Ein Geräusch klopft an die Tür

Werner Vogel beweist, dass auch ein Deutschlehrer nach 25 Jahren Fron im Schuldienst seine Freude am Spiel mit der Sprache nicht zwingend verlieren muss. Dem Schulmann aus Wien sagen seine Schüler nach, er habe »Augen, die öfters strahlen und zwei abstechende Ohren«, und »Er hat zwei lange normale Arme und zwei normal lange Beine«. Diese strahlenden Augen und normalen Arme pflückten nun in hunderten Schulaufsätzen allerlei Sprachpannen, die in gesammelter Form verewigt wurden.

Vogel trug wundervolle Sprachminiaturen zusammen. Diese entstanden meist im Stress von Prüfungen und Tests und bilden in ihrer Zusammenstellung einen bunt schillernden, exotisch anmutenden Blütenstrauß. Dabei wird unter andrem Dramatik pur geboten: »Anne verlor das Übergewicht und flog in die Tiefe«. Doch zum Glück geht (meist) alles gut aus: »Die ganze Schule brannte ab, nur der 2. und 3. Stock blieben unversehrt«.

Seien es Themen aus der Welt der wilden Kreaturen (»Er fragte den Hund, warum er das gemacht hätte, aber der antwortete nicht«), aus Liebe & Erotik (»Sie war nackt und hatte ein blaues Kleid an«) oder dem Märchenreigen (»Ich rettete mich auf einen Stein, der mich glücklicherweise auf eine einsame Insel trieb«), in dem vorliegenden Bändchen finden sich strahlende Perlen des unfreiwilligen Sprachwitzes der Schülerschaft.

Gemeinsam ist den aufgelisteten »Fehlern«, dass ihnen ein wesentlich längeres Leben beschieden ist als dem korrekten Rest der Texte. Denn gerade die sprachlichen Stolpersteine sind es, die dem Leser Freude schenken an unserer »funkelnden, eigensinnigen, stets aufs Neue überraschenden Sprache«, wie Vogel meint. Er überlegt aus diesem Grunde, ob diese sogenannten »Fehler« »nicht das Schönste in unserem Leben« sind. – Der Mann könnte Recht haben, zumindest stilsicherer kann es einem Schulmeister kaum ins Stammbuch geschrieben werden: »Der Bub öffnete die Schultasche und gab seinen Kopf hinein«.


Genre: Humor und Satire
Illustrated by Holzbaum Wien

Das Leben ist ein Baumarkt

Wer hat nicht schon mal in einem Baumarkt nach der Lösung eines kleinen Problems im eigenen Heim gesucht, für das ein entsprechendes Utensil, eine Schraube, ein Verschluss, ein Werkzeug oder was auch immer fehlte. Den Nicht-Handwerker stellt bereits die Suche nach dem richtigen Regal auf eine harte Probe und just aus dem Grund begibt der Hilflose sich gern in die Hände eines fachkundigen Beraters. Dieser ist indes oft noch schwieriger zu finden als der gesuchte Gegenstand selbst, er befindet sich scheinbar ständig auf der Flucht oder wird bereits von anderen Ratsuchenden umlagert, die auf weise Worte warten wie die Gläubigen am Petersplatz in Rom.

Das vorliegende Buch verschafft nun der anderen Seite Gehör. Der Autor, nach eigenem Bekunden Abteilungsleiter eines Baumarktes, durchbricht das Klischee des Fachberaters. Er tritt sachkundig, intelligent und serviceorientiert auf, kennt die Schwächen seiner Kollegen ebenso gut wie die seiner Chefs. Vor allem kennt er aber seine wichtigsten Pappenheimer, die Kunden, denen der überwiegende Teil seiner oft sarkastischen Betrachtungen gewidmet ist. Dabei ärgert er sich besonders über die »Vollpfosten« in Internetforen, die irgendwelche Produkte empfehlen, »die es einfach nicht gibt« und damit den Kunden desinformieren.

Trompetter schildert seine Klientel in allen denkbaren Schattierungen. Er typisiert die Menschen, die sich in seinem Fachgebiet »Fliese« einfinden und teilweise zu bescheuert sind, die erforderliche Menge Steingut für eine vorgegebene Raumgröße zu berechnen. Er rächt sich dann damit, dem Kunden die teuerste Fliese zu empfehlen und freut sich diebisch, wenn dieser darauf hereinfällt. Schadenfreude ist dem Fachberater alles andere als fremd, es wäre für Psychologen ein interessantes Unterfangen, den Charakter des Autors anhand seines Buches eingehend zu analysieren.

Gleichwohl vermag sich der Leser mit dem Fachberater zu solidarisieren, wenn der erraten soll, was König Kunde meint, wenn er »Beton für untendrunter« (Fliesenkleber) oder »Was Rotes, wenn einem mal was raushängt« (rote Fahne zum Markieren überstehender Ladung) sucht. Clever und geschäftstüchtig geht er mit Leuten um, die reklamieren wollen. Kommt ein Kunde mit einer unbrauchbaren Silikonkartusche aus einem anderen Baumarkt, macht er ihn nicht etwa auf seinen Fehler aufmerksam, sondern lässt ihn geduldig Regalreihen durchstreifen und nach dem Produkt suchen, bis dieser selbst seinen Irrtum erkennt und entnervt Silikon samt Kartuschenpresse bei ihm kauft. Hätte er ihm gleich gesagt, wo die Kartuschen her sind, wäre er straks dorthin gegangen, um sich zu beschweren. So hat er wenigstens bei ihm gekauft.

Die Lektüre dieser Veröffentlichung schenkt Spaß, denn sie birgt die Gefahr, sich selbst zu erkennen.


Genre: Humor und Satire
Illustrated by Riva Verlag München

Wie man garantiert (fast) einen Bestseller schreibt

Erfolgsautorin Louise Krämer ist die einzige Dame eines Autorenkränzchens, die es – nach eigenen Angaben – geschafft hat, ein Buch in einem Verlag unterzubringen. Deshalb kommen zwei andere Teilnehmerinnen dieses illustren Kreises schreibender Frauen auf die Idee, sie in ein Gemeinschaftsprojekt einzubinden, das den Buchmarkt erstürmen soll. Inspiriert durch eine Überdosis Eierlikör wollen sie ihre »Zielgruppen bündeln«, indem sie ein Gemeinschaftsbuch verfassen.

Insgeheim wird zwar jeder der Damen übel, wenn sie daran denkt, mit einer der anderen Tussen zusammenarbeiten zu müssen, aber da man sich wechselseitig immer wieder Wertschätzung, Hochachtung, ja Liebe, beteuert, kann frau schlecht Nein sagen. Allerdings versuchen Lousies Co-Autorinnen recht schnell, sich selbst in den Vordergrund zu spielen und sie auszubooten. Dass dies nicht ohne Zwischenfälle verläuft, lässt sich denken.

Die Autorinnen leben nach der Bestsellerformel »Sei bieder, aber tu so, als seist du verrucht. Tu so, als hättest du die Weisheit mit Löffeln gefressen, aber sei nicht arrogant. Schreib so, dass es alle verstehen, aber nicht so, dass es jemand für banal hält. Setz dich in Talkshows und lass die Titten halb raushängen, auch wenn du fünfzig bist«. Klar ist den Autorinnen dabei, dass das Geheimnis der Bestsellerei darin besteht, »Ansammlungen von Klischees zu schaffen, denn originelle Bücher werden prinzipiell keine Bestseller. Jedenfalls nicht zu Lebzeiten des Autors.« Zuerst schreiben sie jedoch fünfsternige Amazon-Kritiken, dann folgt der Text, auf den sich diese beziehen.

Catrin Alpach legt mit diesem kurzen Text eine vergnügliche Humoreske vor, die auf hinreichende Erfahrungen in Schreibgruppen schließen lässt und ebenso gut in einer der zahllosen Indie- und Self-Publisher-Foren im Internet spielen könnte. Ohne weh zu tun, karikiert sie die Welt der Hobbyschreiberinnen, von der es mehr zu geben scheint als manch eine(r) ahnt. Denn für jede Frau gibt es, so die Verfasserin, drei existentielle Entscheidungen, die sich nach den ersten Stürmen der Pubertät treffen muss: »Welchen Mann heirate ich? Was ziehe ich zur Hochzeit an? Und: Welchem Genre widme ich mich, wenn die Ehe so öde geworden ist, dass nur noch Schreiben Linderung verschafft?«

Für meinen Geschmack hätte das Thema zwar deutlich mehr Biss verdient, das entwertet den Text jedoch weder in Form noch Inhalt.


Genre: Humor und Satire
Illustrated by Kindle Edition

Es ist ein hartes Leben in der Provinz

Der Ich-Erzähler siedelt mit Frau und Kind von Düsseldorf nach Oberammergau um; völlig klar, dass bei einem derart gewagten Unterfangen der Kulturschock im Preis inbegriffen ist. Doch damit nicht genug: Als selbst auferlegte Strafverschärfung wird im Reich der Herrgottsschnitzer und Passionsspieler auch noch ein Eigenheim errichtet, das langsam aber sicher immer teurer zu werden droht. Kann dieses Doppel-Projekt wirklich gelingen?

Holger Schaeben setzt einen pointierten Kontrapunkt zu der in weiten Teilen der Mittelschicht verbreiteten Sehnsucht nach dem Landleben, das gerne romantisiert und verklärt zur allein selig machenden Daseinsform erhoben wird. Am Beispiel des vermeintlichen Paradieses Oberammergau liefert er jede Menge guter Argumente für die, die das Treiben im urbanen Dschungel der Eintönigkeit der trägen Provinz vorziehen. Denn die ländliche bayerische Idylle besteht eben nicht nur aus Bergen, sondern auch aus Schneebergen (die durchschnittlich sechs Monate im Jahr abgetragen werden wollen) und aus Eingeborenen, die nach der Tourismussaison regelmäßig in den Winterschlaf fallen.

Keineswegs jedoch erliegt der Autor der Versuchung, zwischen Stadt- und Landleben scharf zu polarisieren, er wird nie polemisch oder verletzend, sondern schildert mit humorvoller Selbstironie seine eigenen Erfahrungen und Beobachtungen und zieht daraus für sich die Schlüsse, ohne den Anspruch doktrinärer Allgemeingültigkeit zu erheben. Die geschliffene Sprache und die mit Bedacht gewählten klugen Formulierungen machen dieses Buch zu einem formidablen Lesevergnügen.


Genre: Humor und Satire
Illustrated by Monsenstein und Vannerdat

Great Apes

Der Künstler Simon Dykes ist im Londoner Nachtleben mit seinen Freunden unterwegs und konsumiert reichlich Drogen und Alkohol. Soweit also alles ganz normal, doch als er am nächsten Morgen erwacht, muss er entsetzt feststellen, dass sich seine Gefährtin Sarah in eine Schimpansin verwandelt hat. Damit nicht genug: Die ganze Welt ist von Affen bevölkert und Menschen gibt es (außerhalb afrikanischer Reservate) nur in Zoos zu bestaunen.

Simon wird nach längerem Aufenthalt in der Psychiatrie schließlich in die Obhut des erfahrenen Wissenschaftlers Dr. Zack Busner entlassen, der die Ursachen dieser offenkundigen Geisteskrankheit erforschen und den Patienten auf den rechten Pfad der Schimpansenheit zurückführen soll. Dank der hingebungsvollen Geduld des ambitionierten Doktors stellen sich alsbald erste vielversprechende Fortschritte ein; gleichwohl wird Simon aber immer wieder von verstörenden Erinnerungen an ein vermeintliches Menschendasein geplagt…

“Great Apes” ist ein großartiger Roman, wenn der Leser bereit ist, dem Autor zu folgen und vorbehaltlos in eine fremde Welt einzutauchen, die sich nach den Regeln der Schimpansen dreht, in der Rangkämpfe und pausenlose Paarungen im Vordergrund stehen. Mit viel Liebe zum Detail und ausgefeilter Sprache erschafft Will Self nicht nur konsequent neue Begriffe (Ersetzen von “Mensch” durch “Schimpanse”), sondern ein eigenes Universum mit elegantem Wortwitz, was die Lektüre im Original allerdings nicht gerade erleichtert. Natürlich erinnert das Buch an die “Planet der Affen”-Filme, die übrigens auch vorkommen, selbstredend mit vertauschten Rollen.

Fazit: Ein intelligentes Lesevergnügen, bei dem bisweilen das Lachen im Halse steckenbleibt.


Genre: Humor und Satire
Illustrated by Bloomsbury Paperbacks

A Picnic For Perverts

Der in Berlin lebende Brite Adam Fletcher schwelgt in Worten und Begriffen. Bereits beim Titel seines Buches „A Picnic For Perverts“ fragt sich der Rezensent, ob damit wohl ein gemeinsames Mahl von Perversen beschrieben wird oder der Autor den Begriff der Pervertierung verwendet und damit im übertragenen Sinne ein Picknick von Entstellten, Missbrauchten, Verdrehten, Verhunzten, Verstümmelten und Verkorksten meint. Um sicher zu gehen, befragt er den Verfasser. Der antwortet, sein Titel habe keinen Bezug zum Buch und wäre lediglich ein Hinweis auf sein ungewöhnliches Verständnis von Humor.

Dabei greift schon der erste der Texte in dem Band den Begriff „Picnic For Perverts“ auf. Es ist ein Brief an Tom Six, den Regisseur des niederländischen Horrorfilms „Der Menschliche Tausendfüßler“. In diesem unter Horrorfans heiß diskutierten Streifen näht ein verrückter deutscher Chirurg zwei Amerikanerinnen und einen Japaner, die er gefangen hält, zusammen, indem jeweils die Nase des einen in das Arschloch des anderen gesteckt wird.

Nachdem er sich während der Vorführung in eine Tüte seines Lieblings-Popcorns mit Käsegeschmack, das er bei der Gelegenheit wärmstens empfiehlt, übergeben hat, fragt Fletcher in seiner in den Brief eines begeisterten Studenten gekleideten Rezension, warum jemand ein derartig ekelhaftes und unnützes Werk in eine Welt setzt, die bestenfalls „A Picnic For Perverts“ sei. Und er ergründet den Sinn des Films, dem er unterstellt, er müsse einfach einen tieferen Sinn haben. Schließlich entdeckt er ihn in der Erkenntnis, dass wir doch alle irgendwie in die Münder unserer Mitmenschen scheißen. Wie die Charaktere des Films unlösbar aneinander geschmiedet sind, so sei die gesamte Menschheit in ihrem Schicksal miteinander verwoben.

In „Quadrup“, der umfangreichsten Geschichte des Bandes, wird der Leser auf einen weit entfernten Planeten gleichen Namens entführt. Er begegnet dem Propagandisten eines Managementprogramms gegen die Bevölkerungsexplosion, denn die Quadruper vermehren sich rasend und sollen deshalb überredet werden, auf den Planeten Erde umzusiedeln, auf dem es vergleichsweise ausreichend Raum gibt.

Nun stellt sich diese Werbeaktion für Umsiedlungswillige äußerst schwierig da, denn auf der Erde ist alles anders als auf Quadrup – und es ist vor allem aus der Sicht der lebenslustigen Planetenbewohner wesentlich schlechter. Man lebt auf der Erde eingepfercht in ein System, das sowohl die Arbeit – als auch die Freizeit reglementiert. Es ist verboten, abgesehen von den Hochburgen einiger Spezialreligionen, mehr als eine Frau zu haben. Kurz, es gibt keinen vernünftigen Grund, Quadrup zu verlassen.

So liest sich der Dialog zwischen dem Umsiedlungswerber und seinem „Opfer“ wie eine karnevalistische Büttenrede über die Unzulänglichkeit des Daseins auf dem Planeten Erde. Doch schließlich wandert wie von Zauberhand ein irdischer Schokoladenriegel in den Mund des umworbenen Bewohners von Quadrup. Und siehe da: Der Mann wechselt für den zu erwartenden Genuss der Süßigkeit in Permanenz vom Paradies in die Hölle und unterschreibt. (Hat der Autor beim Verfassen dieser Geschichte gar das Beispiel mancher DDRler vor Augen, die ihre Seele für ein Bündel Bananen verkauften?)

Auf diese Parodie folgt eine Parabel, die im dreiaktigen Bauprinzip der aristotelischen Dramatik verfasst wurde: Das Schaf Trudy, wer möchte es im verwehren, macht sich nach zehn Jahren gedankenlosem Grasen Sorgen um seine Zukunft. Es macht sich auf den Weg zu Periwinkels Farm, um sich einem Vorstellungsgespräch zu stellen. In modernen Zeiten einen Job als Schaf in einer Schafherde zu finden, ist schwer, und Trudy zittert vor dem Bewerbungsausschuss, dem sie sich stellen muss. Zusätzlich verunsichert wird sie durch Jimmy, einen Gorilla, der ebenfalls den Job haben möchte, weil Gorillas aus der Mode gekommen sind und ihr Habitat weitgehend vernichtet wurde.

Vor dem unerbittlichen Prüfungsausschuss hinterlässt Trudy keinen besonders günstigen Eindruck. Sie kann zwar enorm viel Gras fressen und Wolle produzieren und entspricht damit den formalen Anforderungen der Stelle. Leider weiß sie jedoch weder etwas über die Geschichte und Bedeutung der Farm noch hat sie als Herdentier je zuvor spezielle Führungseigenschaften bewiesen. Auch als Teammitglied hat sie nie ein anderes Ziel verfolgt, als mit den anderen gemeinsam Gras zu vertilgen.

Sammy, der Gorilla, hat sich hingegen zuvor im Internet über die Farm informiert und kann einen ausführlichen Vortrag halten, der in einem verlogenen Lobgesang auf die dort produzierten Eier mündet. Er kann ein wichtiges Zertifikat in Schafkunde vorweisen, wenngleich er eingestehen muss, dass er keine Wolle auf seinen Körper wachsen lassen kann, obwohl er über das Thema des Wachstums von Schafwolle auf Körpern promoviert hat. Zusätzlich kann er hervorragende Führungseigenschaften vorweisen und beantwortet die Frage der Kommission nach seinen Schwächen mit „Übereifer“ und „Arbeitswut“.

Keine Frage. Der Job als Schaf geht an Jimmy, den Gorilla. Trudy, das Schaf, sucht sich darauf einen Job in einem Wolfsrudel, dem sie als Lockvogel dient. Als das Rudel erfährt, dass auf Periwinkels Farm ein besonders riesiges Schaf weidet, wird der Bauernhof überfallen und Trudy trifft ihren einstigen Mitbewerber wieder, der in einem übergroßen weißen Wollmantel versucht, einen guten Job als Schaf zu machen. Als Trudy ihm von ihrer Mission erzählt, weist Jimmy sie fassungslos darauf hin, dass er ein Gorilla sei, den Wölfe nicht mögen. Sie verspricht ihm, sein Geheimnis zu wahren und gibt ihr Bestes, in ein Geheul einzustimmen, das die Meute zum Festmahl ruft …

Mal absurd, mal philosophisch geht es auf diese Weise weiter in Fletchers kruder Zusammenstellung. Er liefert Hochgenuss für den, der schwarzen Humor liebt und Freude am akrobatischen Spiel mit Worten hat. Mir hat die Lektüre enorm viel Spaß geschenkt, es ist eines der abwechslungsreichsten Bücher, die mir in jüngerer Zeit vor die Füße gefallen sind, wenn auch mein Englisch dem Sprachwitz des Autors nicht immer standgehalten hat.

Diskussion dieser Rezension im Blog der Literaturzeitschrift


Genre: Humor und Satire
Illustrated by nicht-soooooooooo-schlecht–verlag Berlin

Das Depot des Teufels

Die Absurdität des Alltags, die skurrile Dialektik des menschlichen Tuns und Lassens, die normative Schwäche des Faktischen; niemand kleidet mehr oder weniger existenzielle Episoden aus dem Leben geistreicher und witziger in Worte als Ruprecht Frieling. Diesmal brilliert der Autor in den Disziplinen Sport und Fitness, Kindernamen, Süßigkeitensucht, Vergesslichkeit, Tankstellendisko, digitale Bohème und etlichen mehr.

In 15 Geschichten serviert er dem Leser einen Teller mit feinstem Konfekt (um eines der Themen zu bemühen), lauter kleine köstliche Preziosen, vor deren Verzehr allerdings kein Arzt oder Apotheker befragt werden muss, Genuss ohne Reue! Leider stellen sich nach der Lektüre weder Völle- noch Sättigungsgefühle ein, denn Frieling verzichtet auf derben Klamauk und platte Kalauer, zum Zuge kommen vielmehr der geistreiche Wortwitz und die distanzierte Selbstironie, für die man ihn schätzen gelernt hat. Bitte mehr davon, und zwar schnell!


Genre: Humor und Satire
Illustrated by Internet-Buchverlag Berlin

Die Blechschmitts – Abenteuer Familie

Kinder sind ein Segen. Schon klar. Sie bereichern uns und machen viel Spaß. Sehr viel Spaß. Väter und Mütter können ein Lied davon singen, wie sie sich über ihre Kinder amüsieren. Meistens. Wenn die kleinen Sonntagmorgen um 7 Uhr krähen (nach einer unruhigen Nacht), wenn sie gar nicht schlafen wollen. Oder wenn sie so begeistert trocken werden, dass sie sich die Klobürste schnappen und sie in Papas Bett werfen. Zack. Das ist ein Riesenpaß und macht Laune.
Ein wunderschönes Buch
Und weil das vielen so geht, ist es tröstlich, ein Buch mit Geschichten zu haben, die vom ersten Kind erzählen. Jeremias Blaumilch hat die Geschichten aufgeschrieben, damit wir alle viel Spaß an der Familie Blechschmitt haben. „Die Blechschmitts: Abenteuer Familie“ heißt dann auch das Buch aus dem Schutterwälder Testudoverlag.
Es ist in der Tat ein Abenteuer. Für Fritzmann, den Sprößling der Blechschmitts ebenso wie für die Eltern. Da offenbart sogar das Vorlesen aus Kinderbüchern Untiefen, die ein normaler Mensch nicht für möglich hält. Und wer hätte gedacht, dass Frösche den ganz besonderen Schutz von couragierten Betschwestern stehen? Blechschmitt und Fritzmann mussten es erfahren – als sie versuchten, die kleinen glitschigen Kerle im Naturschutzpark aus ihrem Teich zu locken. Ganz waidgerecht und nur, um sie zu beobachten. Großes Ehrenwort!
Oder – ein Klassiker – der Besuch eines Kinderspielplatzes; vom Weg dorthin auf dem Dreirad ganz zu schweigen. Das alles liest sich süffig und wärmt die Seele.
Köstlich. Und für alle wärmstens zu empfehlen – als Trostbüchlein für andere Eltern. Als stilles Amüsement für die Großeltern. Und als Sehnsuchtsfetzen für alle Singles; auf dass sie endlich merken, welche Abenteuer ihnen entgehen, wenn sie sich abends in Kneipen, Diskotheken oder Kinos langweilen, weil sie keine Familie haben.
Man sollte das Buch vom Bundesministerium für Familie fördern lassen.


Genre: Humor und Satire
Illustrated by Testudo Schutterwald

Gott bewahre

Im Himmel ist die Hölle los: Gott war gerade mal eine Woche (entspricht allerdings 450 Erdenjahren) beim Angeln und als er zurück kommt muss er feststellen, dass dort unten alles den Bach runtergeht. Also ruft er seine heiligen leitenden Angestellten und seinen Sohn (der eigentlich viel lieber mit Jimi Hendrix Joints raucht und Gitarre spielt) zur Krisensitzung zusammen. Nach einem kurzen Abstecher in die Hölle ist schnell klar: JC muss noch einmal auf die Erde und der verkommenen Menschheit Gottes einziges Gebot nahe bringen: SEID LIEB!

Jesus landet in New York City und sammelt schnell die Verlorenen um sich, Junkies und Obdachlose, denen er hilft, so gut er kann. Dem großen Ziel bringt ihn das jedoch nicht unbedingt näher und so lässt er sich von seinen Freunden einigermaßen leicht überreden, bei „American Pop Star“ teilzunehmen, einer ebenso dämlichen wie erfolgreichen Casting-Show. Im Gepäck seine Gitarre und seine neuen Jünger macht sich Jesus auf den Weg nach Los Angeles, um von dort via TV die Welt zu verändern…

John Niven ist mit diesem Buch ein veritabler Rundumschlag gegen das konservative Amerika gelungen; verschont wird niemand und Gefangene werden nicht gemacht. Alle bekommen sie ihr Fett weg: Schwulenhasser und Abtreibungsgegner, rassistische Politiker und geldgierige Fernsehproduzenten, bigotte Hinterwäldler und natürlich der Papst. Der Autor versucht zu schockieren und das gelingt ihm zweifellos, ein Gott und sein Sohn, die sich fluchend durch den Roman kiffen, dürfte ihm kaum den Segen der katholischen Kirche einbringen.

Das Buch beginnt sehr vielversprechend, besonders die Szenen in der Hölle, wo der geneigte Leser beliebte Charaktere wie Jerry Falwell, Jesse Helms und Ronald Reagan antrifft sind in ihrer extremen Überdrehtheit nur schwer zu übertreffen. Im Mittelteil zieht sich die Casting-Tingelei ein wenig, auch wenn Niven (ehemals selbst Song-Produzent) immer dann seine stärksten Momente hat, wenn er bei den Musikauftritten seine geballte Kompetenz in die Waagschale werfen kann. Und auch gegen Ende weiß der Autor zu überzeugen; Jesus’ letzter TV-Auftritt ebenso wie der darauf folgende finale Teil können mit echter Empathie vielleicht sogar den einen oder anderen Kirchgänger wieder versöhnlich stimmen.

Ich fand das Buch (das im berüchtigten Heyne Hardcore-Verlag bestens aufgehoben ist) überaus lesenswert und erfrischend witzig, auch wenn es mit der Vulgärsprache bisweilen übertrieben wird und auch mancher Logikfehler vermeidbar gewesen wäre. Dennoch ist die kontroverse Aufarbeitung dieses heiklen Themas sicherlich nicht jedermanns Sache.

P.S.: Im aktuellen (deutschen) Septemberheft des „Rolling Stone“ findet sich neben einer Leseprobe ein ausführliches Interview mit dem Autor, der sich übrigens demnächst auch hierzulande auf Lese-Tournee begibt.


Genre: Humor und Satire
Illustrated by Heyne Hardcore München

Das Wunder von Treviso

Im verschlafenen norditalienischen Winzdorf Treviso besteht das Leben vorwiegend aus Essen und Langeweile, touristische Hektik ist hier gänzlich unbekannt. Das alles ändert sich jedoch, als der findige Pfarrer Don Antonio mit Hilfe eines befreundeten Künstlers eine Madonnenfigur in der Kirche dazu bringt, blutige (Rotwein-)Tränen zu vergießen. Ein neues Wunder ist geboren, die Pilger strömen aus aller Welt und der Ort erlebt eine Blütezeit. Allerdings regt sich in der Nachbargemeinde schnell Neid ob des unverhofften Reichtums der Treviser und als auch noch der Vatikan ankündigt, einen Experten zur Untersuchung des Phänomens zu entsenden, steht Don Antonio vor einem echten Problem…

Die Germanistin Susanne Falk weiß mit ihrem Romanerstling durchaus zu gefallen; ihr ist ein Buch mit viel Humor (aber ohne Klamauk) gelungen. Die Sprache ist ungekünstelt und vergleichsweise einfach, überzeugt jedoch mit sauberen Formulierungen. Für die interessanten und liebenswürdigen Protagonisten hätte man sich etwas mehr Tiefgang gewünscht, so handeln sie mitunter ein bisschen unmotiviert. Der Fluch und Segen des Tourismus mit all seinen Licht- und Schattenseiten wird lediglich gestreift und das ist schade, denn aus diesem Thema hätte man mehr herausholen können. Auch das Ende des Romans wirkt ein wenig leblos; eine überraschende Wendung wäre hier reizvoll gewesen.

Trotz der genannten Kritikpunkte bietet “Das Wunder von Treviso” sehr gute Unterhaltung auf gehobenem Niveau und der Autorin ist zu wünschen, dass sie den eingeschlagenen Weg fortsetzt und entsprechende Aufmerksamkeit erhält; verdient hätte sie es allemal.


Genre: Humor und Satire
Illustrated by Kindler Berlin

Der Hodscha und die Piepenkötter

Die muslimische Gemeinde einer mittelgroßen deutschen Stadt bekommt ein neues geistliches Oberhaupt, den aus der Türkei strafversetzten Nuri Hodscha, der sich mit der Forderung, eine neue Moschee zu bauen auch gleich angemessen einführt. Entsprechend begeistert ist die amtierende CDU-OB Ursel Piepenkötter, die sich in wenigen Wochen der Wahl stellen muss und alles daran setzt, ihr Amt zu behalten.

So entspinnt sich ein Duell infamer Intrigen, bei dem die mit allen Wassern gewaschenen Widersacher vor kaum etwas zurückschrecken und es dabei nicht nur miteinander zu tun haben, sondern auch mit den jeweiligen Hardlinern in den eigenen Reihen, die es im Zaum zu halten gilt. Bald müssen sie widerwillig feststellen, dass trotz der unterschiedlichen Kulturen durchaus Gemeinsamkeiten bestehen und man manchmal gezwungen ist, im selben Boot zu sitzen. Und dann gibt es ja auch noch die Teenie-Sprößlinge der beiden, die die Dickschädel der Altvorderen anscheinend geerbt haben…

Der Deutschtürke Birand Bingül hat mit seinem zweiten Roman ein unterhaltsames und respektables Werk abgeliefert. Sein humorvoller, aber nie platter Umgang mit den heiklen Themen Islam und Integration weiß auch dadurch zu überzeugen, weil er mit erfreulich wenigen Klischees auskommt. Ein Geistlicher, dem Bruce Springsteen ebenso wichtig ist wie Allah und eine Oberbürgermeisterin, die Treffen mit Parteifreundinnen nur mit erheblichen an Mengen Rotwein erträgt, machen einfach Spaß, besonders gemessen an den Aufgeregtheiten in der realen Welt bei Religion und Politik.

Natürlich liegt ein Vergleich zu Don Camillo und Peppone nahe und ist wohl auch nicht gänzlich unbeabsichtigt (Hodschas Dialoge mit Allah sind nur ein Beispiel), das Buch liest sich durchgehend sehr flott und spannend. So fällt es auch nicht schwer, über kleinere Unzulänglichkeiten wie die bisweilen limitierte Sprachwahl oder die doch arg vorhersehbare Love-Story hinwegzusehen; ich jedenfalls würde mich über baldige neue Abenteuer der unterhaltsamen Protagonisten freuen!


Genre: Humor und Satire
Illustrated by Rowohlt

Ein Buch namens Zimbo

Deutschlands Satiremagazine haben einen schweren Stand. Die Hochzeiten von »Pardon« sind lange vorüber, 1982 wurde die damals größte Satirezeitschrift Europas eingestellt, ein Neubeginn missglückte. Seitdem liegt die einstmals in einer Auflage von wöchentlich 500.000 Exemplaren verkaufte DDR-Wochenzeitschrift »Eulenspiegel« als gesamtdeutsches Monatsmagazin auf Platz Eins der Publikumsgunst.

Die als Antwort auf »Pardon« 1979 gegründete »Titanic« ist indes lange nicht mehr das, was sie dem Lesepublikum lange Jahre war. Mein Abonnement hatte ich zuletzt nur noch aufrechterhalten, um die regelmäßigen Beiträge von Max Goldt zu lesen, alles andere fand ich, von der »Humorkritik« abgesehen, fad. Da seine Texte jedoch recht schnell auch zwischen Buchdeckeln erscheinen, habe ich das Blatt inzwischen abbestellt. Denn es schenkt einfach mehr Genuss, Goldt gesammelt zu lesen, zumal er sich auch dagegen wehrt, »Satiriker« genannt zu werden und schon aus diesem Grunde eigentlich nicht in der »Titanic« publizieren dürfte. Nun liegt jedenfalls mit »Ein Buch namens Zimbo« eine weitere Kompilation seiner stets humorvollen »Titanic«-Beiträge vor.

Goldt erweist sich darin wieder als genauer Beobachter des Alltags. Ohne sich die Nase an jeder Schaufensterscheibe platt zu drücken, erfährt er, was das Leben feilbietet. »Wer seine Sinne pflegt und sie nicht mit zuviel Drogen, zuviel Lärm oder zuviel Lektüre malträtiert,« so sein Credo, »dem zeigt sich das Leben von ganz allein«. Spricht´s, steigt in die U-Bahn und schreibt auf, was er dort zwischen kommunistischen Pärchen und bettelnden Zeitungsverkäufern alles erlebt.

Stärker als bisher dominiert die Sprachkritik in Goldts Kolumnen. Er setzt sich mit »sprachlichem Ungeziefer« auseinander und unterhält dabei glänzend. In Anlehnung an Thomas Mann kämpft er gegen die überschäumende Verwendung des Paradoxons in der deutschen Sprache. Er sucht nach den passenden Adjektiven, die zum Begriff des Snobismus passen und helfen, ihn aufzuwerten. Für Bezeichnungen wie »junge Männer mit Migrationshintergrund«, die von Sittenwächtern im sozialharmonischen Eifer als «Denunziation« einer Bevölkerungsgruppe angesehen wird, sucht er Ersatzformulierungen und kommt letztlich auf »Geschöpfe«.

Warum das Buch den Titel »Zimbo« trägt, erfährt der geneigte Leser indes nicht. Wer bei dem Begriff den größten deutschen Wurstwarenkonzern assoziiert, hofft vielleicht, in Goldts Text »Gastronomisches 2« des Rätsels Lösung zu finden. Dort erfährt er jedoch eher etwas über die unbequeme Möblierung von Restaurants und wird in das Lieblingsrestaurant des Dichters entführt: einen Chinesen, der sich seit Jahren nicht verändert hat und »das Klischee von der stehen gebliebenen Zeit gnadenlos beherzt« auslebt. Jeden Montag wird dort ein mit vier Chili-Schoten gekennzeichnetes Mapo-Tofu-Gericht serviert, das einige Übung erfordert. Über eine dampfende Schüssel dieser brennend scharfen Speise gebeugt, fragte ihn Daniel Kehlmann, ob er etwas dagegen hätte, den Kleist-Preis für seine literarische Leistung in Empfang zu nehmen. »Passt schon«, sagte Goldt darauf und veröffentlicht seine Kleistpreis-Rede als Zugabe.

Diskussion dieser Rezension im Blog der Literaturzeitschrift


Genre: Humor und Satire
Illustrated by Rowohlt

Häuptling Eigener Herd Nr. 36

Lärm & Gestank. Das ist zwar nicht Programm, wohl aber Titel und Thema der neuen Ausgabe der vierteljährlich erscheinenden Zeitschrift „Häuptling Eigener Herd“. Diese Sammlung von Texten und Zeichnungen zu allen wesentlichen kulturell-kulinarischen Themen, die die Menschheit bewegen, wird seit nunmehr 36 Quartalen von Vincent Klink und Wiglaf Droste herausgegeben. Und die Kombination der beiden Herausgeber ist dann doch Programm für diese mehr als nur vergnügliche Zeitschrift. Professionell in Küche und an der Tastatur oder dem Schreibstift sind sie, der Musik- und Textbegabte Profikoch aus Stuttgart und der genusssüchtige Wortkünstler aus Ostwestfalen.

In der neuen Ausgabe beschäftigen sich wieder eine ganze Reihe bekannter Autoren, wie beispielsweise Fritz Eckenga und noch nicht so bekannte, gleichwohl begabte Autorinnen und Autoren mit der Themenvorgabe der beiden Herausgeber. „Lärm & Gestank“ sind natürlich etwas, was in allen Küchen so oder so schon mal seinen Platz “findet”. Dass aus der literarischen Beschäftigung damit im “Häuptling” keine wissenschaftliche Abhandlung wird, dürfte klar sein.

In seinem Beitrag mit dem Titel „Milch, Käse und Köttel. Ansichtskarte aus der Tessiner Bergwelt“ beweist Eckenga einmal mehr Meisterschaft, wenn er fast romantisch anmutende Naturbeschreibungen für den Einstieg wählt, um dann aber – gar nicht im Widerspruch dazu – das beschreibt, was auf einer Alm geschehen kann, aber auf ähnlichen Ansichtskarten fehlt: „(…)Eine Ziege geht auch nicht weg, wenn ich versuche, sie zu verscheuchen. Hebt entweder kurz den Kopf, aus dem mich ein Paar gelber Augen mit mitleidloser Verachtung ankuckt, oder dreht mir gleich das Hinterteil zu, um mir einen weiteren Haufen stinkendes Elend vor die Fuße zu legen. Gleich werde ich mit brettharter Lässigkeit den kurzen Weg zur Alphütte gehen. Ich werde nicht versuchen, den herumliegenden Hindernissen auszuweichen. Das geht gar nicht. Ganz gleich, wo man hergeht, die Ziegen waren schon alle da. (…)

Zu guter Letzt wird das vorliegende Heft mit einem Special „NAPOLI“ abgerundet und abgeschlossen. Ganz unpassend zum Heftthema jedenfalls berichtet Vincent Klink aus der Metropole Kampaniens. Von Ruhe und Duft Neapels, natürlich von Pizza aber auch ganz anderen kulinarischen Freuden und Besonderheiten.

Wer den „Häuptling Eigener Herd“ noch nicht kennt, sollte dies ändern – die Lektüre bereitet einfach zu viel Freude, um auf sie zu verzichten.

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Genre: Humor und Satire
Illustrated by Unbekannter Verlag

Wir schnallen den Gürtel weiter

Wiglaf Droste & Vincent Klink: Das ist mal ein Gespann. Der eine führt eine der schärfsten und bösesten Federn im deutschen Literaturgestrüpp. Der andere führt ein formidables Restaurant und thront über den Hügeln Stuttgarts. Beide zusammen geben seit 1999 eine Zeitschrift mit dem eingängigen Titel „Häuptling Eigener Herd“ heraus. Nun ist im Reclam Verlag „Eine Essenz aus Häuptling Eigener Herd“ unter dem Titel erschienen, der zugleich das Motto jener Zeitschrift ist: „Wir schnallen den Gürtel weiter“. Weiterlesen


Genre: Humor und Satire
Illustrated by Reclam Stuttgart/Dietzenbach

Mein Leben als Suchmaschine

Freitag früh. Sitze in der Küche und schaue aus dem Fenster. Schalte das Radio an. Spricht ein Mann drin. Redet über Lemgo. Klingt ziemlich monoton. Laut Ansager ist er »der lustigste Mann der Welt«. Na ja.

Fahre meinen Rechner hoch. Aktualisiere meine Podcasts. Da spricht der Typ schon wieder. Nennt sich »Horst Evers«.

Jetzt klingelt es zum Überfluss auch noch an der Tür. Der Postbote bringt ein Buch. Is ne Neuerscheinung. Mit Sperrvermerk. Stammt auch von diesem Evers. Muss ich lesen. Mist. Jetzt soll ich also auch noch arbeiten!

Schalte das Radio wieder aus.

Horst Evers, Träger des Deutschen Kleinkunstpreises 2008 und anderer Würden, hat es nach jahrelangem Tingeln durch Dorfschenken und Lesebühnen geschafft, sich an die Spitze der deutschsprachigen Geschichtenerzähler zu lesen. Seinen Stil beschreibt er in einer seiner Kurztexte selbst: »Kaum mehr Lust auf ganze Sätze. Für Verben zu müde. Objekt? Selten.«

Evers erzählt Geschichten. Sie sind kurz, vielleicht drei Minuten lang, und sie entfalten ihren Charme besonders, wenn der Verfasser sie selbst vorträgt. Dann betritt ein blasser, nahezu kahlköpfiger, tendenziell übergewichtiger Mann im roten Hemd die Bühne. Sein bloßes Erscheinen löst bereits Gelächter bei Stammhörern aus. Er spricht in bedächtiger Art und wirkt dabei so, als schaue er dem eigenen Gedanken bei dessen träger Entwicklung zu. Ihn kennzeichnet Lethargie und Schluffigkeit, und wüsste man es nicht besser, man würde ihn eventuell sogar für einen Trottel halten.

Horst Evers beschreibt sich in seinen Geschichten gern als naive Figur mit Sinn für alltägliche Schicksalsschläge. Häufig kommt sein Fahrrad abhanden, weil er vergisst, wo er es zuvor angekettet hat. Geschieht ihm derartiges bei einem seiner geliebten Kneipenbesuche, kehrt er zur Theke zurück und säuft weiter, da sich bekanntlich die meisten Probleme von selbst lösen. Gern verlegt er auch Kleidungsstücke, die er dann verzweifelt sucht. Im Ergebnis empfindet er sein gesamtes Leben als Suchmaschine und findet so auch den Titel seiner inzwischen dritten Geschichtensammlung in Buchform.

Wer allerdings hinter dem Buchtitel eine Sammlung von Storys rund um die EDV vermutet, der irrt. Evers ist vielmehr Spezialist für das Alltägliche. Er schildert die kleinen Irrungen und Wirrungen des Lebens und dehnt diese gern bis in die letzte Gehirnwindung aus. Im Schneckentempo seiner gedanklichen Entwicklung liegen der Reiz und auch der Witz des Everschen Humors. Er versteht es, kleine absurde Begebenheiten und Beobachtungen aus dem Alltag geschickt zu pointieren und zu humorvollen Anekdoten oder Liedtexten zu verarbeiten. Dabei gelingt es ihm, im Alltäglichen das Phantastische zu entdecken und dem Leser ein Schmunzeln zu entlocken, weil er sich wieder erkennt. Das ist die unnachahmliche Stärke des Autors und Kabarettisten aus Berlin.

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Genre: Humor und Satire
Illustrated by Eichborn Verlag