Ich dachte an die goldenen Zeiten

hrabal-1Zu liquidierender Schriftsteller

Als einer der großen tschechischen Schriftsteller hat Bohumil Hrabal erst als beinahe Fünfzigjähriger das Schreiben zu seinem Beruf gemacht. Seine diversen Tätigkeiten zuvor fanden vielfach Eingang in seine Werke, zu denen auch «Ich dachte an die goldenen Zeiten» gehört, erster Band einer dreiteiligen autobiografischen Reihe. Der wehmütige Titel weist übrigens auf vorliterarische Zeiten Hrabals hin, die endgültig vorbei waren, als sich erste literarische Erfolge einstellten und damit plötzlich auch genügend Geld verfügbar war für ein unkonventionelles Künstlerleben. Sein als vierter Prager Fenstersturz bezeichneter Tod bleibt umstritten, einiges deutet jedoch auf Suizid hin. Die Editionsgeschichte seiner Werke war bis zum Fall des Eisernen Vorhangs äußerst wechselvoll, er zählte zeitweise zu den tschechischen Dissidenten und musste per Samisdat publizieren oder im Ausland, der vorliegenden Band erschien 1988 in Kanada.

Mit dem vorangestellten Leitspruch «Das Groteske ist absolute Komik» von Charles Baudelaire wird der Duktus dieses Romans eingangs bereits treffend gekennzeichnet. Der Autor setzt seiner Frau Eliska darin ein literarisches Denkmal, sie fungiert als personale Erzählerin, berichtet humorvoll, vorgeblich aus ihrer Sicht, von dem wechselvollen Leben an seiner Seite. Wobei man wahrlich nicht sagen kann, dass diese Perspektive eine spezifisch weibliche wäre, allzu deutlich ist der exzentrische, trinkfreudige, egoistische, aber auch verträumte und gutmütige Schriftsteller selbst hinter seiner Erzählerfigur zu erkennen. Genau darin aber liegt ein Problem für den Leser, denn keine der humorig vorgetragenen Macken und handfesten Zumutungen ihres «Kleinods», wie Eliska den Göttergatten spöttisch nennt, sind glaubwürdig reale Kritik der ziemlich arg geplagten Ehefrau, sie sind vielmehr fiktionale, augenzwinkernd aufgebauschte und fragwürdige Selbstkritik, und das setzt sich nun mal im Kopf fest und schafft eine skeptische Distanz beim Lesen.

Denn was der «zu liquidierende Schriftsteller», wie er wegen der staatlichen Sanktionen immer wieder verschmitzt bezeichnet wird, so alles anstellt, setzt viel Langmut voraus bei seiner besseren Hälfte. Besonders beeindruckend – und immer wiederkehrend – wird da von mehrtägigen Sauf- und Fressgelagen berichtet, im Roman als «Hochzeiten im Haus» bezeichnet. Bohumil ist ein Säufer, der buchstäblich alle Kneipen in weitem Umkreis kennt und regelmäßig aufsucht, – in der Regel kehrt er spätnachts dann im Vollrausch nach Hause zurück. Sein chaotischer Lebenswandel als schwadronierender Trinker und unersättlicher Vielfraß führt mit der Zeit zu ernsthaften gesundheitlichen Problemen, die den fatalistisch veranlagten Bohumil dann als weinerlichen Hypochonder entlarven. Die Szenen im Krankenhaus jedenfalls gehören zu den köstlichsten Passagen in dieser anekdotenreichen, prallen Lebensgeschichte. Urkomisch auch die Querelen mit der tschechischen Literatur-Bürokratie, die sogar bereits gedruckte Bücher vernichten lässt, – nach seiner Lesart «liquidieren» -, was im Text dann ebenso listig wie ironisch in «zu liquidierender Schriftsteller» umgedeutet wird. Wobei es richtig komisch erst noch dadurch wird, dass Eliska an verantwortlicher Stelle in genau jenem Altpapierbetrieb arbeitet, wo seine einzustampfenden Bücher landen, sodass er und auch seine ebenfalls betroffenen Kollegen die verlagsfrischen Bände dort kistenweise abholen können, – prompt entwickelt sich daraus ein florierender Schwarzmarkt.

Diese wie beiläufig erzählte, uneitle Autobiografie umfasst den Zeitraum zwischen Hrabals literarischem Durchbruch 1964 und dem Umzug des Ehepaares neun Jahre später in einen Plattenbau am Prager Stadtrand. In diese Zeit fällt auch der Prager Frühling, wo der völlig unpolitische Autor 1968 auf dem Wenzelsplatz Heinrich Böll kennen lernt. Dieser Roman bietet auf amüsante Art erhellende Einblicke in eine so nicht mehr existierende Gesellschaft.

Fazit: lesenswert

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Genre: Roman
Illustrated by Süddeutsche Zeitung München