Ralf König ist einer der profiliertesten deutschen Comic-Storyteller. Der aus Westfalen stammende 56-jährige Autor widmet sich in seinem jüngsten Buch dem Thema »Herbst in der Hose«. Weiterlesen
Archiv
Herbst in der Hose
Lucky Luke: Dicke Luft in Dalton City, Bd. 36 und Band 1
Durch einen Fehler in einer Telegrafennachricht wird Joe Dalton auf freien Fuß gesetzt. Da seine Brüder nicht im Gefängnis bleiben sollen, befreit er sie und beschließt, zusammen mit ihnen die verwaiste Banditenstadt Fenton Town zu übernehmen und in Dalton City umzubenennen. Um Geld zu verdienen, soll Dalton City an alte, glor- und geldreiche Zeiten anknüpfen. Lucky Luke, den sie gefangen setzen, soll ihnen dabei helfen. Um Schwung in die Stadt zu bringen, engagieren die Daltons eine Cancan-Truppe. Joe will die Leaderin dieser Truppe heiraten, deshalb ein pompöses Fest inszenieren und die Crème de la Crème der Banditenwelt einladen.
Die limitierte Nostalgie-Edition bringt den ersten Band der Serie im Retro-Look von 1972 heraus, zusammen mit einem informativen Vorwort von Volker Hamann, in dem erklärt wird, warum in der deutschen Ausgabe der Bände die ersten 14 Abenteuer „verschwunden“ sind. Die Edition ist eine weitere Hommage an 70 Jahre Lucky Luke im Jahr 2016. Die verschwundenen 14 ersten Bände werden deshalb in der richtigen Reihenfolge wieder aufgelegt. Die Cover dieser Edition sind in der Retro-Optik der Koralle-Ausgaben gehalten und es gibt erstmals eine tatsächliche Bandnummer 1. Ansonsten macht auch dieses „alte“ Abenteuer Spaß zu lesen und ist vom Preis her völlig in Ordnung. Die Anspielungen machen noch mehr Spaß: Lulu Carabine ähnelt z.B. Mae West.
Asterix erobert Rom – Das Album zum Film
Julius Cäsar hat es satt: Immer wieder werden seine Truppen durch Majestix und sein Dorf verprügelt. Also schlägt er den Galliern eine Wette vor. Wenn sie es schaffen, wie Herkules superschwere Aufgaben für Götter zu bewältigen, streckt Cäsar die Waffen. Wenn nicht, müssen sich die Gallier Cäsar unterwerfen. Majestix nimmt an und entsendet seine besten Krieger Asterix und Obelix, um die Aufgaben zu bewältigen: Die beiden sollen den schnellsten Läufer, den besten Speerwerfer, den besten Judoka besiegen, Unmengen an Essen vertilgen, auf einem geisterhaften Schlachtfeld übernachten, das Haus, das Idioten macht, überlisten, auf dem Olymp den weichsten Weichspüler herausfinden und vieles mehr. Werden die beiden Krieger das schaffen?
Das Album zum Zeichentrickfilm, der vor 41 Jahren erschienen ist, bezeichnet Uderzo in seinem Vorwort als „würdigen Rahmen“. Das Vorwort selbst ist informativ, blickt es doch auf die Entstehung des Filmes zurück und erzählt den LeserInnen, dass Uderzo die damaligen Vorlagen für die Trickfilmzeichner überarbeitet und ein neues Cover gestaltet hat. Das Cover gibt im Hintergrund einen Vorausblick auf die zu bewältigenden Aufgaben. Der Text ist in diese gelungenen Zeichnungen eingefügt. Die Zeichnungen selbst warten u.a. mit witzigen Selbstzitaten auf, wirken sehr dynamisch und arbeiten mit angenehmen Farben. Die Ideen für die Aufgaben selbst sind zeitlos humorvoll, stecken voller Anspielungen auf z.B. die Bürokratur (heute noch so aktuell wie damals) und vermitteln den LeserInnen, dass man mit Selbstbewusstsein, Köpfchen und Humor so ziemlich jede Aufgabe lösen kann und machen einfach Spaß. Der Text liest sich ein wenig gekünstelt an manchen Stellen, fasst aber die Geschichte gut zusammen. Insgesamt gelungen.
Micky Maus 24/25
Heft 1: „Spielen oder Spülen“ heißt es für Donald, der gegen einen Schachmeister antreten will. Verliert er, darf er lange Zeit im Hause Donald das Geschirr spülen. „Alles höchst verdächtig“ erscheinen Micky Maus die Aktivitäten in Nachbars Garten. Als er nachforscht, erwartet ihn eine böse Überraschung. „Kampf um die Karten“ heißt es für Donald und seine Neffen beim EM-Eröffnungs- und Rätselratespiel. „Furchtlos wollen sich Tick, Trick und Track den Mädels gegenüber präsentieren. Aber der Schuss geht nach hinten los. „Gefährliche Gäste“ erwarten die Panzerknacker, als diese wieder einmal in Onkel Dagoberts Geldspeicher einbrechen wollen. Gustav Gans hat „Kriminell viel Glück“, als ihn Ganoven verfolgen. „Ein Reicher reicht“ denkt sich Dagobert Duck, als er seine Klone nicht mehr ertragen kann.
Heft 2: Donald „Verduftet“ gern, wenn es um Arbeit geht. Aber diesmal kommt er nicht drumherum: Er muss Schiri spielen im Spiel 1. FC Entenhausen gegen die brutalen Spartak Brutopia. Da kann nur noch der Erfindergeist Daniel Düsentriebs helfen. „Schöner schauen“ heißt es für Donald – in zweierlei Hinsicht. Zum „Autogrammjäger“ mutiert Donald für seine Neffen, denen er ein solches vom FCE versprochen hat. „In der Oper“ ist Fußball unerwünscht: Das muss Donald leidvoll erfahren.
Das MM-Heft 24/25 steht ganz im Zeichen der EM: Zumindest das Sonderheft, das neben Donald’schen Fußballgeschichten ein Interview mit Manuel Neuer, EM-Rekorde, eine Rezension zum EM-Game, einen Spielplan, ein Quiz, die Vorstellung der Stars und Premieren-Teams, sowie Texte und Fotos zu den einzelnen EM-Mannschaften bietet. Die Texte sind einfach und verständlich, damit kindgerecht für Grundschüler gehalten. Die Texte über die Teams bieten neben (recht wenigen) Infos Prognosen, wie für sie die EM laufen könnte. Meinen Sohn (4 Jahre) haben die Texte noch nicht begeistern können (kein Wunder bei dem Alter, aber er wollte sie ja unbedingt vorgelesen haben), dafür umso mehr das Schiri-Set, das als Extra beiliegt. Die roten Karten, der Bleistift und v.a. die Pfeife sind der Renner für ihn: Fouls pfeifen, Karten verteilen und sich Notizen machen – wie die Schiris im Fernsehen. Sohnemann ist derzeit im Fußballfieber, das auch durch diverse Jumpers, Stickeez und Stickers in der Kita grassiert. Da kommen solche Extras natürlich gerade recht.
Das klassische Heft bietet viele Stories außerhalb des Fußballs, die schön zu lesen sind. Außerdem sind wieder Witze, Rätsel, Experimente und Texte über die zweckentfremdete Verwendung von Badewannen und andere Kuriositäten dabei, die den MM-Fan unterhalten, sowie Wissenswertes und leicht Verständliches über die Sommersonnenwende. Der „Entenkicker“ auf der Rückseite bietet amüsante Artikel rund um den Entenhausener Fußball.
Insgesamt zwei gelungene Hefte, die nicht nur Grundschülern Spaß machen.
Glücksbärchis 1/2016
„Glücksbärchis” sind kunterbunte, süße Bärchen, die sich durch ihre Bauchsymbole voneinander unterscheiden und dadurch ganz besondere Fähigkeiten besitzen.
Da der böse Fiesi im regenbogenbunten Wolkenland den Schlüssel für
die Smaragdbrücke gestohlen hat, werden die Glücksbärchis immer
wieder auf die Probe gestellt. Mit vereinten Kräften schaffen
Hurrabärchi, Schmusebärchi, Brummbärchi und Co. jedoch immer wieder
das Böse zu besiegen.“ (so der Verlag Egmont Ehapa)
Das neue 36-seitige Magazin mit einer Auflage von 60.000 Stück richtet sich laut Hersteller an Kinder zwischen drei und fünf Jahren. Ich würde diese Spanne noch erweitern auf Kinder, die schon lesen können, denn manche der Aufgaben wie das Freundschaftsquiz sind erst so richtig möglich, wenn man schon lesen und schreiben kann. Ansonsten ist der Schwierigkeitsgrad dem Alter ungefähr angemessen. Mein vierjähriger Sohn ist sofort auf das Magazin angesprungen, weil er, seit er 3 ist, gern Vorschulaufgaben löst. Die bietet das Magazin in Form von Suchbildern, Labyrinth, Zuordnungsaufgaben. Ein Comic und eine Vorlesegeschichte runden das Bild ab und sind von meinem Sohn angenommen worden. Manchmal muss man allerdings Zusammenhänge erklären, die weggelassen worden und für so kleine Kinder nicht ersichtlich sind. Gut hierfür auch, wenn man wie ich die Glücksbärchis schon aus der eigenen Kindheit kennt. Hilfreich ist aber auch das Glücksbärchis- Who’s who, das ein paar der Charaktere vorstellt. Wer gern (aus-)malt, wird hier ebenfalls mit Ausmalbildern bedient.
Auch ans Basteln denkt das Magazin – die Armbänder sind nett und werden sogar von meinem Jungen gemocht. (Kinder sind zum Glück vorurteilsfreier als Erwachsene, weshalb ich meinen Sohn frei aussuchen lasse, was er spielen und vorgelesen haben will.) Auch ein Glücksbärchi-Würfelspiel beinhaltet das Heft, das mein Sohn zwar gern gespielt hat, das aber für ihn nach zweimaligem Spielen zu einfach war. Für Dreijährige ist es aber optimal. Schön findet er auch die Walkie-Talkies, die beiliegen, und hat sofort eine Runde mit mir damit gespielt. Sie sind zum Glück stabil genug, um nicht gleich bei der ersten Benutzung kaputt zu gehen wie viele andere Extras, die Magazinen beigegeben werden. Oft beachten die Macher nicht, dass Kleinkinder entwicklungsbedingt sehr ruppig spielen, vor allem Jungen, und dass gerade Jungen Spielzeuge gern auseinandernehmen, um zu sehen, wie sie aufgebaut sind. Eltern dürfen sich nach diesem Entdeckerdrang damit herumschlagen, das Zeug wieder zu reparieren oder können es gleich wegwerfen.
Mein Sohn fand auch die beigelegten Sticker toll; er hat seine Walkie-Talkies gleich damit beklebt. Verwirrung gestiftet hat die Aufgabe, 3 Glücksbärchis anzukreuzen, die auch im Suchbild zu finden sind. Denn es sind nur zwei Bärchis, die tatsächlich im Bild vorkommen, dafür ist ein Freund der Glücksbärchis im Bild zu sehen. Eine präzisere Aufgabenstellung wäre hier hilfreich gewesen. Die Poster waren für ihn fast gänzlich uninteressant. Die Glücksbärchi-Freundschaftsbänder zum Ausschneiden muss man kopieren oder man zerschneidet die Aufgaben auf der nächsten Seite. Außerdem wäre es gut, diese Bänder zu verstärken, damit sie nicht gleich zerreißen.
Insgesamt ein gelungenes Magazin, das sich Mühe gibt, auf die Bedürfnisse von Kindergartenkindern einzugehen – wenn sie schon lesen und schreiben können, wie ein paar Aufgaben voraussetzen. Ob das Kind etwas damit anfangen kann, hängt vom Charakter, den Vorlieben und der Tagesform des Kindes ab, denn so kleine Kinder haben eine geringe Aufmerksamkeitsspanne. In jedem Fall ist es besser als das Kind vorm Fernseher zu parken, denn mit den Aufgaben werden die Aufmerksamkeit und Konzentration sachte geschult. Für den Preis von 3, 50 Euro in Ordnung. Allerdings befürchte ich, dass weitere Extras sofort bei Benutzung durch Jungen oder lebhaftere Mädchen kaputtgehen werden, wenn es mehrteilige Spielsachen oder insgesamt fragilere Sachen als die aktuell beiliegenden Walkie-Talkies sind.
Der Papyrus des Cäsar
Cäsar schreibt Geschichte: Sein Werk „Der gallische Krieg“ ist der Renner in Rom und Cäsars „Kommentare zum gallischen Krieg“ soll ebenfalls ein Bestseller werden. Deswegen trifft sich Cäsar mit seinem Verleger Rufus Syndicus. Der rät ihm allerdings, ein Kapitel zu streichen, weil es einen Fleck auf Cäsars glänzenden Lebenslauf schmieren würde: „Rückschläge gegen die unbeugsamen Gallier in Aremorica“ soll aus dem Buch rausfliegen, denn Niederlagen stehen Cäsar nicht. Cäsar und Syndicus haben allerdings nicht mit einem aufrührerischen Gallier namens Polemix gerechnet, der das besagte Kapitel heimlich von einem der stummen Schreiber Syndicus‘ zugesteckt bekommt. Polemix schafft es mit dem Papyrus und den Römern auf den Fersen tatsächlich bis zum Dorf der Unbeugsamen, stellt dort aber fest, dass die Gallier viel mehr an Horoskopen als an Cäsars Literatur interessiert sind. Allein Gutemines Einfluss ist es zu verdanken, dass Asterix, Obelix und Polemix die Schriftrolle zum Karnutenwald bringen, um sie dem alten und angesehenen Druiden Archaeopterix zu überbringen. Der soll sie in der Tradition der Druiden auswendig lernen und von Generation zu Generation weitergeben. Aber nicht nur der Weg dorthin ist abenteuerlich – denn die Römer lauern überall, um die Rolle wiederzubekommen – sondern auch Archaeopterix, da der uralte Druide mittlerweile ein wenig schusselig geworden zu sein scheint.
Beim Lesen des ersten Bandes des neuen Autorenduos Ferri und Conrad – „Asterix bei den Pikten“ – hatte ich noch das Gefühl, dass sowohl der Zeichenstil als auch der Humor vertraut, aber dennoch etwas fremdartig ist. Das ist beim zweiten Band anders, denn sowohl der Zeichenstil als auch der Humor und die Art und Weise, wie die Story aufgebaut ist, haben sich stimmig dem vertrauten Asterix-Universum angenähert. Man merkt fast keine Unterschiede mehr. Zum Humor gehören auch die zahlreichen Anspielungen, die aus den „alten“ Bänden vertraut sind, die aber von Kindern nicht unbedingt wahrgenommen werden müssen, um die Story zu verstehen. Im aktuellen Band z.B. gibt es in der deutschen Übersetzung Anspielungen auf die deutsche Presselandschaft, u.a. „Imago“ für „Bild“ und „Tempus“ für „Die Zeit“. Ein Thema ist auch die schriftliche Überlieferung gegen die mündliche, was im Comic humorvoll und nebenbei kritisch entfaltet wird. Beide Arten der Überlieferung haben ihre Schwächen: Die schriftliche insofern, als man nicht alles glauben muss, was geschrieben steht (Horoskope) und dass man durchaus etwas Schriftliches unterschlagen kann. Außerdem weiß jeder Geschichts- und Theologiestudent, dass die Geschichtsschreibung (nicht nur früher) alles andere als neutral erfolgt. Und die mündliche Überlieferung ist nur dann wahrheitsgetreu und verlässlich, wenn sie nicht wie das Kinderspiel „Stille Post“ abläuft. Denn die alten Druiden leiden durchaus an Vergesslichkeit und darunter leidet wiederum die Weitergabe der Informationen. Da kommen auch die Namen ins Spiel, denn sie sprechen Bände. Polemix ist die Comic-Variante von Wikileaks-Gründer Julian Assange. Die deutsche Übersetzung des Namens spricht für sich, denn Polemix polemisiert gegen das römische Reich und dessen Unterschlagung von Informationen. Den Namen „Syndicus“ könnte man auf zweierlei Arten deuten: Zum einen als Sünder, denn er schlägt Cäsar vor, wichtige Informationen zu unterschlagen und damit die Geschichtsschreibung zu verfälschen. Zum anderen als Syndikat, lateinisch Syndicus (abgeleitet vom griechischen „syndicos“ = Verwalter einer Angelegenheit), als Gruppierung von Personen oder Unternehmen. Syndicus ist Cäsars Berater und Verleger. Der Name des Druiden Archaeopterix könnte man ebenfalls mehrfach deuten: „archaios“ bedeutet im Griechischen „uralt“, was der Druide definitiv ist. „pteryx“ bedeutet im Griechischen „Flügel, Schwinge, Feder“. Wenn man weiß, dass der Urvogel Archaeopteryx eine Übergangsform zwischen Sauriern und Vögeln darstellt, könnte man die Bedeutung des Druiden-Namens weiter ausspinnen, denn der Druide steht auch für die alte Tradition der mündlichen Überlieferung, die allmählich durch die schriftliche (man denke an die Feder im Namen; mit Federn schrieb man früher) abgelöst wird. Außerdem wird die Horoskop-Gläubigkeit der Gallier karikaturhaft auf die Spitze getrieben. Das geschieht auch in Richtung selbst gemachter Prophezeiung, denn wenn man der Prophezeiung glaubt, setzt man sie auch um, wie die Gallier beispielhaft demonstrieren.
Wie man an diesen Beispielen sehen kann, hat der neue Asterix-Band einiges zu bieten: Neben Spannung und Humor eben auch die netten Anspielungen, mit denen man sich als LeserIn durchaus unterhaltsam die Zeit vertreiben kann, v.a. wenn man mit anderen LeserInnen über den Band diskutiert … Kurzum: Gelungen!
Gonzo
Hunter S. Thompson, der erklärte Anarchist des »New Journalism«, nannte seine Form des Schreibens »Gonzo-Journalismus«, wobei das Adjektiv »gonzo« für bizarr, verrückt, hemmungslos und schräg steht. Er wurde zur Ikone der Beat-Generation und gilt als einer der durchgeknalltesten Autoren, die Amerika hervorgebracht hat.
In dieser Grahic Novel schildern die Comic-Zeichner Will Bingley und Anthony Hope-Smith HSTs Lebenslauf anhand seiner bekanntesten Werke. Nachvollziehbar gelingt ihnen dabei der Balanceakt zwischen Schreib- und Drogenexzessen, Erfindung und Wahrheit, Genie und Wahnsinn.
Monatelang lebte HST unter »Hells Angels«, um ein Buch über sie zu schreiben. Er ging stets voll in seinem Thema auf, er nahm Recherche wichtig und versuchte, mit dem jeweiligen Milieu eins zu werden. In seiner vielleicht bekanntesten Geschichte »Das Kentucky-Derby ist dekadent und degeneriert« besucht er mit einem britischen Zeichner das berühmte amerikanische Derby, um das feiste und verlogene Amerika zu beschreiben. Die Story verläuft turbulent, die Pferde sieht der Berichterstatter überhaupt nicht, da er meistens die VIP-Bar plündert. Er beschreibt, wie einige tausend volltrunkene Trottel »schreien, heulen, kopulieren, sich gegenseitig niedertrampeln und sich mit zerbrochenen Whiskeyflaschen angreifen«. Schließlich versprüht er eine Dose Kampfgas, was zu einem infernalischen Tohuwabohu führt. Dabei ist die vermeintliche Leichtigkeit, mit der die Geschichte daherkommt, Teil der Kunstfertigkeit des Autors und seiner Fähigkeit, sich selbst in seinen Texten zu inszenieren.
Thompson wurde zum Outlaw, weil er die klassischen Werte des »good old America« verhöhnt und zu einem der letzten Freiheitshelden, der sich mit Mitteln von Sprache und Stil gegen Vermassung und Verblödung wehrt und als kreativer Unruhestifter stets im Mittelpunkt seiner eigenen Geschichten steht. Dies wird in der vorliegenden »grafischen Biografie« gut herausgearbeitet.
Besonders aufschlussreich finde ich das Vorwort seines langjährigen Lektor Alan Rinzler, der über die Mühen schreibt, die er mit dem Zusammensetzen der oft nur auf Papierfetzen verteilten Werke HSTs hatte. »Hunter hasste Lektoren«, schreibt Rinzler »und war der schwierigste Autor, mit dem ich je zusammengearbeitet habe.« Dennoch konnte auch er sich dem Sog des Genies nicht entziehen.
Tim und Struppi
Hergé, der Vater der legendären Comic-Figuren Tim und Struppi sowie ihrer Freunde und Gefährten Kapitän Haddock, Professor Bienlein, Schulze und Schultze wäre am 22. Mai 2007 hundert Jahre alt geworden. Anlässlich dieses Jubiläums gibt Carlsen Comics eine Sonderausgabe des Bandes »Tim in Tibet« als kleinformatiges Hardcover für nur € 3,95 heraus. Dies erlaubt eine Begegnung mit den herrlichen Figuren in einer lobenswert preiswerten Ausgabe.
Der 1983 im Alten von 75 Jahren verstorbene belgische Comic-Autor und Zeichner Hergé, eigentlich Georges Prosper Remi, vollendete insgesamt 23 Bände seiner Erzählungen um Tim und seinen vierbeinigen Begleiter Struppi. Im Durchschnitt arbeitete er jeweils ein Jahr an einem Band. »Tim in Tibet« gilt als Lieblingsalbum des Künstlers, der wie kaum ein anderer die Comic-Kultur des letzten Jahrhunderts prägte, und sie ist eine der großartigsten Geschichten.
In der lebensfeindlichen Gebirgswelt des Himalaya suchen Tim und Kapitän Haddock nach ihrem Freund Tschang, mit dem sie sich in »Der Blaue Lotos« angefreundet hatten. Auf dem Weg nach Europa zerschellte das Flugzeug des jungen Chinesen an einem Berggipfel und stürzte ab. Obwohl es keinerlei Anzeichen gibt, dass jemand diesen tragischen Unfall überlebt haben könnte, spürt Tim die Gegenwart seines Freundes. Unbeirrt setzt er für diese innere Gewissheit sein Leben aufs Spiel …
Die Hergé-Stiftung, die den Nachlass und die Rechte an den Comics verwaltet, verhinderte 2001, dass der Band »Tim in Tibet« in der Volksrepublik China unter dem Titel »Tim und Struppi im chinesischen Tibet« erschien. Dafür wurde der Stiftung im Mai 2006 der »Light of Truth Award« durch den Dalai Lama verliehen.
Bitte kommentieren Sie diese Rezension im Blog der Literaturzeitschrift