Bad Regina. Roman. Schalkos Medium ist eindeutig der Film und vielleicht weniger die Literatur. „M – eine Stadt sucht einen Mörder“ oder „Braunschlag“ stammen nicht nur aus der Feder des enfant terrible der österreichischen Serienlandschaft, sondern entstanden auch unter der Regie desselben. Die vor dem Eindruck der realen Tragödien von Bad Gastein und Hallein entstandene absurde Groteske, Bad Regina, schreit geradezu nach einer Verfilmung, denn wem würde die düster-dekadente Atmosphäre, die im Roman gezeichnet wird, eingebettet in die pittoreske Landschaft des Salzkammerguts, keinen wohligen Schauer über die Wirbelsäule zaubern?
Bad Regina: der Untergang des Abendlandes?
Streckenweise besteht der „Roman“ hauptsächlich aus Dialogen, die partout nicht unter Anführungszeichen gesetzt, sondern nur mit Bindestrich vom Fließtext abgehoben werden. Aber auch die Zeichnung seiner Figuren ist nicht gerade unbedingt üppig geraten, vielleicht am ehesten noch der Othmar, der einen DJ pflegt, der aufgrund seiner Einladung einen Schiunfall hatte und darauf im Rollstuhl landete. Dieser Othmar ist einer der letzten „Verbliebenen“ in Bad Regina, einem Dorf in den Salzburger Alpen, das nur mehr von 46 Personen bewohnt wird. Vor eineinhalb Jahrzehnten waren es noch mehr als fünfmal so viele, jedoch hatte ein gewisser Chen aus China, der Strohmann eines ehemals nach Amerika vertriebenen Juden aus Bad Regina, begonnen, den Einwohnern so hohe Preise zu bezahlen, dass die meisten abwanderten. Als reales Vorbild diente David Schalko der Salzburger Kurort Bad Gastein, der ehemals das Monte Carlo der Alpenregion gewesen war, bis eben der endgültige Ausverkauf begann. Dieser Chen will jedenfalls eine Art Themenpark in Bad Regina errichten, bei dem die Einwohner als Statisten sich selbst spielen könnten. Das erinnert etwas an den ebenfalls realen Hintergrund der Marktgemeinde Hallstatt, das in Luoyangzhen, in der südchinesischen Provinz Guangdong, als Kopie aufgebaut wurde. Allerdings ohne die dazugehörigen oberösterreichischen Einwohner.
Kriminalfall Ausverkauf Heimat
Die Handlung des Romans befördert natürlich den Zweck der Gesellschaftskritik, aber David Schalko schießt damit etwas über das Ziel hinaus. Als Satire für den Film würde Bad Regina sicherlich gut funktionieren, aber als Roman fehlt Bad Regina leider der Zusammenhalt und eine klare erzählerische Struktur, die zielsicher auf einen Höhepunkt zusteuert. Nicht, dass es einen solchen in Bad Regina nicht gäbe! Ganz im Gegenteil. Die satirische Groteske wächst sich alsbald zu einem Kriminalfall aus, der im Inneren der Bergwerksdisco von Othmar, dem Kraken, nicht nur die österreichische Seele im Stile eines Thomas Bernhard seziert, sondern auch die aktuelle Lebenssituation vieler anderer Österreicher bloßlegt, die in Fremdenverkehrsregionen leben und vom Tourismus abhängig sind. Die Piefke-Saga (R: Felix Mitterer) zeigte dies schon Anfang der Neunziger auf. Aber das ist jetzt auch schon 30 Jahre her. Dass am Ende auch noch die „Stammesbrüder“ des DJs aus Afrika auftauchen, um den Roman stimmungsmäßig aufzuhellen, mag vielleicht im Film funktionieren, in der Literatur wirkt es aber leider nur fehl am Platz.
Bei aller Zustimmung, die man mit dem Konstrukt des Romans (die Kritik am Ausverkauf der Heimat) teilen mag, wirkt es doch beinahe antisemitisch (der vertriebene Jude, der hinter Chen steht und alles aufkauft) und rassistisch (die Afrikaner als Stimmungsaufheller) in welche Fahrwasser die Handlung gerät. Natürlich ist der Autor diesbezüglich über jeden Zweifel erhaben, eh klar. Schließlich bekommen auch die Österreicher einiges Fett weg und das sind für mich sicherlich die lesenswertesten Passagen dieses beinahe 400 Seiten langen Film-Drehbuchs. Aber es gibt auch noch sehr viele interessante und lesenswerte Stehsätze, die selbst Hartgesottene zum Nachdenken anregen, etwa diesen: “Wir sind alle dem Untergang geweiht.”
David Schalko
Bad Regina. Roman
2021, Hardcover, 400 Seiten
ISBN: 978-3-462-05330-2