De gustibus non est disputandum
Zugegeben, Herta Müllers Prosa ist gewöhnungsbedürftig, sehr sogar! Das Nobelkomitee spricht von einer Autorin, «die mittels Verdichtung der Poesie und Sachlichkeit der Prosa Landschaften der Heimatlosigkeit zeichnet». Im Jahr der Preisverleihung 2009 erschien der Roman «Atemschaukel», dessen Lektüre seinerzeit bei mir einen zwiespältigen Eindruck hinterlassen hatte als sprachlich hochstehendes Werk einerseits, mit einer leider furchtbar düsteren Arbeitslager-Thematik andererseits, die so gar nichts beiträgt zum Lesegenuss, sofern man kein Masochist ist. Leider fand ich auch im vorliegenden Roman mit dem rätselhaften Titel «Der Fuchs war damals schon der Jäger» ein ähnliches Sujet, das Leben im Rumänien unter dem Diktator Ceauşescu kurz vor bis zum Zusammenbruch dieses menschenverachtenden Regimes.
Der offensichtlich vorhandene Determinismus Müllers führt bei diesem siebzehn Jahre vor dem Nobelpreis erschienenen Roman zu einer sehr eigenwilligen sprachlichen Form, deren Poesie sich manchem Leser nur schwer erschließt. Sie ist alles andere als schön, versucht vielmehr, die Lebenszwänge und Ängste der Menschen durch eine häufig grotesk anmutende Wortwahl und Syntax auszudrücken. Das wirkt aufs Gemüt des Lesers und erzeugt eine durchgängig düstere Stimmung, die kaum je aufgehellt wird, selbst ein Witz über Ceauşescu oder die tödliche Fahrt eines Parteikaders im Kettenkarussell ändert daran nichts. Mit kurzen, einfachen Sätzen, ohne Fremdwörter auskommend, weitgehend auch ohne direkte Rede, steht für Herta Müller wie bei einer Lyrikerin der Rhythmus ihrer Texte im Fokus, den sie nach eigenem Bekunden durch lautes Vorlesen überprüft und falls erforderlich korrigiert.
Der poetische Hintersinn dieser speziellen Prosa ist in der Regel zumindest nicht gleich offensichtlich, manchmal aber auch überhaupt nicht zu entschlüsseln, oft als Metapher für die Metapher sozusagen. Zitat: «Der Weg kennt sich selber, hat keine Entfernung. Die Schritte verwackeln und sind immer gleich. Dann beeilen die Schuhe sich, der Kopf ist leer, auch wenn der Fuchs im Kopf steht». Alles klar? Für Leser mit Freude an der Lösung solch kniffliger verbaler Rätsel sicherlich eine wahre Fundgrube, ruft Müllers Sprache bei anderen im günstigsten Fall nur Kopfschütteln hervor, aber auch krasse Ablehnung. Was schade ist, denn das Spektrum auch abseitiger sprachlicher Formen auszuloten ist zumindest bereichernd, selbst wenn es Mühe macht für literarische Warmduscher wie mich.
Der Plot ist banal und nicht weiter erwähnenswert, natürlich ist die Securitate allgegenwärtig, die wenigen Figuren sind nur schemenhaft beschrieben als typische Stellvertreter für ein unterdrücktes rumänisches Volk. Die Trostlosigkeit ihres Lebens wird emotionslos geschildert, wobei die simple Geschichte ab der Mitte des Buches Fahrt aufnimmt und dann auch etwas konventioneller erzählt wird. Am Ende gibt es mit dem Untergang des Regimes fast so etwas wie Optimismus, durchaus selten ja im Werk Herta Müllers, ein Licht am Ende des Tunnels jedenfalls. Auch wenn klar wird, dass die alten Kader schnell wieder Fuß fassen, sich der neuen Zeit scheinbar mühelos anpassen, was die positive Stimmung gleich wieder dämpft. So weit, so gut, wie für jede Kunst gilt auch für diesen Roman: Über Geschmack lässt sich nicht streiten!
Fazit: mäßig
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