Helden. Klassische Sagen der Antike

Stephen Fry Helden

Oh Ikarus, Ikarus, mein geliebter Junge. Warum hast du nicht auf mich gehört? Warum musstest du so nah an der Sonne fliegen?“, klagt der Erfinder Daidolos seinen Sohn und sein Schicksal. Viele Väter dürften dieses Lamento schon gehegt haben, denn zumeist ist der Jugend kein Rat der Alten teuer. Dabei könnte man so viel von ihnen lernen!

Götter: personifizierte  Gefühle, Ideen, Impulse

Stephen Fry, der britische Schriftsteller, Schauspieler, Moderator, Kolumnist und Regisseur, legt mit “Helden” die Fortsetzung seiner klassischen Sagen der Antike vor, sie gehört ebenso wie “Mythos” und “Troja” zur Trilogie des fleißigen Mythologen. Wie im Vorgängerwerk habe er darauf geachtet, “die Geschichten ohne Erklärungen oder Deutungen zu erzählen”, wie er im Nachwort schreibt. Denn gerade die Produkte des “kollektiven Unbewussten” bedürften keiner solcher. Schließlich habe der Euhemerismus, die rationalistische Deutung von Mythen, längst bewiesen, dass etwa Troja oder Mykene wirklich existierten. Aber auch die Götter selbst existieren, denn es ist letztendlich egal ob wir die beschriebenen Regungen als “Gott, Impuls oder fixe Idee” bezeichnen, die Griechen seien einfach schlauer gewesen: “Sie zu personifizieren ist ziemlich schlau – vielleicht nicht ausreichend um mit ihnen klarzukommen, aber doch gut genug, um den unkontrollierbaren und unergründlichen Kräften, die uns im Griff haben, Form, Dimension und Charakter zu geben.

Helden ohne Furcht und Tadel

Wenn also Ikaros vom Himmel fällt, weil er mit seinen mit Wachs geklebten Flügeln zu nahe nahe an die Sonne geraten ist, beschreibt dies treffend ein Bild und vermittelt der unter ihm ihn beobachtenden Schiffsmannschaft von Theseus zugleich Trost und Verheißung. Daidolos war es nämlich, der Theseus half, den Minotaurus zu besiegen worauf er von König Minos eingesperrt wurde. Aber dank seines Erfindungsreichtums konnten er und sein Sohn fliehen. Ariadne hingegen bleibt alleine auf Naxos zurück, ein Schicksal da an anderer Stelle weitererzählt werden sollte. Aber was soll man sagen? “Theseus interessierte sich nicht für die Vergangenheit, nur für die Zukunft. Das ist eines der Merkmale von Helden, das sie anziehend und abstoßend zugleich macht.

Die vorliegende Ausgabe ist mit Gemälden aus der Kunstgeschichte illustriert und hat im Anhang zudem ein Register mit Helden und solchen, die es gerne geworden wären. Weitere Geschichten in diesem Band drehen sich um Jason und die Argonauten, den smarten Ödipus und die Sphinx, Perseus und die Perser, Herakles und seine 10-12 Aufgaben, Bellerophon, der mit Hilfe des fliegenden Pferdes Pegasos die Chimäre tötete, Orpheus, der nicht nur singen konnte und Atalante, die sich nur von dem entjungfern ließe, der sie im Wettkampf besiegte.

Stephen Fry
Helden. Die klassischen Sagen der Antike neu erzählt
Übersetzer: Matthias Frings
Gehört zu Die Mythos-Trilogie Bandnummer 2
2020, Paperback, 461 Seiten
ISBN 978-3-351-03481-8
Aufbau Verlag
26,00 €

 


Genre: Geschichte, Heldensagen, Legenden, Mythen, Sagen
Illustrated by Aufbau Berlin

Der Sterne Tennisbälle

Endlich kann man seine Rache leben, denkt der Leser bei der Lektüre dieses Buches, der mit Nedd Madstone fiebert, der fantastisch aussieht, der gute Noten im College hat, einen Vater im Unterhaus, eine feste Freundin, mit der er auch richtig guten Sex hat und der dann lesen muss, wie Nedd Madstone übelst mitgespielt wird, als die Polizei Rauschgift bei ihm findet, obwohl er nie kokst, der dann auch noch, zu allem Unglück, einen geheimnisvollen Brief einer Dame übergeben muss und man Nedd dafür die Rippen bricht und anschließend den Arm auskugelt. Und alles nur, weil sein charmantes Auftreten ihm nicht nur Freunde, sondern Neider und zwar Nedds drei beste Freunde bringt. Des Lesers Wut wird über diese Ungerechtigkeiten angeheizt, man fiebert mit, ärgert sich über die Gemeinheiten, die Nedd angetan werden.

Die Verursacher des Ärgers: Ashley, von Ängsten zerfurchter Emporkömmling, der vor Neid zerfressen wird, Rufus, rauschgiftsüchtig, und der liebeskranke Gordon, der scharf auf Nedds Freundin ist und sie ihm nicht gönnt. Und der Leser, der mit Nedd fiebert, hofft, dass ihm nichts mehr passieren wird, als er kaputtgeschlagen auf ein Schiff verfrachtet wird und wie der Leser weiter Horrornachrichten lesen muss (und die Wut sich immer mehr in ihm aufbaut), wie ihm Psychopharmaka gespritzt werden, als er auf einer schwedischen Insel, auf der eine Nervenklinik für ausländische »Kranke« unterhalten wird (und der Leser denkt, so etwas gibt es doch nur in totalitären Staaten) und Nedd nun 18 Jahre seines Lebens dort verbringen wird, bis ihm eines Tages eine spektakuläre Flucht gelingt, die er dem Tod seines dort kennengelernten Freundes verdankt, der ihm auch den Weg zu seinem großen, zukünftigen Reichtum zeigt, und der Leser weiß, der Graf von Monte ist wieder gekommen und setzt nun seine Gerechtigkeit in die Tat um. Und der Leser muss erfahren, dass alle Beteiligten, auch die Leser, mitnichten ihres eigenen Glückes Schmied sind, sondern lediglich »der Sterne Tennisbälle«.


Genre: Thriller
Illustrated by Aufbau Berlin