Ort: Chester’s Mill, ein kleines Kaff in Maine, nahe der weltberühmten Stadt Castle Rock.
Zeit: Ein wunderbarer Oktobervormittag in der nicht so fernen Zukunft.
Der gewohnte Gang des Lebens wird jäh unterbrochen, als sich eine unsichtbare riesige Kuppel über den Ort senkt und ihn somit komplett von der Außenwelt abschneidet. An der unüberwindbaren Barriere zerschellen Flugzeuge sowie Autos und Menschen, die sich ihr nähern, kommen durch explodierende I-Pods oder Herzschrittmacher zu Schaden. Nachdem der erste Schock überwunden ist, zeigen sich sehr schnell die Machtverhältnisse in der Kleinstadt: Das Sagen und alles im Griff hat der Stadtverordnete Big Jim Rennie, ein bibelfester Gebrauchtwagenhändler, der zusammen mit korrupten Kollegen eine profitable Drogenfabrik betreibt und die Krise sofort auch als Chance begreift.
Der „Dome“ über Chester’s Mill erweckt natürlich umgehend das Interesse der Sicherheitsbehörden und Militärs, die jedoch samt und sonders mit ihren teuren Spielzeugen bei den Versuchen scheitern, das Ding zu knacken. So setzen sie ihre Hoffnungen auf einen Mann, der zufällig unter den Eingeschlossenen weilt: Dale Barbara (Barbie), ein Irak-Veteran, der sich jetzt als Aushilfskoch verdingt wird flugs reaktiviert und vom Präsidenten (eindeutig Obama, auch wenn er nicht namentlich genannt ist) persönlich mit umfangreichen Vollmachten ausgestattet, denn die Mächtigen vermuten, dass die Quelle für das Kraftfeld sich in der Stadt selbst befindet.
Während unter den Isolierten munter spekuliert wird, ob man es mit einem Werk Gottes, einem Angriff von Außerirdischen, Terroristen oder der eigenen Regierung zu tun hat, schart Big Jim – der nicht im Traum daran denkt, die Weisungen des Präsidenten zu befolgen – seine Truppen um sich. Jugendliche Straftäter werden als Hilfspolizisten angeheuert und unter dem Schutz der Uniform mutieren sie dann als moderne Hitler-Jugend folgerichtig zu sadistischen Mördern und Vergewaltigern. Mit der unnötigen Schließung von Supermärkten provoziert man gekonnt Aufruhr und Plünderung, um sodann den Notstand auszurufen und die kleine Diktatur perfekt zu machen. Aber auch Barbie hat Verbündete, und die braucht er dringend, denn es drängt die Zeit und nicht nur Nahrung und Energie gehen zur Neige, sondern es verändern sich auch die Lebensbedingungen innerhalb der Kuppel, wo Luftverschmutzung die Sterne rosa färbt und Sonnenuntergänge zu bizarren Spektakeln macht…
Stephen King ist ein Phänomen, nicht nur weil er der erfolgreichste Schriftsteller der Welt ist, nein, er versteht es auch immer wieder, seine zahllosen Anhänger mit neuen Plots zu begeistern, ohne dabei auf bewährte Standardthemen zu verzichten. Mit „Under the Dome“ (ich bevorzuge den Originaltitel statt der erneut selten dämlichen deutschen Variante; von einer Arena gibt es weit und breit keine Spur) ist ihm jetzt ein 1.100 Seiten starkes Epos gelungen, das den Vergleich mit seinen allergrößten Hits nicht zu scheuen braucht. Das Szenario Amok laufender Kleinstadtbürger erinnert an „Needful Things“ und die quasi-apokalyptische Eskalation des Kampfes Gut gegen Böse natürlich an „The Stand“ (man beachte zum Beispiel die Parallelen zwischen Phil Bushey und dem Mülleimermann).
Der Autor macht in eindringlicher und beklemmender Weise deutlich, wie schnell sich in einer abgeschotteten Gesellschaft in Extremsituationen autoritäre und faschistische Machtstrukturen entwickeln können, hier noch befeuert durch die abstruse Ideologie christlicher Fundamentalisten, die King in vielen seiner Werke an den Pranger stellt und genüsslich geißelt. Dennoch hält er auch Trost für den Leser parat; die Provinzdiktatur produziert konsequent ihre eigene Revolution.
King versteht wie kein Zweiter die Kunst, den Leser durch eine packende und stringente Handlung zu fesseln; auch bei mehr als tausend Seiten kommt nie Langeweile auf, nicht zuletzt deshalb, weil sich die Länge der einzelnen Kapitel doch recht übersichtlich darstellt (hier sei das gestattet, da man es mit einer Vielzahl von Protagonisten zu tun hat). Er ist ein Meister der Sprache, die er perfekt beherrscht und mit der er souverän spielt; immer wieder findet der Leser faszinierende Perlen in ganzen Sätzen oder einzelnen Wendungen. Durchaus innovativ ist die Grundidee des Buches mit der unsichtbaren Kuppel und auch die Umsetzung und Auflösung am Ende sind rundum gelungen. Fazit: Kein page-turner, sondern ein page-burner!