Great Apes

Der Künstler Simon Dykes ist im Londoner Nachtleben mit seinen Freunden unterwegs und konsumiert reichlich Drogen und Alkohol. Soweit also alles ganz normal, doch als er am nächsten Morgen erwacht, muss er entsetzt feststellen, dass sich seine Gefährtin Sarah in eine Schimpansin verwandelt hat. Damit nicht genug: Die ganze Welt ist von Affen bevölkert und Menschen gibt es (außerhalb afrikanischer Reservate) nur in Zoos zu bestaunen.

Simon wird nach längerem Aufenthalt in der Psychiatrie schließlich in die Obhut des erfahrenen Wissenschaftlers Dr. Zack Busner entlassen, der die Ursachen dieser offenkundigen Geisteskrankheit erforschen und den Patienten auf den rechten Pfad der Schimpansenheit zurückführen soll. Dank der hingebungsvollen Geduld des ambitionierten Doktors stellen sich alsbald erste vielversprechende Fortschritte ein; gleichwohl wird Simon aber immer wieder von verstörenden Erinnerungen an ein vermeintliches Menschendasein geplagt…

“Great Apes” ist ein großartiger Roman, wenn der Leser bereit ist, dem Autor zu folgen und vorbehaltlos in eine fremde Welt einzutauchen, die sich nach den Regeln der Schimpansen dreht, in der Rangkämpfe und pausenlose Paarungen im Vordergrund stehen. Mit viel Liebe zum Detail und ausgefeilter Sprache erschafft Will Self nicht nur konsequent neue Begriffe (Ersetzen von “Mensch” durch “Schimpanse”), sondern ein eigenes Universum mit elegantem Wortwitz, was die Lektüre im Original allerdings nicht gerade erleichtert. Natürlich erinnert das Buch an die “Planet der Affen”-Filme, die übrigens auch vorkommen, selbstredend mit vertauschten Rollen.

Fazit: Ein intelligentes Lesevergnügen, bei dem bisweilen das Lachen im Halse steckenbleibt.


Genre: Humor und Satire
Illustrated by Bloomsbury Paperbacks

In One Person

Bill Abbot ist fast 70 und blickt zurück auf ein bewegtes Leben. Aufgewachsen in einem Provinzkaff in Vermont stellt er früh fest, dass er sich zu Frauen und Männern gleichermaßen hingezogen fühlt; wahrlich keine einfache Prüfung in den prüden und bigotten 50er Jahren. Seine Familie steigert die Verwirrung noch: Da gibt es den Großvater, der im ortsansässigen Theater vorzugsweise Frauenrollen spielt, den Vater, der unter mysteriösen Umständen verschwand und die Mutter, die unter der zerbrechlichen Schale harte Geheimnisse bewahrt.

Dennoch verleugnet er seine Vorlieben nicht und geht seinen Weg, kämpfend dabei nicht nur gegen die Vorurteile und Anfeindungen der Heteros, sondern ebenso mit dem Misstrauen der Homos. Hilfe und Unterstützung findet Bill dabei in der Literatur und so verwundert es nicht, dass er (wie so viele Irving-Helden) schließlich selbst Autor wird. Er findet viele Liebschaften (beiderlei Geschlechts) und einige Freunde, von denen allerdings etliche das AIDS-Zeitalter nicht überstehen. Bill bewahrt sich trotzdem seine Empathie und Menschlichkeit; er bleibt ein suchender Erkunder.

Es fällt nicht leicht, zu diesem Roman eine klare und stringente Inhaltsangabe zu liefern; zu umfangreich ist der Plot und zu ausschweifend Irvings Erzählstil. Geboten wird definitiv keine leicht verdauliche Kost, auch wenn des Autors feinsinniger Humor und seine Vorliebe für skurrile Charaktere (Bären gibt es diesmal keine, dafür wieder mal Ringer) durchaus ihren Platz finden. Andererseits gehen die minutiös geschilderten Leiden sterbender AIDS-Patienten tief unter die Haut, ebenso wie die Nöte der Homo-, Bi- und Transsexuellen in der freien Welt der USA.

Ich habe den Eindruck, John Irving schreibt seine Bücher mit zunehmendem Alter immer kompromissloser: Wenn in früheren Werken sexuelle Inhalte eher zurückhaltend angedeutet wurden, ist die Sprache jetzt explizit und lässt an Offenheit nichts zu wünschen übrig. Auch bei politischen Themen positioniert er sich inzwischen so eindeutig, wie er das kürzlich in Interviews vor der US-Präsidentenwahl getan hat.

Irving ist einer der Großen der Weltliteratur, das bestätigt er wieder einmal mit seinem neuen Roman. “In One Person” ist ein kraftvolles Buch mit vielen Facetten, mal heiter, mal tragisch, aber stets zutiefst anrührend. Der Autor überzeugt wie immer mit seinen Ideen und Anliegen, das wichtigste davon ist diesmal das überaus eindringliche Plädoyer für die Toleranz der Vielfalt.


Genre: Romane
Illustrated by Simon & Schuster

Kayla and the Devil

Kayla ist 19, gut betucht, sieht umwerfend aus und hat dennoch ein Problem: Seit einiger Zeit wird sie von ihren Mitmenschen wie eine Aussätzige behandelt, auch Freunde und verflossene Liebhaber wollen partout nichts mit ihr zu tun haben. Des Rätsels Lösung erfährt sie bei einem Treffen mit dem Teufel, der höchstpersönlich verantwortlich ist für den Fluch, aber natürlich auch gerne bereit ist, ihr altes Leben wieder herzustellen. Allerdings gibt es bekanntlich nichts umsonst und der Preis in diesem Fall ist nicht nur Kaylas Seele, sondern auch ein Menschenopfer, das binnen einer Woche zu erbringen ist…

Bryan Smith schreibt erfrischend flott und lässt zu keiner Zeit Langeweile aufkommen, sein Stil erinnert an Edward Lee und Richard Laymon. Witzige Ideen (in diesem Roman wird Jack the Ripper wieder lebendig und sorgt für allerlei Aufregung) und viel schwarzer Humor bescheren ein höchst unterhaltsames Lesevergnügen; für Horrorfans lohnt es sich definitiv, diesen Autor zu entdecken, zumal etliche seiner Werke mittlerweile auch auf Deutsch vorliegen. Bryan Smith veröffentlicht seine E-Books inzwischen im Selbstverlag, es handelt sich also um echte Schnäppchen!


Genre: Horror
Illustrated by Bitter Ale Press

Where the Shadows lie

Magnus Jonson, ein Bostoner Cop, hat Ärger mit einem Drogenkartell, dessen Boss ihm nach dem Leben trachtet. Deshalb nimmt man ihn –im wahrsten Sinne des Wortes- aus der Schusslinie und schickt ihn nach Island, wo er aufgewachsen ist. Die dortigen Kollegen empfangen den Fremden mit einer Mischung aus Misstrauen und Neugier, aber sie können seine Erfahrung gut gebrauchen, haben sie doch einen Mord aufzuklären und das kommt in Island nicht alle Tage vor.

Das Opfer ist ein Literatur- und Sprachprofessor, der sich außer mit diversen Studentinnen vor allem auch mit isländischen Legenden und Sagen beschäftigt hatte. Der Gelehrte scheint einer ganz großen Sache auf der Spur gewesen zu sein, eine bisher unentdeckte geheime Sage über einen magischen Ring, die Vorbild sowohl für das Nibelungen-Epos als auch für Tolkiens “Herr der Ringe” gewesen sein soll.

Magnus geht diversen Hinweisen nach und stößt nebenbei auf dunkle Geheimnisse der eigenen Familie, als sich plötzlich eine sensationelle Spur ergibt: Der Zauberring könnte tatsächlich existieren und sich eben jetzt in Island befinden! Ist seine Macht etwa verantwortlich für die ganzen Verbrechen?

Krimi-Routinier Michael Ridpath hat mit “Where the shadows lie” (deutscher Titel “Fluch”) einen wirklich unterhaltsamen Roman abgeliefert. Geschickt versteht er es dabei, die Mythen und den Kult rund um Tolkiens Jahrhundertwerk in eine Mordgeschichte der Gegenwart einzubauen und sichert sich damit schon mal das Interesse der Millionen Herr der Ringe-Fans weltweit.

Eine flotte Schreibe, Charaktere, die überzeugend handeln sowie die Einbindung der spektakulären Natur und Landschaft Islands, ohne dass dadurch der Plot erdrückt wird, tun ein Übriges, um dieses Buch aus der unüberschaubaren Masse des Angebots in diesem Genre herausragen zu lassen. Niveauvoll spannende Unterhaltung, nicht mehr, aber bestimmt auch nicht weniger!


Genre: Kriminalromane
Illustrated by Corvus

Horns

Iggy Perrish erwacht nach einer Nacht, in der er schlimme Dinge getan hat, reichlich verkatert und muss feststellen, dass ihm Hörner aus der Stirn gewachsen sind. Aber das ist nur ein weiterer Stein in dem Rucksack, den er mit sich herumschleppt, denn er wird immer noch verdächtigt, vor einem Jahr seine Freundin erschlagen zu haben. Schnell merkt Iggy, dass die neuen Körperteile mit einer besonderen Gabe ausgestattet sind: Sobald jemand sie erblickt, verfällt er in eine Art Trance und plaudert bereitwillig die dunkelsten Geheimnisse seines Lebens aus. Auf diese Weise entdeckt Iggy rasch die Identität des wahren Mörders und plant seine Rache. Ganz so einfach ist das jedoch nicht, denn seine Fähigkeiten sind begrenzt und sein Körper beginnt, sich weiter zu verändern…

Joe Hill ist mit „Horns“ erneut ein höchst veritabler Horrorthriller gelungen, flott und verdammt spannend geschrieben, dazu eine Menge schwarzer Humor gewürzt mit Empathie, eine exquisite Mischung. Natürlich ist der Leser versucht (ich nehme mich da nicht aus), in seinen Büchern Parallelen zum Werk des berühmten Vaters zu finden, aber das sollte man der Fairness wegen unterlassen; es ist auch nicht nötig, denn der Autor kann sehr gut auf eigenen Füßen stehen. Nach einem rasanten Start erfolgen dann etliche Rückblenden mit einigen Längen, aber die Protagonisten sind allesamt stimmig in die Handlung eingebaut, die beim Leser zu keinem Zeitpunkt Langeweile aufkommen lässt. Außerdem: Wer ein Kapitel seines Buchs mit „The Gospel according to Mick and Keith“ betitelt, hat nichts anderes als die Höchstwertung verdient!


Genre: Horror
Illustrated by Gollancz

Wie Autoren ihre unbewussten Kräfte aktiv nutzen können

Wohl jeder, der regelmäßig schreibt, sei es beruflich oder auch einfach nur aus Spaß an der Freud’ kennt folgende Situation: Man sitzt vor dem Monitor/der Schreibmaschine/einem Blatt Papier und wartet darauf, dass sich dort möglichst geistreiche Sätze von selbst materialisieren, da das eigene Gehirn beschlossen hat, es heute mal etwas ruhiger angehen zu lassen. Es muss sich dabei ja nicht gleich um eine ausgewachsene Schreibblockade handeln, nein, es reichen schon ein wenig Ablenkung, fehlende Fokussierung, die teuflische Versuchung der Prokrastination oder tausend andere Dinge. Blöd nur, wenn der zu erstellende Text keinen Aufschub mehr duldet.

In Fällen wie diesen empfiehlt es sich, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen und zwar diesen Ratgeber von Rupi Frieling. Der Autor greift hier ganz tief in seine Trickkiste und steigt hinab in das Unterbewusstsein, um dem Leser (bzw. dem Schreiber) zu helfen, dort verborgene Schätze zu bergen. Und Frieling weiß fürwahr, wovon er spricht, hat er sich doch schon sein ganzes Leben höchst erfolgreich mit Literatur beschäftigt, sei es als Leser, als Autor oder als Verleger.

Allerdings hat das Buch weit mehr zu bieten als pfiffige Psycho-Tipps, es wartet mit vielen Beispielen von Größen der Literaturgeschichte auf und gibt hilfreiche Ratschläge in allen Belangen des Schreibens und Veröffentlichens. Das Wichtigste jedoch: Es macht dem angehenden Autor Mut, sein Ziel zu verfolgen, und zwar von der ersten bis zur letzten Seite. Frieling geht dabei mit bestem Beispiel voran, denn alleine schon wegen des Vergnügens der fein geschliffenen bilderreichen Sprache lohnt es sich, dieses Buch zu lesen.


Genre: Ratgeber
Illustrated by Internet-Buchverlag Berlin

Throttle

Vince ist der Anführer einer Motorrad-Gang, bestehend aus Veteranen der Kriege in Vietnam und Irak, darunter auch sein Sohn Race, mit dem ihn ein zwiespältiges Verhältnis verbindet. Da bei einem geplatzten Drogengeschäft die Dinge außer Kontrolle geraten sind, versuchen die Jungs erst einmal Land zu gewinnen, unschlüssig und uneins über das weitere Vorgehen.

Nach einem kurzen Aufenthalt in einer Raststätte bekommen es die Biker aus heiterem Himmel mit einem mächtigen Gegner zu tun: Ein Riesentruck, der sie nacheinander aufs Korn nimmt, scheinbar grundlos gnadenlos Jagd auf sie macht und sie über die menschenleeren Highways hetzt. Nun muss sich die zerstrittene Gruppe zusammenraufen, um eine Chance aufs Überleben zu haben…

Diese Kurzgeschichte ist eine Hommage an Richard Matheson’s “Duell”, das unter dem gleichnamigen Titel von Steven Spielberg erfolgreich verfilmt wurde. Zwangsläufig fehlt den Protagonisten etwas die Tiefe, aber dafür werden Action und Spannung gekonnt hochgehalten, dem Leser bleibt kaum Zeit zum Luftholen. Reizvoll dabei auch aus Sicht der Autoren der Vater-Sohn-Konflikt in der Geschichte, handelt es sich bei Joe Hill doch um den ältesten Sohn von Stephen King.

Die beiden haben ihre Kooperation souverän hinbekommen, man darf getrost annehmen, dass Großmeister King eher für die Entwicklung der Story zuständig war und dem Sohnemann die drastische Schilderung graphischer Details überlassen hat. Und ja, im Gegensatz zu Spielbergs Film wird auch ein Motiv für die Handlungen des durchgeknallten Truckers geliefert.

“Throttle” ist beispielhaft für die Möglichkeiten des eBook, die gerade Stephen King schon früh erkannt hat, er bietet den Fans hier einen schnellen Happen für zwischendurch und verkürzt ihnen so die Wartezeit bis zum nächsten 900-Seiten-Wälzer.


Genre: Kurzgeschichten und Erzählungen
Illustrated by William Morrow

The Mirage

Am 09. November 2001 steuern christliche Fundamental-Terroristen Flugzeuge in die Wolkenkratzer der UAS-Metropole Bagdad, ermorden damit Tausende von Menschen und erschüttern die wirtschaftliche und militärische Supermacht United Arab States bis ins Mark. Der Gegenschlag lässt nicht lange auf sich warten und so beginnt man mit dem Verbündeten Israel die Invasion Amerikas, einem unbedeutenden Drittweltland, das als Drahtzieher der Anschläge und Heimat der Terroristen vermutet wird.

Acht Jahre später ist die angestrebte Zivilisierung Amerikas und Überführung in eine Demokratie immer noch nicht abgeschlossen und die Gefahr von Terroranschlägen im eigenen Land unverändert hoch. Mustafa, Amal und Samir arbeiten für Homeland Security und es gelingt ihnen, einen christlichen Selbstmordattentäter dingfest zu machen, der eine unglaubliche Geschichte zu erzählen hat: In Wahrheit wäre Amerika die fortschrittliche Supermacht und die zerstrittenen arabischen Länder befänden sich auf unterentwickeltem Niveau, als Beweis zeigt er den Ermittlern eine amerikanische Zeitung vom 12. September 2001.

Mustafa und seine Kollegen bekommen von höchster Stelle der Regierung den Auftrag, diesen mysteriösen Fall zu untersuchen und stoßen schon bald auf weitere Spuren: Der dubiose Unterweltsboss Saddam Hussein ersteigert regelmäßig im Internet Artefakte aus der vermeintlichen Parallelwelt und auch Senator Osama bin Laden, dem enge Verbindungen zum Geheimbund Al Kaida nachgesagt werden scheint daran sehr interessiert. Eine Reise nach Amerika soll schließlich des Rätsels Lösung bringen…

Matt Ruff hat es wieder einmal geschafft, seine Fans mit dieser fantastischen Geschichte zu überraschen und begeistert wie gewohnt mit einem mitreißenden Plot, dessen Details liebevoll sorgfältig ausgearbeitet sind: Die beliebteste TV-Serie der UAS ist der Echtzeit-Thriller “24/7 Jihad”, die Musik-Charts werden angeführt von der Punk-Band Green Desert mit ihrem Hit “Arabian Idiot” und der Gouverneur des Libanon war in seinem früheren Leben ein populärer Action-Filmheld. Und natürlich fehlen auch nicht die Protagonisten auf der anderen Seite, zu viel soll hier allerdings nicht preisgegeben werden.

Indem der Autor die persönlichen Geschichten der drei Hauptfiguren mit den politischen Bedingungen verknüpft, zeigt er auch den ganz normalen Alltag in einem islamischen Land, das hin- und hergerissen ist zwischen Säkularisierungsbemühungen moderner Aufklärung und reaktionärer Reglementierung der traditionellen Religion, eben ganz so wie heute in den realen USA. Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass Matt Ruff auch in seinem neuen Werk mit sprachgewaltigem Wortwitz glänzt, Bücher wie diese sorgen beim Leser für ungetrübte Freude!


Genre: Romane
Illustrated by Harper

Mordsviecher

Im Landkreis Garmisch wird die Leiche eines Unternehmers gefunden, inmitten unzähliger Tiere, Pferde, Hunde und Kaninchen, aber eben auch Reptilien und fast alle davon in einem erbärmlichen Zustand. Der Tote war ein äußerst erfolgreicher Daunenproduzent, bayerischer Unternehmer des Jahres und betrieb aktive PR in Sachen Tierschutz und Ökologie. Kommissarin Irmi Mangold und ihr Team ermitteln rasch die Todesursache: Gift einer schwarzen Mamba. Dann aber wird es schwierig, denn der vermeintliche Saubermann hatte nicht nur Feinde unter den Tierschützern, sondern auch genügend Neider im Kreis seiner Wirtschaftsfeinde und selbst innerhalb der Familie waren ihm nicht alle wohl gesonnen. Oder war es doch nur ein Unfall? Fragen über Fragen tun sich auf und zudem kriecht auch noch eine schwarze Mamba irgendwo frei durch das bayerische Alpenland…

Der Roman greift das brisante Problem des “Animal Hoarding” (unkontrolliertes Ansammeln von Tieren) auf, ein Phänomen, das auch hierzulande immer öfter auftritt und engagiert sich für den Tierschutz, eine feine Sache, für die der Autorin Lob gebührt. Allerdings ist das auch so ziemlich der einzig positive Aspekt, den ich diesem Werk abgewinnen kann. Die Handlung schleppt sich für einen Krimi zu zäh und langatmig dahin, die Protagonisten agieren allesamt eindimensional und sind zu wenig facettenreich gezeichnet; sie interessieren den Leser daher nicht sonderlich. Der Versuch, dem Buch etwas Regio-Touch und Lokalkolorit zu verleihen wirkt bemüht und beschränkt sich weitgehend auf die örtlichen Verkehrswege (inklusive detailgetreuer Schilderung Münchener Baustellen); ein paar richtig schräge einheimische Charaktere (und daran besteht ja hier in Bayern kein Mangel!) hätten wohl eher zum Ziel geführt.

Wer den Roman dennoch lesen möchte, kann auch außerhalb des Freistaats bedenkenlos zugreifen, die Verständlichkeit wird jedenfalls nicht durch übermäßigen Dialektgebrauch eingeschränkt.


Genre: Kriminalromane
Illustrated by Pendo

The cold cold ground

Frühling 1981: Während die Menschen im Vereinigten Königreich der Märchenhochzeit von Prince Charles und Lady Di entgegen fiebern, hat man in Belfast auch noch andere Probleme. Im Maze-Gefängnis kämpfen die Gefangenen der IRA mit Hungerstreiks für bessere Haftbedingungen und eine ihrer Ikonen, Bobby Sands, ist gerade gestorben. Premierministerin Thatcher (“The dragon lady with no fucking heart” (Jello Biafra)) ist wieder einmal wild entschlossen, Härte zu demonstrieren und so droht der seit Jahren latente Bürgerkrieg in Nordirland endgültig zu eskalieren.

Sean Duffy, katholischer Polizeipsychologe, hätte also eigentlich schon genug zu tun, als kurz nacheinander zwei Homosexuelle ermordet werden; jeweils versehen mit kryptischen Botschaften. Als dann auch noch bekannt wird, dass einer der Toten Kontakte zur IRA hatte, wird die Lage für Duffy richtig prekär, denn egal, ob Serienkiller oder politisch motivierte Morde, der Ermittler gerät schnell zwischen die Fronten protestantischer und katholischer Kämpfer…

Dieser Roman ist nicht nur ein exzellent geschriebener packender Thriller sondern dank der historischen Umstände, in die er eingebettet ist, auch ein höchst interessantes Dokument der Zeitgeschichte. Dem Autor, der selbst in Belfast aufgewachsen ist, gelingt es in überzeugender Manier, die beklemmend klaustrophobische Atmosphäre dieser Tage zu erfassen, zum Beispiel die Suche nach Autobomben vor jedem Fahrtantritt. McKinty enthält sich dabei weitgehend politischer Statements, macht aber auch sprachlich überzeugend klar, dass sich die Methoden der Kombattanten doch verblüffend ähneln. Ich freue mich jedenfalls schon auf das nächste Buch aus dieser Reihe!


Genre: Thriller
Illustrated by Serpent\'s Tail

Das Depot des Teufels

Die Absurdität des Alltags, die skurrile Dialektik des menschlichen Tuns und Lassens, die normative Schwäche des Faktischen; niemand kleidet mehr oder weniger existenzielle Episoden aus dem Leben geistreicher und witziger in Worte als Ruprecht Frieling. Diesmal brilliert der Autor in den Disziplinen Sport und Fitness, Kindernamen, Süßigkeitensucht, Vergesslichkeit, Tankstellendisko, digitale Bohème und etlichen mehr.

In 15 Geschichten serviert er dem Leser einen Teller mit feinstem Konfekt (um eines der Themen zu bemühen), lauter kleine köstliche Preziosen, vor deren Verzehr allerdings kein Arzt oder Apotheker befragt werden muss, Genuss ohne Reue! Leider stellen sich nach der Lektüre weder Völle- noch Sättigungsgefühle ein, denn Frieling verzichtet auf derben Klamauk und platte Kalauer, zum Zuge kommen vielmehr der geistreiche Wortwitz und die distanzierte Selbstironie, für die man ihn schätzen gelernt hat. Bitte mehr davon, und zwar schnell!


Genre: Humor und Satire
Illustrated by Internet-Buchverlag Berlin

Carte Blanche

In Serbien droht nach Zündung eines Sprengsatzes ein Zug mit Giftgas zu entgleisen und so trifft es sich gut, dass James Bond gerade noch rechtzeitig zur Stelle ist, um eine Katastrophe zu verhindern. Der britische Geheimdienst hatte das Fragment einer Nachricht abgefangen, nach der ein Anschlag mit Tausenden von Toten bevorsteht; nähere Umstände allerdings ungewiss. 007 macht sich also auf die Suche und eine Spur führt ihn bald zu dem undurchsichtigen Geschäftsmann Severan Hydt, Spezialist in Sachen Abfallbeseitigung mit morbid nekrophilen Neigungen. Doch damit nicht genug, nebenbei versucht der Super-Spion auch noch, den mysteriösen Tod seiner Eltern aufzuklären…

“Carte Blanche” bietet alles, was man von einem Bond-Roman (oder Film) erwarten darf: Schöne Frauen, exotische Schauplätze, trockene Drinks und ebensolcher Humor, böse Bösewichter, strahlende Helden, technische Wunderwerke und aufregende Verfolgungsjagden mit schnellen Autos. Mit Jeffery Deaver konnte ein erfahrener Genre-Autor gewonnen werden, der sein Handwerk versteht und es als Ehre und Verpflichtung empfindet, die berühmte Reihe fortzuführen, dabei aber auch willkommene neue Akzente setzt. Deaver ist ja berüchtigt dafür, stets mit unerwarteten Wendungen in seinen Geschichten den Leser zu überraschen und spielt diese Karte natürlich auch diesmal aus.

Fazit: Frischer Wind bei einem Klassiker der Agentenliteratur sorgt für spannendes Lesevergnügen auf hohem Niveau!


Genre: Thriller
Illustrated by Simon & Schuster

Wie man erfolgreich E-Books verkauft

Sie veröffentlichen Liebesromane, Klassiker, Krimis, Western, Fantasy-Schmöker, Thriller, Horror oder Ratgeber; verschiedene Charaktere, angetrieben von verschiedenen Motiven und Zielen und doch ist ihnen eines gemeinsam: Alle waren sie im Jahr 2011 mit ihren E-Books auf der deutschen Kindle-Hitliste der erfolgreichsten Bücher, ohne dabei von den großen etablierten Verlagen gepusht worden zu sein.

Ruprecht Frieling, seines Zeichens selbst erfahrener Verleger und Erfolgsautor, ist es gelungen, die Stars der Indie-Elektrobuchszene exklusiv zu interviewen und das Ergebnis ist nicht nur für Branchenkenner und Insider höchst interessant. Die Gespräche sind durchaus in lockerem Plauderton geführt, aber dennoch alles andere als oberflächlich und belanglos; bereitwillig berichten die Befragten über ihre Verkaufszahlen, Strategien und Pläne und animieren somit Ambitionierte zur Nachahmung.

Deutlich wird dabei immer wieder, dass Qualität zwar unabdingbar, aber alleine nicht ausreichend ist, die Werke wollen auch entsprechend beworben und kommuniziert werden. Natürliches bietet sich dafür das Internet mit seinen gut vernetzten social communities an, Facebook, Twitter, Google+, Blogs, etc. Und noch eine Lehre lässt sich aus der Lektüre von Frielings neuem Buch ziehen: Die „Holzbuch“-Verlage in Deutschland stehen dem nicht mehr ganz so neuem Phänomen immer noch erschreckend hilflos gegenüber und drohen – nicht zuletzt wegen ihrer bizarren Preispolitik – den Anschluss zu verlieren.

Im letzten Kapitel widmet sich der Verfasser – quasi als Zugabe – noch dem Konzept des amerikanischen Kindle-Königs John Locke, der seine E-Books zielgruppengerecht schreibt und damit millionenfachen Erfolg hat. Fazit: Dieses Buch ist nicht nur unverzichtbar für angehende Elektro-Autoren, sondern bietet auch allen anderen Interessierten beste Unterhaltung in der von Frieling gewohnten exzellenten Qualität!


Genre: Ratgeber
Illustrated by Internet-Buchverlag Berlin

Toter geht’s nicht

Henning Bröhmann ist Kriminalhauptkommissar in der mittelhessischen Provinz und pflegt am liebsten sein Phlegma. Damit ist es jedoch schlagartig vorbei als ihn seine Frau verlässt, die eine Auszeit braucht und nach dem Faschingsumzug ein toter Tod entdeckt wird. Nun ist der Kommissar gefordert; er muss die Kinder und Hund Berlusconi versorgen und einen Mörder suchen, dessen Opfer zunächst keinerlei Anhaltspunkte liefert. Entsprechend schleppend gestalten sich die Ermittlungen, sie bescheren schaurige Schlagergalas und ungebetene väterliche Ratschläge, nichts was wirklich weiterhilft. Doch dann gibt es einen zweiten Toten…

Dietrich Faber, der bisher hauptsächlich kabarettistisch tätig war, hat mit “Toter geht’s nicht” ein durchaus respektables Romandebüt abgeliefert. Seine Herkunft kann (und will) er dabei freilich nicht verleugnen, denn trockener Humor und Satire mit bewusst bedienten Klischees überwiegen im Buch, der kriminalistische Teil mit der eher zufälligen Auflösung des Falles ist eher Beiwerk. Dennoch funktioniert der Roman als erster Teil einer Serie, die Figuren werden eingeführt und können deshalb entsprechend ausführlich in ihrem Lebensumfeld verankert werden.

Das Buch ist flüssig geschrieben und witzig, der Kommissar als plötzlich alleinerziehender Vater sympathisch und auch die anderen Charaktere kommen stilsicher daher, Leute eben, wie es sie nicht nur in der hessischen Provinz gibt. Mundart kommt kaum vor, die Leserschaft muss also nicht regional beschränkt werden.

Fazit: Macht richtig Spaß, Fortsetzung erbeten und beim nächsten Mal vielleicht etwas mehr Krimielemente.


Genre: Kriminalromane
Illustrated by Rowohlt Polaris

A Berlin Trilogy

Band 1: Rosa

Berlin 1919: Die Hauptstadt ist arg gebeutelt von den Irrungen der Nachkriegszeit und den Wirrungen der deutschen „Revolution“ und zu allem Überfluss hat es Kripo-Kommissar Hoffner auch noch mit einem Serienmörder zu tun, der seinen Opfern exzentrische Muster in den Rücken schneidet. Die Ermittlungen laufen auf Hochtouren, doch dann nimmt der Fall eine überraschende Wendung, als ein neues Opfer entdeckt wird: Rosa Luxemburg. Die Gründerin und Führerin der Kommunistischen Partei Deutschlands war seit dem gescheiterten Spartakus-Aufstand vermisst und Hoffner wird schnell klar, dass sich dadurch alles verändert. Nun muss er nicht nur einen Mörder suchen, sondern sich auch mit den verschiedenen politischen Strömungen dieser unruhigen Zeit befassen ohne zwischen deren Fronten zu geraten, denn die Polpo (Politische Polizei) wartet nur darauf, dass er einen Fehler macht…

Band 2: Shadow and Light

Berlin 1927: Kommissar Hoffner wird zu den Ufa-Filmstudios in Babelsberg zitiert um einen vermeintlichen Selbstmord zu untersuchen. Doch wie im Film sind die Dinge nicht so wie sie scheinen und Hoffner findet viel mehr Fragen als Antworten: Ist es wirklich möglich, Filme mit Ton zu produzieren? Wer könnte Interesse an Pornos haben? Was genau wollen die Amerikaner aus Hollywood? Und welche Rolle spielt eigentlich der egomanische Regisseur Fritz Lang? So beginnt eine lange Reise, die den Kommissar zu den dunklen Seiten Berlins führt, Drogen, Sex und Dekadenz als scharfer Kontrast zur Ufa-Scheinwelt. Aber er hat auch noch private Angelegenheiten zu regeln, seine Söhne drohen ihm zu entgleiten und besonders der Ältere unterhält ungesund engen Kontakt zu einer neuen politischen Gruppierung und einem kleinen hinkenden Mann namens Joseph Goebbels…

Band 3: The Second Son

Berlin 1936: Die Stadt wird herausgeputzt für die Nazi-Olympiade und Kommissar Hoffner muss den Dienst quittieren, seine Mutter war Jüdin. Er hat auch sogleich Verwendung für die neu gewonnene Zeit, denn er reist nach Barcelona, wo sein Sohn Georg vom Ausbruch des spanischen Bürgerkriegs überrascht wurde und seitdem als vermisst gilt. Dort angekommen gerät er schnell in einen Strudel aus Misstrauen und Verrat, finstere Machenschaften ausländischer Geheimdienste und natürlich zwischen die Fronten der verschiedenen einheimischen Kämpfer. Tatsächlich findet er Spuren seines Sohnes und er nimmt unter meist chaotischen Umständen die Verfolgung auf. Doch Eile ist geboten, denn die Zeit ist knapp und die faschistischen Franco-Rebellen rücken immer näher…

Jonathan Raabs Romantrilogie wäre mit der Bezeichnung Kriminalliteratur nur äußerst unzureichend etikettiert, bietet sie doch sehr viel mehr. Personen der Zeitgeschichte wie Albert Einstein oder Fritz Lang werden in einer Mischung aus Fakt und Fiktion in den historisch politischen Hintergrund eingebunden und verleihen dem Werk dadurch eine faszinierend dichte Atmosphäre. Kommissar Hoffner ist der tragische Anti-Held, ein einsamer Wolf, stets zum Scheitern verurteilt, vom Leben bestraft durch zahlreiche Nackenschläge, die im letzten Buch allerdings für meinen Geschmack ein wenig zu heftig ausfallen.

Aber zumindest die ersten beiden Romane haben noch eine zweite Hauptfigur und die heißt Berlin. Dem Autor gelingt es überzeugend, die Stimmungen einzufangen, mal melancholisch, mal morbide dekadent, auch düster und bedrohlich, wenn er den sich schon früh abzeichnenden Aufstieg der Nazis und ihrer Helfer beschreibt, Berlin noir in Reinkultur. Die Sprache ist dazu passend dicht und intensiv, beschränkt auf das Wesentliche, befreit von überflüssigem emotionalem Ballast. Wer sich auf diese Art von Literatur einlässt, dem sei die Berlin-Trilogie wärmstens ans Herz gelegt, ich jedenfalls hätte etwas versäumt, wenn ich auf die Lektüre verzichtet hätte.


Genre: Romane
Illustrated by Halban