Die Tore der Welt

Erstveröffentlichung dieser Rezension am 09.April 2008 im Blog der Literaturzeitschrift.de. Mittlerweile hat sich der Kurs nicht nur der Telekom-Aktie dramatisch geändert, Schweinefleisch kostet so ungefähr noch dasselbe, die Tore sind als Taschenbuch erschienen und ganz neu auch als Filmbuchausgabe.(s. verwendeter Cover-Download) Die Säulen der Erde wurden mit großem Erfolg verfilmt und in der Adventszeit 2012 geht auch die Verfilmung der Tore als Vierteiler an den Start. Zur Einstimmung auf dieses Ereignis hat sich die Rezensentin für einer erneuten Veröffentlichung der Buchbesprechung entschieden.

Tore der Welt - FilmbuchausgabeDie Tore der Welt.Die mit grossen Getöse angekündigte Fortsetzung von “Die Säulen der Erde”, dem grossen Historienroman des letzten Jahrhunderts.  Fortsetzung der Säulen? Geht das überhaupt? Waren nicht fast alle gestorben in den Säulen? Ich lerne schnell: Nein, geht eigentlich nicht.

Der Kunstgriff: Der selbe Ort, andere Zeit. Kingsbridge, England im Jahre 1327. Wir begleiten vier junge Menschen. Den Baumeister Merthin, einen Nachfahren des unvergessenen Jack, schwankend zwischen Genie und Rebellion. Seinen in den Ritterstand aufstrebenden Bruder Ralph. Das Mädchen Caris, die dem Traum folgt, Ärztin zu werden. Und die jüngste, Gwenda. Kind eines Tagelöhners, die den Traum der Freiheit und der Liebe träumt. Zu Beginn des Romans werden die Vier Zeugen eines Kampfes – und eines tödlichen Geheimnisses.

Ist das jetzt eine Fortsetzung? In meinen Augen ein klares Nein. Es sei denn, man definiert eine Fortsetzung dadurch, dass sie am selben Ort spielt , einer der Helden den gleichen Beruf hat und gelegentlich pflichtschuldigst erwähnt wird, das in den ein oder anderen Adern das gleiche Blut fliesst wie in den Adern von Jack und Aliena selig.Die Tore der Welt handeln vom Leben der Nachfahren der SäulenHauptcharaktere. Punkt. Nicht mehr und nicht weniger.

Ich vermisse den roten Faden. In den Säulen geht es vom ersten bis zum letzten Satz um den Bau einer Kathedrale. Eine klare Linie. Die Tore erzählen Lebensgeschichten. Ein durchgehender Handlungfaden, ein Ziel fehlt. Es werden Brücken, Krankenhäuser, Paläste gebaut, die Pest bricht mehrfach aus – gesichts- und leidenschaftslos geschildert wie selten. Die nächste Katastrophe wartet bereits an der nächsten Ecke. 1300 Seiten sind da noch knapp bemessen. Lange Reflexionen über das, was die Menschen so vor sich hindenken, im Wechsel mit bautechnischen Details brauchen schliesslich viel Platz. Die Charaktere wirken wie mit der Schablone des Baumeisters gezeichnet. Gut und Böse allzeit definiert, die Schicksale so vorhersehbar wie der Lauf des Flusses um Kingsbridge.

Im Grunde werden die immer gleichen Intrigen immer wieder durchgespielt. Ralph arbeitet sich gefühlte hundert Mal an seinem Rivalen Wulfric ab, der unwürdige Prior Godwyn kann keinen strategischen Schritt ohne seine Mama machen. Caris wäre es ohnehin lieber gewesen, in einem Roman des 21. Jahrhunderts beschrieben zu werden . Merthin baut mal hier, mal da, macht gefühlte 200 Heiratsanträge und hat immer eine tolle Idee. (Ich hörte schon von Lesern, die sich unwillkürlich an “Wickie” erinnert fühlten)

All die Geschichten wirken wie bereits erzählt. Die nur durch einen Eintritt ins Kloster auflösbare Abhängigkeit der Frauen, die Unbarmherzigkeit des Adels und der Kirche, die Knechtschaft der Lehrlinge unter den Gildemeistern, der Leibeigenen unter den Grundherren. Die Geschichten von Hexen- und Dämonenglauben, die von den Auswirkungen der Pest – alle schon mehrmals gelesen. Oft besser, spannender, authentischer, glaubwürdiger als hier. Auch die Idee, den Roman mit einem Geheimniss zu beginnen, welches sich erst am Ende löst- nicht wirklich neu. Zumal das im Klappentext groß angekündigte Geheimnis die Geschichten an sich nicht tangiert und im Rest des Romans kaum mehr zum Tragen kommt. Ich konnte mich des Eindrucks nicht erwehren, der Autor greift es nur aus Pflichtbewusstsein wieder auf.

Die Ankündigung der Buchclubs Sex, Sex und noch mehr Sex in den Toren? Echte Sex-Szenen, noch dazu gute, muss man mit der Lupe suchen. Es sei den Verantwortlichen ins Stammbuch geschrieben, dass Vergewaltigungsszenen auch dann keine Sex-Szenen sind, wenn Ken Follett sie verfasst. Im Original titelt der Roman im Übrigen World without an end. (Ich hoffe ja mal nicht).Woher dann der deutsche Titel? Um Tore an sich geht es eher selten bis gar nicht.  

Und noch was. Mir persönlich wichtig. Für 25 Euro krieg ich 2 kg gutes Schweinefilet, von mir aus auch 3 1/4 Telekom Aktien oder eben einen Ken Follett im Hardcover. Der geneigte Leser, soviel Geld anlegend, erwartet nicht nur einen Roman – der ihm gefallen mag oder eben auch nicht, das Risiko geht er ein – er erwartet zum Mindesten ein korrekt gesetztes Buch. Was er nicht erwartet, sind Druck-und Grammatikfehler, auch nicht des öfteren verwechselte Eigennamen. Und schon gar nicht eine nicht ganz korrekte Inhaltsangabe im Klappentext. Zur Übersetzung: Selten ist mir so deutlich wie hier aufgefallen, dass zwei Übersetzer am Werk waren. Miteinander haben die nicht gearbeitet, zu deutlich sind die “Schichtwechsel” zu merken.

Die Tore der Welt sind wieder ein Bestseller. War klar. Die Fortsetzung der Säulen? Einfach zu verlockend. Nur – mit den Säulen machte Follet damals den historischen Roman erst richtig bekannt. Dass er nicht der größte aller Autoren ist, fiel deshalb weiter nicht auf. Inzwischen hat er Hunderte von Nachahmern gefunden, und unter denen sind – sein Pech -, eben auch Spitzenkönner , deren Bücher zwar auch keine Literatur bieten, aber zumindest bessere Unterhaltung. Ich weiss,es gehört mit zum Schlimmsten, was man über ein Buch sagen kann, dennoch: Ich fand es langweilig, schlicht und ergreifend langweilig. Meine Meinung , mein Fazit : Wer es lesen will, übe sich in Geduld , warte auf das Paper-Back und investiere die Differenz in Schokolade oder eine Telekom Aktie. Vielleicht dämpft sich bis dahin ja auch die eigene Erwartungshaltung und man ist begeistert. Möglich. Warum auch nicht? Wer ein Werk von fast 1300 Seiten konstruiert und schreibt, hat gerne Anerkennung und ein Fleißkärtchen verdient.


Genre: Historischer Roman
Illustrated by Bastei Lübbe

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