich wird. Der Manga verarbeitet also tiefenpsychologische und philosophische Themen, die ihn trotz der Kürze tiefgründig machen.

Das ist die Stärke so manch einen guten Comics oder Mangas wie diesem, dass sie tiefgründige Themen angehen und verständlich an die Leser*innen bringen können. Das ist definitiv eine Kunst, die aber leider kaum gewürdigt wird. So mancher Roman wird bei ähnlichen Themen (und unnötig komplizierter Schreibweise) in den Himmel gelobt, obwohl er keinesfalls besser als ein dergestaltiger Comic oder Manga ist. Aber Qualität ist überall zu finden, wenn man sich nur darauf einlassen will. Auch – und vielleicht sogar v.a. – in der oftmals verachteten und belächelten “neuten Kunst” (die nicht umsonst so heißt).


Genre: Manga
Illustrated by Carlsen Manga!

My Genderless Boyfriend 1

Weiblich? Divers? Männlich?

Meguru ist ein typischer Influencer – sollte man meinen. Tatsächlich interessiert er sich für Dinge, die man klischeemäßig eher dem weiblichen Geschlecht zurordnet: Schminken, süß aussehende Sachen und schicke, farbenfrohe Kleidung. Und das alles teilt er täglich mit seinen vielen Followern. Die finden ihn toll und nehmen ihn sich zum Vorbild. Und sie wissen, dass er (ebenfalls entgegen aller Klischees) nicht schwul ist. Allerdings wissen sie nicht, dass Meguru schon seit langem mit seiner großen Liebe, der Manga-Redakteurin Wako, zusammen ist. Sie befürchtet, dass das seinem Immage schaden könnte. Da Wako ihn schon seit Schulzeiten managt, hält sie sich bei seinen Instagramm-Auftritten im Hintergrund. Wako selbst hält in der Öffentlichkeit ebenfalls geheim, dass sie einen Freund hat. Als eine neue Kollegin zufällig sie und Meguru zusammen sieht, zieht diese die falschen Schlüsse: Megurus weibliches Aussehen und Wakos Körpergröße verleiten sie zu der Annahme, dass Wako lesbisch ist.

 

“Ein stylischer Fellgood-Manga, der sich über alle Geschlechterklischees hinwegsetzt!” (Verlag)

Der erste Band macht sich einen Spaß daraus, die Rollenerwartungen an Frau und Mann komplett über den Haufen zu werfen und (fast diabolisch) durcheinanderzuwirbeln. Und das ist auch gut so! Es fängt an mit einen kleinen Mann, der sich für gutes Aussehen und Schminken interessiert und dabei nicht schwul ist, geht weiter mit seiner Freundin, die das genaue Gegenteil von ihm ist (groß, Aussehen egal) über Megurus Freund Kira, der ein gefragtes androgynes Model ist und sich darüber beklagt, dass wegen seiner Art niemand mit ihm befreundet sein will, bis hin zu einem Umfeld, das generell neugierig auf Neues ist und somit mehr oder weniger vorurteilsfrei. Aber auch mit diesem Umfeld wird gespielt, wenn Meguru ganz selbstverständlich als Frau und damit als Freundin von Wako gehalten wird und Wako somit als lebsisch gilt, auch wenn beide (ganz konventionell) stramm hetero sind.

Das ist genug Spielwiese, um für viel Situationskomik zu sorgen und so auf humorvolle Art und Weise den Blick zu weiten für Diversität, die auch auf ihre eigene Art manchmal ganz konventionell ist. Die Natur legt es generell nicht auf Gleichmacherei an, sondern eher auf Diversität – Möglichkeiten, die ausgeschöpft werden können oder auch nicht. Wie sonst lässt sich die Artenvielfalt auf der Erde und Homosexualität im Tierreich erklären?

Süß an dieser Manga-Reihe sind nicht nur die Figuren, das Styling und die Extras, sondern auch die Gefühle der Hauptfiguren, wenn z.B. Mako völlig fertig sagt, sie müsse kurz nach Luft schnappen, weil an Megurus androgynem Freund einfach alles phantastisch aussieht.

Aber es werden auch ernste Themen angesprochen. Kira leidet darunter, außer Meguru keine Freunde zu haben, weil auch die Leute in der Modewelt ihn sofort für arrogant halten, obwohl er das gar nicht sein und niemanden verletzen will.

Fazit

Insgesamt gesehen ist es es tatsächlich vordergründig ein Romance-Feelgood-Manga wegen seines Humors und der stylischen Elemente. Im Hintergrund aber schwingen Themen wie eine stabile Liebesbeziehung, Freundschaften mit Menschen, die anders sind, hartes Arbeitsleben und das Leben in einer immer mehr technisierten und gläsernen Welt mit.


Genre: Manga
Illustrated by Carlsen / Hayabusa

Ghostly Things 1

Übersinnliche Wahrnehmung

Oberschülerin Yachiho Takahara musste aufgrund ihres ständig abwesenden Vaters schon früh selbstständig werden. Wieder auf Forschungsreise hat dieser vorher für sich und seine Tochter ein Haus gekauft, das in der Umgebung als Geisterhaus verschrien ist. Yachiho merkt auch schon bald warum: In ihm wimmelt es von Natur- und anderen Geistern. Um sich in der Anderswelt besser zurecht zu finden und um ihre verschollene Mutter zu finden, stimmt sie zu, die Gehilfin des Grenzgeistes Moro zu werden. Außerdem sucht sie in dem Haus, das vorher einem Mann gehört hat, der ebenfalls Geister sehen konnte und zu ihnen geforscht hatte, nach der “Schrift des Totenreiches”. Denn auch diese Schrift könnte Hinweise zum Verbleib ihrer Mutter geben.

Mensch, Natur und Technik

Wie in Irland, aber auch in Deutschland, sind Geister und Naturwesen wesentlicher Bestandteil von Sagen und Mythen. So auch in Japan, das einen reichen Mythenschatz zu besitzen scheint. Und dieser wird auch gern für Mangas und Animes angezapft und verarbeitet. Man denke nur z.B. an Studio Ghiblis Animes “Prinzessin Mononoke” oder “Pompoko”, in denen es vorwiegend um den Streit zwischen den (technisierten) Menschen und der Natur geht. Auch dieser wird in dem vorliegenden Manga in Form des Herrn Kamo angesprochen. Er vertritt im Gegensatz zu Yachiho die Auffassung, dass man mit Naturgeistern nicht einträchtig zusammenleben kann. Er hält sie für gefährlich und v.a. will er deren Fähigkeiten kontrollieren und für die Technik zunutze machen. Seine Einstellung gegenüber Natur(geistern) ist feindselig, die von Yashiho offen und freundlich, obwohl sie sich auch fürchtet.

Interessant in diesem Zusammenhang ist die Geschlechterverteilung. Die naturfreundliche Einstellung wird von der Frau vertreten, die naturfeindliche vom Mann. Bezieht man das auf die Literatur über Matriarchat und Patriarchat, so scheinen erstere mit der Natur und zweitere gegen die Natur zu leben. V.a. das Patriarchat hat eine Neigung dazu, die Natur unterordnen und beherrschen zu wollen, sich über die Natur zu erheben und sich von ihr unabhängig machen zu wollen – koste es, was es wolle. Im Manga wird das durch folgenden Dialog zwischen Herrn Kamo und Yashiho deutlich: “Du verstehst da offenbar etwas falsch! Naturgeister besitzen Kräfte, die den Menschenverstand übersteigen. Das sind keine Wesen, mit denen man einträchtig zusammenleben kann. Doch wenn man ihre Kräfte auf diese Weise kontrolliert, dann werden sie zu Werkzeugen, die mit großartigen Technologien ausgestattet sind.” (Kamo) “Naturgeister sind vielleicht furchteinflößend, aber das heißt doch nicht, dass man mit ihnen nicht auskommen kann. Bitte lassen Sie die beiden frei!” (Yashiho)

Yashiho ist hier vorbildhaft. Sie steht für das Gewissen, für die Verbundenheit mit der Natur, und sie stellt sich gegen eine Herrschermentalität, die keinen Raum für ein friedliches Miteinander lässt und deswegen Schaden in allen Bereichen anrichtet. Auch das wird im Manga weiter ausgeführt: Sehr behutsam lässt der Baumgeistlehrer sich seine kleinen Baumgeisterschützlinge in ihrem eigenen Tempo entwickeln und leitet sie an, anstatt sie mit Wissen vollzustopfen (man denke z.B. an die Montessouri-Pädagogik oder die des offenen Konzepts in Kitas) und schiebt deshalb seinen Tod auf, während Herr Kamo den Baumgeist, der sich vordergründig am langsamsten entwickelt, hintergründig aber eine Tiefe beweist, die den anderen noch fehlt, vorsätzlich mit seinem Schuh zertritt.

Da schwingt Kritik mit, wie der (patriarchale) Mensch mit der Natur umgeht, die die Heimat und nährende Mutter für alle Lebewesen ist – auch für den Menschen. Das lateinische “mater” für “Mutter” steckt wie auch “materies” für u.a. “Holz” in dem Begriff “Materie”…

Offen sein für Dinge, die die Wissenschaft (noch) nicht nachweisen kann

Ein weiteres Thema ist das des Mediums, das in der Lage ist, eine Welt wahrzunehmen, die für die meisten anderen verschlossen ist. Da kommen einen fernsehaffine Medien wie Ira Wolff, Theresa Caputo, Tyler (Hollywood-Medium) oder Thomas John in den Sinn – wobei man hier kritisch anmerken könnte, dass diese ihre Gabe (sofern tatsächlich vorhanden) hochpreisig verkaufen. Ich würde behaupten, dass bei Medien, die tatsächlich mit ihrer Umwelt verbunden sind, auch die Preise für jederfrau/-man erschwinglich sind.

Eine grundsätzliche Offenheit für ein Mehr als die Wissenschaft bisher bestätigen kann, ist aber wohl von Vorteil. Denn die Technik scheint bzgl. aller (Natur-)Phänomene hinterherzuhinken. Allerdings muss man sich hier (wie sonst auch) vor Scharlatanen hüten.

Der Manga greift das Thema Medium auf, aber auch die Angst solcher medial begabter Menschen vor einer Welt, die sie aus o.g. Gründen nicht zu verstehen gelernt haben. Auch Yashiho hat Angst, aber sie stellt sich ihrer Angst und ist bereit dazuzulernen.

Der spannende Manga ist der 1. Band einer Reihe, die von den gut auf den Inhalt abgestimmten Zeichnungen mehr verspricht.

Fazit

Die Themen der medialen Begabung und des Konflikts “(patriarchaler) Mensch versus Natur” werden im ersten Band der Reihe stimmig und spannend umgesetzt.


Genre: Manga
Illustrated by Carlsen Manga!

K-Pop Confidential

Der Traum, ein Star zu sein

“Candace kann singen – und zwar richtig gut. Nur weiß kaum jemand davon. Genauso wenig wie von ihrer Begeisterung für K-Pop. Heimlich nimmt die 15-Jährige an einem Casting teil – und ergattert prompt einen Trainee-Platz bei der weltgrößten K-Pop-Schmiede in Seoul. Eine Riesenchance!

Doch die Ausbildung ist hart, mit strengen Regeln und unerbittlichen Trainern, die Candance an ihre Grenzen bringen. Und als sie YoungBae kennenlernt, den sie wegen des strikten Dating-Verbotes eigentlich nicht treffen darf, beginnt sie zu zweifeln. Kann sie sich selbst treu bleiben und gleichzeitig ein K-Pop-Star werden?” (Inhaltsangabe des Verlags)

Unmenschlicher Drill

Die in sich abgeschlossene deutsche Erstausgabe hat es in sich, und zwar in mehrerlei Hinsicht. Das Cover deutet es schon an: Das, was man in der Öffentlichkeit zu sehen bekommt, ist leichtfüßig und soll gute Laune verbreiten – damit die Kasse klingelt. Wie das Pink und helle Blau im Cover ist es aber nur ein Bruchstück dessen, was K-Pop ausmacht: Der größte Teil (im Cover dunkel bis schwarz) ist der harte Teil des Trainings eines Trainees und später des unter (Knebel-)Verträgen stehenden Pop-Stars, dem letztlich keine Rechte zugesprochen werden. Er gehört buchstäblich seinem Label und seinen Fans.

Die Trainingsmethoden kann man ungeschminkt als Folter bezeichnen: permanenter Schlaf- und Essensentzug sollen vordergründig fitte und schlanke Tänzer*innen hervorbringen, hintergründig sorgen sie aber durch den permanenten Hunger und die Erschöpfung für ein Verhalten, das Aufbegehren unmöglich macht. Ebenso das konsequente Anbrüllen und Entwerten der Trainees, das ihnen das Selbstbewusstsein rauben und sie zu widerstandslosen Puppen machen soll. Der Schlaf- und Essensentzug ist perfide und gesundheitsschädlich: Nur 4 Stunden Schlaf pro Nacht wird den Jugendlichen zugestanden! Den Rest des Tages (und der Nacht) verbringen sie mit Unterricht und stundenlangem harten Training. Und das angeblich gesunde Essen besteht (v.a. für die Mädchen) aus Ei und Süßkartoffeln zum Frühstück, in der harten Variante nur aus einer Süßkartoffel, weil gerade die Mädchen angeblich zu fett sind!

Das muss man sich mal vorstellen: Die sich im Wachstum befindlichen Jugendlichen (v.a. die Mädchen, die sich entwickeln und ihre Periode bekommen) verhungern wegen Mangelernährung vor aller Augen bei den wenigen Kalorien, die sie zu sich nehmen dürfen und die sofort durch das extrem harte Training wieder verbraucht werden! Die Jungen werden zwar auch nicht mit Samthandschuhen angefasst, scheinen aber trotzdem mehr Privilegien zu genießen als die Mädchen. Diskiminierung ist anscheinend Alltag in der K-Pop-Schmiede. Der Psychoterror, dem die Trainees permanent unterliegen, tut sein Übriges zu der alles andere als gesunden Arbeitsatmosphäre, bei der jedes Menschen- und Kinderrecht, allen voran das der Würde, gebrochen wird. Mir kamen beim Lesen unwillkürlich Vergleiche mit den Arbeitslagern der diversen Ideologien.

Dazu ein paar Zitate aus dem Buch:

“Obwohl ich in meiner ersten Woche bestimmt nicht mehr als drei Stunden pro Nacht geschlafen habe, kann ich eigentlich nicht behaupten, dass ich müde bin. Ein Gefühl der Panik versetzt mich ständig in höchste Alarmbereitschaft.”

“Mr Choi gibt uns das Gefühl, Puppen zu sein, mit denen er spielt.”

“Ich fühle mich so beurteilt. Grelle, heiße Scheinwerfer sind auf mich gerichtet, ein berühmter Modefotograf verweist auf meine Makel, mustert jede meiner Bewegungen und Gesichtsausdrücke. Keines der anderen Mädchen macht den Mund auf und Managerin Kong ebensowenig: Sie tippt auf ihrem Handy herum. Doch der Hauptgrund: Ich bin verdammt hungrig und erschöpft. Diese ganze Schönheitssession hat so lange gedauert, dass wir Mittag- und Abendessen haben ausfallen lassen, und ich bin kurz davor umzukippen.”

“Niemals würde sie sich anmerken lassen, dass ihr vom vielen Bleichen die Kopfhaut brennt, ihr von den Kontaktlinsen die Augen jucken und sie unter den vielen Schichten ‘Natural Look’-K-Beauty-Makeup aussieht, als hätte sie seit Wochen nicht geschlafen – denn das hat sie nicht.”

“Dann dämmert es mir: K-Pop ist kein bisschen anders als Hollywood; es ist immer die Frau, die die Konsequenzen tragen muss. One.Js Namen wird nicht von Hatern skandiert, aber QueenGirl musste sich auflösen. Für HyunTaek und RubiKon läuft alles weiter wie bisher, während Iseuls Kariere ruiniert ist und WooWee nur verzweifelte Versuche unternehmen kann, um zu überleben.”

Erinnern an die Menschenrechte

Candace’ Mutter, von der ihre Tochter anfangs wenig hält, die sich aber im Laufe des Romans als starke Frau entpuppt, gibt ihr die entscheidenen Worte mit auf den Weg:

“Wenn dich hier irgendjemand schikaniert oder verletzt, dann finde bitte einen Weg, es mir zu sagen.”

“Vergewissere dich, dass sie dich wie jemanden behandeln, der das Wichtigste in jemandes Leben ist. Denn das bist du.”

Daran hält sich Candace. Sie beobachtet das Ganze, macht es bis zu einen gewissen Grad auch mit, bis sie erkennt, dass man  andere Menschen so nicht behandeln darf und beschließt, ein solch menschenverachtendes System nicht mehr zu stützen. Damit ist sie Vorbild, um den Teufelskreislauf der “Hoffnungsfolter” (Hwemang Gomun) zu durchbrechen. Dieser Begriff meint, “dass die Hoffnung auf Erfolg aufrecht erhalten wird, einem aber immer mehr und mehr abverlangt wird, und man am Ende dennoch nicht weiß, ob man sein Ziel erreicht.” Auf dieser Hoffnungsfolter gründet das ganze ausbeuterische System der K-Pop-Industrie, das der Roman wunderbar offenlegt.

Durch die Figur von Candace verfolgen die Leser*innen bis ins Detail, wie die menschenverachtende K-Pop-Maschinerie funktioniert, wie sie am Laufen gehalten wird  – und wie sie gebrochen werden kann. Denn auch die Fans sind Teil der Maschinerie, die das System am Laufen halten.

Fazit

Der Verdienst dieses Buches: Es macht den dunklen Sumpf, die üblen Missstände (im Buch bildlich dargestellt durch die von der Außenwelt abgesperrte Trainee-Etage, die einem trostlosen Bunker gleicht) sichtbar, dem die Trainees und Idole (v.a  die weiblichen) permanent hilflos ausgesetzt sind. Die Hauptfigur Candace macht es vor, wie man sich verhalten sollte, wenn einem alle Rechte geraubt werden: Sie begehrt dagegen auf, prangert in aller Öffentlichkeit die Missstände an und steigt genauso öffentlichkeitswirksam aus.  Sie nutzt ihre Beliebtheit, die sie sich schon erworben hat, um für Menschlichkeit zu kämpfen. Candace’ Mutter ist ebenso mutig: Sie stellt sich wie eine kampfbereite Bärin vor ihre Tochter, als der wütende CEO ihr an den Kragen will. Die Branche verhält sich gegenüber Frauen und Mädchen diskriminierend und im Buch sind es (wie im wahren Leben) die Frauen, die Stärke beweisen.


Genre: Jugendroman
Illustrated by Carlsen Hamburg

Artgerechte Ernährung – Das Kochbuch

Artgerechte Ernährung Kochbuch

Essen als Medizin

Ernährungs-Doc Dr. Matthias Riedl schreibt (nach jahrzentelanger Erfahrung und auf zahlreiche Studien gestützt), dass “die meisten Krankheiten verhindert, gelindert oder geheilt werden können, wenn wir die Ernährung als Schlüsselelement in der Therapie begreifen. In dem Moment, in dem sie artgerecht und auf die Bedürfnisse unseres Stoffwechsels angepasst sind, wird unser Essen zur Medizin[…] Es lohnt sich! Selbst im mittleren Alter können durchaus 10-15 Jahre längeres Leben im besseren Gesundheitszustand für Sie hinzukommen.”

Falsche Ernährung begreift er nach Hippokrates als Hauptursache von Krankheiten. Fast jede*r dritte Deutsche sei zu dick. Fast 80% aller Krankheiten seien durch ein Verhalten erworben, dass den Bedürfnissen des  Stoffwechsels widerspricht. Bei Krebs seien es schon fast 40%. Industriegefertigte Nahrung ist mit den Suchtstoffen Zucker und Salz viel zu stark versetzt. Zu viele ungünstige Fette und Zusatzstoffe machen die Sache nicht besser, ebenso das Snacken von Ungesundem, Diäten mit Jojo-Effekt, Bewegungsmangel und vieles Sitzen. Krankheiten wie Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und bestimmte Krebserkrankungen sind die Folge.

Empfohlene Maßnahmen:

  • (Grobe) Orientierung am BMI
  • sichere Eigendiagnose: Bauchumfang und Hüftumfang
  • Lernen von den gesündesten Ländern der Welt (hochwertige Lebensmittel, darmfreundliches Essen, wenig Fleisch am besten von Weidetieren, gesunde Fette, gemüsereiches Essen, viel Bewegung, Fisch aus nachhaltigem Fang, Bildung, saubere Umwelt, gemeinsame Mahlzeiten, bestens ausgestattetes Gesundheitssystem…)
  • “Die Grundlage aller Mahlzeiten bilden neben viel gesunden Ölen überall Gemüse und eher zuckerarmes Obst mit einer geringen Energiedichte, dafür aber einer hohen Nährstoffdichte.” => Beurteilung von Lebensmitteln nach ihrer Wirkung auf den Blutzuckerspiegel
  • langsam und genussvoll essen => Sättigungsgefühl nach ca. 20 Minuten
  • viel Wasser trinken
  • Grundregel Kohlenhydrate: “Gemüse muss, Kartoffeln und Co. können gegessen werden, denn sie sind zum Verbrennen da. Wer sich also wenig bewegt, braucht sie nicht, denn Gemüse, Obst und sogar Fleisch enthalten genug Kohlenhydrate.”
  • regelmäßige Entspannung
  • Hülsenfrüchte als Grundnahrungsmittel

Das Buch bietet viele weitere Tipps und Zusatzinfos zum gesunden Essen.

 

Infoteil und Kochbuch

Das Buch ist aufgeteilt in einen Informationsteil, in dem der Autor ausgehend von seinem anderen Buch “Artgerechte Ernährung”, das die vorgestellten Tipps ausführlicher behandelt, Ursachen und Krankheitsbilder erklärt und wie man ihnen mit einer gesunden Lebensweise und v.a. gesundem Essen entgegenwirkt oder schon vorhandene Krankheiten abmildert.  Der Infoteil ist aufgrund des schon erschienenen Buches kurz gehalten, vemittelt aber trotzdem anschaulich und verständlich die wichtigsten Ernährungsfallen und Ernährungstipps.

Mir kam beim Lesen des Buches immer wieder der Gedanke, den evtl. auch andere Haustierbesitzer*innen haben: Es gibt so viele Tipps für die artgerechte Haltung und Ernährung unserer Haustiere, aber wir selbst halten uns aufgrund von Bequemlichkeit oder Zeitmangel selbst wenig an unsere eigene artgerechte Ernährung… Andererseits machen viele das nicht, weil sie nicht wollen, sondern weil sie nicht können. Zeitmangel, Erschöpfung wegen Überlastung, wenig Geld und damit der Griff zum günstigen “Dosenfutter” oder der Gang zur mittäglichen Kantine (weil keine Zeit, in der halbstündigen Mittagspause zu kochen) torpedieren gesundes Essen nachhaltig.

Trotzdem gilt: Essen kann nicht nur krank, sondern auch gesund machen.

Der Rezepteteil nimmt den größten Umfang des Buches ein. Er ist aufgegliedert in “Artgerecht frühstücken”, “Artgerechte Hauptgerichte”, “Artgerechte Desserts und Snacks” und “Artgerecht trinken”. Die Rezepte enthalten immer Infos zum heilenden Gehalt bestimmter Zutaten. Die Rezepte sehen schmackhaft aus, für mich sind sie es im Großen und Ganzen auch (allerdings bin ich auch offen für Neues), meinem 9-jährigen Sohn schmecken sie eher nicht. Da habe ich zum Glück andere gesunde Rezepte, die ihm eher munden. Familiengerechte Rezepte, die auch Kindern schmecken, wären für dieses Buch empfehlenswert.

Um ehrlich zu sein müsste sich jemand, der bisher v.a. von Fertigessen und Fast Food gelebt hat, radikal umstellen, auch von seinen Geschmacksnerven her. D.h. es gibt eine Gewöhnungsphase an das neue Essen, die erst einmal durchgehalten werden muss. Ich persönlich würde empfehlen, das alte mit dem neuen Essen übergangsweise zu vermischen und immer mehr auf gesunde Alternativen umzusteigen, um den Übergang sanfter zu gestalten. Es gibt auch andere Kochbücher und Kochkurse für gesundes und schmackhaftes Essen, die einem vielleicht mehr zusagen.

Die Rezepte selbst sind ausgelegt für 2 Personen, wobei große Leute wie ich schon fast das 2-Personen-Rezept allein packen. Die Zubereitungszeit ist etwas optimistisch, man sollte schon ein paar Minuten mehr dazurechnen, denn die Zutaten müssen erst einmal rausgesucht und geschnitten werden. Natürlich wird bio empfohlen; wer es sich leisten kann, sollte auch bio kaufen. Da liegt aber wieder der Hund begraben: Für die Menschen, die es wohl am meisten betrifft, ist gesundes Essen nicht gerade günstig…

 

Fazit

Übersichtliches, anschauliches, informatives Buch mit zwei Teilen: Infoteil und Rezepteteil, wobei Letzteres den Großteil des Buches ausmacht. Die Rezepte sind Geschmackssache. Eine gewisse Offenheit für neue Geschmackserlebnisse wird vorausgesetzt, ebenso wie ein Geldbeutel, der sich die Zutaten leisten kann, und die Zeit, die man zum Kochen benötigt.

Hauptbotschaft: Essen kann nicht nur krank machen, sondern auch heilen. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass das stimmt. Von daher ist ein Umstieg auf gesunde Ernährung und das Wissen dazu, das auch in diesem Buch vermittelt wird, in jedem Fall empfehlenswert.


Illustrated by Weltbild

Die Wahrheit über Eva: Die Erfindung der Ungleichheit von Frauen und Männern

Abbildung von Schaik / Michel | Die Wahrheit über Eva | 2. Auflage | 2020 | beck-shop.de

“Evalution” und Beginn der toxischen “Patrix”

Die Autoren Carel van Schaik (Verhaltensforscher und Evolutionsbiologe) und Kai Michel (Historiker und Literaturwissenschaftler) haben sich zusammengetan, um den Ursachen der mittlerweile jahrtausendealten Genderungerechtigkeit auf die Spur zu kommen. Herausgekommen sind – kurz zusammengefasst – folgende Erkenntnisse des 701 Seiten starken Buches:

  • in 99% der Evolutionsgeschichte der Menschen gab es keine Diskriminierung der Frau (ganz im Gegenteil!) – die bildete sich trotz erbitterter Widerstände erst in den letzten Jahrtausenden heraus (was in der Geschichte der Menschheit einen Wimpernschlag bedeutet)
  • die Jäger- und Sammlerkulturen waren auf das lebensnotwendige Zusammenarbeiten der Geschlechter angewiesen; sie konnten sich Diskriminierung nicht leisten => egalitäres System mit großer Wertschätzung der Frauen
  • die Frauen sorgten in den Jäger- und Sammlergesellschaften für die Basisernährung: Essbares sammeln und Jagen mindestens kleiner Tiere; die Männer sorgten für das Großwild, das sie erbeuteten (oder auch nicht) => wenn sie es erbeuteten, erwarben sie Reputation; um die Reputation aufrecht zu erhalten, mussten sie ihr Erjagtes großzügig mit dem Stamm teilen (Horten von Eigentum war unmöglich)
  • Männer vom Schlage der vergangenen und gegenwärtigen Diktatoren, Despoten und Machos waren in den Stammesgesellschaften nicht gern gesehen, sie wurden diszipliniert; wenn das nicht reichte, wurden sie ausgeschlossen oder getötet => solche Männer schadeten dem Wohl des Stammes und waren damit untragbar
  • sozial gesinnte Männer wurden von den Frauen für die Paarung gern genommen => die Männer halfen den Frauen im Gegenzug bei der Erziehung der Kinder und teilten mit ihnen ihre erbeutete Nahrung, was sehr gute Voraussetzungen waren für die Versorgung der Kinder und damit der Entwicklung des menschlichen Hirns (wären die Menschenaffenfrauen alleinerziehend gewesen wie bei den heutigen Menschenaffen, würde es heute aufgrund der fehlenden Hirnentwicklung keine Menschen geben!); heute wird fehlende Hilfe bei der Versorgung der Kinder und die daraus resultierende Erschöpfung der Frau ungerechtfertigt pathologisiert
  • Frauen, die das soziale Netzwerk der Hilfe des Mannes und ihrer Verwandten nicht hatten, zogen das geborene Kind nicht auf => Ressourcen der Frauen waren dafür zu knapp und wurden anderweitig gebraucht
  • die ganzheitliche, inklusive Religion der Frauen nützte allen – sowohl Frauen als auch Männern – in ihrem (schwierigen) Alltag; Frauen waren gesellschaftlich und spirituell hoch angesehen, auch als Heilerinnen (Religion von unten)
  • die Religion der Männer wurde exklusiv und damit eine Religion von oben (Herrschaftsreligion): Göbekli Tepe bildete den Anfang mit seinen aggressiven Darstellungen von tierischen Waffen und erigierten Penissen; Ausschluss der Frauen => Anfänge der “toxischen Männlichkeit”
  • Sesshaftwerdung als umfassende Katastrophe für das egalitäre System: um die Gemeinschaft in Hungerzeiten zu ernähren, griffen die Frauen auf die arbeitsintensive und mühsame Verarbeitung von Grassamen zu Nahrung zurück und sicherten so das Überleben – zu ihrem eigenen Nachteil
  • diese o.g. Überlebensstrategie in Verbindung mit der Sesshaftwerdung bezahlten die Frauen bitter: mehr Arbeit, erhöhte Geburten- und damit Sterberate der Frauen => intensive Arbeitsbelastung durch Nahrungsanbau und -verarbeitung und Kindererziehung, sowie ständige Schwangerschaften und Geburten schwächten die Frauen; geringere Lebenserwartung der Frauen um ca. 2 Jahre, während die der Männer um ca. 2 Jahre stieg
  • die Männer verloren mit der Sesshaftwerdung ihre Reputation als Großwildjäger (s.o.) => neue Reputationsmöglichkeit: Umschwenken auf Raubzüge und das Jagen von Menschen => Krieg und Herausbildung des toxischen Kriegerethos, Ausbildung exklusiver (= alle anderen ausschließender) Männerbünde
  • durch das Sesshaftwerden konnte Besitz angehäuft werden => Verteidigung des Besitzes wurde notwendig => Männer schienen für diese Aufgabe besser geeignet
  • Beginn der ungerechten Besitzverteilung => Herausbildung von Hierarchien mit despotischen Herrschern, die ihre Macht mit riesigen Frauenharems unterstrichen => Frauenmangel bei der übrigen Bevölkerung => Frauenraub
  • das frühere System, dass der Mann zur Frau zog, wurde ersetzt durch das System, dass die Frau zum Mann zieht (s.o. Verteidigung des Besitzes) => Ausgleich der fehlenden Arbeitskraft der Frau durch einen Brautpreis und damit einher gehend die allmähliche Verdinglichung und Entwertung der Frau als Mensch; außerdem wurde sie so ihrer sozialen Netzwerke und insgesamt ihrer sexuellen Freiheit beraubt, um die männliche Erblinie sicherzustellen
  • die Religion von oben (v.a. die monotheistischen Religionen) bekämpft erbittert die Religion von unten und trägt bis heute zum Patriarchat entscheidend bei
  • Jesus war ein Frauenfreund und von Frauen Gesalbter (christos = Gesalbter) und trat (im Sinne der Jäger und Sammler) für Egalität und Diversität ein => das Christentum paulinischer Ausprägung wurde seines Ursprungs entfremdet, an patriarchale Systeme angepasst (Griechen, Römer) und hatte somit nicht mehr viel mit den von Jesus gepredigten Werten gemein (Vermutung der Autoren, dass das ursprüngliche Christentum ausgestorben ist) => Dämonisierung der Religion von unten und damit übelste Dämonisierung der Frau und der Sexualität der Frau bis hin zu den Hexenverfolgungen; Übertragung der männlichen sexuellen Triebhaftigkeit auf die Frau, die damit zum unverschuldeten Sündenbock für mangelnde männliche Kontrolle über deren eigene männliche Sexualität wird (Auswüchse des Zölibats)
  • Eva muss jahrtausendelang als Sündenbock für die angebliche Sündhaftigkeit der Frau und deren damit einhergehende Unterdrückung und Entwertung bis hin zur Entmenschlichung herhalten => ugaritischer Ausgangsmythos, den die biblische Paradiesgeschichte für patriarchalische Zwecke umdeutete und zweckentfremdete, schrieb der Frau eine menschenrettende Rolle zu; Eva stammt exegetisch gesehen von “hawwah” (Titel, der bereits für Göttinnen wie Aschera benutzt wurde)
  • “Es ist wichtig, sich vor Augen zu führen: Wir haben es mit keiner schlagartigen Revolution zu tun, sondern mit einem langen, sich selbst verstärkenden Prozess.” Und diesen Prozess nennen die Autoren “Patrix”, abgleitet von dem Film “Matrix”, um die vielen Schleier zu verdeutlichen, hinter denen das Patriarchat die egalitären und frauenfreundlichen Ursprünge versteckt und seine eigene Ideologie als die einzig Wahre und angeblich von Gott oder der Biologie gewollte Ordnung darstellt; der Ursprung aber sind weibliche Gottheiten und die Biologie ist nur als Anlage von Möglichkeiten zu begreifen, die nicht genutzt werden müssen; Kultur dagegen ist – mithilfe der Schrift und vorher durch Göbekli Tepe im wahrsten Sinn des Wortes – zum Vorteil der Patrix in Stein gemeißelt und damit Ungerechtigkeiten dauerhaft festgeschrieben worden
  • Kultur kann aber verändert und damit der Patrix die Basis entzogen werden!

Reden, diskutieren, Ungerechtigkeiten ans Tagesicht holen – nicht schweigen!

Diese Zusammenfassung kann nur ganz grob die Ergebnisse der Forschung wiedergeben, die die beiden Autoren in ihrem Buch ebenfalls nur zusammenfassen und andeuten können. Es lohnt sich, die mittlerweile wachsende Literatur zu dem Thema zu sichten!

Die Autoren bezeichnen die Patrix immer wieder als katastrophale Verirrung, da es eigentlich genügend menschen- und umweltfreundlichere Angebote gab, mit denen alle Lebewesen des Planeten deutlich besser gefahren wären. Ihnen ist es ein Anliegen, die Strukturen der Patrix aufzudecken, um sie zu entschleiern und ihr den Boden unter den Füßen wegziehen zu können. Und das ist ihnen auf jeden Fall gelungen! Ich hatte beim Lesen immer wieder ein “Aha!”-Erlebnis in der Form “So ist das also!”

Ich hoffe, dass dieses Buch eine breite Verbreitung findet, denn es ist extrem wertvoll! Aber auch hier wird wieder die Patrix greifen: Wenn es schon in seiner Veröffentlichung nicht verhindert werden kann, versucht man es zu ignorieren und totzuschweigen. Schweigen und verschweigen darf frau und mann aber auf keinen Fall, wenn es tatsächlich zu einem für alle Menschen und Lebewesen besseren Zukunft kommen soll. Denn das Bild, das die Patrix sowohl von der Frau als auch vom Mann zeichnet, ist eindimensional und für beide Geschlechter extrem toxisch. Weder mit dem feindlichen Frauenbild noch mit dem toxischen Männerbild lässt sich gesund leben, für keine der Geschlechter. Es schließt Diversität aus und damit den Großteil der weiblichen und männlichen Menschheit. Geschlechter, die dazwischenstehen, sowieso, ebenso diverse Formen der Sexualität. Gerade die negativen Seiten des Patriarchats für die Männer hätte ich gern in dem Buch nicht nur angedeutet, sondern ausformuliert, um zu verdeutlichen, dass die Patrix eben auch dem Großteil der Männer schadet. Die menschenverachtende Dimension der Patrix für die Frau bis in unsere Zeit hinein ist dagegen ausführlich dargestellt worden.

Fazit

Das Buch zeigt verständlich, systematisch und unterstützt durch wiederkehrende Wiederholungen der wichtigsten Ergebnisse einprägsam und heilsam auf, wie die Verirrung des Patriarchats entstand, welche Schäden sie anrichtete und immer noch anrichtet und wie man die Schleier, die das Patriarchat entgegen erbitterten Widerständen weben musste, um sich an der Macht zu halten, lüften kann – hin zu einem besseren, gerechteren Leben für alle!


Illustrated by Rowohlt

Lucky Luke 100: Die Ursprünge – Western von Gestern
by Morris

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Tom und sein Vater haben reichlich Gold gefunden und wollen ihren Fund in der Bank deponieren. Cheat und seine Bande haben Wind davon bekommen und überfallen die Kutsche, die den Schatz transportieren soll. Tom holt Lucky Luke zu Hilfe. Der rettet nicht nur Toms Vater aus einer lebensgefährlichen Situaton, sondern bleibt auch in einer abenteuerlichen Jagd Cheats Gehilfen Big Belly und Mestizo auf den Fersen.

Die Goldmine von Dick Digger

Lucky Lukes Freund Dick Digger, der Goldgräber, verrät in Saloon, dass er Gold gefunden hat. Das bekommen Big Belly und Mestizo mit. Sie beschließen, Dick die Nuggets zu stehlen. Nach einer deftigen Prügelei mit dem alten Dick gelingt ihnen der Raub. Später entdecken sie, dass sie nicht nur die Nuggets, sondern auch die Wegbeschreibung zur Goldmine gestohlen haben. Lucky Luke macht sich auf, die beiden Räuber zu stellen und damit den Ruin von Dicks Familie abzuwenden.

75 Jahre Lucky Luke

Pünktlich zum 75-jährigen Jubiläum der Comicserie Lucky Luke wartet Ehapa mit vielen Schmankerln für Fans auf: Im März macht den Auftakt das vorliegende 100. Album mit den beiden allerersten Lucky-Luke-Comics. Das Cover wurde vom aktuellen Zeichner Achdé entworfen und zeigt schön, wie sich der Held entwickelt hat. Parallel dazu präsentiert die erste Seite Jolly Jumpers Entwicklung. Der 100. Band kommt mit einer Goldprägung im Titel daher. Das Album ist sowohl als Soft- als auch als Hardcover zu den üblichen Preisen erhältlich. Als Extra ist im Band ein kurzer Lebenslauf des Künstlers Morris abgeduckt. Allerdings hätte ich mir etwas mehr Extras im Album erhofft, auch bzgl. der Hintergründe zu den Ursprüngen.

Die Zeichnungen sind noch weit entfernt von dem, was man heute als Lucky Luke kennt. Sie sind typisch für die Entstehungszeit und fallen durch sehr einfache v.a. runde/ovale Formen der Figuren auf. Außerdem sind die Zeichnungen sowohl von den Figuren als auch von den Hintergründen und Farben einfach gehalten und nicht so detailliert wie später üblich. Der Held selbst ist kleiner als heute. Aber schon von der ersten zur zweiten Geschichte stellt man zeichnerische Unterschiede fest: Der Held bekommt etwas mehr Konturen, wirkt nicht mehr ganz so rund, obwohl sein Kinn sehr ausladend ist. Auch Jolly Jumper wirkt ausgestalteter. Insgesamt kommen mehr Details und mehr Formen in die Zeichnungen, sodass nicht mehr nur die geometrischen Grundformen genutzt werden.

So einfach gestrickt wie die Zeichnungen sind auch die ersten Abenteuer, die anstatt der Daltons eine Banditenbande rund um den Chef Cheat als Gegenspieler Lukes in den Fokus rückt. Trotzdem funktioniet der einfache Storyaufbau mit Spannungskurve durch die Gegenspieler und durch die Actionszenen gut.

Fazit

Die ersten Abenteuer Lucky Lukes sind aufgrund des für heutige Augen ungewohnten Zeichenstils etwas gewöhnungsbedürftig, aber die insgesamt einfachen Zeichnungen und Geschichten funktionieren aufgrund des Gut-Böse-Schemas und der Action. Für Fans auf jeden Fall eine Bereicherung der Sammlung, denn Ursprünge zu kennen und die Entwicklung zu verfolgen ist an sich schon spannend. Etwas mehr Extras wären aber schön gewesen.


Genre: Comic
Illustrated by Egmont Ehapa