Eigensinn – was ist das eigentlich, fragt Autorin Maria Almana. Gelegentlich hören wir von eigensinnigen Kindern, auch eigensinnige Jugendliche sind vor allem in der Pubertät keine Seltenheit. Der »Trotzkopf« galt lange als Standardbegriff für aufbegehrende junge Menschen, die erst geformt und dann gebrochen werden sollten. Erwachsene, die eigensinnig sind, werden hingegen weit seltener erwähnt. In der Altersgruppe der Senioren spricht man dann wohl eher abwertend von »seltsam« oder »verschroben«.
Maria Almana verfasste ihr Buch, um sich selbst die Frage zu beantworten, wie »wir« uns »gegen diese Reste von Vorwurf wappnen« können. Sie unterstellt damit dem Leser ebenso wie sich selbst eine gehörige Portion Eigensinn.
Erkunden will die Autorin die Grundlagen des Eigensinns, seine Geschichte, seine Auswirkungen und Anwendungsmöglichkeiten. Es klingt akademisch, und bildet damit für den Leser, der vielleicht einen federleicht geschriebenen Ratgeber hinter dem Cover vermutet, ein schwieriges Feld. Die Autorin weiß das. Sie versucht deshalb, ihre theoretischen Exkurse aufzulockern mit der spielerisch verstandenen Frage an den Leser: »Wie eigensinnig sind sie eigentlich?«
Rasch schwenkt Maria Almana den Fokus ihrer Betrachtungen auf das Schreiben und Gestalten von Büchern. In Hermann Hesse, dem Kultautor der Hippie-Generation (»Steppenwolf«, »Siddharta«, »Glasperlenspiel« u.v.a.) entdeckt sie einen Botschafter des Eigensinns. Hesse sei beispielhaft für die Entwicklung von Eigensinn als Antwort auf Anpassungszwänge, welche die individuelle Freiheit bedrohen. Letztlich gehe es bei dem Thema um die positive Balance zwischen Eigen- und Gemeinschaftssinn, zwischen Individuation und Anpassung.
Am Beispiel Hesses macht die Autorin aber auch auf Risiken und Nebenwirkungen des Eigensinns aufmerksam. Diese bestehen in einem Übermaß an Individuation, was neben der Sonderstellung zu Einsamkeit und Alleinsein führen kann. Gleichzeitig eröffnet Eigensinn trotz seines eher schlechten Rufs Chancen für ein selbstbestimmtes Leben in seelischer Stabilität.
Letztlich geht es bei dem Thema um die spielerische Entwicklung der jedem Individuum innewohnenden Kräfte und Energien. Diese Selbstfürsorge kann unbewusste Kräfte freisetzen, die darauf zielen, was Nietzsche in seinem Satz »Werde, der du bist« postuliert.
Maria Almanas Werk über die Grundlagen, Vorbilder und Nutzen des Eigensinns bildet den ersten Teil einer auf drei Bänden geplanten »Trilogie des Eigensinns«. Es bietet eine fundierte Zusammenfassung der verschiedenen Aspekte und Theorien zum Stichwort und liest sich spannend und abwechslungsreich. Insofern ist es ein wichtiges Buch.
Schade ist, dass sich die Autorin thematisch auf die Kunst des Schreibens reduziert und dabei wiederum auf das Selfpublishing kapriziert. Denn abgesehen davon, dass manchen Selfpublishern jede kritische Selbstreflektion fehlt, gibt es doch auch weitere Künste, in denen der Eigensinn eine wichtige Rolle spielt, es seien nur Malerei, Musik und Theater erwähnt.
Der Eigensinn ist eine entscheidende Charaktereigenschaft jedes schöpferischen Individuums und durchzieht nicht nur die Künste, sondern auch die Natur in ihrer Vielfalt und Ausprägung. Es ist das Verdienst Maria Almanas, das Stichwort anzusprechen, theoretisch zu beleuchten und damit zu einem wichtigen Thema zu erheben.
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Ach Rupi,
JA!!!
Du sagst: “Schade ist, dass sich die Autorin thematisch auf die Kunst des Schreibens reduziert und dabei wiederum auf das Selfpublishing kapriziert. Denn abgesehen davon, dass manchen Selfpublishern jede kritische Selbstreflektion fehlt, gibt es doch auch weitere Künste, in denen der Eigensinn eine wichtige Rolle spielt, es seien nur Malerei, Musik und Theater erwähnt.”
Ganz ehrlich? Finde ich selbst auch! Wollte ganz simpel einen Fokus setzen. Meinen Fokus. Auf das, was ich nachweislich kann. Und sicher weiß.
Wenn jetzt noch andere Menschen kämen, die sich mit dem Eigensinn in Malerei, Musik und Theater beschäftigen, wäre ich mehr als glücklich.
So bin ich “nur” glücklich über deine Rezension. Denn ich fühle mich verstanden. Und mehr geht doch eigentlich gar nicht, oder?! (Lustigerweise hab ich beim Schreiben oft an das von dir erwähnte Nietzsche-Zitat gedacht … Aber ich bin mir bei dem Mann nie sicher, ob ich wirklich verstehe, was er sagen will. Darum kommt er nicht vor. Auch das ist Eigensinn: Für mich macht es wenig Sinn, über Dinge zu schreiben, bei denen ich unsicher bin. Zumindest nicht in einem Sachbuch. In Blogs oder Romanen sieht das anders aus …)
DANKE DIR!
Maria
Das Nietzsche-Zitat passt aus meiner Sicht genau. Ich hatte »Werde, der du bist« zwanzig Jahre lang am Klingelbrett meines Hauses eingraviert, bin aber selten darauf angesprochen worden. 😉
Ohne Eigensinn flatterst du durchs Leben wie ein Blatt im Winde, getrieben nach hier und dort ohne eigenes Ziel und Willen. Ohne Eigensinn bist du der ideale Untertan. Und wer will das schon sein?
Perfekt!!!
Darf ich das bei Gelegenheit zitieren?
Herzlichen Gruß
Maria
Aber gerne!