„Die körperliche und geistige Entwicklung, die Konzentrations- und Leistungsfähigkeit sowie die Widerstandskraft gegenüber Krankheiten werden entscheidend beeinflusst durch das, was Kinder essen und trinken. Das gilt für Kinder und Erwachsene gleichermaßen. Gesund und fit bleibt man in aller Regel mit einer vollwertigen Ernährung.“ (S. 19)
Der Energiebedarf der Kinder ist höher als der der Erwachsenen. Kinder weisen im Unterschied zu Erwachsenen intensive und schnelle Stoffwechselvorgänge auf. Diese entstehen durch Wachstum und Bewegungsdrang. Normales Wachsen heißt, dass es mal in die Breite, mal in die Länge geht. Diese natürlichen Wachstumswellen sollten Eltern laut Verbraucherzentrale berücksichtigen, bevor sie sich unnötige Sorgen um ihr Kind machen.
Das beliebte Buch der Verbraucherzentrale, das mittlerweile in der 14. Auflage vorliegt, behandelt ausführlich das Thema gesundes Essen für Kinder und alle wichtigen und von Eltern gestellten Fragen, die damit zusammenhängen. Außerdem gibt es Hilfen an die Hand, das Essen in der eigenen Familie zu analysieren. Die Ernährungspyramide findet ebenso ihren Platz wie zahlreiche Infos rund um alle Lebensmittel (Obst, Gemüse, Speisefette, Öle, Süßigkeiten und Snacks, Fleisch und Fisch, kohlenhydrathaltige Lebensmittel) und einen Exkurs zu Lebensmittelunverträglichkeiten. Das Buch weist auch auf Überflüssiges in der Ernährung hin wie die Kinderlebensmittel und beantwortet die Frage, ob man Süßes überhaupt braucht, wo überall Zucker drinsteckt und welche Alternativen es zu Süßigkeiten und Zucker gibt.
Gesund essen bedeutet auch, mehrere Mahlzeiten über den Tag zu verteilen. Die Verbraucherzentrale empfiehlt für Kinder fünf Mahlzeiten pro Tag: Hauptmahlzeiten und (gesunde) Snacks für zwischendurch. Außerdem gibt sie Tipps und eine Checkliste, wie man nicht optimale Mahlzeiten in der Kita oder Schule zuhause ausgleichen kann.
Auch auf den Einfluss von Werbung auf Kinder geht das Buch ein. Zunächst aber prägen die Essgewohnheiten der Familie das Kind. Es betrachtet alles, was es am heimischen Tisch gibt, als normal. Da liegt die Chance für gesunde Lebensmittel, denn auch diese werden akzeptiert und dadurch kann z.B. eine nicht ausgewogene Ernährung in Schule oder Kita ausgeglichen werden. Supermärkte und Bäckereien auf dem Schulweg verleiten zu ungesundem Essen, sodass das selbstgemachte Brot evtl. in den Mülleimer wandert. Leider sagt die Verbraucherzentrale nicht, wie man dem begegnen soll. Aber für mich gibt es eine einfache Lösung: dem Kind für sowas und für einen ungesunden Kiosk kein Geld mitgeben. Die Werbung ist penetrant und so prägen sich Markennamen ein, die dann bevorzugt gekauft werden. 60% der Webseiten zur Vermarktung von Lebensmitteln enthalten Elemente, die besonders Kinder ansprechen sollen und per Handy, dass z.T. schon Sechsjährige haben, abrufbar. Auch hier sagt die Verbraucherzentrale nicht, wie man dem begegnen kann. Aus meiner Erfahrung heraus hilft es, dem Kind ein einfaches Handy mitzugeben, mit dem es anrufen kann und erreichbar ist, aber sonst nichts kann. Außerdem schaut mein Sohn wenig Fernsehen, sondern wir haben DVDs. Damit kann man zumindest anfangs die Werbeflut eindämmen. Ich habe ihm auch kindgerecht erklärt, dass Werbung nur darauf aus ist, Geld zu machen. Auch die CD „Ich weiß was“ Albert E. erklärt, wie Werbung wirkt“ ist hilfreich gewesen.
Anhand von Tabellen wird auch gezeigt, was und wieviel Jungen und Mädchen an Energiebedarf brauchen. Kinder konsumieren lieber Süßigkeiten, Softgetränke, Fleisch und Wurst anstatt Obst, Gemüse, Kartoffeln und Brot, obwohl sie mittlerweile über ein recht gutes Ernährungswissen verfügen. Deshalb ist es laut Verbraucherzentrale wichtig, gute Ernährungsgewohnheiten zu entwickeln, um Zivilisationskrankheiten vorzubeugen. Das kann ich bestätigen, denn nach meiner Erfahrung an meinem eigenen Körper kann Essen nicht nur krank machen, wenn man ungesund isst, man kann sich mit entsprechendem Essen auch wieder heilen oder zumindest den Zustand verbessern. Das scheint allmählich auch bei manchen Ärzt*innen anzukommen, wobei aber die Krankheitsindustrie dem entgegenwirkt: Sie will Krankheiten verwalten, anstatt zu heilen, weil die Verwaltung mehr Geld abwirft und hinter dem Ganzen eine große Pharmaindustrie steckt, die ihre Produkte verkaufen will. Da passt gesundes Essen nicht in Budget. Diesen Aspekt vermisse ich ebenfalls in dem Buch, denn Erwachsene sind Vorbilder und sollten um solche Dinge ebenfalls wissen.
Umso wichtiger ist es also, dass Kinder lernen, wie gesundes Essen schmeckt, und sich daran gewöhnen. Nahrungsergänzungsmittel sind also normalerweise nicht nötig. Das Kind kann an gesundes Essen durch ansprechende Darbietung und durch Mithilfe beim Kochen herangeführt werden, außerdem durch eine schöne, entspannte gemeinschaftliche Zeit am Tisch. Das sind gute Ansätze, die die Verbraucherzentrale empfiehlt. Sie sagt allerdings nicht, was man tun soll, wenn das Kind auf gesundes Essen oder diese Empfehlungen nicht oder nur wechselhaft anspricht. Mein Kind hat und hatte definitiv nicht immer Lust auf Mithilfe beim Kochen. Brot ist nach wie vor eine schwierige Sache, selbst wenn ich selbst backe. Es war gerade in den ersten Jahren sehr schwierig, ihn überhaupt zum Essen zu bewegen. Leider verschweigen Hebammen gern, dass das Stillen (neben einigen anderen unangenehmen Effekten für die Mutter) auch den Effekt haben kann, dass sich gestillte Kinder nicht so gern an Breikost gewöhnen lassen wollen. Genau das ist mir passiert. Es wurde erst besser, als er in der Kita essende Kinder gesehen hat. Aber auch dann hatte ich damit zu kämpfen, dass er – egal, was es gab, und ich koche wirklich gut und vielfältig! – er „Bäh!!!“ gerufen hat, sobald er sah, was ich gekocht habe. Selbst wenn ich ein Wunschessen umgesetzt habe, wollte er davon wenig bis nichts. Und mit den Rezepten für Brotaufstriche in dem Buch brauche ich ihm bis heute nicht zu kommen, obwohl er mittlerweile durch viel jahrelange Mühe meinerseits mehr und auch gesünder isst. Nach einer Umfrage unter anderen Müttern entdeckte ich, dass es ihnen ganz oft ähnlich erging. Sogar die Köchin in der Kita, deren Essen meinem Sohn schmeckte, meinte, dass ihr Kind ihr Essen oft nicht mag. Was also tun bzgl. dieses Phänomens? Und dem Phänomen, dass in der Kita oft ca. die Hälfte des Essens weggeworfen wird, weil auffällig viele Kinder regelmäßig nicht oder nur wenig essen wollen? Es gab sogar Kinder, die lieber unterzuckern als zu essen. Was tun mit solchen Kindern? Und die sind gar nicht so selten. Leider gibt das Buch dazu keine Rückmeldung. Warum Kinder nicht oder nur wenig essen wollen, ist gerade bei Kleineren, die sich noch nicht richtig ausdrücken können, allerdings gar nicht so einfach.
Ein weiterer Aspekt, der mir bei der Lektüre des Buches aufgefallen ist: Eine entspannte Atmosphäre am Tisch zu erzeugen, ist gar nicht so einfach in einer Zeit, in der Arbeitnehmende so viel um die Ohren haben und Arbeitgeber*innen Familien und deren Bedürfnisse nur unzureichend bis gar nicht berücksichtigen. Deutschland tut so, als würden Familien entweder nicht existieren oder trotz der erheblichen Mehrbelastung durch Kinder wie Nicht-Familien arbeiten können. Das ist aber nicht der Fall. Entsprechend angespannt ist das Klima auch außerhalb der Arbeit, weil die To-Do-Liste lang ist. Da braucht es deutlich familienfreundlichere Strukturen, damit eine gemeinsame Mahlzeit, dazu auch noch entspannt, tatsächlich stattfinden kann. Oder, und damit bin ich beim zweiten Kritikpunkt, man setzt auf konventionelle Strukturen, die gerade Frauen in vielfältiger Weise schaden: Sie bleibt, weil wir immer noch ein Gender-Pay-Gap haben, zuhause oder arbeitet nur halbtags, damit die Kinder versorgt sind. Denn leider – egal, ob sie Vollzeit arbeitet oder dem traditionellen Familienklischee entspricht – bleibt der Löwenanteil der Care-Arbeit und des Haushaltes immer noch an der Frau kleben. Die Dinge, die die Verbraucherzentrale empfiehlt, sind zwar richtig und wichtig, aber sie sind zeitintensiv und bleiben meist am weiblichen Geschlecht hängen. Dazu kommt, dass (zu) viele Männer sich nicht für gesunde Ernährung interessieren und damit kein gutes Vorbild abgeben. Wie also mit diesen zentralen Problemen umgehen?
Und noch ein weiteres Problem: Ungesundes Essen gibt es überall. Es ist enorm schwierig, Kinder davon fernzuhalten – ich fechte diese zusätzlichen Kämpfe nicht aus, da ich sie für wenig sinnvoll erachte. Aus mehreren Gründen: Ein Kind umgeht das Verbot doch irgendwie und dann setzt der „Fressflash“ ein: Es stopft sich mit ungesunden Sachen geradezu voll. Meine Taktik: Ungesundes ja, aber in Maßen und kontrolliert. Was allerdings auch wieder Zeit kostet. Das Kind aber immer von allem fernzuhalten zu versuchen (was eh nicht funktioniert), kostet noch mehr Zeit und Energie. Außerdem kann es vorkommen, dass das Kind bei anderen in eine Außenseiterposition rutscht, wenn man es von allem fernhält. Lieber kontrollieren und es auch beim Essen in die Klassengemeinschaft integrieren als alles Ungesunde verbieten. Aber mein Sohn kennt den Geschmack von gesundem, selbst zubereitetem Essen und bemerkt z.B. in nicht gut geführten Jugendherbergen, wenn das Essen industriell verarbeitet ist und ihm dadurch wenig bis gar nicht schmeckt. Das verbuche ich als Erfolg. Leider finde ich aber auch zu diesem Problem im Buch wenig, außer das Kind an gesundes Essen heranzuführen. Es wird zwar angesprochen, dass ein selbst gemachtes Brot weggeworfen und für ein Bäckerbrötchen ausgetaucht wird, aber nicht, was man dagegen unternehmen soll.
Insgesamt wäre es sinnvoll, nicht vorauszusetzen, dass Eltern ihre Kinder gesund ernähren wollen oder (zeitlich und vom Wissen her) können, sondern bei den Eltern anzusetzen und diese in die gesunde Ernährung einzuweisen. Übergewichtige Kinder sind oft kein Problem der Mittelschicht. Und zu den gesellschaftlichen Strukturen, die eine gesunde Ernährung allenthalben effektiv verhindern können, habe ich oben schon das ein oder andere geschrieben.
Einfach?
„Einfach, schnell und lecker“ ist der Untertitel des Buches. So einfach ist die Sache aber nicht, wenn man sich und seine Familie tatsächlich gesund ernähren will. Da heißt es in mehrfacher Hinsicht regelmäßig Zeit und Geld zu investieren (Mental Load bzgl. Aneignung des Wissens über gesunde Ernährung, gezieltem Einkaufen und dann die Zubereitung an sich) und Überzeugungsarbeit zu leisten. Gesundes Essen ist nämlich teurer als ungesundes – sicherlich von der Industrie auch so gewollt. Auch die Rezepte sind nicht weniger zeitaufwändig oder kinderfreundlicher zuzubereiten als die in anderen Büchern mit gesundem Essen, die ich schon gelesen und ausprobiert habe (und das sind mittlerweile einige). Gerade kleine Kinder können ihren Hunger noch nicht so recht überschauen und sagen bei einer Nachfrage, dass sie keinen hätten, fünf Minuten später aber soll sofort ein leckeres Essen auf dem Tisch stehen. Das beißt sich gerade mit den zeitintensiven Rezepten des Buches.
Zudem sprechen sogar mich einige Rezepte nicht an, v.a. die mit Avocado. Mein Sohn und ich können z.B. der Avocado vom Geschmack her nicht viel abgewinnen; außerdem ist sie nicht klimafreundlich. Andere Rezepte aber habe ich ausprobiert. Die würzigen Paprikafrikadellen sind zwar schmackhaft, zerfallen aber leicht, wohl wegen des Gemüses, das nicht bindet. Der weiße Bohneneintopf aus dem Ofen hat zwar recht wenig Zutaten, ist aber vom Einweich- und Garprozess her sehr zeitaufwändig. Ich habe die Zeit verkürzt, indem ich die Bohnen wie im Tipp angegeben aus der Dose genommen und den Eintopf auf dem Herd gekocht habe (nicht im Tipp). Anders hätte ich das Rezept nie ausprobiert – keine Zeit. Da hilft selbst der Hinweis nicht, dass man das Essen gut für mehrere Mahlzeiten vorbereiten und einfrieren kann. Allerdings finde ich die Tipps bei den Rezepten generell gut, da sie das Repertoire rund um das Rezept erweitern. Mit Kürbisrezepten habe ich generell meine Not, da Kürbisse sehr schlecht zu schneiden sind – sie verhalten sich fast wie Holz beim Schneiden. Leider gibt es dazu keine Tipps in den Rezepten, auch in diesem Buch nicht. Ich bin dazu übergegangen, den ganzen Kürbis erst einmal in Wasser ca. ¼ Stunde lang zu kochen, weil er so weicher wird und damit besser zu schneiden ist. Das funktioniert allerdings nur bedingt, wenn man die Kürbiswürfel anbraten soll wie im Rezept „Heiß geliebte Kürbislasagne“.
Viele der Rezepte finde ich aber auch ohne begleitendes Foto ansprechend. Mehr Fotos wären trotzdem wünschenswert gewesen, denn diese kann man auch den Kindern zeigen und ihnen das Essen damit schmackhaft machen. Insgesamt aber sind die Rezepte auch vom Ausprobieren her gut. Sie reichen von klassischen Gerichten wie Kartoffelsalat mit Würstchen bis hin zu Kichererbsenbällchen mit Frühlingsgemüse und Kräutercreme, sodass sie vielfältig sind und damit für verschiedene Geschmäcker etwas bieten. Der Fokus liegt, der Gesundheit wegen und damit sich die Kinder (und Eltern) an diese Art der Ernährung gewöhnen, allerdings auf dem Vegetarischen. Die Rezepte sind verständlich und viele kommen mit weniger Zutaten aus, sodass sich auch der Zeitaufwand in Grenzen hält, sofern man/frau nicht völlig im Alltagsstress gefangen ist.
Fazit
Verständliches, anschauliches und informatives Buch über gesunde Ernährung für die Familie im Alltag – wobei aber zumindest indirekt davon ausgegangen wird, dass die Frau für diese Lebensweise zurücksteckt oder noch mehr Stress auf sich nimmt, um sich mit all den Infos auseinander zu setzen und regelmäßig zu kochen. Das funktioniert aber nur bei dem Modell Hausfrau bzw. reduzierter Stelle.