Prinzessinnensuite

Was für eine Frau! Sprühend vor Energie, überquellend von Geschichten, strahlend, charmant und auch im Alter auf besondere Weise schön. Zu ihrem 90. Geburtstag hat Ilse Eliza Zellermayer sich selbst und die Leserschaft mit einem Buch beschenkt, das aus dem alten und „mitteljungen“ Berlin sowie aus der Welt der Musik erzählt.
1920 geboren, wuchs sie im vornehmen Hotel am Steinplatz aus, das ihr Vater, der Bankier Max Zellermayer, aufgebaut und zugleich als Wohnstatt für seine nun fünfköpfige Familie auserkoren hatte. Von klein auf hatte die Autorin Umgang mit verschiedensten Gästen aus vielen Ländern, mit emigrierten russischen (wie zum Beispiel den Nabokows) und polnischen Adligen, mit Künstlern und Gelehrten, die hier immer wieder und oft langfristig Aufnahme fanden. Unterhaltsam und aufschlußreich schildert sie den Hotelalltag, die großen und kleinen Marotten der Gäste und wie liebevoll die Zellermayers und ihre Mannschaft sich um ihr Wohlergehen kümmerten. Der Geiger Yehudi Menuhin gehörte zu den treuesten Gästen: Bereits in den Goldenen Zwanzigern war das Wunderkind am Steinplatz zu Gast und kam auch nach dem Krieg immer wieder gern zurück.
Das Hotel war der Fixpunkt der Familie Zellermayer und blieb dies trotz schwerer Schicksalsschläge wie der Tod des Vaters 1933 und die Jahre von Nationalsozialismus und Krieg.
Anekdoten berichten vom schwierigen Neuanfang, von Ziege Beate, die für die Gäste Milch und Sahne lieferte, von Tomaten auf dem Dach und Champignonzucht im Keller. Bruder Heinz setzte sich erfolgreich für die Aufhebung der Sperrstunde ein und wurde später Herr eines ganzen Gastronomie- und Hotelimperiums zwischen Berlin und Paris, während Bruder Achim sich unter anderem beim Aufbau der Künstlerkneipe Volle Pulle verwirklichen konnte, die dem Hotel am Steinplatz angeschlossen war und Stammgäste wie Gottfried Benn, Heinrich Böll oder Günter Grass anzog.
Ilse Eliza Zellermayer wirkte über Jahrzehnte im Familienbetrieb mit, verfolgte aber stets auch eigene Wege. Als ihr die Karriere als Opernsängerin verwehrt blieb, setzte sie sich mit Leidenschaft und Charisma für andere Sänger ein und eröffnete als erste Frau in Deutschland eine Opernagentur. Sie lebte und litt mit ihren Künstlern und managte deren Auftritte. Durch ihre zahlreichen Kontakte und ihre Weltläufigkeit, durch ihr Wissen um die Musik und ihre Einfühlsamkeit war ihre Arbeit außerordentlich erfolgreich. Mit ihrer Unterstützung eroberten Luciano Pavarotti, Mirella Freni, Giuseppe Di Stefano oder Anna Moffo die großen Opernbühnen der Welt.
Über allem aber steht bei Ilse Eliza Zellermayer die Liebe, im beruflichen wie im privaten Leben. Zweimal war sie verheiratet, doch die wahre Liebe fand sie in dem Pianisten, Organisten und Komponisten Jean Guillou, mit dem sie Anfang der sechziger Jahre liiert war und der sie wie durch ein Wunder kurz vor ihrem 88. Geburtstag wiederfand. Mit ihm verbindet sie eine wunderbare Vertrautheit, die sie glücklich macht.
Der Aufbau Verlag präsentiert mit diesem Buch das charmante Zeitzeugnis einer eigenwilligen Frau, das durch diverse diskret-indiskrete Klatschgeschichten seinen zusätzlichen Reiz bekommt.


Genre: Erinnerungen
Illustrated by Aufbau Berlin

Herr Mozart wacht auf

Kaum hat ihn der kalte Bruder Tod zu sich geholt, wacht Herr Mozart wieder auf – in einer chaotischen WG am Rande von Wien. Nichts ist mehr so wie vorher, nur der alte Stephansdom steht noch an der alten Stelle, sonst ist alles fremd. Menschen, Straßen und Gepflogenheiten. Wie soll er hier zurechtkommen? Der polnische Straßenmusiker Piotr bietet dem verwirrten Compositeur für gelegentliche Klavierbegleitung Kost und Logis, registriert aber schon bald, daß dieser Pianist ein genialer Musiker ist. Ansonsten jedoch stellt er sich ziemlich tollpatschig an, weiß weder mit Technik noch mit der U-Bahn umzugehen.
Als Mozart merkt, daß er quasi 200 Jahre übersprungen hat und niemand ihm diese Zeitreise glaubt, nennt er sich kurzerhand Wolfgang Mustermann und studiert beharrlich die neue Welt. Vor allem die Musik aus dem Mechanikum hat es ihm angetan. Begierig nimmt er alle Töne in sich auf, staunt über neue Strömungen ebenso wie über Altbewährtes und freut sich, daß die meisten seiner Widersacher und Rivalen vergessen scheinen. Den Nachfolgern lauscht er sehr aufmerksam: Apart findet er den lyrisch-milden Franz Schubert, recht ichsüchtig den schroffen Beethoven, der sich einen blauen Teufel um sein Publikum zu scheren scheint, oder ein wenig langatmig den ansonsten harmonischen Chopin.
Den eigentlichen Zweck seiner Wiedergeburt aber sieht der Zeitreisende in der Vollendung seines Requiems, dessen „stümperhafte“ Fortschreibung durch einen seiner Schüler er für unerträglich hält. Immer wieder ringt er sich weitere Teile des Schicksalswerkes ab. Was er sonst schreibt, stößt auf unterschiedliches Interesse: Ein Musikverleger ist perplex, empfiehlt ihm aber, sich „von Mozart freizumachen“, die Besucher eines Jazzclubs hingegen bejubeln unvoreingenommen Mustermanns geniale Improvisationskraft. Endlich entdeckt ihn ein erfahrener und wohlgesonnener Musikinstrumentenhändler und führt ihn anläßlich eines Benefizkonzerts in die gehobene Wiener Gesellschaft ein.
Doch Mustermann hat indessen Wichtigeres zu regeln: Ihm ist die Liebe begegnet, die ihn gleichermaßen beglückt und schmerzt. Mit Anju verbindet ihn vom ersten Augenblick an die innigste Seelenverwandtschaft, doch als er ihr seine wahre Herkunft offenbart, hält sie ihn für geisteskrank. Verzweifelt irrt er durch die Stadt, verursacht einen Verkehrsunfall und kommt ins „Tollhaus“. Seiner Mission aber bleibt er treu.

Unser modernes Leben mit den Augen einer anderen Zeit zu betrachten, ist an sich schon vergnüglich und kurzweilig, denn „Fuhrwerke ohne Pferde, Öfen ohne Feuer, Musik ohne Instrumente, Kaffee ohne Herdstelle“ sind nur für uns so selbstverständlich. Tiefe und Emphase aber erreicht Eva Baronsky vor allem durch die einfühlsame Darstellung der Musik als Medium zwischen allen Zeiten und Kulturen. Auf wundersame Weise findet ihr Mozart dank seines außergewöhnlichen Musikverständnisses einen erstaunlichen Anschluß an die Neuzeit, auch wenn ihn sein Temperament und seine überschäumende Phantasie des öfteren in Konflikt mit den Notwendigkeiten des Alltags geraten lassen.
Das unterhaltsame Debüt mit Hintersinn aus dem Berliner Aufbau Verlag macht gespannt auf weitere Werke aus der Feder von Eva Baronsky!


Genre: Romane
Illustrated by Aufbau Berlin

Der Sterne Tennisbälle

Endlich kann man seine Rache leben, denkt der Leser bei der Lektüre dieses Buches, der mit Nedd Madstone fiebert, der fantastisch aussieht, der gute Noten im College hat, einen Vater im Unterhaus, eine feste Freundin, mit der er auch richtig guten Sex hat und der dann lesen muss, wie Nedd Madstone übelst mitgespielt wird, als die Polizei Rauschgift bei ihm findet, obwohl er nie kokst, der dann auch noch, zu allem Unglück, einen geheimnisvollen Brief einer Dame übergeben muss und man Nedd dafür die Rippen bricht und anschließend den Arm auskugelt. Und alles nur, weil sein charmantes Auftreten ihm nicht nur Freunde, sondern Neider und zwar Nedds drei beste Freunde bringt. Des Lesers Wut wird über diese Ungerechtigkeiten angeheizt, man fiebert mit, ärgert sich über die Gemeinheiten, die Nedd angetan werden.

Die Verursacher des Ärgers: Ashley, von Ängsten zerfurchter Emporkömmling, der vor Neid zerfressen wird, Rufus, rauschgiftsüchtig, und der liebeskranke Gordon, der scharf auf Nedds Freundin ist und sie ihm nicht gönnt. Und der Leser, der mit Nedd fiebert, hofft, dass ihm nichts mehr passieren wird, als er kaputtgeschlagen auf ein Schiff verfrachtet wird und wie der Leser weiter Horrornachrichten lesen muss (und die Wut sich immer mehr in ihm aufbaut), wie ihm Psychopharmaka gespritzt werden, als er auf einer schwedischen Insel, auf der eine Nervenklinik für ausländische »Kranke« unterhalten wird (und der Leser denkt, so etwas gibt es doch nur in totalitären Staaten) und Nedd nun 18 Jahre seines Lebens dort verbringen wird, bis ihm eines Tages eine spektakuläre Flucht gelingt, die er dem Tod seines dort kennengelernten Freundes verdankt, der ihm auch den Weg zu seinem großen, zukünftigen Reichtum zeigt, und der Leser weiß, der Graf von Monte ist wieder gekommen und setzt nun seine Gerechtigkeit in die Tat um. Und der Leser muss erfahren, dass alle Beteiligten, auch die Leser, mitnichten ihres eigenen Glückes Schmied sind, sondern lediglich »der Sterne Tennisbälle«.


Genre: Thriller
Illustrated by Aufbau Berlin