Der Roman „Das Geständnis“ von John Grisham spielt im Jahr 1998 und ist auf beängstigende Weise zeitgemäß. Es geht um die Todesstrafe und um zweierlei Recht in den USA – für Weiße oder für Schwarze. Es geht auch darum, dass in Texas, Mississippi oder Kansas auch heute noch die juristischen Uhren völlig anders ticken, als im Rest des Landes.
Bei einem Pfarrer einer Kirchengemeinde taucht ein Mann auf und bezichtigt sich des Mordes, begangen vor über neun Jahren. Brisant an seinem Geständnis ist, dass für eben diesen Mord in knapp einer Woche ein anderer Mann per Giftspritze – gängige Praxis in Texas – hingerichtet werden soll. Das einzige Vergehen des Todeskandidaten – wenn man es so nennen will – ist die Tatsache, dass er schwarz ist.
Als Schwarzer unschuldig in der Todeszelle, knapp eine Woche vor der Hinrichtung, da besteht wenig Anlass zur Hoffnung. Der Gouverneur von Texas, nur er kann einen Aufschub anordnen, hat vor allen Dingen seine Beliebtheit bei den weißen Wählern und seine anstehende Wiederwahl im Kopf. Das soll er für einen schwarzen Todeskandidaten, der auch noch dumm genug war, ein Geständnis abzulegen, aufs Spiele setzen? Auch wenn das Geständnis unter dubiosen Umständen zustande kam, und es eine amouröse Verquickung zwischen Richterin und Staatsanwalt gab. Die Geschworenenliste, ein ebenso brisantes Thema. Weshalb haben über einen schwarzen Angeklagten nur weiße Geschworene geurteilt?
Schließlich tauchen vor einer Hinrichtung immer wieder Spinner auf, die sich nur wichtig machen wollen. Nicht zu vergessen – der Mann, der sich als Mörder bezeichnet, steht kurz vor seinem eigenen Dahinscheiden – Hirntumor in fortgeschrittenem Stadium. Obwohl Weißer, ist er mit seinen Selbstbezichtigungen absolut unglaubwürdig, denn er hat sein halbes Leben wegen diverser Sexualdelikte im Knast verbracht.
Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt. Die immer noch für den Todeskandidaten aktive Anwaltskanzlei nimmt sich der Sache an und versucht einen Aufschub zu bewirken. Aber die Mühlen der Justiz mahlen stetig und unerbittlich, sind kaum aufzuhalten.
John Grisham schildert die Verwahrlosung – anders kann man es kaum nennen – der US-amerikanischen Justiz. Minutiös beschreibt er, wie hinter den Kulissen gemauschelt wird, wobei die Schuld oder Unschuld des Beklagten Nebensache ist. Da geht es um Wiederwahl des Bezirksstaatsanwaltes oder der Richter, Menschenleben sind zweitrangig. Überlegenswert ist höchstens noch die Frage, ob mit Rassenunruhen zu rechnen ist und ab wie vielen Hausbränden oder sonstigen Übergriffen die Nationalgarde alarmiert werden muss.
Wie bei jedem Roman muss auch hier im Epilog stehen – alle Personen und Sachverhalte sind frei erfunden. Das muss sein, will der Autor sich nicht selbst vor Gericht wiederfinden. Andererseits sind die Schilderungen der Abläufe derartig detailgenau, dass man annehmen darf, der Autor hat sich als Vorlage wahrer Begebenheiten bedient. Naheliegend, denn John Grisham war selbst Anwalt für Strafrecht in Southaven/Mississippi. Er kennt die Südstaaten und das US-Strafrecht aus eigenem Erleben.
Beschrieben wird auch das geltende Wahlgesetz, ein durchaus aktuelles Thema. Der Mensch, der nichts oder wenig besitzt, hat kaum Chancen, sich in die Wählerlisten eintragen zu lassen und verständlicherweise hat er auch wenig Interesse daran. Er ist mit dem Kampf ums Überleben beschäftigt und der ist in den USA ungleich härter als alles, was wir uns hier in Deutschland und Europa vorstellen können.
Absolut zeitgemäß. Unter den nächsten US-Präsidenten soll es dann ja noch schneller mit der Todesstrafe gehen.