Locande d´Italia

Übernachten als zahlender Gast

Statistisch betrachtet entflieht so ungefähr jeder dritte deutsche Urlauber nach Italien. So weit, so schön. Wer aber in „das Land, in dem die Zitronen blühen“, nach „bella Italia“ reist und zwar nicht ins eigene Ferienhaus, sondern ganz profan gezwungen ist, nach einer Bleibe zu suchen, dem stellen sich viele Fragen. Die nicht unproblematischsten lauten beispielsweise: „Was in Gottes Namen bedeuten in Rom denn eigentlich drei Sterne für ein Hotel?“ „Was für ein Frühstück bekomme ich da wohl – und wie sieht die Ecke des Zimmers aus, die nicht auf dem Foto im Internet zu sehen ist?“ Alles berechtigte Fragen, die sich – nicht nur – in Italien stellen und für deren Beantwortung man entweder Stammgast des fraglichen Hotels werden oder Freunde haben muss, die schon Stammgast sind.
Wie also findet man eine gute, angenehme, ja sogar gastfreundliche Unterkunft in seinem Urlaubsort – und das, ohne die gesamte Urlaubskasse für deren Bezahlung auf den Kopf zu hauen?

Wer in Italien auf der Suche nach einem guten Essen ist, für das er nicht bereit ist in die Sterne-Gastronomie zu pilgern, sondern frische, möglichst regionale Küche zu einem angemessenen Preis erwartet, der kann sich auf den jährlich erscheinenden Führer „Osterie d´Italia“ von Slow Food verlassen.
Und mehr als einmal hörten die Herausgeber von „Osterie d´Italia“ die Frage, warum sie denn nicht auch Übernachtungsmöglichkeiten in der Nähe der jeweiligen Osterie empfehlen würden.
Gerade weil die Auswahl von „Osterie d´Italia“ so herausragend gut ist, taten sich die Autoren von Slow Food ungemein schwer, sich an einen Übernachtungsführer heranzuwagen. Nun aber gibt es ihn! Genauer betrachtet, gibt es ihn schon seit drei Jahren, aber jetzt endlich auch in deutscher Übersetzung.

„Locande d´Italia“ heißt das Buch und im Untertitel: „Übernachten in den schönsten Hotels. Pensionen und Bauernhöfen“. In diesem Buch werden insgesamt 970 Übernachtungsmöglichkeiten aus allen Regionen Italiens beschrieben und empfohlen. Wie aber unterscheidet sich eine solche Übernachtungsmöglichkeit von anderen, nicht empfehlenswerten Nachtlagern?
Slow Food beschreibt die Auswahlkriterien im Vorwort folgendermaßen:
„Unabhängig von der juristischen Form, von der Typologie und sogar vom Komfortniveau kennzeichnen unsere Locande eine ausgeglichene Mischung aus Gastkultur, einer aus der Einfachheit und Freundlichkeit entspringenden Gemütlichkeit, der Ablehnung von Statussymbolen und offen zur Schau getragenem Luxus, sowie vernünftigen Preisen. Es sind Plätze, die aus verschiedensten Gründen und durch passende Adaptierungen an das historische Modell der Gastätten erinnern, erweitert um die Möglichkeit von Übernachtungen, Ruhepausen und kurzen Aufenthalten: ruhige gemütliche Orte, wo man sich nach einem Arbeitstag entspannen kann, ein Stückchen Ferien genießen oder während einer Reise einen Zwischenstopp einlegen kann. Solche Plätze sind für uns Locande, auch wenn sie sich selbst nicht als solche bezeichnen; umgekehrt nehmen wir keine Betriebe in unser Buch auf, die diesem hehren Konzept nicht gerecht werden oder den Namen nur als Lockmittel verwenden.(…)“

Gegliedert ist „Locande d´Italia“ nach den italienischen Regionen und innerhalb der Regionen alphabetisch nach den Orten, in denen Locande empfohlen werden. Die Beschreibungen selbst sagen etwas über die Art des Übernachtungsbetriebes, die Ferienwohnung, das Hotel oder den Bauernhofes aus. Die Besitzer, bzw. Betreiber werden ebenso in die Beschreibung mit einbezogen, wie die Frage, ob der Gast ein italienisches (also für deutsche Gäste: Gar keins!) ein so genanntes „kontinentales“, oder gar ein reichhaltiges Frühstück erwarten darf. Wie sind die Zimmer eingerichtet und werden Kreditkarten akzeptiert? Gibt es einen hauseigenen Parkplatz und wie weit ist das nächste empfehlenswerte Restaurant entfernt?

Bisher hat der Autor dieser Rezension zwei dieser Empfehlungen selbst in Augenschein genommen und dort übernachtet. Das Ergebnis: Alles stimmte. Wenn die Autoren genauso sorgfältig vorgegangen sind, wie bei der Erstellung des „Osterie d´Italia“ – und davon kann ausgegangen werden – dann ist dieser für das deutsche Publikum neue Übernachtungsführer eine wirkliche Hilfe bei der Frage, wo man in Italien denn wohl gerne gesehen ist, als zahlender Gast. Mit Betonung auf Gast.


Genre: Reisen
Illustrated by Hallwag München

Osterie d´Italia 2008/2009

Kleine Helden

In Italien alljährlich, in der deutschen Übersetzung alle zwei Jahre, seit nunmehr achtzehn Jahren, erscheint der mittlerweile auf 904 Seiten angewachsene Führer zu den besten Gasthäusern mit authentischer regionaler Küche in Italien.
Mehrere hundert ehrenamtliche Mitarbeiter von Slow Food schwärmen regelmäßig aus, um die Osterie, Trattorie und kleinen Restaurants in ihrer Region mal auf Herz und Nieren (was für die römische Innereienküche sogar wörtlich zu nehmen ist), mal auf Fisch und andernorts auf Gemüse und Pasta zu testen. Eine Tätigkeit, die ihnen wohl kaum allzu schwer fallen wird, wie wir uns zu behaupten erdreisten. Wer allerdings dahinter ein gigantisches Lobkartell zwischen umtriebigen Genießern und geschäftstüchtigen Gastronomen vermutet, der liegt was „Osterie d´Italia“ betrifft komplett daneben. Das Buch ist in all den Jahren, ohne Ausnahme, ein absolut zuverlässiger Begleiter und Ratgeber bei Reisen durch die italienischen Regionen geblieben.
Mittlerweile werden mehr als 1700 Gasthäuser in ganz Italien und im Tessin beschrieben. Davon sind 155 Lokale neu in den Führer aufgenommen worden. Der Führer ist sortiert nach Regionen und darin alphabetisch nach den Orten, in denen Lokale beschrieben werden. Eine kleine Schnecke neben dem Namen des Lokals zeichnet diese Osterie als besonders beachtenswert aus. Diese Auszeichnung haben in der diesjährigen Ausgabe 210 Gasthäuser erhalten.

Im Vorwort zur jährlichen Ausgabe finden sich immer auch Worte zur Entwicklung der italienischen Gasthäuser. Nach nunmehr 18 Jahren wohltuender „Propaganda“ für diese kleinen Helden der regionalen Küche, ist zwar die auch in Italien grassierende Internationalisierung und Nivellierung der Restaurantküchen nicht gestoppt. In einer nicht gerade kleinen Nische (also eigentlich falsch, so darüber zu sprechen) haben sich die Osterien und Trattorie auch dank dieses formidablen Führers und Werbeträgers kulinarisch entwickeln und ökonomisch halten können.
Ein Grund zur Freude, die sich im diesjährigen Vorwort mal nicht durch einen prosaischen und bilanzierenden Text äußert, sondern durch eine kleine Geschichte, aufgeschrieben von Giovanni Ruffa und John Irving. Wir möchten daraus kurz zitieren und allen Freundinnen und Freunden der italienischen Küchen dieses Werk empfehlen:

„November. Über dem Belbotal hängt der Nebel. Die Bauern sammeln die ersten Karden ein, An einem Tisch der Osteria sitzend, trinken wir in kleinen Schlucken das letzte Glas Gattinara. Pietro hat ihn aus seinem Keller ohne Boden gefischt. Es ist ein aller Jahrgang, wie man früher den Wein gemacht hat, ohne das technische Teufelszeug, das ihn traurig stimmte. Vielleicht hat er deshalb dieses Tannin, das ein wenig den Mund zusammenzieht. Aber in diesem Moment, nach dem Carne cruda, den viereckigen Ravioli, den Kichererbsen mit Rippchen, dem Kaninchen aus dem Ofen und dem Murianengokäse ist er genau das, was wir brauchen (…) In der Zwischenzeit wird es draußen ein wenig dunkel. Schließlich sitzen wir seit fünf Stunden hier. Das ist das Slow Leben.
Pietro! Bring die Spielkarten. Wenn Bruna uns nicht holen kommt, bleiben wir die Nacht über hier. (…)“


Genre: Reisen
Illustrated by Hallwag München