Spitznamen gehören zum Leben. Doch wie entstehen sie, wer erfindet sie und spricht sie erstmals aus? Wie geht man damit um? Wem darf man Spitznamen verpassen und was geht wann gar nicht? Guido Fuchs hat literarische Beispiele gesammelt und präsentiert eine Palette von fast 300 Spitznamen als amüsante Zusammenschau aus der Literaturgeschichte.
Spitznamen sind aus unserem Umgang mit anderen kaum wegzudenken. Sie können einen Menschen humorvoll-heiter beschreiben, sein Äußeres oder sein Wesen treffen. Spitznamen können aber auch boshaft und verletzend sein, verspotten, diskriminieren, aussondern. Abzugrenzen ist der Spitzname von Pseudonymen und Künstlernamen, es sei denn, jemand wählt seinen Spitznamen als solchen.
Spitznamen bringen meist, der Name sagt es schon, Seiten einer Persönlichkeit spitz auf den Punkt. Dabei zeigt sich eine Verwandtschaft zur Karikatur. Sein Spitzname »Nasenkönig« stand Joachim Ringelnatz gewissermaßen ins Gesicht geschrieben. Er selbst wusste: »Meine lange Nase und mein zackiges Profil reizten zur Karikatur.« Die besorgte er als begabter Zeichner gleich selbst. Er fügte seinem Satz freilich noch hinzu: »Mir scheint, dass die meisten Maler über der Karikatur das Porträt vergaßen.«
Ein Spitzname baut auch Distanz ab – gerade in hierarchischen Institutionen wie Schulen –, er macht Vorgesetzte oder Politiker menschlicher. Spitznamen wollen etwas Spezielles oder Typisches einer Person zum Ausdruck bringen, ähnlich einer Karikatur. Manchmal werden sie freilich auch nur gebraucht, um andere zu ärgern, etwa bezüglich körperlicher Merkmale oder eines Missgeschicks
Der Autor erzählt in Schnurren, jenem weitgehend vergessenen Genre, das den gebildeten Ständen des deutschen Bildungsbürgertums zu eigen war. Er definiert nicht, sondern beschreibt und lässt Bilder von dem Auge des Lesers entstehen. Von »Attrappenonkel« über »Die Bierschaumgeborene« und »Tschick« bis »Ziegen-Böck« aus »Max und Moritz« bietet »Spitznamen in der Literatur« eine durchaus vergnügliche Unterhaltung.
Guido Fuchs erweist sich mit der Veröffentlichung im Verlag seiner Frau als begeisterter Buchleser, als professioneller Kenner der deutschen Literatur inklusive der anrüchigen »Trivialliteratur« sowie als routinierter Autor. Sein »Spitznamen in der Literatur« will in erster Linie unterhalten, nicht bilden. Dabei neigt er bisweilen dazu, überreichlich aus dem Füllhorn seines Wissens auszuschütten, worauf der Leser vor Staunen ob der zahllosen Fundstellen verstummt und im Ergebnis kaum erinnert, was er eigentlich gelesen hat. Doch das tut dem Vergnügen keinen Abbruch.
Wiedereinmal toll recherchiert und lehrreich dargestellt. ….Nie Gedanken darüber gemacht und doch lohnt es sich, wie oben bewiesen.
Dankeschön, Jürgen! 🦉