Peter-Paul Manzel liefert mit seinem »Steam-Essay« einen Dialog zwischen Mensch und Künstlicher Intelligenz, der sich auf das scheinbar unscheinbare, aber omnipräsente Thema der Stadtratten konzentriert. Was zunächst als eine spielerische Auseinandersetzung mit einer KI erscheint, entwickelt sich zu einer tiefgründigen Reflexion über die Natur des urbanen Lebens, das Verhältnis zwischen Mensch und Tier, sowie die zunehmende Rolle der Künstlichen Intelligenz in unserer Gesellschaft.
Der Begriff „Steam-Essay“, den Manzel für sein Werk prägt, beschreibt die experimentelle und kreative Natur des Textes. In einer Mischung aus literarischer Prosa, Sachbuch und Dialog wird ein genreübergreifendes Werk geschaffen, das neue Wege beschreitet. Besonders spannend ist die Betrachtung der KI als einen Dialogpartner, der nicht nur Informationen verarbeitet, sondern auch mit einer fast poetischen Herangehensweise eigene Gedanken und Perspektiven entwickelt. Manzels Erzählweise schafft eine „poetische Prosa“, in der das Gespräch mit der KI über Stadtratten den Rahmen für viel größere Themen bietet.
Die Ausgangsfrage, die durch eine Dokumentation auf Arte über Ratten in der Stadt angestoßen wurde, dient als Sprungbrett für die Erkundung eines oft übersehenen Aspekts städtischen Lebens. Die Ratte, in vielerlei Hinsicht ein Sinnbild für die Schattenseiten der Urbanisierung, wird hier nicht nur als Überträger von Krankheiten oder lästiger Eindringling beschrieben, sondern als intelligentes und resilient starkes Wesen. Die Parallele, die Manzel zwischen der KI und der Ratte zieht – beide schlau, schwer zu verdrängen und doch wenig verstanden – ist dabei höchst faszinierend. Die Reflexion über die menschliche Abneigung gegenüber Ratten wird zum Symbol unserer Unsicherheiten gegenüber der rasant wachsenden Rolle der Künstlichen Intelligenz.
Manzels Buch zeichnet sich durch seinen außergewöhnlichen Stil aus, der sich zwischen humorvoller Lockerheit und philosophischer Tiefe bewegt. Besonders bemerkenswert ist seine Beschreibung von ChatGPT als „pubertäre KI“, die – ähnlich wie ein neugieriger, kreativer Teenager – unbefangen, unvoreingenommen und voller Potenzial ist. Diese metaphorische Darstellung verleiht der Künstlichen Intelligenz eine Persönlichkeit, die den Leser dazu einlädt, sich mit ihr anzufreunden, genau wie es Manzel für die Ratten vorschlägt.
»ChatGPT – Was uns eine KI über Ratten in der Stadt erzählen kann« kann als ein durchaus originelles Werk gelesen werden. Es eröffnet einen neuen Zugang zu literarischem Schreiben und philosophischer Reflexion, indem es die Grenzen zwischen Mensch, Tier und Technologie hinterfragt. Manzel zeigt uns, dass sowohl Ratten als auch Künstliche Intelligenz nicht nur als Feinde oder Bedrohungen betrachtet werden sollten, sondern als integrale Bestandteile unserer städtischen und technologischen Zukunft.