In ihrem Roman »Solange es Liebe gibt« nutzt Hanni Münzer die Technik der Rückwärtserzählung. Diese retrograde Erzählweise lässt sie zwischen den Generationen einer Familie springen, statt temporal-kohärent zu berichten. Das macht die Lektüre richtig spannend.
Erzählt wird die Geschichte zweier Familien, die, der Leser ahnt es natürlich, miteinander verwachsen sind. Da gibt es auf der einen Seite die zwölfjährige Metzgerstochter Klara, die in der Zeit der Machtergreifung als unwillkommenes Mädchen in einer Familie aktiver Nazis aufwächst. Sie verliebt sich in den jungen Erben einer Kaffeerösterdynastie, der für sie jedoch unerreichbar ist. Unverdrossen stalkt sie den Fünfzehnjährigen und versucht, seine große Liebe zur wunderschönen Jüdin Flora zu zerstören, um ihn für sich zu gewinnen.
Rund hundert Jahre später erlebt eine glückliche junge Frau ein schockierendes Drama: Ihr Mann und ihre beiden Zwillinge kommen bei einem Autounfall ums Leben. Der Alltag entgleitet der erschütterten Witwe, sie stürzt ab und landet auf der Straße. Jede Begegnung mit Menschen ist ihr ein Gräuel. Da wird sie zu allem Überfluss mit dem Tod ihres Vaters und einem komplizierten Erbe konfrontiert. Anfangs will sie davon nichts wissen, doch allmählich wird ihr die in sie gesetzte hohe Erwartung der Belegschaft bewusst.
Durch das Springen zwischen den Generationen schafft es die Autorin, den Faktor Zeit zur wesentlichen Determinante des Geschehens zu erheben. Diese Technik zieht den Leser in den Sog der Familiensaga, will er doch die teils düsteren Zusammenhänge kennenlernen. Damit spart Hanni Münzer dann auch nicht, auf ihrer Bühne werden menschliche Abgründe ebenso wie die Wucht der Leidenschaft gezeigt.
Über allem schwebt bei Hanni Münzer das Prinzip der universellen Liebe. Die Autorin verwendet den Begriff vielschichtig, es geht um die Liebe zum Tier, zur Natur, zum Leben und zum Partner. Wie schon in ihrem Roman »Solange es Schmetterlinge gibt«, ist auch »Solange es Liebe gibt« ein Roman, der Frauen in ihrer persönlichen Entwicklung zeichnet und ihnen eine eigenständige und selbstbewusste Entfaltung zuschreibt. Die in beiden Titeln verwendete Konjunktion »solange« macht dabei den Zusammenhalt der Bände deutlich, die jeder einzeln bestehen kann.
Durch die retrograde Erzählweise vermag die Autorin auch, Spannung aufzubauen. Denn bald zeigt sich, dass der erste Schein trügt und Menschen zu Raubtieren werden können, wenn sie von Gier und Neid angefressen werden. So werden vermeintliche Helfer zu Gegnern, und es entsteht der zusätzliche Wirbel einer Kriminalgeschichte.
Hanni Münzer liebt es, Assoziationsketten, die ihren Protagonisten durch den Kopf zischen, nachvollziehbar darzustellen. Da wandert das Mädchen Julie durch ihre Wohnung, sammelt Spielsachen auf, erbeutet auf ihre Schnitzeljagd eine Socke ihres Mannes auf seinem alten Klavier und ein zerknülltes Star-Wars-T-Shirt, das es unter die Couch geschafft hat. Ihr Mann hatte am Tag davor danach gesucht und sogar den Wäschekorb auf den Kopf gestellt. So fällt ihr ein, dass es noch Hausarbeit zu erledigen gibt.
Aus dem Wäschekorb purzelt ihr nun ein Kinder-Überraschungs-Ei vor die Füße, das ihr heiß geliebter Mann dort für sie vergrub. Er weiß um ihre Schwäche in Sachen Schokolade und hatte bereits Jahre vorher seinen Antrag als Ring im Inneren eines Schokoladeneises deponiert. Seitdem taucht immer wieder ein Ei mit einer Liebesbotschaft auf, es war zu einem Ritual geworden.
So wie Hanni Münzer diese Szene schreibt, läuft ein Film im Kopf des Lesers ab. Dieser Roman schreit direkt nach Verfilmung. Die Autorin liefert schließlich das Storyboard im Fließtext mit.
Auch in dieser Kunst gründet Münzers verdienter Erfolg, eine der meistgelesenen AutorInnen im deutschsprachigen Raum zu sein.
Die Dramatik des Geschehens eröffnet im Finale viele Möglichkeiten. Dass es zu einem vollständigen Happy-End kommt und das Gute über das Böse siegt, ist der Persönlichkeit der Autorin geschuldet. Hanni pflegt das positive Denken und lässt es in ihren Romanen gern durchscheinen. Mir war das des Guten zu viel, aber ich bin auch keine Zielgruppe für den Roman.
Mit ihrem Roman »Solange es Liebe gibt …« beweist die erstaunliche Hanni Münzer erneut, was in ihr steckt. Der Titel ließe sich programmatisch mit »… solange gibt es Wunder« im Sinne der Autorin ergänzen.
Hanni Münzer, deren Bücher bereits ein Millionenpublikum begeistern, schreibt sich mit diesem Roman im Format des österreichischen Romanciers Johannes Mario Simmel in die erste Liga der AutorInnen spannender Gesellschaftsliteratur, denen klischierte Trivialität fremd ist.