Ein Buch namens Zimbo

Deutschlands Satiremagazine haben einen schweren Stand. Die Hochzeiten von »Pardon« sind lange vorüber, 1982 wurde die damals größte Satirezeitschrift Europas eingestellt, ein Neubeginn missglückte. Seitdem liegt die einstmals in einer Auflage von wöchentlich 500.000 Exemplaren verkaufte DDR-Wochenzeitschrift »Eulenspiegel« als gesamtdeutsches Monatsmagazin auf Platz Eins der Publikumsgunst.

Die als Antwort auf »Pardon« 1979 gegründete »Titanic« ist indes lange nicht mehr das, was sie dem Lesepublikum lange Jahre war. Mein Abonnement hatte ich zuletzt nur noch aufrechterhalten, um die regelmäßigen Beiträge von Max Goldt zu lesen, alles andere fand ich, von der »Humorkritik« abgesehen, fad. Da seine Texte jedoch recht schnell auch zwischen Buchdeckeln erscheinen, habe ich das Blatt inzwischen abbestellt. Denn es schenkt einfach mehr Genuss, Goldt gesammelt zu lesen, zumal er sich auch dagegen wehrt, »Satiriker« genannt zu werden und schon aus diesem Grunde eigentlich nicht in der »Titanic« publizieren dürfte. Nun liegt jedenfalls mit »Ein Buch namens Zimbo« eine weitere Kompilation seiner stets humorvollen »Titanic«-Beiträge vor.

Goldt erweist sich darin wieder als genauer Beobachter des Alltags. Ohne sich die Nase an jeder Schaufensterscheibe platt zu drücken, erfährt er, was das Leben feilbietet. »Wer seine Sinne pflegt und sie nicht mit zuviel Drogen, zuviel Lärm oder zuviel Lektüre malträtiert,« so sein Credo, »dem zeigt sich das Leben von ganz allein«. Spricht´s, steigt in die U-Bahn und schreibt auf, was er dort zwischen kommunistischen Pärchen und bettelnden Zeitungsverkäufern alles erlebt.

Stärker als bisher dominiert die Sprachkritik in Goldts Kolumnen. Er setzt sich mit »sprachlichem Ungeziefer« auseinander und unterhält dabei glänzend. In Anlehnung an Thomas Mann kämpft er gegen die überschäumende Verwendung des Paradoxons in der deutschen Sprache. Er sucht nach den passenden Adjektiven, die zum Begriff des Snobismus passen und helfen, ihn aufzuwerten. Für Bezeichnungen wie »junge Männer mit Migrationshintergrund«, die von Sittenwächtern im sozialharmonischen Eifer als «Denunziation« einer Bevölkerungsgruppe angesehen wird, sucht er Ersatzformulierungen und kommt letztlich auf »Geschöpfe«.

Warum das Buch den Titel »Zimbo« trägt, erfährt der geneigte Leser indes nicht. Wer bei dem Begriff den größten deutschen Wurstwarenkonzern assoziiert, hofft vielleicht, in Goldts Text »Gastronomisches 2« des Rätsels Lösung zu finden. Dort erfährt er jedoch eher etwas über die unbequeme Möblierung von Restaurants und wird in das Lieblingsrestaurant des Dichters entführt: einen Chinesen, der sich seit Jahren nicht verändert hat und »das Klischee von der stehen gebliebenen Zeit gnadenlos beherzt« auslebt. Jeden Montag wird dort ein mit vier Chili-Schoten gekennzeichnetes Mapo-Tofu-Gericht serviert, das einige Übung erfordert. Über eine dampfende Schüssel dieser brennend scharfen Speise gebeugt, fragte ihn Daniel Kehlmann, ob er etwas dagegen hätte, den Kleist-Preis für seine literarische Leistung in Empfang zu nehmen. »Passt schon«, sagte Goldt darauf und veröffentlicht seine Kleistpreis-Rede als Zugabe.

Diskussion dieser Rezension im Blog der Literaturzeitschrift


Genre: Humor und Satire
Illustrated by Rowohlt

QQ

»Quiet quality«, abgekürzt »QQ«, ist ein amerikanischer Modebegriff und bedeutet so etwas wie »stille Güte«. Es will all das klammern, was nicht schreit und spritzt. Da Max Goldt das Ende seiner Tage in einem gepflegten Altenheim für betuchte Senioren verleben möchte, sieht er sich gezwungen, noch ein paar Jährchen zu schreien und zu spritzen. Dieser Tätigkeit geht der Autor bevorzugt im Satiremagazin »Titanic« nach. 21 seiner doppelseitigen stilbildenden Aufsätze sind in diesem Bändchen still und gut zusammen gefasst.

Goldts Sätze sind Sprachkunstwerke. Der Autor erzählt in locker-legerem Stil und mit einem satyrischen Funkeln in den Augenwinkeln kleine Geschichten aus dem Hier und Jetzt. Was assoziativ aneinander gereiht scheint, ist tatsächlich elegant konstruiert und bis in die letzte sprachliche Wendung ausgefeilt.

Ein fulminantes Feuerwerk ist sein Essay »Über Fernsehmusik«, mit dem der Sammelband eröffnet. Goldt beginnt mit der Rezension eines softlesbischen Mystery-Thrillers über zwei in lodernder Hassliebe verhedderten Frauen aus grauer Vorzeit, die sich in weiblicher Dramatik schlussendlich in einem keltischen Burgfried gegenseitig einmauern. Über diesen Einstieg schwenkt Goldt zur Autorin dieses historischen 800-Seiten-Schinkens, einer gewissen Heidi Würsel. Diese Dame steckt sämtliche Tantiemen aus ihrer literarischen Tätigkeit, die sie im vertrauten Kreis auch schon mal »Leseschrott für fette Frauen zusammenkloppen« nennt, in ihre heimliche Sehnsucht: das Restaurant »Schinkenkeller« auf der Insel Sylt.

In diesem Tempel des erlesenen Geschmacks trifft der Leser auch ihre Halbschwester, eine anerkannte Steingartenexpertin aus dem Hausfrauenfernsehen, die ihre Kohle in das Aufmöbeln alter Lamborghinis steckt und darin Erfüllung sucht. Auch sie steht kurz davor, als Buchautorin zu brillieren.

Gemeinsam ist den Damen ein Freund: der Fernsehkomponist Henner Larsfeld, ebenfalls Stammgast im »Schinkenkeller«. Dieser arbeitet, würde er danach gefragt – aber er wird es nicht – ausschließlich in seiner Küche und mixt dort Klangcocktails für unterschiedlichste Fernsehproduktionen. In dieser Kreativküche schrieb Larsfeld auch die Musik für die TV-Adaption des Würselschen Stoffes der eingemauert Schmachtenden. Wobei »schreiben« so verstanden sein will, dass er aus einer Sammlung von CDs mit Mönchschören und extrem verhallten Wummersounds einen Soundteppich knüpft, über den – unabhängig vom Genre – sämtliche der von ihm beschallten Fernsehfilme und Dokumentationen spazieren.

Auch Larsfeld versuchte einst, sich künstlerisch freizuschwimmen und verzichtete in einem ihm besonders geeigneten Fall auf die Chöre der Kuttenträger. Doch die zuständige TV-Redakteurin machte ihm schnell deutlich, dass dies doch gar nicht passe, und so griff der Meister, von einem »Warum nicht gleich so!« seiner Auftraggeberin angefeuert, wieder ins Mönchsarchiv.

Insofern lässt sich schon jetzt prophezeien, welche Fernsehmusik ertönen wird, wenn er den nächsten Würsel-Erfolg unterlegt, der bald über den Bildschirm flimmert und im übrigen erzählt, wie die beiden eingemauerten Frauen fünfhundert Jahre später aus ihrem Kokon ins Mittelalter entschlüpfen und sich dort wieder ihren heimlichen Leidenschaften widmen.


Genre: Humor und Satire
Illustrated by Rowohlt

Vom Zauber des seitlich dran Vorbeigehens

»Katar will berühmt werden. Ein Mensch, der so ein Ziel vor Augen hat, nimmt an Talentwettbewerben teil. Unter Staaten gilt dieser Weg als unschicklich, also lädt man sich zur Bekanntmachung seiner Herrlichkeiten internationale Schreibkräfte ein, setzt sie an erlesene Tafeln, lässt sie auf King-Size-Betten liegen und erzählt ihnen nebenbei etwas über das hervorragende Erziehungssystem« … Max Goldt zählt zu den Auserwählten, die Katar zum Nulltarif besuchen durften. In dem ihm eigenen überspitzt eleganten und witzigen Stil beschreibt er die Schönheiten des Emirates, das Familien mit Kinder anlocken möchte, ohne den Kleinen auch nur einen Eisstand anzubieten.

Allein diese Geschichte macht Goldts Büchlein »Vom Zauber des seitlich dran Vorbeigehens« empfehlenswert. Aber auch die anderen Dialoge, Szenen und Kolumnen, die der einstige Mitbegründer der Band »Foyer des Arts« und langjährige »Titanic«-Kolumnist in seinem Werk zusammengestellt hat, lesen sich vergnüglich und sich sprachliche Leckerbissen.

In der Titelgeschichte »Vom Zauber des seitlich dran Vorbeigehens« nimmt er freundlich Abstand von den Aufdringlichkeiten einer Wirklichkeit, die er besonders mit dem alljährlichen Weihnachtsmarktzauber verbindet. An der »Volksschwäche«, »historische Marktplätze für geschlagene fünf Wochen mit billigen Sperrholzverschlägen zu möblieren«, geht er gern, »geführt von ruhigem, friedlichem Desinteresse«, seitlich vorbei.

Max Goldt schreibt mild und mit innerer Heiterkeit, er postuliert die Sanftheit der Sprache. Seine Texte haben einen Drall in Richtung »Quiet Quality«. Dieses neue Schlagwort aus den USA steht für alles, was nicht schreit und spritzt, und der Autor hat die stille Qualität »QQ« inzwischen zum Titel einer weiteren Veröffentlichung erhoben.


Genre: Humor und Satire
Illustrated by Rowohlt