else

Die Autorinnen sind im Alter der Enkeltöchter von Else und sie schreiben einer Oma diese Hommage, die Kapitel erstrecken sich abwechselnd, von den 1960er Jahren bis 2010.

Erst ist Else die junge Mutter von zwei Töchtern, verheiratet mit Willy. Es ist Samstag vormittags, sie macht sich und die Mädchen fein, denn es geht in den Tennisclub, wo Vati spielt. Er ist ein gesellschaftlicher Aufsteiger, wie Else, und die anderen im Club lassen es sie spüren, dass sie nicht dazugehören. Aber sie trifft Marta, die ihre Freundin wird, und so erträgt sie alles und macht bella figura. Tennis spielen sollen, so Willys Meinung, nur die Männer, das reicht.

Als Nächstes muss sie zu einem Umtrunk in Willys Firma, aber zum Glück ist wieder Marta da, denn Richie, deren Mann, ist Kollege und Kumpel.

Im nächsten Kapitel, 2010, ist Else Oma von Emmchen, sie machen eine Luxusreise an die Cote d’Azur und ziehen schnabulierend durch Bistros. Emmchen interessiert sich für Frauen und Else erkennt, wie falsch ihre Vorurteile über die Bedeutung der Heterosexualität waren. Und sie will gerne umdenken.

Zurück in die Sechziger erlebt sie, wie Willy sich im Erfolg sonnt und abhebt, er lässt sie für Monate allein, um in Indien Geschäften nachzugehen, dass sie einverstanden ist, wird vorausgesetzt…

Zum Abschied betrinkt er sich, kommt stocktunken nach Hause und, als sie Vorwürfe macht, schlägt er sie. Das reicht.

Sie beschließt, den Taxischein zu machen, in der Familie bleibt das ein Geheimnis, nur Marta weiß davon. Die nächsten zwei Jahrzehnte verdient sie ihr eigenes Geld, legt es an. Und lernt in Frankfurt Menschen außerhalb der Tennisblase kennen.

Zwischen manchen Kapiteln kann die Leserin mittels eines QR-Codes kleine Videos abrufen. Da kommt viel Frankfurter Geschichte, die Zeit vom Bau der Startbahn West, der 370 000 Bäume geopfert werden, und von Joschka und Dany.

Sicher sind diese geschichtlichen Einordnungen für jüngere Leserinnen gut, mich hat vor allem beeindruckt, mit welcher Ansage Sudetendeutsche nach 1945 (also vor meiner Zeit!) aufgefordert wurden, das Land nur mit leichtem Handgepäcke zu verlassen—Else hat es als Kind erlebt.

Etwas verwirrt hat mich das Video „Louise“. Es zeigt eine schlanke junge Frau, die im Meeresrand entlang tänzelt, bevor im Text Else behutsam aufsteht, ihre altersschwachen Knochen sortierend. Im Kapitel taucht dann die hübsche Louise auf, die Kellnerin, in die Emmchen sich verliebt.

Lesenswert fand ich vor allem die Gedanken von Else, etwa, wenn sie beim Kirchenbesuch den Machoprunk kritisiert und weiß, dass Menschen ihre Menschlichkeit eher der Mutter Jesu zu verdanken haben als Männern. Und bei Marta, wie sie ihre Situation als Gattin einschätzt, wie sie sich mit ihrem Gatten arrangiert, und es gelingt, das Ihre daraus machen.


Genre: Roman
Illustrated by Kiepenheuer & Witsch Köln

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