Es scheint in jüngerer Zeit aus Marketinggründen spannend zu sein, wenn sich zwei im selben Gewässer fischende Autoren zusammentun, um in Gemeinschaftsarbeit einen Krimi zu schreiben. Waren es bei dem legendären Autorenpaar Maj Sjöwall und Peer Wahlöö, das den sozialkritischen Schwedenkrimi begründete, Eheleute, so finden inzwischen einander ursprünglich unbekannte Autoren über Thema und Verkaufscharts zueinander. Möglich werden derartige Experimente durch das verlagsunabhängige Publizieren und durch flexible Verlage, die beide Autoren unter Vertrag nehmen.
Das Autorenduo Bergsma/Johannsen fischt höchst erfolgreich in der Nordsee, die bei ihnen bevorzugt zur Mordsee wird. Elke Bergsma hat bislang unter ihrem Klarnamen mehr als zwei Dutzend Ostfrieslandkrimis herausgebracht, deren Haupthelden die Kriminalisten Büttner und Hasenkrug sind. Anna Johannsen, die forschere Figuren entwirft, widmete ihrer Hauptkommissarin Lena Lorenzen bislang fünf Bände, die in Nordfriesland spielen.
Beim gemeinsamen Erstling „Juister Mohn“ treffen nun die jeweiligen Haupthelden Büttner und Lorenzen aufeinander. Hauptkommissar Büttner stellt anstehenden Ermittlungen eine ausgedehnte Mahlzeit voran und würde lieber mit seiner Frau in den Spanienurlaub reisen, statt in einem Tötungsdelikt zu ermitteln. Die junge Beamtin Lorenzen hingegen brennt für ihren Job und präsentiert sich als selbstbewusst und zielstrebig agierender Ermittler. Durch einen kleinen Kunstgriff treffen die beiden Kommissare aufeinander: Ein Doppelmord auf Sylt weist Parallelen zu einem ähnlichen Verbrechen in St. Peter Ording auf, für das Lena Lorenzen zuständig ist.
Die beiden ermitteln mit Unterstützung des Ortspolizisten in alle Richtungen und stoßen schnell auf einen Zusammenhang zwischen der blutigen Tat und dem Thema Drogen. Als noch Aspekte wie Prostitution und Erpressung hinzu kommen, wird es kompliziert und einige Einwohner der von Orkanen und Hochwassern wiederholt überfluteten und zerrissenen Sandbank namens Juist kommen in Verdacht.
Ermittelt wird recht unkonventionell. Es gibt diverse Verdächtige, die sämtlich ohne Anwalt (ja, selbst auf Juist finden sich niedergelassene Advokaten) zu den teilweise mehrfach am Tag stattfindenden Befragungen erscheinen und sich in Widersprüche verwickeln. Schnell sind Durchsuchungsbeschlüsse zur Hand, die Staatsanwaltschaft auf dem Festland arbeitet offenbar Tag und Nacht, da könnten sich Strafverfolgungsbehörden in anderen Ländern eine dicke Scheibe abschneiden.
Erzähltechnisch wird der gesamte Roman von Dialogen vorangetrieben. Es gibt keine Verfolgungsjagden, Handgemenge, Schießereien, um die Spannung zu erhöhen, es fehlt auch jeder rhetorische Klimax. Die Handlung schnurrt sauber voran, es geht im Kern um die Frage nach Täter und Motiv. Als dann endlich alles klar ist, wird das Finale nur noch en passant erzählt und lässt Fragen offen. Spannung geht anders.
„Juister Mond“ ist ein Krimi ohne jede Aufregung, eine sanft plätschernde Urlaubslektüre.
Seltsam wirkt bei dem Werk der Verzicht auf jegliches Lokalkolorit. Es wird zwar erwähnt, dass Büttner ein Reetdachhaus betritt, aber über die Architektur, die Gebäude, Straßen, Läden und Lokale des Eilands erfährt der Leser ansonsten nichts. Es gibt keine inseltypischen Geräusche, kein Vogelgeschrei, keine heimischen Speisen, Landschaften oder sonst etwas, das Juist ausmacht. Fast wirkt es, als wären die Autoren selten auf der Insel gewesen …