Just because I love you

Rowdy trifft Schönling

Auf Takeru Totoki trifft der Satz „Harte Schale, weicher Kern“ zu: Immer wieder in Raufereien verwickelt und deshalb als Rowdy gebrandmarkt, will er eigentlich nur ein normales Leben führen. Aber Takeru hat inzwischen keine Hoffnung mehr, dass er aus diesem Teufelskreis herauskommt – bis sich eines Tages Schulschönling Teo Yoshizawa nach einer Schlägerei um ihn kümmert. Ab diesem Zeitpunkt freunden sich die beiden unterschiedlichen Jungen immer mehr an und Takeru merkt, dass ihm der Kontakt mit dem beliebten Schüler guttut, denn er führt jetzt ein merklich ruhigeres Leben. Als Teo ihn auch noch für die Prüfungen in der Schule fit macht, erhält er zum ersten Mal in seinem Leben gute Noten. Alles läuft prima – aber was werden die anderen sagen, wenn sie merken, dass Takeru und Teo mittlerweile mehr sind als nur gute Freunde?

Klischees kritisch hinterfragt

Der BL-Manga (Boys-Love-Manga) thematisiert Homosexualität in einer eher beiläufigen Art. Die beiden Protagonisten verheimlichen zwar ihre Neigung und ihre Beziehung, aber sie machen sich ansonsten kaum Gedanken um ihre Homosexualität und leben sie einfach. Allerdings steht das im Widerspruch zur Wirklichkeit v.a. in Japan, in der Homosexualität tabuisiert wird und man sich deshalb automatisch viele Gedanken machen muss. Ansonsten aber ist gerade die Figur Takerus sehr schön herausgearbeitet: Durch seine körperliche Größe und sein eher wildes Aussehen wird er gleich in eine Schublade gesteckt, in die er von seinem liebenswürdigen Wesen her überhaupt nicht passt. Hier wird indirekt kritisiert, dass die Gesellschaft nur auf Äußerlichkeiten schaut und sich nicht die Mühe macht, hinter die Fassade zu blicken bzw. das Innere einer Person zu ergründen. Ausgerechnet der Schulschönling Teo, dem man aufgrund seiner Beliebtheit eher Oberflächlichkeit zutrauen würde (hier wird also ebenfalls mit Klischees gespielt), interessiert sich für die Person Takeru selbst und verurteilt Takeru nicht von vorneherein. Mit expliziten, aber nicht pornografischen Sex-Szenen. Der Verlag empfiehlt den Manga daher erst ab 18 Jahren, aber ich denke, ab 15 oder 16 Jahren ist das auch in Ordnung. Mich wundert sowieso, warum Gewaltszenen, die für die Psyche schädlicher sind, schon ab jungem Alter freigegeben werden, während einvernehmlicher Sex so tabuisiert wird. Da wirkt wohl noch die Leibfeindlichkeit der Kirche nach.


Genre: Homosexualität, Manga
Illustrated by Carlsen / Hayabusa

My Roomate is a Cat 7

Verantwortungsvoller Umgang mit Tieren

Der introvertierte Schriftsteller Subaru hat unter seiner Terrasse Katzenbabys gefunden. Die möchte er jetzt in gute Hände vermitteln. Allerdings fällt es ihm schwer, Zettel mit Infos zu den Kätzchen zu verteilen, da er kontaktscheu ist. Aber er bekommt überraschend Hilfe von Verkäufer*innen, die seine Zettel bei sich aushängen. Schon bald darauf melden sich Interessent*innen, die zwei von den drei Katzenbabys mitnehmen – auch wenn die Vermittlung nicht immer glatt verläuft. Und Subaru überlegt, ob er das letzte Kätzchen nicht selbst behalten soll.

 

Selbstüberwindung und Elternqualitäten

Der 7. Band erzählt wieder sowohl aus der Perspektive von Mensch als auch Katze die Geschichte und bietet dabei unterschiedliche Blickwinkel. Katze Haru hat alle Pfoten voll zu tun, die kleinen Energiebündel in Schach zu halten, während Subaru seine Scheu erneut überwinden muss, um den Katzenbabys zu helfen. Haru lernt auch hier, ein gutes Vorbild zu sein, während Subaru erfährt, dass die Außenwelt besser und hilfsbereiter ist als er angenommen hat. Insgesamt wird auch in diesem Band wieder ein stiller Optimismus vermittelt, der wie warme, weiche Wattewolken die Leser*innen einhüllt. Dieser Optimismus ist zwar nicht unbedingt realistisch – es gibt an jeder Ecke Menschen mit schlechtem Charakter, für die Charaktere wie Subaru ein willkommenes Opfer sind – aber wer Realität von Fiktion unterscheiden kann, ist mit dieser liebevollen Geschichte über Selbstfindung und Tierliebe gut bedient. Allerdings muss man dazu sagen, dass die Sicht der Katzen sehr menschlich ist und daher eher keine echte Katzenperspektive bietet. Die Serie erscheint in Japan seit 2015, in Deutschland sei 2020. Seit 2019 gibt es sie auch als Anime.


Genre: Katzen, Manga, Schriftsteller*innen
Illustrated by Carlsen Manga!

Carole & Tuesday

Selbstverwirklichung

Die 17-Jährige Tuesday hat nur einen Wunsch: Sie will Musik machen! Aber innerhalb ihres strengen Elternhauses ist das nicht möglich. Deshalb reißt sie von zuhause aus und versucht ihr Glück in der Mars-Hauptstadt Alba City. Dort trifft sie zufällig auf Carole, die als Straßenmusikerin versucht, ein wenig Geld in die Kasse zu spülen. Tuesday ist von Caroles gefühlvollen Keyboardklängen begeistert und hat sofort einen Liedtext im Kopf. Sie zieht bei Carole ein und beide versuchen mit ihren Stimmen, der Gitarre und dem Keyboard sich anzunähern. Um die Akustik zu testen, spielen sie ihr neues Lied schließlich illegal in einer Konzerthalle. Dort nimmt ein Mitarbeiter ein Video der beiden auf, das sofort viral geht. Die Zuhörer*innen spüren trotz aller Anfängerfehler sofort die Seele (den Soul) der Musik, der durch die KI-produzierten Lieder abhandengekommen ist.

Der Soul der Musik

Der 1. Band der Reihe, die auf dem gleichnamigen Anime beruht – ansonsten ist es meist umgekehrt, denn zuerst wird der Manga veröffentlicht, auf den bei Erfolg ein Anime folgt – ist eine Mischung aus Science-Fiction-Manga und einem Manga über das Künstler*innendasein, in dem Fall über Musikerinnen und die Schwierigkeiten, einer Leidenschaft nachzugehen und damit auch noch Geld zu verdienen. Er zeigt schon im ersten Band, welche Hindernisse überwunden werden müssen, um bekannt zu werden. Dabei geht es hauptsächlich um das Künstlerische; die Science-Fiction bildet nur den Rahmen der Geschichte.

Bemerkenswert finde ich, dass nicht nur zwei Frauen die Hauptfiguren stellen, sondern dass eine der beiden auch noch dunkelhäutig ist. Das findet man in Manga, v.a. als Hauptperson, selten. Aufgrund der vielen Hautfarben, die es schon seit jeher gibt, und wenn man bedenkt, dass die helle Hautfarbe eigentlich nur eine Mutation der dunklen ist, um sich an nordische Klimaverhältnisse anzupassen, sowie weiter sinniert, dass die Vorfahren der Menschheit aus Afrika stammen, sollte es eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein, dass man diese Vielfalt an menschlichem Dasein auch in der Literatur abbildet. Dem ist aber leider nicht so; es gibt hier noch viel Handlungsbedarf.

Spinnt man den Faden weiter, ist es aufgrund der düsteren Geschichte nicht selbstverständlich, dass eine dunkelhäutige und eine weißhäutige Figur quasi sofort eine Freundschaft eingehen. Sie bilden zwar ein schwarz-weißes Duo, aber dieses ist nicht im Sinne des engstirnigen Schwarz-Weiß-Denkens zu verstehen, sondern ganz im Gegenteil wie die beiden sich ergänzenden Teile des Yin und Yang.

Ebenfalls ein wichtiges Thema ist die Seele der Musik (Soul). Man denke an die Musikrichtung Soul, die mit afroamerikanischen Menschen verknüpft wird. Da schon in der Gegenwart Musik gern technisiert wird, nimmt der Manga diesen Trend auf und führt ihn in letzter Konsequenz ad absurdum: Technik, selbst wenn sie noch so ausgefeilt ist, kann menschlichen Soul nicht ersetzen. Wenn der Soul fehlt, ist die Musik letztlich leer und bietet keine Seelennahrung, was eigentlich ihre Aufgabe ist.

Insgesamt ein gelungener, schöner Manga zum Thema Musik und Künstler*innendasein im Setting der Science-Fiction.


Genre: Manga, Musik, SF

Love and Fortune 2

Gefühlschaos

Als Yumeaki Wako fragt, ob sie seine Freundin sein will, weiß Wako keine Antwort. Sie ist zwar in den 15-jährigen Jungen verliebt, aber der Altersunterschied macht ihr zu schaffen. Außerdem muss sie sich darüber klarwerden, wie sie zu ihrem langjährigen Freund Futa steht. Als sie sich nach langem Hin und Her dafür entscheidet, Futa zu verlassen, merkt Wako, dass das nicht so einfach geht. Sie bleibt daraufhin bei ihm. Die beiden wollen sogar heiraten. Aber Futa schöpft Verdacht. Er kommt Wako schließlich auf die Schliche und trennt sich. Als seine Freunde ihn aber nicht bei sich aufnehmen wollen und ihm ins Gewissen reden, geht er zu Wako zurück und die beiden kommen wieder zusammen. Aber dann trifft Wako Yumeaki im Kino wieder.

Die Konsequenzen einer Affäre

Der 2. Band beleuchtet die Irrungen und Wirrungen einer Affäre. Er geht auf das Gefühlschaos ein, das in allen Beteiligten vorgeht, wenn eine Affäre herauskommt. Indirekt wird auch das Toy-Boy-Vorurteil erwähnt, denn Futa nimmt Yumeaki nicht ernst und beleidigt ihn wegen seines jugendlichen Alters. Gezeigt wird aber auch, dass Wako trotz einer unguten Beziehung entscheidungsschwach ist und letztlich die Macht der Gewohnheit siegt. Dabei hätte sie als diejenige, die das Geld verdient, alle Freiheiten: entweder sich zu trennen und Single zu bleiben oder sich eine Beziehung zu suchen, in der sie wertgeschätzt wird. Für sie ist eine Beziehung mit dem minderjährigen Yumeaki allerdings mit Gefahren verbunden, weswegen sie die bestehende vermeintlich ungefährliche vorzieht. Da Yumeaki sich aber nicht abweisen lässt, findet Wako keine Ruhe, sondern wird zwischen den beiden Männern hin und her gezerrt. Sie endet in diesem Band im Gegensatz zum ersten als passiver Teil der Dreiecksgeschichte. Was der Band ebenfalls anspricht: Affären entstehen, wenn eine Frau sich nicht geliebt fühlt und nicht wertgeschätzt wird. Sie nimmt sich dann das, was ihr fehlt, bei einem anderen Mann. Das Rollenklischee des wortkargen, gefühlsarmen Mannes wird in einem Gespräch Futas mit der Frau seines Freundes kritisiert. Beziehungen leben von respektvoller Kommunikation, Wertschätzung und dem Zeigen von liebevollen Gefühlen. Sie scheitern, wenn das alles nicht gelebt wird. Deshalb versteht eine Leserin einerseits die schwankende Wako, andererseits möchte frau ihr aber auch einen Schubs in Richtung Selbstständigkeit geben und ihr sagen, dass eine Zeit als Single nur guttun kann, um sich selbst und die eigenen Bedürfnisse besser kennenzulernen. Anders ausgedrückt: Der Manga schafft es, dass man sich in die Geschichte hineinversetzt und mit den Figuren mitfiebert.


Genre: Manga
Illustrated by Carlsen / Hayabusa

Josie, der Tiger und die Fische 1

ProduktfotoEinbahnstraße Zukunft?

Der 20-jährige Student Tsuneo ist ein begeisterter Taucher. Er kennt fast alle Fische in seinem Territorium und will später in Mexiko weiterstudieren. Eines Tages rettet er ein Mädchen mit Handicap, das aus seinem Rollstuhl gefallen ist. Die Großmutter des Mädchens, das sich selbst Josie nennt, engagiert daraufhin kurzerhand den jungen Mann als Gesellschafter für Josie. Tsuneo, der das Geld dringend braucht, nimmt die Stelle an, bereut aber schon bald darauf seine Entscheidung, denn Josie ist alles andere als einfach. Sie demütigt Tsuneo permanent und das will er sich nicht länger gefallen lassen. Mit dem festen Entschluss zu kündigen, kommt er eines Tages zu Josie – und sieht in ihrem leeren Zimmer ihre phantastisch gemalten Bilder. Diese Bilder, die sich auch um Meer und Fische drehen, berühren ihn und er entscheidet spontan, Josie mit ans Meer zu nehmen. Ab da machen die beiden regelmäßig heimliche Ausflüge, die dem Mädchen, das aufgrund ihrer ängstlichen Großmutter v.a. im Haus ihr Leben fristet, sichtlich guttun.

Von dem Willen (seine Berufung) zu leben

Die Manga-Reihe beruht auf einer gleichnamigen Roman- und Filmadaption. Sie integriert mehrere Themen: Menschen mit Handicap (und wie sie selbst und andere damit umgehen), die Schwierigkeiten von Künstler*innen ihre Berufung zu leben, Freundschaft, Liebesbeziehung, Erfüllung von Zukunftsträumen. Im Fokus steht die schwierige Beziehung zwischen Tsuneo und Josie. Das Mädchen hat keine Sozialkontakte, ist wütend auf ihr Leben und geht entsprechend mit anderen um. Tsuneo steht vor der Aufgabe sich zu überlegen, wie er Josie und ihren Launen begegnen soll, zumal er durch die Betreuung des Mädchens gutes Geld verdient. Josie erlebt neben all den neuen Eindrücken außerhalb ihrer vier Wände, dass sich auch Männer für sie interessieren. Außerdem erfährt sie durch die geschützte Atmosphäre der Unternehmungen mit Tsuneo, dass die Außenwelt nicht nur Schlechtes für Menschen mit Handicap bereit hält, sondern auch Schönes. Obwohl sie schon erwachsen ist, beginnt sie sich erst jetzt von ihrer Großmutter zu emanzipieren und in die Welt der Erwachsenen einzutauchen. Die Großmutter spielt eine rätselhafte Rolle: Einerseits ist sie es, die Josie einschränkt, andererseits freut sie sich, dass ihre Enkelin Interesse an der Außenwelt und Eigeninitiative zeigt.

Das Äußere von Josie steht im Kontrast zu ihrem Inneren: Josie ist klein und zart gebaut, sie sieht zerbrechlich-hübsch aus. Das Innere enthüllt aber einen harten Kern, der auf Schwierigkeiten widerborstig und stachlig reagiert – solange, bis sie endlich ihre Wünsche und ihre Bestimmung leben darf. Nachdem Tsuneo sich entschlossen hat, ihr die Welt zu zeigen, blüht sie auf und entwickelt einen eisernen Willen, in dieser Welt zu bestehen. Die Figuren an sich sind nicht gut oder böse, sondern ambivalent, mit Fehlern und guten Seiten. Und der Manga zeigt, wie sich Fehler und gute Seiten ergänzen könnten, wenn man miteinander in eine fruchtbare Beziehung treten will.

Fazit

Berührender Manga um ein Mädchen mit Handicap, das mithilfe eines jungen Mannes zurück ins Leben findet. Insgesamt scheint die Charakterentwicklung der Hauptfiguren eine große Rolle zu spielen.


Genre: Manga
Illustrated by Carlsen Manga!

Yakuza goes Hausmann 6

Jeder Tag eine neue Herausforderung

Tatsu ist weiterhin ein engagierter Hausmann. Deshalb hilft er einer befreundeten Hausfrau, ihre Finanzen in den Griff zu bekommen. Eines Tages fragt ihn eine Dame aus der Hausfrauenvereinigung, ob Tatsu dieser Vereinigung nicht beitreten wolle. Aber bevor er beitreten darf, wird er von den hartgesottenen und lebenserfahrenen Hausfrauen auf Herz und Nieren geprüft. Außerdem steht ihm eine erneute Prüfung bevor: Für seine Göttergattin soll er Goodies ihres Lieblingsanimes besorgen und sich dafür ins Fangetümmel stürzen – was so gar nicht sein Fall ist. Neu für Tatsu ist auch die temporäre Versorgung eines Hundes. Aber das erschließt ihm neue Einsichten und Bekanntschaften. Seine Kenntnisse sind auch bei einem Café-Besitzer gefragt: Tatsu soll ihm helfen, eine auch die junge Generation ansprechende Speisekarte zu entwickeln. Und Tatsu entpuppt sich wieder einmal als väterlicher Freund, wenn er einen jungen Rowdy zum Zahnarzt begleitet.

Als Hausfrau ein ganzer Kerl

Auch der sechste Band ist wieder voller humoriger Situationen, die sich v.a. aus dem Kontrast seiner Yakuza-Vergangenheit und seinem jetzigen Leben als Hausmann ergeben. So zählt er Yakuza, wenn er nicht einschlafen kann, vergleicht automatisch die hartgesottenen Hausfrauen der Hausfrauenvereinigung mit Gangsterbossen und stellt beeindruckt fest: „Das sind also die acht Drachen!“ Dramatische Situationen wie der Hundevergleich zwischen Gangstern werden überraschend mit einer Spielwiese aufgelöst. Die Haushaltsschürze mit Teddybär, die Tatsu, ganz der pflichtbewusste Hausmann, ständig trägt, versinnbildlicht an dem muskulösen Männerkörper mehrerlei: Die süße Schürze ist als Kennzeichen der vermoderten 50er-Jahre-Frauenrolle eigentlich für junge, hübsche, naive, schwach gehaltene Frauen gedacht, die v.a. als Repräsentantin und „Frau von“ agieren und sich ansonsten hingebungsvoll um ihren Mann kümmern sollen. Sie sollen auf Haushalt und Kindererziehung beschränkt bleiben, keine eigene Meinung haben und ihre Bedürfnisse aufopferungsvoll für andere zurückstellen. Tatsu verkörpert vordergründig in vielerlei Hinsicht dieses Frauenbild: Er vergöttert und umsorgt seine hart arbeitende Frau, kümmert sich eifrig um den Alltag zuhause, hält alle Sorgen von seiner Frau fern und ist ein junger, knackiger Kerl. Nur würde ihm niemand unterstellen, dass er schwach sei, dass er naiv sei oder dass er bloß „Mann von“ sei. Er verkörpert ein neues Hausfrauen- und Hausmännerbild: Standfestes Selbstbewusstsein und eine stets völlig freiwillige Hingabe an die alles andere als nebenbei zu erledigende Hausarbeit, die einen vielfältig fordert. Er hat großen Respekt vor der Leistung altgedienter Hausfrauen, die durch ihre Lebenserfahrung mit allen Wassern gewaschen sind. Der in früheren Zeiten respektvolle Umgang mit alten Frauen scheint hier wieder durch und wird positiv besetzt – von diesen Frauen kann man(n) viel lernen! Außerdem durchbricht er die reine Aufopferung, indem er betont, dass Hausfrauen und -männer sich für all die harte Arbeit selbst belohnen und sich Dinge gönnen dürfen. Sie leisten genauso ihren Anteil an Arbeit wie diejenigen, die für ihren Anteil an Arbeit bezahlt werden. Also stehen ihnen Belohnungen, Respekt und Gleichwertigkeit genauso zu.

Neben all dem Humor wird also auch immer wieder deutlich, dass das völlig unterschätzte Hausfrau- bzw. Hausmanndasein nach dem Motto „Das bisschen Haushalt macht sich doch von allein!“  ein Fulltime-Job ist, wenn frau oder man(n) es richtig machen will. Tatsu hat sich inzwischen reichhaltige Kenntnisse in allen möglichen Situationen des fordernden Alltags erworben und gibt sie als wandelndes Lexikon weiter.

Fazit

Neben all dem Humor, den die Serie durch den Konflikt Yakuza versus Hausmann generieren kann (der Manga gewann 2020 den Will Eisner Comic Industry Awards in der Kategorie “Best Humor Publication”), wird immer wieder deutlich, dass das Hausfrauen- bzw. Hausmanndasein alles andere als ein Zuckerschlecken ist. Tatsu als gestandener Mann zollt Frauen stets Respekt für ihre Leistungen, kann sich ohne Murren erfahrenen Frauen unterordnen und von ihnen lernen und nimmt damit eine Vorbildrolle ein.


Genre: Manga
Illustrated by Carlsen Manga!

Voice Rush!! 1 und 2
by Octo

Voice Rush!! 1https://www.carlsen.de/sites/default/files/produkt/cover/voice-rush-21-21-2.jpg

Wie wird man Synchronsprecher?

Toshiro hat keine Manieren, aber ein gutes Herz – und eine markante Stimme. Als sein bester Freund ihn eines Tages zu einem Synchronsprecher-Casting mitnimmt, will auch Toshiro sein Glück versuchen, denn es winkt viel Geld: Zehn Millionen Yen Preisgeld für den besten Voice Actor. Das ist genau das Geld, dass Toshiro braucht, um seiner Schwester ein Kunststudium zu ermöglichen. Also hängt er sich rein, vermasselt es aber fast. Nur seine Synästhesie, sein Farbgehör, rettet ihn und er darf eine Synchronsprecher-Werkstatt besuchen. Aber dort fällt er eher durch schlechtes Verhalten denn als guter Synchronsprecherlehrling auf. Trotz aller Widrigkeiten naht Toshiros Chance, denn kurzfristig fallen für das „Animu“ die beiden Sprecher für zwei beliebte virtuelle Charaktere aus – und Toshiro erfüllt die Anforderungen für diese Rolle. Glücklich reist er mit Sprecher-Ass und Nachwuchshoffnung Tsukasa dorthin. Aber das Event entwickelt sich zu einer technischen Katastrophe. Wird es der junge, ambitionierte, aber chaotische Toshiro schaffen, seiner Rolle unter verschärften Bedingungen gerecht zu werden?

Die Manga-Serie behandelt ein japanisches Phänomen, dass hierzulande eher weniger bekannt ist: die Synchronsprecherszene und deren Fans. Die Synchronsprecher*innen sind in Japan sehr bekannt und genießen Star-Status. Dementsprechend gut verdienen die Größten der Szene. Der Manga versucht auf humorvolle und dynamische Art und Weise den Weg eines Synchronsprechers nachzuzeichnen, der Ähnlichkeiten mit dem harten Weg von Schauspieler*innen hat. Hauptchara Toshiro ist schräg-sympathisch und die weiteren vorwiegend männlichen Charaktere erinnern an das Harems-Schema der Shojo-Mangas (Mangas für Mädchen): Sie sind hübsch und alle haben einen eigenen, unverwechselbaren Charakter. Das macht den Manga für weibliche Leser*innen interessant. Mir persönlich gefällt, dass der Manga viel Text hat. Schließlich geht es ja auch um Sprache im weiteren Sinne. Es werden Hintergründe des Berufes erklärt und man bekommt Einblicke in die Ausbildung. Allerdings gibt es genau hier einen Haken: Die Sprechblasen sind zu klein für so viel Text. Deshalb ist der Text viel zu oft nur in sehr kleiner bis winziger Schrift gesetzt und damit schwer bis sehr schwer zu lesen. Und das, obwohl ich gerade eine neue Brille bekommen habe. Ich kann nur hoffen, dass die nächsten Bände dahingehend besser aufgestellt sind, denn das Lesen ist so wirklich anstrengend und verdirbt einem dauerhaft den Spaß am Manga.

Extra: Interview mit deutschen Synchronsprecherinnen

Fazit

Gute, spannende und humorvolle Story über das Phänomen der Synchronsprecherszene, aber (zu) oft klein bis winzig gesetzter Text in den Sprechblasen.


Genre: Manga
Illustrated by Carlsen / Hayabusa

10th – Drei Freunde, eine Liebe

Freundschaft und Liebe – passt das?

Umeko und Take sind seit ihrer Kindheit befreundet. Allerdings hat diese Freundschaft einen Haken: Umeko muss sich um den chronisch kranken Take kümmern, der sie zudem herablassend behandelt. Take ist wegen seines schlechten Gesundheitszustandes oft missgelaunt und lässt seine schlechte Laune an Umeko aus. Das ändert sich, als Matsu Interesse an den beiden zeigt. Matsu ist im Gegensatz zum mürrischen Tkae und zur stillen Umeko stets gut gelaunt und bei anderen sehr beliebt. Aber dieser Eindruck täuscht: Auch Matsu hat sein Päckchen zu tragen und versteht deswegen die Situation von Take und Umeko gut. Deshalb kann er auf die beiden eingehen und gewinnt mit seiner empathischen Art die Herzen des schüchternen Mädchens und des kranken Take. Er ist aber auch in der Lage, den beiden die Meinung zu sagen und aus einer objektiven Perspektive heraus die Situation zu beurteilen. Das beeindruckt sowohl Umeko als auch Take. Irgendwann merken die beiden, dass sie sich in Matsu verliebt haben. Die Liebe zu dem aufgeschlossenen Jungen tut beiden gut; sie ändern sich allmählich zum Positiven hin. Und sie beschließen, faire Rivalen um die Gunst von Matsu zu sein. Außerdem wollen sie ihre Freundschaft nicht gefährden. Für Umeko wird es allerdings kompliziert, denn irgendwann merkt sie, dass sie Matsu zwar sehr mag, aber romantische Gefühle für den neuen Take, der mittlerweile aufgeschlossener ist und nicht mehr so oft mit Anfällen zu kämpfen hat, hegt. Als sie Take ihre Gefühle gesteht, wird sie abgewiesen. Aber auch Take muss einen Korb hinnehmen, als er Matsu seine Gefühle offenbart. Angesichts dieser romantischen Verwirrungen kämpfen alle drei um ihre Freundschaft, denn diese ist ihnen nach wie vor wichtig.

Die drei in sich abgeschlossenen Bände sind keine seichten romantischen Mangas, sondern rücken andere Themen in den Vordergrund: Freundschaft, Toleranz, gegenseitige Akzeptanz, Entwicklung der Persönlichkeit, sensibles Eingehen auf andere und die jeweilige Situation, Selbstvertrauen und Selbstwert. Diese Themen werden schlüssig, verständlich und tiefsinnig aufbereitet den Leser*innen näher gebracht. Die Dialoge, die die Beteiligten führen, und die Weise, wie sie reagieren, sind auf der einen Seite Vorbild, bieten auf der anderen aber auch Identifikationspotential, v.a. für Pubertierende in der Phase der Identitätsfindung.

Die Verwicklungen, die sich ergeben, sorgen für den Spannungsbogen. Die Nebencharaktere spiegeln z.T. die Situation der drei Hauptcharas wider. Sie zeigen aber auch, dass man empathischer auf Situationen und andere Menschen reagieren kann, wenn man selbst Ähnliches erlebt hat. Der Erfahrungsschatz und die seelische Tiefe wächst mit den Hürden, die man überwinden muss. Auch das zeigt die Reihe.

Fazit

Empfehlebswerter Manga über die Themen der ersten Liebe, Freundschaft, Selbstfindung, Toleranz.


Genre: Manga
Illustrated by Carlsen / Hayabusa

She likes Gay Boys but not me! 1

Coming Out?

Der Oberschüler Jun ist schwul, verheimlicht aber seine sexuelle Neigung. Er hat eine Affäre mit einem Familienvater namens Makoto und eine ebenfalls schwule Internetbekanntschaft namens Mr. Fahrenheit. Letzterem vertraut er sein Innenleben an und freut sich, dass auch Mr. Fahrenheit sein Gefühlsleben mit ihm teilt. Denn er ist der einzige außer Juns Affäre, der von Juns Homosexualität und den Schwierigkeiten, die das mit sich bringt, weiß. Durch einen Zufall erfährt Jun von der Leidenschaft seiner Klassenkameradin Sae für BL-Manga. Er verspricht ihr, den anderen nichts davon zu sagen. Damit eröffnet sich für ihn eine neue Freundschaft, die schließlich in eine Beziehung mit Sae mündet. Jun will mit dieser Beziehung herausfinden, ob er es ähnlich machen kann wie Makoto: Nach außen hin ein normales Leben zu führen, um keine Repressalien erdulden zu müssen, aber mit einer Affäre seine sexuellen Bedürfnisse befriedigen zu können. Aber dieses Experiment ist mit weiteren Schwierigkeiten verbunden.

Der erste Band dieser Boys-Love-Serie mutet deutlich realistischer an als so viele andere, die in einer in sich abgeschlossenen Welt spielen und in denen v.a. die romantische und/oder sexuelle Beziehung hervorgehoben wird, anstatt die Schwierigkeiten zu beleuchten, mit denen Homosexuelle zu kämpfen haben. In der o.g. Reihe spielen die Probleme eine entscheidenede Rolle, denn sie bestimmen Juns Alltag und seine Entscheidungen, die nicht nur für ihn weitreichende Konsequenzen haben. Die Spannung dieses Ansatzes bezieht sich also darauf, wie Jun sich entscheidet, was sich aus diesen Entscheidungen ergibt und wie alle Beteiligten damit umgehen. Schade, dass es nicht mehr solcher Manga gibt, die einen Einblick in die Situation homosexueller Menschen gibt! Aber nicht nur dieses Thema wird angesprochen, sondern auch die Neigung der Menschen insgesamt, alles, was anders ist, mindestens misstrauisch zu beäugen, wenn nicht gar zu verteufeln. Das Cover macht den Zwiespalt deutlich, in dem Jun sich befindet.

Fazit

Lesenswerter Manga über Homosexualität und den Umgang aller Beteiligten mit dieser Art der sexuellen Neigung.


Genre: Manga
Illustrated by Carlsen / Hayabusa

Love and Fortune 1

Liebe mit Altersunterschied

Die 31-jährige Wako macht sich keine Illusionen mehr vom Leben. Sie hat sich in einer Zone der ständigen Kompromisse eingerichtet und alle Träume abgetötet. Sie lebt mit einem Mann zusammen, den sie nicht liebt und der sie nicht zu schätzen weiß. “Weil man es so macht”, redet sie sich ein, diesen Mann bald heiraten und Kinder in die Welt setzen zu müssen. Überhaupt macht sie vieles nur noch, weil es von ihr erwartet wird. Einzig ihr Job macht ihr Spaß: Sie arbeitet in einem Kino, weil sie Filme liebt. Aber auch den will ihr Freund ihr nehmen, weil er  mehr Geld von ihr erwartet. Eines Tages kommt ein 15-jähriger Schüler in das Kino. Wako fällt er gleich ins Auge, weil sie sich genau so ihren Traumprinzen vorgestellt hat. Glück für Wako: Yumeaki verliert seinen Schülerausweis. Mit dessen Hilfe und ein paar anderen unauffälligen, aber mutigen Aktionen nähert sich Wako ihrem Traumprinzen an. Dieser ist auf schüchterne Art ebenfalls von ihr begeistert. So beginnen Wako und Yumeaki eine Affäre. Allerdings lassen die Schwierigkeiten nicht lange auf sich warten.

Ältere Frau – jüngerer Mann

Der erste Band erzählt die Annäherung zwischen zwei Menschen mit großem Altersunterschied. Dabei baut er im genau richtigen Tempo sowohl die Beziehung als auch die Spannung auf. Erstaunt ist man als Leser*in darüber, dass die unauffällige, ruhige Wako auf einmal Initiative zeigt und schrittweise versucht, ihren Traummann für sich zu gewinnen. Dabei ist sie schließlich gar nicht mehr so schüchtern, sondern nimmt im wahrsten Sinne des Wortes die Dinge selbst in die Hand. Allerdings – und das ist auffällig – macht sie sich wenig Gedanken um die Konsequenzen ihres Handelns, v.a. um die rechtlichen, denn Yumeaki ist minderjährig.

Ansonsten spricht dieser Manga aber ein Thema an, das normalerweise zu den Tabu-Themen gehört: Eine deutlich ältere Frau datet einen deutlich jüngeren Mann. Das wird in der Gesellschaft viel schärfer verurteilt und ins Lächerliche gezogen als der umgekehrte Fall des deutlich älteren Mannes, der eine junge Frau als Freundin hat. Die Frau muss sich Vorwürfe gefallen lassen, dass sie Nestraub betreibt, dass der Mann vom Alter her ihr Sohn sein könnte, dass sie kein Recht dazu hat, dass das unnatürlich ist usw. Der jüngere Mann muss sich Bezeichnungen wie “Mutterkomplex” oder “Toyboy” gefallen lassen. Dabei hat man herausgefunden, dass die Paarung ältere Frau und jüngerer Mann zumindest sexuell gut zusammenpasst: Die Libido wächst bei der Frau mit den Jahren, beim Mann dagegen lässt sie nach. Eigentlich beobachtet man auch hier, was allenthalben zu beobachtne ist: Die Frau darf aufgrund der immer noch präsenten einschränkenden Rollenklischees weniger als der Mann. Deshalb wird eine Beziehung zwischen einer älteren Frau und einem jüngeren Mann schärfer verurteilt als die umgekehrte Paarung. Dass der Manga die Beziehungskonstellation anspricht, ist also ein weiterer wichtiger Schritt zum Umdenken und mehr Gleichberechtigung in der Geselllschaft.

Der Manga ist wegen der – wenn auch nicht unbedingt sehr explizit dargestellten – sexuellen Szenen (da gibt es gerade in erotischen Mangas deutlich voyeuristischere!) erst ab 16 Jahren erhältlich.

Fazit

Der Manga spricht das Thema des großen Altersunterschiedes einer Beziehung an, und zwar das der immer noch scharf verurteilten Beziehung zwischen einer älteren Frau und eines jüngeren Mannes. Das Sichtbarmachen eines solchen Themas auch in diesem Genre hilft, Vorurteile abzubauen und mehr Gleichberechtigung zuzulassen.


Genre: Manga
Illustrated by Carlsen / Hayabusa

Belle und das Biest im verlorenen Paradies 1

Was ist schön, was ist hässlich?

Belles Äußeres ist ungewöhnlich: Sie hat blasslila Haare, die sie weder von ihrem Vater noch von ihrer Mutter geerbt hat. Deshalb muss sie um die Liebe ihres Vaters kämpfen, der sie nicht akzeptieren will. Einzig ihrer Mutter ist das Mädchen wichtig. Aber diese wird ihr von einer Bestie genommen, als sie Belle davon abhalten will, in den verbotenen Wald zu gehen. Der Vater verzeiht ihr den Verlust der Mutter nicht und sperrt sie ein. Aber Belle beschließt eines Tages, ihre Mutter zu suchen und geht erneut in den verbotenen Wald. Dort begegnet sie nicht nur einer sondern zwei Bestien. Nachdem die eine Bestie sie vor der anderen gerettet hat, nimmt sie Belle mit auf ihr Schloss. Auch dort lauern Gefahren auf Belle, aber sie merkt, dass die Bestie, obwohl arrogant und vorlaut, ihr bisher immer geholfen hat. Außerdem ist das Biest die einzige Spur zu ihrer Mutter. Belle beschließt, dort zu bleiben, um mehr über ihre Mutter herauszufinden.

Der erste Band lässt sich den Genres Horror, Fantasy und Märchen zuordnen. Letzteres wegen Anklängen an “Die Schöne und das Biest”, “Rotkäppchen” und “Blaubart”. Die Geschichte ist sehr gewaltlastig und hebt auch den psychischen Schmerz hervor, den diese Gewalt verursacht. Aber sie geht auch auf den Schmerz ein, der entsteht, wenn Menschen nicht so geachtet werden, wie sie sind. Belle wird von ihrem Vater ständig als “hässlich” bezeichnet, und er scheut auch nicht davor zurück, sie ermorden zu wollen. Das Biest dagegen sieht sie als schöne Frau. Belle erkennt, dass das Äußere des Biestes nicht unbedingt das Innere widerspiegelt. Genauso verhält es sich mit süßen Wesen, die sich als mordlustig entpuppen. Auch der Vater, der als ganz normal gilt, verhält sich entgegen seines Äußeren hässlich. Einzig bei der Mutter spiegelt die äußere Schönheit die innere wider. Die Autorin spielt also mit den Bedeutungen von schön und hässlich und regt damit zum Nachdenken an.

Außerdem ergibt sich Belle nicht dauerhaft in das Schicksal, eine passive Frau zu sein, Erwartungen zu erfüllen und die Anfeindungen ihrer Umgebung zu ertragen. Dazu wird sie auch von dem Biest, wenn auch in wenig freundlicher Weise, ermuntert. Sie beweist Charakterstärke und eigenen Willen, obwohl (oder vielleicht gerade deswegen) sie auch mit Ängsten und Zweifeln kämpft.

Das Motiv des gefährlichen Waldes kommt in Märchen öfter vor. In diesem Manga wird es verbunden mit dem (blut-)roten Mantel von Rotkäppchen und dem bösen Biest (Tier). Das Ermorden der Frauen und die weibliche Neugier sind Motive aus “Blaubart”.

Das Psycholgische der Figuren herauszuarbeiten ist typisch für Shojo-Manga (Manga für Mädchen). Aber Karoi Yuki begnügt sich nicht damit, sie verbindet verschiedene Thematiken mit dieser und interpretiert sie neu. Dabei nimmt sie gern auch problemarische Themen wie z.B. Inzest in “Angel Sanctuary”. Die Verbindung mit Elementen des Horrors, der Fantasy und Mythen und Märchen sind ihre ebenfalls ureigenen Themen, z.B. in den o.g. Manga und in “Alice in Murderland”.

Fazit

Manga mit Horror-, Märchen- und Fantasyelementen, der mit den Begriffen “schön” und “hässlich” spielt und damit zum Nachdenken anregt.


Genre: Manga
Illustrated by Carlsen Manga!

Blue Giant 1

Blue Giant Band 1 (Deutsche Ausgabe) Carlsen MangaVon den Schwierigkeiten, ein Künstler zu sein

Schüler Dai Miyamoto spielt mit Begeisterung Basketball, gehört in dieser Sportart aber nicht zu den Besten. Eines Tages nimmt ihn ein Freund zu einem Jazz-Konzert mit. Dai kommt dieses Konzert vor wie eine Offenbarung. Seitdem hängt er sein Herz an sein Saxophon und seine täglichen Jazz-Sessions am Flussufer. Auch dort spielt er mit der für ihn typischen Leidenschaft, aber sein Spiel ist gewöhnungsbedürftig. Trotzdem bekommt er seine Chance, als er als Vertretung in einer Band Saxophon spielen soll. Dieses kleine Konzert aber endet in einer Katastrophe, denn sein Spiel kommt weder beim Publikum noch bei der Band gut an. Trotzdem gibt er nicht auf, denn er will der beste Jazz-Musiker der Welt werden.

… und dabei nicht aufzugeben

Der erste Band deutet die Schwierigkeiten an, denen Künstler*innen begegnen können, wenn sie ihren Weg gehen wollen. Dabei ist die Bilanz bei der Hauptfigur Dai durchwachsen: Innerhalb der Familie bekommt er v.a. von seinem Vater die volle Unterstützung (was oft bei anderen Künstler*innen fehlt und damit viel wert ist), außerhalb der Familie stößt er sowohl auf Zustimmung als auch auf Ablehnung. Was aber ganz wichtig ist und was das Ende des Bandes mit einer Art “zukünftigen Rückschau” zeigt: Man darf sich durch Ablehnung nicht unterkriegen lassen und muss hartnäckig dabei bleiben. Das hört man im “Real Life” z.B. auch oft von Sänger*innen, kürzlich erst wieder bei “Voice of Germany”. Dai lässt sich nicht unterkriegen, obwohl ihn die Ablehnung schmerzt. Damit hat er eine Vorbildfunktion nach dem Motto “Wenn ihr etwas macht, in dem euer Herz voll dabei ist, dann ist es das wert, weiter verfolgt zu werden”.

Der Manga ist ausdrucksstark und an den passenden Stellen dynamisch in seiner Darstellung. Die Figuren sind nicht magatypisch nach Kindchenschema angefertigt, sondern vergleichsweise realistisch gezeichnet. Das macht einen entsprechenden realitätsnahen Eindruck und lässt die Leser*innen tiefer in die Geschichte eintauchen.

Empfohlen.


Genre: Manga
Illustrated by Carlsen Manga!

A Couple of Cuckoos 1

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Vertauschte Babys

Kuckuckskinder – eines Tages erfahren die beiden Oberschüler*innen Erika und Nagi von ihren Eltern, dass sie gar nicht ihre “richtigen” Kinder sind. Als wäre das nicht genug, begegnen sich die beiden zufällig: Erika will Nagi unbedingt als Fake-Freund engagieren, um einer arrangierten Verlobung zu entkommen. Und damit der widerstrebende Nagi auch wirklich mitspielt, setzt sie ihn mit einem prekären Foto unter Druck. Als die beiden erfahren, wer wirklich Erikas Verlobter werden soll, erleben die Teenager wieder eine faustdicke Überraschung. Und diese kettet die beiden unwideruflich aneinander.

Abträgliche Männerfantasien

Der erste Band der Serie nimmt sofort Tempo auf: Die Kuckucksfamilie Nagis ist im Gegensatz zu ihm voller Energiebündel. Auch Erika, die ursprünglich aus dieser Familie stammt, ist extrem temperamentvoll. Er selbst schlägt mit seinem Lerneifer und seiner ruhigen Art seiner genetisch echten Familie nach. All dies birgt viel Potential für dynamische und komische Momente, die der Manga auch nutzt. Allerdings fragt man sich als Leser*in direkt auf der ersten Seite, wie es zu diesem Tausch kommen konnte – schließlich wird zumindest die echte Mutter von Erika zweimal darauf hingewiesen, dass sie ein Mädchen bekommen hat. Sehr unlogisch, dass man sich dann 16 Jahre lang mit einem Jungen zufrieden gibt ohne nachzufragen.

Ansonsten werden hier offensichtlich Männerfantasien bedient, wenn auch im Vergleich zu anderen Mangas zumindest vorerst noch recht dezent. Die Mädchen sind alle sehr vollbusig und werden in Posen dargestellt, die wohl erotisch wirken sollen. Echte Vorbilder für Mädchen sind sie so jedenfalls nicht, da sie offensichtlich nur als Objekte von männlichem Voyeurismus dienen. Dazu gehört auch die Haremsfantasie, die schon im ersten Band angelegt ist. Ebenso gehört zu diesen Männerfantasien, dass ausnahmslos alle Mädchen hübsch sind, die männliche Hauptfigur im Gegensatz dazu aber durchschnittlich bis wenig attraktiv aussehen darf. Dieses asymetrische Gefälle und die damit verbundene Ungerechtigkeit gegenüber Mädchen und Frauen, die nicht so attraktiv sind, liegen auf der Hand. Eigentlich sollte so etwas nicht mehr in den Medien transportiert werden, um das ohnehin wenig geförderte weibliche Selbstbewusstsein nicht noch weiter zu untergraben.

Fazit

Der Manga hat gute Anlagen in Hinsicht auf Dynamik und Humor, aber er bedient Männerfantasien. Und diese sind einem gesunden Mädchen- und Frauenbild in mehrerlei Hinsicht abträglich.


Genre: Manga
Illustrated by Carlsen Manga!

My Genderless Boyfriend 2

My Genderless Boyfriend 2Vermarktung des gar nicht mehr so individuellen Genders

Meguru soll bei einer bekannten Reality-Show mitmachen. Er bittet seine Freundin Wako um Rat. Diese ist begeistert, aber Meguru lehnt letztlich das Angebot ab. Dafür erinnert sich Wako an die Zeit, als Meguru immer mehr Fans im Internet gewonnen hat. Als aber Fans sehen, wie gut eine süße Influencerin und Meguru zusammenpassen würden, ist Wako gegen ihren Willen verletzt.  Der sympathische Genderless Boy bemerkt ihre Traurigkeit und nutzt die Gelegenheit, um Wako endlich zu fragen, ob sie seine Freundin sein will. Zurück in der Gegenwart: Megurus Manager plant ein neues Projekt. Er hat einen weiteren Genderless Boy, Sasame, ausfindig gemacht. Mit Sasame soll Meguru eine Duo bilden, das den Namen “Unicorn Boys” trägt. Da Sasame aber nur äußerlich niedlich aussieht, in Wahrheit aber auf ausgeprägt Maskulines steht, muss sich der Manager Tricks einfallen lassen, um Sasame zu diesem Projekt zu überreden.

Oberlächlichkeit versus das, was wirklich im Leben zählt

Da ich diesen Band erst jetzt erhalten habe – die Post hatte mein Päckchen verloren – ist die Reihenfolge etwas durcheinandergeraten. Band 3 habe ich also schon rezensiert.

Neben der Karriere Megurus stehen auch diesmal wieder andere Themen im Mittelpunkt, u.a. ein Mangaka, der seine Leidenschaft für seinen Beruf im Dschungel der Erwartungen von Redaktion und Fans verloren hat. Sensibel wird er auch durch die Wahl der Perspektive in den Panels durch seine Sinnkrise begleitet, bis er wieder für ein neues Thema Feuer gefangen hat. Dieses Kapitel zeigt, wie auslaugend und entfremdend es sein kann, wenn der Beruf nur noch zum Broterwerb verkommt und man sich an die Erwartungen der Gesellschaft anpassen zu müssen glaubt. Depressionen und Sinnkrisen sind die Folge – die aber eben auch die Leistungsfähigkeit ausbremsen. Intrinsische Motivation erhalten und ggf. wecken heißt also das Zauberwort für die Wirtschaft, ebenso wie eine gute Work-Live-Balance.

Die hat Meguru anscheinend für sich gefunden, denn seine Urlaubs- und Alltagserlebnisse mit Wako geben ihm immer wieder neuen Schwung. Aber auch er fragt sich, ob all das, was er gerade beruflich macht, ihn mit genügend Sinn erfüllt: Oberflächlichkeiten sind eben nicht alles im Leben. Er selbst beweist in seiner Beziehung mit Wako, dass er sehr einfühlsam ist und ernsthaft an seiner Beziehung zu ihr arbeitet. Auch Freundschaften pflegen ist ihm wichtig. Die wirklich wichtigen Dinge im Leben sind also immateriell und innerlich, nicht äußerlich. Außerdem wird in diesem Band angedeutet, was sich im dritten Band weiter herauskristallisiert: Der Äußerlichkeit wird im Showbiz alles untergeordnet. Es kommt nicht auf Individualität an, sondern auf das, was sich gerade gut vermarktet. Dafür wird Individulität und das, was einem wirklich wichtig ist, rücksichtslos dem Image geopfert. Die Reihe zeigt, wenn auch zum Thema passend auf eher leichtfüßige Art, dass die Welt der social media extrem oberflächlich ist und man zu dieser Oberflächlichkeit und dem schönen Schein einen bodenständigen Gegenpart im Alltag braucht. Meguru selbst sind, wie gesagt, die nicht-materiellen Dinge wie Liebe und Freundschaft besonders wichtig und er legt auch Wert auf Praktisches, Bodenständiges.

Fazit

Die Reihe kommt zwar vordergründig leichtfüßig daher, aber wenn man zwischen den Zeilen lesen kann, sieht man auch die versteckte Kritik an der Oberflächlichkeit von social media und dem engen Korsett des Showbiz, das nur auf Vermarktung aus ist und individuelles Verhalten und Äußeres in gerade angesagte Schemata presst. Meguru stellt durch die Art und Weise, wie er lebt, einen Gegenpol zum schönen (konstruierten) Schein dar: Er setzt auf Werte wie echte Liebe und Freundschaft.


Genre: Manga
Illustrated by Carlsen / Hayabusa

The Gender of Mona Lisa 1

Genderless und Rollenklischees

Hinase lebt in einer Welt, in der die Kinder bis zum 12 Lebensjahr ohne Geschlecht aufwachsen. Erst dann entscheiden sie sich, ob sie Frau oder Mann werden möchten. Hinase ist mittlerweile 17 Jahre alt und hat sich immer noch nicht entschieden. Eigentlich ist sier mit der Geschlechtslosigkeit zufrieden und möchte nichts ändern. Aber dann gestehen Hinase sowohl Shiori als auch Ritsu ihre Liebe und die Karten werden neu gemischt.

Der erste Band spricht ein aktuelles Thema an: Braucht es eigentlich ein Geschlecht, um in einer Gesellschaft zufrieden zu sein? Aufgrund der extrem einengenden und strikten Rollenklischees auf der einen Seite und Geschlechtsidentitäten, die über Transgender, Transfluid, Hermaphrodit usw. reichen, auf der anderen Seite ist der Manga spannend zu lesen, zumal sowohl Ritsu als auch Shiori wollen, dass Hinase für sie entweder zum Mann oder zur Frau wird. Sobald sich die Kinder entschieden haben, stecken sie also in den Rollenklischees fest und leben diese ganz traditionell fort. Hinase dagegen will sich nicht in etwas reinzwängen lassen und ist mit den Freiheiten als geschlechtslose Person zufrieden. Angelehnt wird das Ganze an die berühmte Mona Lisa, der im Manga als Theorie Zweigeschlechtlichkeit zugesprochen wird. Die Geschlechtlichkeit und Geschlechtslosigkeit wird im Manga durch türkisfarbene Elemente indirekt betont. Hinases Augen z.B. sind türkis, während Shioris Krawatte und Ritsus Schleife ebenfalls türkis sind. Diese beiden Kleidungselemente weisen auf die Geschlechterrollen hin, während bei Hinase die Augen als Sitz der Seele auf das eigentlich Wichtige deuten: Wie jemand von seinem Innersten her ist und nicht, wie sie oder er aussieht. Um die Geschlechtsneutralität weiter hervorzuheben, werden eigene Pronomen wie “sier” gebraucht, um Hinases Status zu beschreiben. Hinase benimmt sich in manchen Szenen nicht nur neutral, sondern auch je nach Situation männlich oder weiblich. Die Geschlechtsneutralität sieht man auch an den Zeichnungen der Kinder: Man kann sie weder von der Kleidung und von den Haaren noch vom Verhalten her als weiblich oder männlich zuordnen. Manche scheinen aber Präferenzen zu haben – die die Umwelt im Sinne der Rollenklischees promt fehlinterpretiert.

Die Manga-Reihe macht also deutlich, dass sowohl Geschlechtsneutralität oder beide Geschlechter in einem normal sein kann (und auch sollte) als auch die sofort greifenden Rollenlischees, wenn sich ein Kind für ein Geschlecht entschieden hat. In diesem Spannungsbogen bewegt sich die Geschichte. Sehr schön ist der Ansatz, dass man selbst entscheiden darf, welches Geschlecht man haben will – was aber wieder hinterfragt wird durch die strikte Vorgabe, dass man sich ein Geschlecht aussuchen muss, weil ansonsten diverse Konsequenzen drohen, wenn man es nicht tut.


Genre: Manga
Illustrated by Carlsen / Hayabusa