Dunbridge Academy – Anywhere

Dunbridge Academy - Anywhere - Sarah Sprinz - PBNeuanfang in Schottland

Die deutsche Gymnasiastin Emma hat sich entschieden, als Austauschschülerin für ein Jahr nach Schottland auf die Dunbridge Academy zu gehen. Ihre vielbeschäftigte Mutter freut sich, denn sie war ebenfalls Schülerin des renommierten Internats, das für eine gute Zukunft seiner Schüler*innen steht. Aber Emma geht nicht nur aus Bildungsgründen nach England – sie will ihren verschollenen Vater finden, der die Familie vor einigen Jahren verlassen hat, und ihm einige für sie wichtige Fragen stellen. Da ihr Vater ebenfalls die DA besucht hatte, erhofft sie sich Hinweise vor Ort, um ihn suchen zu können.

Womit sie nicht gerechnet hat: Sie entwickelt Gefühle für ihren Mitschüler Henry. Aber Henry ist schon vergeben und scheint mit seiner Freundin Grace ein perfektes Paar zu bilden. Aber dieser Schein trügt, denn Grace vergöttert zwar ihren Freund, aber Henry hat sich innerlich schon von ihr entfernt. Um alles noch komplizierter zu machen, scheint ein griesgrämiger Lehrer Emma vom ersten Tag an auf dem Kieker zu haben. Aber er könnte auch etwas mit der Vergangenheit ihrer Eltern zu tun haben. Emma beschließt, diese wenn auch schwierige Chance zu nutzen, um ihren Vater zu finden.

Wirklich schwierig wird es für Emma, Henry und ihre Freund*innen, als Henrys Schwester stirbt. Henry fällt in tiefe Depressionen, die ihn zu verschlingen drohen.

Ernste Themen in „trivialem“ Gewand

Der in sich abgeschlossene Band (er behandelt vordergründig die romantische Beziehung zwischen Emma und Henry) ist Teil einer Reihe. Als Extra ist eine Karte der DA beigelegt. Eigentlich zur Belletristik und eher zur Trivialliteratur zählend, ist allerdings nur die Rahmenhandlung „trivial“, weil sie eine romantische Beziehung behandelt. In diese eingebettet sind erste Themen: Tod, Trauer, Trauerbewältigung, Verlust, Substanzmissbrauch und Abhängigkeit, die plausibel entfaltet werden, auch wenn man stellenweise den Eindruck hat, dass die Teenager zu erwachsen handeln.

Ebenso wird das Thema alleinerziehende Familien und deren Konsequenzen angesprochen: der Verlust, den die Kinder verarbeiten müssen, der fehlende Vater, die immerzu beschäftigte Mutter, das frühe Aufsichalleingestelltsein, die schmerzlichen vielfältigen Gefühle der Kinder. All dies wird am Beispiel von Emma thematisiert, die versucht, ihre schmerzliche Vergangenheit aufzuarbeiten, indem sie ihren Vater, und damit Antworten, sucht. Der Wert von Freundschaften vor allem in schwierigen Zeiten wird ebenfalls thematisiert.

Insgesamt hat dieser Roman Züge eines Entwicklungsromans: Die Heldin (aber auch die Freund*innen) ziehen aus, um erwachsen zu werden / sich weiterzuentwickeln, und müssen auf ihrem Weg Schwierigkeiten meistern. Die Teenagerzeit hält viele Herausforderungen bereit, die ebenfalls zu diesem Weg zählen und im Roman angesprochen werden. Dass all dies nicht ohne Irrungen und Wirrungen, Fehler und Stolperfallen abgehen kann, zeigt der Roman immer wieder – das macht ihn für die junge Leserschaft plausibel und nachvollziehbar. Sie können sich wahrscheinlich gut mit den Held*innen identifizieren. Lösungen werden ebenfalls geboten, auch wenn die ein oder andere Lösung im ersten Moment nicht im Sinne der Held*innen ist.

Allerdings frage ich mich, warum die Haupthandlung meist im (englischsprachigen) Ausland stattfinden muss – in Deutschland würden sich die Themen doch ebenfalls gut umsetzen lassen. Die Anlehnung an englisch- bzw. amerikanischsprachige Kultur soll wohl Verkaufsargumenten dienen. Was schade wäre.

Insgesamt empfohlen.


Genre: Jugendroman, Tod, Trauer, Verlust
Illustrated by LYX

Nahtod – Grenzerfahrungen zwischen den Welten

Initialzündung

Psychiater und Neurowissenschaftler Bruce Greyson kam durch Zufall in Kontakt mit Nahtoderfahrungen: Eines Tages wurde in seinem Krankenhaus eine Patientin eingeliefert, die während seines Dienstes wiederbelebt werden musste. Er selbst saß währenddessen in einem anderen Raum und aß Spaghetti. Ein Soßenfleck verblieb auf seiner Kleidung. Dieser Fleck wurde später wichtig – seine spätere Patientin im Bereich der Psychiatrie erwähnte ihn und andere Details zur Zeit ihres Nahtodes während des ärztlichen Gesprächs. Und das, obwohl sie, wie erwähnt zu diesem Zeitpunkt tot und in einem anderen Zimmer untergebracht war. Dieses Erlebnis verwirrte und beeindruckte Greyson so, dass er sich Jahrzehnte lang mit der Forschung über Nahtoderlebnisse beschäftigte.

Positive Aspekte der Nahtoderfahrungen

Greyson fand heraus, dass Nahtoderfahrungen häufig sind und allen Menschen passieren können, egal, welche Religion, welches Geschlecht, Alter oder ethnische Gruppe sie haben. Sie werden vom Gehirn anders als Träume, Vorstellungen oder Halluzinationen als Fakten verarbeitet und bieten einen gewissen Schutz vor der Entwicklung einer Gemütskrankheit nach einem engen Kontakt mit dem Tod. Diese Erlebnisse als real bzw. akzeptiert von anderen eingeordnet zu sehen, hilft den Nahtoderfahrenen sehr, ebenso die Möglichkeit, ihre Eindrücke mitzuteilen und sich ihr eigenes Bild davon zu machen.

Die Nahtoderfahrungen haben normalerweise mehrere tiefgreifende und lange anhaltende Nachwirkungen. Im positiven Fall ist es mehr Lebensfreude, es kann aber auch dazu führen, dass die Nahtoderfahrenen Schwierigkeiten haben, ihr voriges Leben wiederaufzunehmen. Dies wiederum kann aber positiv für ihre weitere Entwicklung und für eine gesündere und lebenszugewandtere Lebensweise sein. Außerdem verringern Nahtoderlebnisse die Angst vor dem Tod, sodass der eigene Tod und der von anderen den Schrecken verliert. Trotzdem trauern Menschen mit Nahtoderlebnissen ebenso wie andere – der Trauerprozess ist notwendig für die Heilung.

Die Erfahrung verringert aber auch die Angst vor dem Leben und bringt die Menschen dazu, mehr im gegenwärtigen Moment zu leben und ihn zu genießen. Das bedeutet, dass man ganz in der Gegenwart ist, während man plant oder sich erinnert; die Vergangenheit und die Zukunft haben also immer noch ihren Platz.

Nahtoderfahrungen legen außerdem nahe, dass der Geist ohne das Gehirn, das Gedanken und Gefühle filtert, ziemlich gut funktionieren kann. Nahtoderlebenisse werfen dann auch Fragen nach dem Weiterbestehen des Bewusstseins nach dem Tod auf. Der Autor stellt außerdem die These auf, dass das bessere Verständnis von Nahtoderfahrungen und ihre Integration in unsere Naturwissenschaften und die Medizin dazu beitragen kann, das Leiden in der Welt zu verringern. Er verweist in diesem Zusammenhang z.B. auf den Buddhismus: Diese Religion sucht Erkenntnisse über die Welt, um harmonischer mit ihr zu leben, anstatt die Umwelt zu beherrschen. Außerdem helfen Nahtoderfahrungen nicht nur denen, die sie gemacht haben, sondern evtl. auch denen, die davon hören und sich darauf einlassen, ihr Leben und den Tod neu zu bewerten.

Ganzheitliche Denkweise und Berichte von Nahtoderfahrungen

Greyson, der u.a. auch mit Moody und Stevenson zusammengearbeitet hat, hat seine Erkenntnisse mit wissenschaftlichen Methoden auch anderer wissenschaftlicher Disziplinen als der eigenen überprüft und wundert sich darüber, dass manch andere Wissenschaftler nichts anerkennen wollen, was über ihren Tellerrand hinausgeht. Er sagt zu Recht, dass Theorien Theorien sind und nicht die ganze Realität abbilden, sondern ihr höchstens nahekommen. Das, was noch nicht wissenschaftlich erforscht, aber dennoch vorhanden ist, verdient eine wissenschaftliche Herangehensweise, zumal wenn es eine so positive Auswirkung auf Betroffene und evtl. auch ihre Umgebung hat wie Nahtoderfahrungen. Dabei verschweigt er aber auch nicht, dass manche Nahtoderfahrungen durchaus bedrohlich auf die Menschen wirken können, zumal wenn sie nicht sterben wollen. Er betont aber dennoch, dass auch diese Erfahrungen einen positiven Ausgang haben.

Sein Buch möchte Menschen erreichen und ihnen Mut machen. Das schafft Greyson durch viele anschauliche Nahtodberichte, durch die verständliche Schreibweise und die transparente Darstellung seiner Arbeit und auch seiner Gedanken und Gefühle, die er dabei hatte. Denn er verschweigt auch nicht seine Verwirrung und seine Zweifel angesichts des wissenschaftlich ignorierten Nahtodphänomens und des Erstaunens darüber, wie hilfreich dieses Phänomen letztlich ist. Das Buch eignet sich für alle, die sich dafür interessieren, aber auch für diejenigen, die Angst vor dem Tod haben und aufgeschlossen für die doch zahlreich vorkommenden Nahtoderfahrungen sind. Sie können zumindest trösten, vielleicht aber auch zu einer positiven Neuausrichtung des Lebens führen.


Genre: Nahtod, Sachbuch, Tod
Illustrated by Ansata / Penguin Random House