BL-Otaku – man muss nicht immer jung sein!
Die 75-jährige Witwe Yuki Ichinoi hat sich in ihrem ruhigen, überschaubaren Leben eingerichtet. Aber das ändert sich, als sie eines Tages entdeckt, dass ihr Lieblingscafé geschlossen hat. Das erste Mal seit langer Zeit sucht sie stattdessen eine Buchhandlung auf. Aber anstatt der dort vermuteten Kochbücher landet sie in der Abteilung für Manga. Aus einem Impuls heraus sieht sie sich einen romantischen BL-Manga (Boys Love Manga = Manga, der sich mit der gleichgeschlechtlichen Liebe zwischen jungen Männern beschäftigt) an. Und beschließt spontan, ihn zu kaufen. Der jungen Verkäuferin und Oberschülerin Urara Sayama fallen fast die Augen aus dem Kopf, als sie den Manga sieht. Denn Urara hat ein Geheimnis: Sie ist bekennende BL-Otaku (Fan von BL) und wünscht sich schon seit langem jemanden, mit dem sie über ihr Hobby reden kann. Dass es ausgerechnet eine alte Oma sein würde, wäre ihr aber im Traum nicht eingefallen. Und doch entsteht zwischen den beiden Frauen aus so unterschiedlichen Generationen und ebenso unterschiedlichen Charakteren eine zarte Freundschaft, die beide gewissenhaft zum Erblühen bringen.
Meta-Manga
Immer noch zu wenig, aber dennoch gibt es sie – die Manga über Manga (und deren Fans). Eine ähnliche Richtung schlug schon der 2009 in deutscher Übersetzung erschienene Manga “Akihabara Shojo” von Rize Shinba und Pentabu ein, eine Geschichte über die Liebesbeziehung eines jungen Mannes zu einer Frau, die BL liebt. Dort liegt der Fokus der im Übrigen auf einer wahren Begebenheit beruhenden Geschichte eher auf dem Humor, während in “BL-Metamorphosen” großer Wert auf einen ruhigen Storyaufbau und auf die unterschiedlichen, immer liebenswerten Charaktere gelegt wird, die ein schönes Hobby eint. Das spiegelt sich schon im Cover wider.
Dabei wird auch gleich mit dem Vorurteil aufgeräumt, dass Senioren zum alten Eisen gehören und damit veraltete Ansichten haben. Tatsächlich ist die ruhige Yuki der treibende Pol hinter dieser Freundschaft, denn v.a. von ihr gehen die Impulse aus, Fragen zu stellen und sich zu treffen. Und sie ist sich nicht zu schade, ein altes Hobby von ihr, nämlich die Lektüre von Mangas in Jugendtagen, wieder aufleben zu lassen. Auch wenn ihr das BL-Genre anfangs gänzlich fremd ist. Da zeigt sich eine Offenheit und Flexibilität, die junge Leute Älteren oft nicht mehr zutrauen. Yuki betritt im wahrsten Sinne des Wortes Neuland, als sie mit Urara auf eine Manga-Messe geht.
Metamorphosen
Das altgriechische Wort “metamorphosis” bedeutet übersetzt “Umgestaltung”. Und tatsächlich gestaltet sich sowohl das Leben von Yuki als auch das von Urara um – und zwar zum Positiven. Die ältere allein lebende Dame erhält Gesellschaft und die einsame, schüchterne Urara eine Gesprächspartnerin. Eine Win-Win-Situation also. Schon im ersten Band wird deutlich, dass beide Frauen ihre Komfortzone verlassen und dafür mit neuen, schönen Erlebnissen belohnt werden, die ihr Leben wieder lebenswert machen. Dabei verändert sich auch allmählich der Charakter der beiden, indem dieser sich öffnet und weitet. Und dabei wird mit noch einem Vorurteil aufgeräumt: Der bzw. die Otaku, die/der sich im Zimmer ein- und die Welt ausschießt. In diesem Manga öffnet sich durch ihr gemeinsames Hobby die Welt wieder, anstatt dass sie außen vor gelassen wird. Und: Die Sozialkompetenz der beiden Frauen steigt. Gerade weibliche Otakus können nämlich sehr gesellig sein, wenn sie die richtigen Menschen kennenlernen. Und kreativ sind sie allemal.
Fazit
Es kommt nicht oft vor, dass ich Mangas mehrmals lese. Aber dieser ruhige, empathische Manga, der einen zarten, offenen und trotzdem bodenständigen Optimismus verströmt, gehört definitiv zu meinen Lieblingen, die auch nach mehrmaligem Lesen nicht langweilig werden. Ich bin schon sehr gespannt auf Band 2!