Unterwegs

Ein Kultroman

Als bedeutendster Vertreter der «Beat-Generation» hat Jack Kerouac mit seinem 1957 veröffentlichten Roman «Unterwegs» das wichtigste Werk jener neuen, Ende des Zweiten Weltkriegs der «Lost Generation» nachfolgenden, literarischen Strömung geschaffen. «On the Road», wie der schon 1951 entstandene Text im Original heißt, mit dem ihm dann auch sein literarischer Durchbruch gelang, gilt seither geradezu als Proklamation der Beatniks, zu denen neben Literaten wie Allen Ginsberg oder William S. Burroughs auch Jazzmusiker wie Chet Baker gehörten. In der Literaturgeschichte ist der US-amerikanische Autor damit unbestritten stilprägender Wegbereiter dieses rein emotional gesteuerten, durch flirrende Unstetigkeit und radikale Subjektivität gekennzeichneten, originären Sprachstils, der übrigens weitreichende Wirkungen hatte auf eine Vielzahl von anderen Schriftstellern und sogar Musikern. Als Anekdote sei angemerkt, dass Jack Kerouac das Manuskript seines Romans dem Verlag nicht als Papierstapel, sondern als eine der jüdischen Thora nachgebildete, vierzig Meter lange Rolle aneinander geklebter, eng beschriebener Papierbögen übergeben hat. Eben jene legendäre Rolle wurde dann 2001 bei Christie’s für 2.426.000 Dollar versteigert, weit mehr als der finanziell notorisch klamme Autor für sein gesamtes Werk je erhalten hat.

Der stimmige Titel dieses für den Spielfilm «Easy Rider» als Vorlage dienenden, stark autobiografisch geprägten Romans weist bereits sehr treffend auf dessen Inhalt hin, ähnlich einem Roadmovie nämlich dient hier die Strasse als Bühne für die Handlung. Der als paranoid-schizophren geltende Jack Kerouac hat darin eigene Erlebnisse seiner turbulenten, unangepassten Jugendjahre verarbeitet, die durch rastlose Reisen geprägt waren, in denen Alkohol, Sex und Drogen, aber auch harter Jazz in Form des Bebops das Geschehen bestimmten. Zentrale Figur des aus der Ich-Perspektive eines angehenden Schriftstellers namens Sal Paradise erzählten Romans ist Dean Moriarty, eine weitgehend seinem oft als irre angesehenen bestem Freund und Studienkollegen nachempfundene Figur, die im Buch ebenso dominant ist, wie es ihr Vorbild im realen Leben für den Autor selbst war. Der reisewütige Romanheld fährt allein oder mit seinem verrückten Freund zusammen kreuz und quer durch die USA, von der Ostküste an die Westküste, von Nord nach Süd, sie landen am Ende schließlich, auf ihrem letzten Trip, in Mexico. Meist sind sie im Auto unterwegs, sie trampen und lernen dabei skurrile Menschen kennen, benutzen gestohlene Autos oder finden für wenig Geld einen Platz bei einer Mitfahrerzentrale, sie springen auf Güterzüge auf und verstecken sich in den Bremserhäuschen, und wenn sie mal Geld haben benutzen sie die berühmten Greyhound-Busse.

Auf diesen abenteuerlichen Reisen erleben wir als Leser eine endlose Reihe von Saufgelagen, wilden Partys und Weibergeschichten der beiden Außenseiter, die unangepasst aus ihrer wirren, verqueren Perspektive heraus die gesellschaftlichen Regeln verächtlich als für sie nicht existent ansehen, sie bedenkenlos ignorieren. Unübersehbar aber steckt hinter dieser Absage an jedwede soziale Norm die verzweifelte Suche der jungen Männer nach Lebenssinn. Ihre provokante Aufmüpfigkeit und hedonistische Rücksichtslosigkeit soll ihre tief sitzenden Ängste vor der philosophisch nicht widerlegbaren Sinnlosigkeit unserer Existenz überdecken.

Geradezu ekstatisch, aber journalistisch knapp erzählt Jack Kerouac in diesem berühmten Kultroman, er bedient sich dabei einer klaren, in den Dialogen wunderbar stimmig dem Jugendslang angepassten Sprache. Und vermag damit seine durchgeknallten Figuren überzeugend plastisch zu zeichnen und sehr anschaulich Bilder der grandiosen Landschaften herauf zu beschwören. Nach einem Drittel des Romans aber stellt sich dann eine gewisse Langeweile ein, es passiert nichts wirklich Neues mehr, und das trübt denn doch ein bisschen den Lesegenuss. Trotzdem lohnt sich diese Lektüre allemal!

Fazit: lesenswert

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Genre: Roman
Illustrated by Rowohlt